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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: 27 UF 194/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1581 Satz 2
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 UF 194/01

Anlage zum Protokoll vom 12.06.2002

Verkündet am 12.06.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Koall , des Richters am Oberlandesgericht Schmitz und der Richterin am Landgericht Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.7.2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Siegburg - 33a F 180/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Die Klage scheitert daran, dass der Beklagte nicht hinreichend leistungsfähig war, über die in der mündlichen Verhandlung vom 17.4.2001 unstreitig gewordenen freiwilligen Zahlungen hinaus den Unterhaltsbedarf seiner Mutter, der Frau H., im Streitzeitraum zu decken.

Die Klägerin selbst hält den Beklagten auch unter Einrechnung der Zinserträge aus seinem Sparvermögen für nicht hinreichend leistungsfähig, einen Beitrag aus seinem monatlichen Einkommen zum Unterhalt der Frau H. zu zahlen. Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als der Beklagte nicht verpflichtet war, aus seinem laufenden Einkommen über die freiwilligen Zahlungen hinaus Unterhaltsbeiträge zu leisten.

Streitzeitraum ist die Zeit von April 1999 bis einschließlich Mai 2000.

Der Beklagte hat in dieser Zeit unstreitig über ein monatliches Gesamteinkommen von 4.147,44 DM verfügt (Bl. 23, 26 d.A.). Darin sind Zinseinkünfte von monatlich durchschnittlich 429,76 DM enthalten, die zur Hälfte seiner Ehefrau zustehen, da der Kapitalbetrag von 117.048,00 DM den Eheleuten hälftig gehört. Das kann indessen unberücksichtigt bleiben, wenn man den angemessenen Selbstbehalt der Ehefrau von 1.750,00 DM nicht um die hälftigen Zinseinkünften mindert.

Nach Abzug der von der Klägerin in Abzug gebrachten pauschalen Mehrkosten infolge der Krebserkrankung der Ehefrau des Beklagten und der verschiedenen monatsanteiligen Versicherungsprämien verblieben 3.268,93 DM.

Der angemessene Selbstbehalt von Kindern gegenüber ihren Eltern betrug nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angewandten Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.7.1997 beziehungsweise 1.7.1998 ( D. Nr. 1) monatlich 2.250,00 DM

und für die Ehefrau 1.750,00 DM zusammen 4.000,00 DM.

Dabei ist aber unberücksichtigt geblieben, dass der Beklagte und seine Ehefrau mietfrei in einem Einfamilienhaus wohnen. Der Senat schätzt die nach Abzug der monatsanteiligen Aufwendungen für die Grundbesitzabgaben, für die Heizung und die Gebäudeversicherung verbliebene Ersparnis auf monatlich 800,00 DM, die dem Einkommen von 3.268,93 DM hinzuzurechnen sind. Das Gesamteinkommen von 4.068,93 DM lag damit um nur 68,93 DM über dem angemessenen Selbstbehalt der Eheleute von 4.000,00 DM. Da der Beklagte in der Zeit von April bis einschließlich Juni 1999 monatlich 65, 63 DM und in der Zeit von Juli 1999 bis einschließlich Mai 2001 monatlich 250,00 DM auf die Unterhaltsansprüche seiner Mutter an die Klägerin gezahlt hat, hat er damit bis auf einen zu vernachlässigenden geringfügigen Betrag seine Unterhaltspflicht erfüllt. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob dem Beklagten entsprechend der Empfehlung des 13. Deutschen Familiengerichtstages (FamRZ 2000,274) als angemessener Selbstbehalt 50% des über 2.250,00 DM hinausgehenden Nettoeinkommens dem Unterhaltspflichtigen zu belassen ist (so OLG Hamm FamRZ 2002, 123,124; Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe, FamRZ 1995, 1327, 1334).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beklagte nicht verpflichtet, sein Sparvermögen in Höhe von 58.524,00 DM zur Befriedigung des Unterhaltsbedarfs seiner Mutter einzusetzen. Grundsätzlich müssen auch Kinder zu Befriedigung von Unterhaltsansprüchen der Eltern den Stamm ihres Vermögens einsetzen, zumal - wie allgemein im Verwandtenunterhalt - keine gesetzliche Billigkeitsgrenze für den Einsatz wie beim Geschiedenenunterhalt (§ 1581 Satz 2 BGB) besteht (BGH FamRZ 1986, 48, 50; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis,5.Auflage, § 2 Rz. 641). Das kann allerdings dazu führen, dass der Unterhaltspflichtige gegenüber seinen Eltern strenger haftet als gegenüber seinem Ehegatten, dem er nur im Rahmen des § 1581 Satz 2 BGB haftet, obwohl die Eltern seinem Ehegatten im Rang nachgehen.

Eine Verwertung des Vermögensstamms kann aber nicht verlangt werden, wenn sie den Unterhaltsschuldner von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde, die er zur Erfüllung anderer berücksichtigungswürdiger Verbindlichkeiten oder zum Bestreiten seines eigenen Unterhalts benötigt. Zu den berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gehört die Bildung von Rücklagen, um den eigenen angemessenen Lebensbedarf auch in Zukunft sicher stellen zu können. Die Absicherung der eigenen Existenz und der eigenen vorrangigen Verpflichtungen sowie eine Verwertung nur unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlich vernünftigen Handelns gehen vor (Wendl/Staudigl, a.a.O., Rz.641). Die Frage, welcher Betrag dem Unterhaltsschuldner als sogenanntes Schonvermögen verbleiben soll, wird von den Trägern der Sozialhilfe unterschiedlich beantwortet. Nach dem Vortrag der Klägerin bestehen keine Richtlinien des Rhein-Sieg-Kreises zur Berechnung des Schonvermögens. Die Klägerin orientiert sich an der Berechnung des Landschaftsverbandes Rheinland, der das Schonvermögen nach dem Vierfachen des Sozialhilfefreibetrages berechnet, so dass sich für den Streitzeitraum ein Freibetrag von 22.000,00 DM ergibt. Nach den Sozialhilferichtlinien in Rheinland-Pfalz Rdnr. 91.86.1 und 91.86.2 beträgt das Schonvermögen dagegen 150.000,00 DM (zitiert nach OLG Koblenz NJW-RR 2000,294). Die außergewöhnliche Bandbreite zeigt, dass die Auffassungen, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige sein Vermögen nicht anzugreifen braucht, weit auseinandergehen. Der Senat ist der Auffassung, dass das von der Klägerin angesetzte Schonvermögen von 22.500,00 DM zu gering ist und der Beklagte nicht gehalten ist, über die Erträge des Kapitalvermögens hinaus auch den Stamm des Vermögens anzugreifen. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Beklagte im Streitzeitraum Rentenempfänger war und seine Rente zusammen mit seinen sonstigen Einkünften und dem Mietvorteil nur etwas mehr als seinen eigenen angemessenen Selbstbehalt und den seiner Ehefrau abdeckt. Einen - wenn auch geringen - Teil seiner Einkünfte bezog der Beklagte aus seiner Tätigkeit als Ratsmitglied. Es ist damit zu rechnen, dass mit fortschreitendem Alter der Beklagte diese Tätigkeit aufgeben muss und damit die Einkünfte wegfallen. Es ist auch erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass für das vom Beklagten und von seiner Ehefrau bewohnte Haus in Zukunft Instandhaltungskosten in einer Höhe anfallen, die der Beklagte aus dem angemessenen Selbstbehalt nicht bestreiten kann. Ähnliches gilt für den vom Beklagten gehaltenen PKW, der zu seinem angemessenen Lebensbedarf gehört. Der Beklagte ist nach seinen laufenden Einkünften ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts nicht in der Lage, Rücklagen für einen neuen PKW zu schaffen, so dass er darauf angewiesen sein wird, auf sein Sparvermögen zurückzugreifen. Schon dazu reicht das ihm von der Klägerin zugestandene Schonvermögen nicht aus. Der Beklagte muss darüber hinaus aber auch in Erwägung ziehen, dass er selbst ebenfalls eines Tages infolge vorgerückten Alters fremde Hilfe in Anspruch nehmen und hierbei auf vorhandenes Vermögen zurückgreifen muss. Der Hinweis der Klägerin in diesem Zusammenhang in erster Instanz, der Beklagte sei Miteigentümer eines Einfamilienhauses geht fehl, weil ohne Zustimmung seiner Ehefrau das Hausgrundstück von ihm nicht zu verwerten ist und eine Hilfebedürftigkeit wegen Alters nicht dazu führen muss, dass der eigene Hausstand aufgegeben werden muss und der Beklagte berechtigt ist, Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf eine nicht absehbar lange Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Mutter wäre es auch unbillig, wenn der Beklagte sich sogleich bis zur - nach Vorstellung der Klägerin - zumutbaren Opfergrenze von 22.000,00 DM seines Vermögens entäußern müsste und danach zu einer Unterhaltsleistung nicht mehr in der Lage wäre. Mit Recht weist der Beklagte daraufhin, das in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, dass das Sparvermögen durch ein langjähriges Sparen - Kapitallebensversicherungen laufen in der Regel mindestens über 12 beziehungsweise 15 Jahre - und damit durch einen langjährigen teilweisen Konsumverzicht erreicht worden ist. Der Senat hält daher den Beklagte nicht für verpflichtet, sein Sparvermögen zur Deckung des Unterhalts seiner Mutter einzusetzen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert der Berufung: 36.024,00 DM

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