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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.05.2001
Aktenzeichen: 25 UF 63/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1579 Nr. 6
BGB § 1579
BGB § 1579 Nr. 2
ZPO § 543 Abs. 1 erster Halbsatz
ZPO § 767
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- 25 UF 63/00 - - 5 F 170/99 - AG Wermelskirchen

Anlage zum Protokoll vom 4. Mai 2001

Verkündet am 4. Mai 2001

Brüggen, JAng. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 25. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schroeder, den Richter am Oberlandesgericht Winn und die Richterin am Oberlandesgericht Scholz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Februar 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wermelskirchen - 5 F 170/99 - dahin geändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 erster Halbsatz ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, an sich statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO) hat auch in sachlicher Hinsicht Erfolg; sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung.

Der Kläger ist durch Urteil des Familiengerichts Wermelskirchen vom 12.01.1999 - 5 F 15/98 - unter anderem zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in monatlicher Höhe von 996,00 DM ab 01.03.1998 an die Beklagte verurteilt worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte die seinerzeit von ihr eingelegte Berufung - 25 UF 38/99 OLG Köln - zurückgenommen hat, Bl. 398 BA.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger im Wege der Abänderungsklage den Wegfall seiner titulierten Unterhaltsverpflichtung mit Wirkung ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit verlangt. Das Familiengericht hat der Klage für die Zeit ab 10.10.1999 stattgegeben. Das hält der Überprüfung durch den Senat nicht Stand. Die Abänderungsklage ist zulässig, aber unbegründet und musste deshalb auf die Berufung abgewiesen werden.

Der Kläger stützt seine Klage ausschließlich darauf, dass die Beklagte ihre nachehelichen Unterhaltsansprüche verwirkt habe. Das ergibt sich aus seinem gesamten schriftsätzlichen Vorbringen und seiner ausdrücklichen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.03.2001 protokollierten und nach Vorspielen genehmigten Erklärung. Wenn es dort heißt, die "Berufung" werde ausschließlich auf den Verwirkungseinwand gestützt, ist das nichts weiter als ein unschädliches Versprechen, hat doch nicht der Kläger, sondern die Beklagte Berufung eingelegt, so dass diese Äußerung des Klägers nicht der Berufung, sondern seiner Klage zuzuordnen ist. Den Einwand der Verwirkung der nachehelichen Unterhaltsansprüche macht der Kläger zulässiger Weise im Wege der Abänderungsklage geltend, wie schon das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat. Eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO kommt nicht in Betracht. Diese Klage wäre nur statthaft, wenn die Verwirkung, falls sie durchdringt, die Unterhaltsansprüche der Beklagten auf Dauer ausschließen würde. Dann handelte es sich um einen rechtsvernichtenden Einwand gegen den titulierten Anspruch, der nicht mit Abänderungsklage, sondern mit Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen ist (BGH FamRZ 1991, 1175; Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Auflage, § 66 Rz. 7 jeweils für den Fall der Verwirkung nach § 66 EheG). Demgegenüber kann der Einwand des Klägers, wie nachstehend darzulegen sein wird, nur in § 1579 Nr. 2, Nr. 6 BGB seine Stütze finden. Diese sog. negative Härteklausel des Unterhaltsrechts erfordert aber gemäß ihrem verbindlichen Wortlaut in sämtlichen Anwendungsfällen eine umfassende, an den beiderseitigen Belangen der geschiedenen Ehegatten unter Bedachtnahme auf das Wohl eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinsamen Kindes orientierte Billigkeitsprüfung, wobei je nach Lage des Streitfalles ein zeitlich begrenzter Ausschluss oder eine zeitlich begrenzte Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs in Betracht kommen kann. Diese Besonderheiten gegenüber einem auf Dauer wirkenden rechtsvernichtenden Einwand lassen es gerechtfertigt erscheinen, die prozessuale Geltendmachung der Verwirkung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches nach § 1579 BGB, die im Falle ihres Durchgreifens ein späteres Wiederaufleben des Anspruchs nicht prinzipiell ausschließt, der Abänderungsklage zuzuordnen (Göppinger/Wax/Vogel, Unterhaltsrecht, 7. Auflage, Rz. 2444; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Auflage, § 323 Rz. 2; Palandt-Brudermüller, BGB, 60. Auflage, § 1579 Rz. 51, jeweils m.N. aus der Rechtsprechung).

Die zulässige Abänderungsklage ist unbegründet.

Die Beklagte als Unterhaltsberechtigte hat sich zwar eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegenüber dem Kläger als Unterhaltsverpflichteten schuldig gemacht, was aber im Rahmen der umfassenden Billigkeitsprüfung nicht zum Wegfall oder auch nur zur Herabsetzung ihrer im Vorprozess titulierten nachehelichen Unterhaltsansprüche führt.

Die Beklagte hat im Vorprozess im Termin zur mündlichen Verhandlung, der am 17.08.1999 vor dem Senat stattgefunden hatte, einen versuchten Prozessbetrug zum Nachteil des Klägers begangen. Das Familiengericht hatte ihr, teilweise im Wege fiktiver Berechnung, durch halbtätige Erwerbstätigkeit erzielbare Nettoeinkünfte in monatlicher Höhe von insgesamt 1.372,00 DM zugeordnet, während die Beklagte mit ihrer damaligen Berufung geltend machte, mehr als 800,00 DM monatlich, die sie sich - als eheprägendes, also nach der Differenzmethode zu behandelndes Einkommen - anrechnen lasse, erziele sie nicht und könne sie auch nicht erzielen. In der besagten mündlichen Verhandlung ist sie eingehend richterlich dazu befragt worden, wie es sich mit ihren Einkünften aus dem Flechten von Rasta-Zöpfen verhalte. Auf diese Frage hat sie ausweislich des Protokolls wörtlich erklärt:

"Ich habe im Schnitt gerechnet etwa einmal im Monat einen Rasta-Zopf geflochten und dadurch eine Nettoeinnahme von 150,00 DM (Honorar 200,00 DM - 50,00 DM Unkosten) erzielt. Das ist aber nur bis zur Trennung gewesen. Seit dem Jahre 1996 - nach der Trennung - habe ich keinen einzigen Rasta-Zopf mehr geflochten".

Diese an Klarheit und Eindeutigkeit schlechterdings nicht mehr zu überbietende Aussage ergibt - ohne jedes Wenn und Aber -, dass die Beklagte bezogen auf das Datum ihrer damaligen Anhörung seit Jahr und Tag, aus welchen Gründen auch immer, nicht einen einzigen Pfennig mit dem Flechten von Rasta-Zöpfen verdient hatte, weil selbiges nicht mehr stattgefunden hatte. Dabei handelt es sich um eine faustdicke, plumpe Lüge, wie der vom Kläger in jenem Termin im Anschluss daran sogleich überreichte, mit Fotografien dokumentierte Bericht der von ihm beauftragten Detektei augenblicklich offenbarte. Denn gemäß diesem Bericht hatte die Beklagte, durch etliche Fotos belegt, am 12. und am 13.06.1999 durch das Flechten je eines Rasta-Zopfes an beiden Tagen je 350,00 DM kassiert. Durch ihr Lügen, womit sie keinen Erfolg hatte, so dass der Betrug im Versuchsstadium stecken blieb, wollte sie das Gericht und den Kläger Glauben machen, so wenig zu verdienen - und verdienen zu können -, dass ihr auf ihre Berufung hin mehr Unterhalt als gemäß dem damaligen erstinstanzlichen Urteil zugesprochen werden müsse, eine ganz bewusst auf die Schädigung der Vermögensinteressen des Klägers angelegte Aktion in der Absicht rechtswidriger Bereicherung. Denn jedes Einkommen, das durch Flechten von Rasta-Zöpfen erzielt wurde, führte zwangsläufig zur Erhöhung des von der Beklagten mit monatlich 800,00 DM eingeräumten Einkommenslimits, das sie dem mit ihrer damaligen Berufung geforderten Unterhalt zugrunde gelegt hatte. Das jetzige Bemühen der Beklagten um Entkräftung des Vorwurfs des versuchten Betruges - "Entschuldigung" mit Aufgeregtheit und mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache - ist angesichts der ungemein einfachen, damaligen Fragestellung des Gerichts und der damaligen glasklaren Antwort der Beklagten unbeachtlich. Der versuchte Prozessbetrug ist durch nichts aus der Welt zu schaffen. Bewusstes Verschweigen oder gar bewusstes Ableugnen von Einkünften mit dem Ziel der Erlangung unrechtmäßigen Unterhalts kann durchaus gemäß § 1579 Nr. 2 (und Nr. 6) BGB die Sanktion der Aberkennung jeglichen Unterhaltsanspruchs auslösen (OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 1488; OLG Koblenz OLG-Report 1997, 245). Während es sich in den vorstehend entschiedenen Fällen um einen jeweils besonders schweren, vollendeten Prozessbetrug handelte, ist das betrügerische Verhalten der Beklagten sogleich aufgedeckt worden und deshalb erfolglos geblieben; die für die Berufung nachgesuchte Prozesskostenhilfe wurde verweigert und etliche Zeit danach wurde die Berufung zurückgenommen. Das allein vermöchte der jetzigen Berufung allerdings nicht zum sachlichen Erfolg zu verhelfen, ist es doch ganz gewiss nicht das Verdienst der Beklagten, damals "erfolglos" geblieben zu sein. Die unabweisbar erforderliche umfassende Billigkeitsprüfung führt aber dazu, dass der Verwirkungseinwand gegenüber dem im Vorprozess in monatlicher Höhe von 996,00 DM zuerkannten nachehelichen Unterhalt nicht durchgreift. Der Kläger beruft sich, wie schon erwähnt, ausschließlich auf Verwirkung, macht also nicht geltend, seine finanziellen Verhältnisse hätten sich inzwischen verschlechtert. Deshalb ist davon auszugehen, dass er - nach Abzug des Kindesunterhalts - über ein bereinigtes durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 4.000,00 DM (4.267,00 DM gemäß dem abzuändernden Urteil) verfügt. Damit ist er leistungsfähig. Das Familiengericht hat, wie schon erwähnt, im abzuändernden Urteil das erzielbare Einkommen der Beklagten mit monatlich 1.372,00 DM angenommen, wobei es sich teilweise um eine fiktive Berechnung handelt. Im damaligen Berufungsverfahren wollte die Beklagte mit betrügerischen Mitteln lediglich erreichen, dass diese teilweise fiktive Anrechnung erzielbaren Einkommens in Wegfall geriet, was ihr strafrechtlich relevantes Verhalten zwar keineswegs ungeschehen macht, aber doch in einem milderen Licht erscheinen lässt. Dabei ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte diejenigen Einkünfte, die das Familiengericht im Vorprozess auf ihrer Seite angesetzt hat, bis auf den heutigen Tag zu keiner Zeit erzielt und auch nicht erzielen kann, so dass es ohnehin nur im Rückgriff auf § 1579 BGB, wie noch darzulegen sein wird, bei dem vom Familiengericht angesetzten Einkommen bleiben kann. Damit aber muss es sein Bewenden haben, während für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des im Ausgangsverfahren titulierten Unterhalts kein Raum ist. Gemäß den zu den Akten überreichten Bescheiden war die Beklagte bis einschließlich Juni 2000 auf ergänzende Leistungen der Sozialhilfe angewiesen, was übrigens im Rahmen der Billigkeitsprüfung gemäß § 1579 BGB ebenfalls und zwar zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist. Durch Aushilfstätigkeit in einem Sportstudio und durch Tätigkeit als Raumpflegerin verdiente sie, was sie urkundlich belegt hat, im monatlichen Durchschnitt insgesamt rund 800,00 DM netto. Ihre berufsbedingten Fahrtkosten und die Kosten ihrer Krankenversicherung, die sie decken muss, schlagen gegenwärtig mit monatlich insgesamt 321,00 DM zu Buche, so dass selbst bei unterstellten Einkünften aus dem Flechten des einen oder anderen Rasta-Zopfes eine erhebliche Lücke zu den Einkünften klafft, die das Familiengericht im Vorprozess veranschlagt hat.

Seit Juli 2000 hat sich die finanzielle Situation der Beklagten allerdings insofern verändert, als sie durch eine selbständige Tätigkeit in der Sparte der medizinischen Fußpflege über die Runden zu kommen sucht. Dadurch erzielt sie, wenn sie auch ihre bisherigen Tätigkeiten weiterhin ausübt, naturgemäß zusätzliche Einkünfte, wodurch aber das vom Familiengericht im Vorprozess angesetzte Einkommen zur Zeit ebenfalls noch nicht erreicht wird. Des weiteren ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Unternehmerin kurz über lang steuerpflichtig werden und weitere Betriebskosten haben wird. Zum anderen und insbesondere kommen an dieser Stelle die Belange der zur Zeit 13jährigen Tochter I. der Parteien ins Spiel, die in der Obhut der sorgeberechtigten Beklagten lebt. Die schutzwürdigen Interessen dieses minderjährigen gemeinsamen Kindes der Parteien sind letztlich von ausschlaggebender Bedeutung dafür, dass der Abänderungsklage kein sachlicher Erfolg beschieden ist; sie sind in ganz besonderer Weise im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 1579 BGB zu berücksichtigen und lassen für die im angefochtenen Urteil bejahte Verwirkung keinen Raum: Solange ein gemeinsames Kind das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist der betreuende Elternteil nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen maximal zur Aufnahme und Durchführung einer Halbtagstätigkeit verpflichtet (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Auflage, Rz. 403 m. zahlreichen N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Wird ein solches Arbeitspensum zu Lasten der Beklagten veranschlagt, so liegt sie mit ihrem dadurch erzielbaren Einkommen zur Überzeugung des Senats jedenfalls zur Zeit weit unterhalb dessen, was das Familiengericht im Vorprozess angesetzt hat. Die Differenz mag infolge des damaligen versuchten Prozessbetruges hingenommen werden, wird auch mit der jetzigen Berufung nicht angegriffen. Auf keinen Fall aber geht es an, die Beklagte auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu verweisen, wie das Familiengericht meint. Denn der Leidtragende wäre dabei nicht etwa die Beklagte, sondern das Kind, das in diesem Falle zwangsläufig zum ganz überwiegenden Teil der Versorgung, Beaufsichtigung und Betreuung durch seine leibliche Mutter als seine hauptsächliche Bezugsperson ermangeln würde, was auch im Rahmen des § 1579 BGB schlechterdings nicht akzeptiert werden kann.

Nach alledem konnte der Berufung sachlicher Erfolg nicht versagt bleiben.

Die zivilprozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.952,00 DM

Ende der Entscheidung

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