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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 26 WF 78/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 323
ZPO § 127 II S. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

26 WF 78/02

In der Familiensache

pp.

hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen durch die Richterin am Oberlandesgericht v. Olshausen als Einzelrichterin

am 07.05.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts-Familiengericht-Düren vom 11.04.2002 (23 F 94/02) aufgehoben und zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Düren zurückverwiesen.

Gründe:

Die nach § 127 II S. 2 ZPO n.F. statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen, wenigstens vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe für die von der Klägerin aus Anlass der Änderung der Rechtsprechung zur Anwendung der Differenzmethode auf die sogenannte Hausfrauenehen erhobene Abänderungsklage gegenüber dem Urteil des AG Düren vom 12.03.2001 (23 F 51/00) verweigert, weil es sich dabei nicht um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handele, die Voraussetzung für den abändernden Eingriff nach § 323 ZPO in die Rechtskraft eines Urteils sei.

Mit dieser Begründung durfte das Amtsgericht die begehrte Prozesskostenhilfe nicht verweigern.

Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit sich im einzelnen eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als alleiniger Abänderungsgrund für rechtskräftige Urteile oder von den Parteien geschlossene gerichtliche Vergleiche auswirkt (vgl. dazu BGH FamRZ 1983,569,573;FamRZ 2001,1687; OLG Stuttgart NJW 2002,1354 f; Büttner NJW 2001,3244; Luthin, FamRZ 2001,1065; Scholz FamRZ 2001, 1061,1064; Rauscher, FuR 2001,438, Zöller /Vollkommer, ZPO,23. A., § 323 Rn 32, jeweils mit weiteren Nachweisen zu dieser Streitfrage). Denn jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, dass auch das Bundesverfassungsgericht die neue Auslegung unverändert gebliebener Gesetze zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse für geboten erklärt, sind mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen des § 323 ZPO auch für die Abänderung rechtskräftiger Urteile gegeben ( so schon BGH FamRZ 1990,1091,1094 und übereinstimmend die ganz herrschende Meinung mit Ausnahme von Stein/Jonas/Leipold, 21.A. § 323 Rn 23, der die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über § 767 ZPO berücksichtigen will). Das bedeutet, dass in Abänderungsverfahren dann keine Bindung mehr an die frühere rechtliche Beurteilung eines unveränderten tatsächlichen Umstandes besteht, wenn sich zwar der Wortlaut der zugrunde liegenden Vorschrift (hier: § 1578 BGB) nicht geändert hat, jedoch das Bundesverfassungsgericht zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse ein anderes Verständnis der Norm für geboten erklärt.

Mit seinem Beschluss vom 05.02.2002 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Frage, ob der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung durch den nicht erwerbstätigen Ehegatten als eheprägend anzusehen sei, gegen Art. 6 I GG i.V. mit Art 3 II GG verstoße und jedenfalls inzwischen dem gesellschaftlich gewandelten Ehebild in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr gerecht werde.

Damit ist die Abänderungsklage der Beschwerdeführerin auch ohne Änderung der tatsächlichen Umstände zulässig. Denn es kann nicht Sinn der Rechtskraft von Urteilen sein, die für Dauerschuldverhältnisse ergangenen sind, verfassungswidrige Verhältnisse für die Zukunft auch dann aufrecht zu halten, wenn sich bei einer weit gefassten Norm, die bisher eine bestimmte gefestigte Auslegung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung erfahren hat, jetzt eine andere Auffassung durchsetzt und diese sogar von dem Bundesverfassungsgericht zu Vermeidung verfassungswidriger Verhältnisse für erforderlich erachtet wird, nur weil es sich hierbei nicht um eine Gesetzesänderung handelt.

Allerdings wird man in diesen Fällen - worauf Luthin (a.a.O.) besonders hinweist -eine erweiterte Billigkeitsprüfung im Hinblick auf diejenigen Dispositionen vorzunehmen haben, die ein Unterhaltsschuldner im Vertrauen auf den Fortbestand der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des darauf beruhenden Unterhaltstitels gemacht hat.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Amtsgericht Gelegenheit, den Prozesskostenhilfeantrag unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze erneut unter allen Aspekten zu prüfen.

Ende der Entscheidung

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