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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.09.2002
Aktenzeichen: 22 W 43/02
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 6
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 n.F.
ZPO § 116 Abs. 1 Nr. 1
GKG § 12 Abs. 1 S. 1
GKG § 19 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

22 W 43/02

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und die Richterin am Landgericht Dr. Jung-Walpert

am 10.09.2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 27.05.2002 - Az. 5 O 355/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des vom Antragsteller zum Zwecke der Klageerhebung gestellten Prozesskostenhilfegesuchs ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO n.F. statthaft und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet. Es kann dahinstehen, ob dem Landgericht bereits darin zu folgen ist, dass die vom Antragsteller beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Jedenfalls hat der Antragsteller, wie in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zu Recht ausgeführt wird, die Voraussetzungen einer Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in wirtschaftlicher Hinsicht nicht ausreichend dargetan und außerdem nicht glaubhaft gemacht.

Es fehlt bereits an einer eingehenden und nachvollziehbaren Darlegung der Masseunzulänglichkeit. Der Antragsteller hat zwar die liquiden Mittel aufgrund seines letzten Abwicklungsberichts vom 16.01.2002, welchen er nicht vorlegt, mit DM 4.939,98 bzw. EUR 2.525,77 konkret angegeben (Bl. 92); inwieweit diesem Guthaben indes Massekosten gegenüberstehen, hat er nur pauschal und unsubstantiiert vorgetragen. So gibt er für die zu erwartenden Verfahrenskosten und die voraussichtlichen weiteren Masseverbindlichkeiten einen Gesamtbetrag von DM 40.000,-- an (Bl. 8, 93, 108), ohne diesen auch nur annähernd darzutun, obgleich ein Großteil dieser Kosten angesichts des seit nahezu zwei Jahren laufenden Insolvenzverfahrens hätte konkret benannt werden können, namentlich die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters und diejenigen zur Erstellung der Steuererklärungen für die zurückliegenden Jahre.

Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob bei der Ermittlung des Masseguthabens nicht weitere, kurzfristig zu realisierende Mittel zu berücksichtigen sind. Zwar kann - jedenfalls in diesem Zusammenhang - eine etwaige Reduktion der ursprünglich von der Antragsgegnerseite veranschlagten Steuerschuld nicht masseerhöhend in Ansatz gebracht werden, da dieser Umstand entgegen der Annahme des Landgerichts vorliegend zu keiner entsprechenden Steuererstattung und damit Vermehrung der Masse zu führen vermag. Denn die in Rede stehenden Steuerschulden wurden bislang unstreitig nicht beglichen; insofern wirkt sich deren Reduktion allenfalls auf den Umfang der gegen die Schuldnerin bestehenden Forderungen aus.

Allerdings hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.08.2002, S. 2 (Bl. 134) erwähnt, dass durch ihn Forderungen wegen Sicherheitseinbehalten in Höhe von insgesamt DM 32.180,38 geltend gemacht würden, ohne erkenntlich zu machen, inwiefern er damit bereits Erfolg hatte und in welchem Verfahrensstadium sich diese Geltendmachung befindet. Zwar kann Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung verweigert werden, dass der Insolvenzverwalter zunächst andere Schuldner in Anspruch nehmen müsse, um ausreichend Masse zur Durchführung des Rechtsstreits zur Verfügung zu haben (OLG Frankfurt, InVo 2001, 321, 322). Andererseits ist ein kurzfristig oder zumindest in absehbarer Zeit zu realisierender Zufluss von Geldmitteln zu berücksichtigen, wenn damit genügend liquide Mittel zur Vorschussleistung für das beabsichtigte Verfahren zur Verfügung stehen (vgl. dazu auch KG, InVo 2000, 202; noch weitergehend OLG Naumburg, ZInsO 2002, 540, das sogar das Vorhandensein werthaltiger Forderungen ausreichen lässt, um Masseschulden aufzuwiegen). Ob eine derartige Situation vorliegend besteht, kann mangels ausreichenden Vortrags durch den Antragsteller nicht abschließend beurteilt werden.

Selbst wenn jedoch entsprechend dem Vorbringen des Antragstellers von einer Überschuldung der Masse im Umfang von DM 35.000,-- auszugehen wäre, so könnte aufgrund seiner Darstellung nicht festgestellt werden, dass die weitere Voraussetzung einer Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme der am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten, gegeben wäre. Vorliegend kommt eine Inanspruchnahme der Insolvenzgläubiger in Betracht, namentlich derjenigen, welche Forderungen im Umfang von DM 30.000,-- und mehr an die Schuldnerin stellen.

Den Gläubigern unbestritten gebliebener Insolvenzforderungen ist es im allgemeinen zuzumuten, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen, wenn sie bei einem Erfolg der Klage mit einer erheblichen oder vollen Befriedigung ihrer Forderungen rechnen können (vgl. BGH NJW 1997, 3318, 3319; OLG Frankfurt, OLGR 2001, 153 f.). Auszuschließen sind davon vornehmlich solche Konstellationen, in denen der Kostenbeitrag der Gläubiger hauptsächlich dazu beitragen würde, die Befriedigung von Massegläubigern oder von - nicht zur Kostentragung heranziehbaren - Großgäubigern sicherzustellen (OLG Frankfurt, OLGR 2001, 153 f., und InVo 2001, 231 f.). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall.

Denn bei einer erfolgreichen Durchführung der vom Antragsteller beabsichtigten Klage könnte mit großer Wahrscheinlichkeit ein Betrag von DM 125.000,-- für die Masse realisiert werden, von dem nach Abzug der behaupteten Masseschulden jedenfalls DM 90.000,-- zur Verteilung an die Gläubiger verblieben. Auf die Summe von DM 125.000,-- hatte sich die Schuldnerin im Februar 2001 - während des vorläufigen Insolvenzverfahrens - mit ihrer früheren Auftraggeberin, der P. R. GmbH, vergleichweise zur Abgeltung sämtlicher ihrer Werklohnforderungen aus dem Bauvorhaben L.-K., K.-S., geeinigt (Bl. 38). Die Firma P. R. GmbH verweigert nunmehr die Zahlung des Betrages an den Antragsteller allein unter Hinweis auf eine an sie gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerseite vom 22.09.2000 (Bl. 12), mit welcher wegen einer Gesamtsteuerschuld von DM 378.100,-- die gegen die Drittschuldnerin bestehenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gepfändet worden waren. Der Antragsteller verfolgt mit der beabsichtigten Klage mittelbar die Freigabe und Einziehung des Vergleichsbetrages zur Masse, indem er in erster Linie die Verurteilung der Antragsgegnerseite zum Verzicht auf ihre Rechte aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung begehrt und neben diesem Hauptantrag eine Reihe von Hilfsanträgen stellt, welche allesamt darauf abzielen, eine Berechtigung der Antragsgegnerseite hinsichtlich des Vergleichsbetrages zu negieren. Insofern dient die beabsichtigte Klage zwar nicht unmittelbar der Realisierung dieser Summe für die Masse; die damit beabsichtigte Klarstellung führt jedoch bei unterstelltem Erfolg des Verfahrens zu einer Rechtslage, welche - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zur finanziellen Situation der Drittschuldnerin - aller Wahrscheinlichkeit die Zahlung des Betrages an den Antragsteller zur Folge haben wird. Auch eine solche nur mittelbare Besserstellung der Insolvenzgläubiger ist bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Vorteile, welche durch die beabsichtigte Klage für sie zu erzielen sind, zu berücksichtigen. Denn es kommt nicht allein auf den unmittelbaren Erfolg des Verfahrens, sondern auch auf dessen potentielle finanzielle Auswirkungen mittelbarer Natur an (vgl. etwa OLG Frankfurt, OLGR 2001, 153 f., das für den wirtschaftlichen Erfolg einer Teilklage auf den Gesamtbetrag der geltend gemachten Forderung abstellt; auch OLG Hamburg, NJW-RR 2002, 1054, das den Gewinn einer Nebenintervention an dem erst im Folgeprozess zu realisierenden Kapitalzufluss bemisst).

Da der weit überwiegende Teil des Vergleichsbetrages - bei Realisierung der vom Antragsteller erwähnten Forderungen in Höhe von DM 32.180,38 sogar nahezu der volle Betrag - zur Verteilung an die Gläubiger gelangen würde, ist nicht feststellbar, dass der beabsichtigte Rechtsstreit in erster Linie der Befriedigung von Massegläubigern dient. Ebensowenig kann entgegen der Auffassung des Antragstellers davon die Rede sein, dass durch die Klage hauptsächlich dem Interesse des Finanzamts K.-Nord als Großgläubiger genügt würde, das aufgrund seiner Parteistellung auf der Beklagtenseite nicht zur Vorschussleistung herangezogen werden könnte. Zwar entfiele ein wesentlicher Teil des Vergleichsbetrages auf die Steuerschulden der Schuldnerin; andererseits würde bei erfolgreicher Durchführung des Verfahrens verhindert, dass der gesamte Vergleichsbetrag in dieser Form verwendet würde.

Der Senat vermag dem Antragsteller auch nicht darin zu folgen, dass neben dem Finanzamt K.-Nord keine weiteren Gläubiger vorhanden seien, denen zugemutet werden könnte, mit den Prozesskosten in Vorlage zu treten. Zwar besteht die Zumutbarkeit einer solchen Vorschussleistung vornehmlich für solche Gläubiger, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse und Prozessrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich größer sein wird (vgl. OLG Dresden, InVo 2002, 229;OLG Celle, OLGR 2001, 141). Andererseits kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht notwendig darauf an, dass einer oder mehrere Großgläubiger vorhanden sind, die von einem etwaigen positiven Ausgang des Rechtsstreits in einem Maße profitieren, welches das ihnen aufgebürdete Prozesskostenrisiko zurücktreten lässt. Unabhängig davon, dass der Begriff des Großgläubigers nicht nur vage, sondern auch relativ zum Gesamtvolumen des Insolvenzverfahrens zu sehen ist, sind auch Fallgestaltungen denkbar, in denen einer übersichtlichen Anzahl von Gläubigern zugemutet werden kann, die Vorschussleistung und das Prozessrisiko gemeinsam zu tragen (OLG Köln, MDR 2000, 51 f.). Dabei kann es nicht von Bedeutung sein, dass dem Insolvenzverwalter in solchen Fällen ein erhöhter Aufwand entsteht und das Risiko des Scheiterns seiner Bemühungen mit der Folge des Unterbleibens der Prozessführung möglicherweise mit der Anzahl der heranzuziehenden Gläubiger steigt (so aber OLG Celle, OLGR 2001, 141; vgl. dagegen OLG Köln, MDR 2000, 51, 52). Eine Heranziehung zur Vorschussleistung scheidet allerdings bei solchen Gläubigern aus, denen nur verhältnismäßig niedrige Einzelforderungen zustehen oder deren Quote sich nur geringfügig erhöht, so dass der potentielle Gewinn durch den anteiligen Kostenbetrag nahezu aufgezehrt oder sogar überstiegen wird (OLG Hamburg, NJW-RR 2002, 1054 f.; OLG Dresden, InVo 2002, 229 f.; OLG Naumburg, ZInsO 2002, 540 f.; OLG Frankfurt, OLGR 2001, 153 f.; OLG Celle, OLGR 2001, 141; OLG Jena, ZIP 2001, 579; OLG Koblenz, MDR 2000, 1396; OLG Hamm, MDR 1998, 1498).

Dass vorliegend außer dem Finanzamt K.-Nord lediglich Gläubiger der letztgenannten Kategorie vertreten wären, hat der Antragsteller schon nicht genügend vorgetragen. Insbesondere fehlt es an der erforderlichen (vgl. BGH WM 1998, 1845 f.; OLG Naumburg, ZInsO 2002, 540, und ZInsO 2002, 586 f.) genauen Aufstellung der von ihm anerkannten Forderungen. Das vorgelegte Gläubigerverzeichnis (Bl. 39 f.) ist nach eigenem Vorbringen des Antragstellers (Bl. 134) lückenhaft und bezüglich der Höhe der von der Antragsgegnerseite geltend gemachten Steuerforderungen angesichts des Umstandes, dass diese die Forderungen nur noch auf insgesamt DM 185.000,-- beziffert (Bl. 26), zweifelhaft, jedenfalls nicht mehr aktuell. Legt man diese dennoch zugrunde und berücksichtigt die korrigierte Steuerforderung sowie die zuletzt vom Antragsteller vorgetragenen Ergänzungen (Gehalt N. Pr. in Höhe von DM 25.000,--, Gehalt F. Ni. in Höhe von DM 8.000,-- und Gewerbesteuer in Höhe von DM 71.380,50), so ergibt sich ein Gesamtvolumen an Insolvenzforderungen von DM 485.220,38. Sollten diese insgesamt anerkannt werden, so resultiert daraus eine Quote von mindestens 18,5 % (bei Verteilung von DM 90.000) und höchstens 25,7 % (bei Verteilung von DM 125.000,--). Gläubiger mit den nachrangig (nach dem Finanzamt K.-Nord) höchsten Forderungsbeträgen sind die Gemeinde (Stadt K.) als Gewerbesteuergläubigerin mit DM 71.380,50, an die unter Anwendung der genannten Quoten zwischen DM 13.205,39 und DM 18.344,78 verteilt würden, des weiteren die Firma M. Zentum B.-N. mit DM 39.939,42, an die zwischen DM 7.388,79 und DM 10.264,43 gingen, sowie ferner die Firmen Mü. Produkt & Service und V. mit jeweils DM 30.000,--, die jeweils mit DM 5.550,-- bis DM 7.710,-- beteiligt wären. Die von diesen Gläubigern bei Erfolg der Klage zu erwartenden Beträge liegen damit deutlich über ihrer anteiligen Beteiligung an den für das Gericht und einen Anwalt (vgl. OLG Celle, OLGR 2001, 141) zu verauslagende Kosten, die sich wie folgt berechnen:

Der Gegenstandswert des beabsichtigten Rechtsstreits ist bezüglich des Antrags zu 1. und der hierzu formulierten diversen Hilfsanträge entsprechend dem ausschließlichen Interesse des Antragstellers, hierdurch Zugriff auf den Vergleichsbetrag zu erhalten, gemäß §§ 12 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 S. 3 GKG i.V.m. § 6 ZPO mit maximal DM 125.000,-- anzusetzen. Hinsichtlich des Antrags zu 2., mit dem Auskunft bezüglich etwaiger Zahlungen der Firma E. P. R. GmbH an die Antragsgegnerseite begehrt wird, erscheint der Ansatz von höchstens DM 5.000,-- gerechtfertigt. Dies entspricht einem Gesamtstreitwert von EUR 66.467,94, bei dessen Zugrundelegung ein Vorschuss von rund EUR 5.750,-- (= DM 11.246,--) anfallen würde.

Dass es den genannten Gläubigern aus anderen Gründen nicht zumutbar wäre, diesen Kostenbetrag gemeinsam - aufgeteilt entsprechend ihrem möglichen Gewinnanteil - zu tragen, hat der Antragsteller nicht dargetan. Insbesondere ist auch die Gemeinde (Stadt K.) als Gewerbesteuergläubigerin zur Vorschusszahlung heranzuziehen, da sie weder mit der Antragsgegnerseite identisch ist noch aus anderen Gründen hiervon ausgenommen werden kann (vgl. BGH NJW 1998, 1868 ff.). Ob der Antragsteller darüber hinaus auch hätte vorgetragen müssen, ob und ggfs. mit welchem Ergebnis er den Versuch einer Inanspruchnahme der Gläubiger unternommen hat (so KG, InVo 2000, 202; dagegen OLG Naumburg, ZInsO 2002, 540, 541, sowie ZInsO 2002, 586, 587; OLG Dresden, ZInsO 2002, 229, 230), kann bei dieser Sachlage dahinstehen.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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