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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 25 UF 201/99
Rechtsgebiete: EheG, ZPO


Vorschriften:

EheG § 48 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1 erster Halbsatz
ZPO § 606 a Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 78 Abs. 2
ZPO § 97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- 25 UF 201/99 - - 10 F 116/98 - AG Wipperfürth

Anlage zum Protokoll vom 9. Februar 2001

Verkündet am 09.02.2001

Flesch, JS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

pp.

hat der 25. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schroeder, den Richter am Oberlandesgericht Winn und die Richterin am Oberlandesgericht Scholz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wipperfürth vom 26. August 1999 - 10 F 116/98 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, an sich statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 511, 516, 518, 519 ZPO) hat in sachlicher Hinsicht keinen Erfolg, weil das Familiengericht den Ehescheidungsantrag durch das angefochtene Urteil zu Recht abgewiesen hat.

Der zulässige Ehescheidungsantrag ist unbegründet.

Die in jeder Lage des Verfahrens und in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfende internationale Verhandlungs- und Entscheidungszuständigkeit der hiesigen Gerichte (vgl. zu diesem Prüfungserfordernis: BGHZ 44, 46; Zöller-Geimer, ZPO, 22. Aufl., § 606 a Rz 9 m.w.N.) besteht gemäß § 606 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO, weil die Parteien im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Ehescheidungsantrages hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, wie das auch gegenwärtig der Fall ist.

Beide Parteien sind türkische Staatsangehörige. Deshalb ist auf den Ehescheidungsantrag des Antragstellers gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ausschließlich türkisches materielles Recht anzuwenden.

Das türkische Scheidungsrecht differenziert zwischen den in den Artikeln 123 bis 133 des türkischen Zivilgesetzbuches - fortan: ZGB - normierten besonderen Ehescheidungsgründen und dem allgemeinen Ehescheidungsgrund des Art. 134 ZGB. Art. 134 ZGB ist nur anwendbar, wenn kein besonderer Scheidungsgrund vorliegt, weil die Art. 123 bis 133 ZGB im Verhältnis der Spezialität zu Art. 134 ZGB stehen (Kuran, Die Anwendung des Ehescheidungsrechts im schweizerischen und türkischen Recht unter besonderer Berücksichtigung der Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses, Dissertation 1990, S. 39 ff, zitiert in Rechtsgutachten des Instituts für internationales Recht der Universität München, veröffentlicht in Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht, 1997, Nr. 30 a, S. 422 ff, 427 Fußnote 10).

Besondere Ehescheidungsgründe sind nicht einschlägig, so dass der Antragsteller zutreffend davon ausgeht, seinen Ehescheidungsantrag nur nach Art. 134 ZGB verfolgen zu können. Darauf beruft er sich wegen beachtlichen Einspruchs der Antragsgegnerin gegen die Scheidung indessen vergeblich.

Im Einzelnen:

Nach Art. 134 Abs. 1 ZGB kann jeder Ehegatte Scheidungsklage erheben, wenn die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet ist, dass den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden kann. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Die Parteien leben spätestens seit Juni 1996 und damit seit über 3 1/2 Jahren voneinander getrennt. Die Antragsgegnerin ist gemäß ihrer eigenen Darstellung zum genannten Zeitpunkt aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, die der Antragsteller wenig später, Anfang September 1996 endgültig verlassen hat. Diese inzwischen langjährige Trennung würde zwar für sich allein kein ausreichender Scheidungsgrund sein (Entscheidung des türkischen Kassationsgerichtshofs vom 08.10.1994, zitiert im vorgenannten Gutachten, S. 430 Fußnote 24), ist aber zumindest ein zerrüttungsindizierender Umstand i.S.d. Art. 134 Abs. 1 ZGB. Hinzu kommt, dass es seit der Trennung zwischen den Parteien keine Kontakte gegeben hat, die auf die Möglichkeit einer Wiederherstellung des ehelichen Verhältnisses, eine Wiederannäherung und eine Aussöhnung schließen lassen könnten. Es gab und gibt hüben wie drüben keinen Telefonkontakt. Abgesehen von einem im Verlaufe des zweiten Rechtszuges an den Antragsteller adressierten, von ihm allerdings nicht beantworteten Brief der Antragsgegnerin gibt es seitdem auch keine brieflichen Kontakte. Wohl gab und gibt es regelmäßig wiederkehrende persönliche Begegnungen zwischen den Parteien, indem der Antragsteller sich nahezu jeden Samstag in der Wohnung der Antragsgegnerin, zu der er einen Schlüssel hat, tagsüber für etliche Stunden zu Besuch aufhält, wobei in der Regel von ihm zubereitete Mahlzeiten eingenommen werden, an denen neben den Parteien ihre beiden minderjährigen Kinder, die seit der Trennung in der Obhut der Antragsgegnerin leben, und Besucher aus dem familiären Umfeld teilnehmen. Das hat die vom Senat hierüber durchgeführte Beweisaufnahme mit aller Klarheit ergeben. So hat es der Bruder des Antragstellers = Schwager der Antragsgegnerin, der Zeuge K. C., aufgrund eigener Anschauungen detailreich, lebensnah und insgesamt glaubhaft geschildert. So wird es auch von der Zeugin Kr., der Lebensgefährtin des Antragstellers, berichtet: Sie muss nach ihrer Aussage samstags vormittags arbeiten und von ca. 10.00 Uhr bis gegen 14.00 Uhr hält der Antragsteller sich bei der Antragsgegnerin auf, um anschließend mit dem Pkw die Zeugin auf ihrer Arbeitsstelle abzuholen.

Diese regelmäßig stattfindenden Besuche des Antragstellers bei der Antragsgegnerin verdanken sich indessen, ebenso wie gelegentliche gemeinsame Einkäufe, von denen der Zeuge K. C. berichtet hat, abermals zur Überzeugung des Senats ausschließlich der Tatsache, dass der Antragsteller auf eben diese Weise Kontakte zu den beiden Kindern der Parteien halten will, denn nichts ist gemäß den Aussagen der Zeugen und nach sonstiger Aktenlage zutage getreten, was darauf schließen lässt, die Ehe sei nicht zerrüttet, vielmehr spiele sich bei den vorerwähnten Besuchen ein harmonisches Eheleben auf Zeit zwischen den Parteien ab. Der Antragsteller hat vorgetragen und es ist durch die Beweisaufnahme uneingeschränkt bestätigt worden, dass er seit März 1997 mit der Zeugin Kr. ein intimes Verhältnis unterhält und seit Juni 1997 - bis auf den heutigen Tag - mit ihr eheähnlich zusammen lebt. Ein Zurück zur Antragsgegnerin, eine Wiederaufnahme und Fortsetzung des ehelichen Lebens gibt es gemäß seinen eindeutigen Erklärungen für ihn nicht. Übernachtungen des Antragstellers bei der Antragsgegnerin haben nach ihrer eigenen Darstellung letztmalig vor zwei Jahren stattgefunden und ehelichen Verkehr hatten die Parteien schon vor ihrer Trennung nicht mehr.

Zusammenfassend:

Seit Jahr und Tag gibt es zwischen den Parteien keine eheliche Lebensgemeinschaft und keine sonstigen ehelichen Beziehungen. Der Antragsteller lebt inzwischen seit Jahr und Tag eheähnlich mit einer anderen Frau zusammen. Für ihn gibt es kein Zurück zur Antragsgegnerin. Und die Antragsgegnerin ist ihrerseits nicht in der Lage, Anhaltspunkte aufzuzeigen, die darauf schließen lassen könnten, er werde sich anders besinnen und zu ihr zurückkehren. Die Ehe ist unheilbar zerrüttet und dem Antragsteller, was für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung des Art. 134 Abs. 1 ZGB ausreicht, ist eine Fortsetzung der Ehe nicht zuzumuten.

Gleichwohl konnte die Ehe der Parteien nicht geschieden werden, musste der Berufung des Antragstellers sachlicher Erfolg versagt bleiben.

Die Antragsgegnerin hat gegen die Scheidung Einspruch erhoben, der gemäß Art. 134 Abs. 2 ZGB das Scheitern des Ehescheidungsantrages des Antragstellers zur Folge hat.

Vergeblich macht der Antragsteller geltend, der Einspruch sei mangels Postulationsfähigkeit der Antragsgegnerin schon aus verfahrensrechtlichen Gründen unbeachtlich. Im Prozessrecht gilt grundsätzlich die lex fori, so dass die deutschen Gerichte auch dann, wenn, wie das hier der Fall ist, materiellrechtlich ausländisches Recht gilt, nach der ZPO zu verfahren haben. Richtig ist, dass die Antragsgegnerin wegen des in Ehesachen in sämtlichen Rechtszügen bestehenden Anwaltszwanges - § 78 Abs. 2 ZPO - schon im ersten Rechtszug vor dem Familiengericht, wo sie keinen Prozessbevollmächtigten hatte, postulationsunfähig war. Aber ganz abgesehen davon, dass sie im zweiten Rechtszug anwaltlich vertreten ist, und ihr Einspruch jetzt schon aus diesem Grunde formell wirksam ist, übersieht der Antragsteller, dass auch die postulationsunfähige Partei dem Ehescheidungsantrag formell wirksam widersprechen kann. Das war für den Scheidungswiderspruch nach § 48 Abs. 2 EheG allgemein anerkannt (BGH FamRZ 1968, 447; Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl., § 48 Anm. 39 a, 152; Meyer AcP 152, 332) und gilt in genau der gleichen Weise für den Einspruch nach Art. 134 Abs. 2 ZGB.

Der Einspruch der Antragsgegnerin greift auch in sachlicher Hinsicht durch. Die Schuld an der Zerrüttung der Ehe liegt überwiegend bei dem Antragsteller. Gemäß seinem Vorbringen soll es während der Ehe andauernd zu von der Antragsgegnerin provozierten, vor den Kindern ausgetragenen Streitigkeiten gekommen sein. Damit ist mangels jeglicher Substantiierung nicht das Geringste anzufangen. Ebensowenig damit, dass sie angeblich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in der Ehe nicht zufrieden gewesen ist. Der Antragsteller operiert hier mit Schlagworten, die sich mangels jeglicher Präzisierung jedweder Beurteilung und Feststellung ihrer angeblichen Stichhaltigkeit entziehen, was ausschließlich zu seinen Lasten geht. Sein Vorwurf, die Antragsgegnerin unternehme alle erdenklichen Anstrengungen, die Integration der Kinder der Parteien in hiesige Verhältnisse zu unterbinden, indem sie mit ihnen nicht deutsch spreche und ihnen verbiete, deutschsprachige Fernsehsendungen anzuschauen und deutsche Bücher und Zeitungen zu lesen, mag, so er denn zutrifft, Bedenken gegen die Eignung der Antragsgegnerin als Mitinhaberin der elterlichen Sorge erwecken, besagt aber nichts für das eheliche Verhältnis der Parteien, die versuchen müssen, sich in solchen Fällen zu einigen, wobei jeder Ehegatte jederzeit die Einleitung und Durchführung gerichtlicher Maßnahmen ergreifen kann, wenn und soweit das aus Gründen des Kindeswohls unabweisbar erforderlich ist. Auch der Vorwurf des Antragstellers, die Antragsgegnerin passe sich hiesigen Lebensgepflogenheiten nicht an, ist nicht stichhaltig, denn es ist unerfindlich, weshalb die Antragsgegnerin als türkische Staatsangehörige nicht das Recht haben sollte, nach den kulturellen Vorstellungen ihres Heimatlandes zu leben, solange sie dadurch nicht, was nicht vorgetragen und auch nicht auf sonstige Weise ersichtlich ist, berechtigten Interessen des Antragstellers zuwider handelt. Im übrigen kann es mit der angeblichen Unselbständigkeit und Abschottung der Antragsgegnerin nicht so weit her sein, wie der Antragsteller Glauben machen will: Das Familiengericht Wipperfürth hat ihr, nicht ihm, das Aufenthaltsbestimmungsrecht über beide Kinder übertragen und Schule und Jugendamt haben bislang offensichtlich keine Veranlassung gesehen, die Erziehungseignung und Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin anzuzweifeln, und immerhin ist die Antragsgegnerin gemäß den Bekundungen des Zeugen K. C., denen der im Termin persönlich anwesende Antragsteller mit keinem Wort widersprochen hat, in einem Lebensmittelgeschäft tätig. Ob sie eine Bekannte des Antragstellers mit der wenig schmeichelhaften Bezeichnung "Schwein" belegt hat, ist ohne Belang, denn das hat mit dem ehelichen Verhältnis der Parteien nichts zu tun, es sei denn, der Antragsteller wolle damit sagen, dass er die Belange seiner Bekannten höher ansetze als die seiner Ehefrau, was für sich, aber nicht für ihn sprechen würde.

Das überwiegende Verschulden des Antragstellers am Scheitern der Ehe ergibt sich aus unstreitigen Tatsachen: Er hat alsbald, nachdem er die eheliche Wohnung verlassen hat, ein ehebrecherisches Verhältnis zu einer anderen Frau angefangen, das inzwischen seit Jahr und Tag andauert, und er hat nichts dargelegt, woraus man entnehmen könnte, er habe sich ernsthaft, wenngleich vergeblich darum bemüht, das Scheitern der Ehe zu vermeiden. Nach Lage der Akten spricht alles dafür, dass er, an hiesige Verhältnisse gewöhnt und sich in ihnen wohlfühlend, mit seiner Ehefrau und ihren andersartigen, von ihm als rückständig eingestuften Verhaltensweisen nichts mehr anzufangen wusste und sich ihrer auf dem Wege der Scheidung zu entledigen trachtet. Nicht zuletzt sollte es ihm auch zu denken geben, dass seine eigene Familie das Recht nicht auf seiner, sondern auf der Seite der Antragsgegnerin sieht.

Dem Einspruch der Antragsgegnerin steht auch nicht Rechtsmissbrauch entgegen. Das wäre nur dann - ganz ausnahmsweise - der Fall, wenn sie ohne Bindung an die Ehe, allein aus wirtschaftlichen Interessen, etwa zur Vermeidung im Falle der Scheidung drohender Abschiebung oder wegen Unterhalts, der Scheidung widersprechen würde (OLG Oldenburg FamRZ 1991, 442; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 329; OLG Hamm FamRZ 1993, 1207; IPRspr. 1995, 133). Schon der Umstand, dass aus der Ehe der Parteien zwei noch minderjährige Kinder hervorgegangen sind, ist ein sehr gewichtiger, für die Beachtlichkeit des Einspruches der Antragsgegnerin sprechender Gesichtspunkt (OLG Oldenburg FamRZ 1991, 443; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 330 unter Hinweis auf die amtliche Begründung zur Neuregelung des Art. 134 Abs. 2 ZGB durch Gesetz Nr. 3444 vom 04.05.1988; OLG Hamm NJW-RR 1994, 518). Außerdem besitzt die Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis. Schließlich hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.01.2001 glaubhaft erklärt, sie liebe den Antragsteller nach wie vor und sei jederzeit bereit, die Ehe mit ihm fortzusetzen, wenn er zu ihr zurückkehren wolle.

Ergebnis:

Beachtlicher, die Abweisung des Scheidungsantrages und damit auch der Berufung rechtfertigender Einspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gegenstandswert des Berufungsrechtszuges: 6.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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