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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 27 UF 22/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 323
ZPO § 767
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 323 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BGB § 323 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

27 UF 22/01

Anlage zum Protokoll vom 20.06.2001

Verkündet am 20.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Koall und die Richter am Oberlandesgericht Kleine und Dr. Küpper

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. Dezember 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg (30 F 290/99) wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Klägers.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch durch Bürgschaft einer öffentlichrechtlichen Sparkasse oder deutschen Großbank geleistet werden.

Tatbestand:

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über nachehelichen Unterhalt. Die am 08.11.1962 geschlossene Ehe wurde am 31.07.1985 geschieden. In einem am 16.06.1997 geschlossenen gerichtlichen Vergleich (AG Siegburg - 30 F 562/96 -) verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 400,-- DM zu zahlen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Abänderung des Vergleiches. Erstinstanzlich hat er vorgetragen, sein Einkommen habe sich seit Abschluss des Vergleichs drastisch vermindert. Im Zeitraum vom 9. März 1999 bis Februar 2000 habe er lediglich Krankengeld in Höhe von durchschnittlich 2.300,-- DM im Monat erhalten. Da die Erwerbstätigkeit der Beklagten die Ehe nicht geprägt habe, errechne sich der Unterhaltsanspruch nach der Anrechnungsmethode, was dazu führe, dass ihr seit dem 1. März 1999 kein Unterhalt mehr zustehe. Soweit der Kläger seit Februar 2000 wieder arbeite, sei auch in Zukunft aufgrund seiner ernsthaften Erkrankung von einer erheblichen Reduzierung seiner Erwerbstätigkeit und damit seiner Einkünfte auszugehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Ziffer 1) des am 16. Juni 1997 zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Siegburg unter dem Aktenzeichen: 30 F 562/96 geschlossenen Unterhaltsvergleichs dahingehend abzuändern, dass er - der Kläger - rückwirkend ab dem 1. März 1999 der Beklagten keinen Unterhalt mehr schulde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Ehe sei durch Arbeitseinkommen, Rente und Arbeitslosengeld geprägt gewesen. Deshalb finde die Differenzmethode Anwendung. Außerdem hat sie bestritten, dass eine wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse des Klägers eingetreten sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Erwerbseinkommen des Klägers habe sich in den Jahren 1998 bis 2000 nicht wesentlich verringert. Soweit im Jahre 1999 das anrechnungsfähige Einkommen unter dem zur Zeit der Vergleichsgespräche gelegen habe, habe die Beweisaufnahme ergeben, dass diese krankheitsbedingte Verringerung des Einkommens nur vorübergehend gewesen sei, weil der Kläger seine Arbeit im Jahre 2000 wieder aufgenommen und dadurch sein Einkommen gegenüber demjenigen zur Zeit des Vergleiches erneut entscheidend erhöht habe.

Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung verlangt der Kläger nunmehr die Abänderung des Vergleiches für den Zeitraum ab dem 01.04.2001. Dies begründet er nunmehr damit, dass er ab dem 01.04.2001 eine Altersrente für Schwerbehinderte beziehe, die sich monatlich auf 1.484,14 DM belaufe. Er habe zwischenzeitlich das sechszigste Lebensjahr vollendet, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente wegen Schwerbehinderung gegeben seien. Die Beklagte erhalte eine höhere Altersrente, nämlich von 1.613,41 DM, so dass sie grundsätzlich verpflichtet sei, dem Kläger Aufstockungsunterhalt zu gewähren. Da jedoch die beiderseitigen Renteneinkünfte den notwendigen Selbstbehalt nicht erreichten, komme eine wechselseitige Zahlungsverpflichtung nicht in Betracht. Sofern er ursprünglich eine Abänderung des Unterhaltstitels zum 1. März 1999 begehrt habe, nehme er davon Abstand.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 14. Dezember 2000 verkündeten Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg (30 F 290/99) wird die Ziffer 1) des am 16. Juni 1997 zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Siegburg unter dem Aktenzeichen: 30 F 562/96 geschlossenen Unterhaltsvergleichs dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab dem 1. April 2001 der Beklagten kein Unterhalt mehr schuldet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt, mit der Berufungsbegründung werde eine Abänderung des Vergleiches erst ab dem 01.04.2001 begehrt und dies mit einem neuen Sachvortrag begründet. Hierin liege eine Klageänderung, der sie - die Beklagte - widerspreche. In der Sache bestreitet sie, dass der Kläger nicht über weitere Einkünfte verfüge. Insbesondere behauptet sie, der Kläger habe Immobilienbesitz in Polen, aus dem er Pacht- und Mieteinnahmen erziele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Mai 2001 sowie die Schriftsätze der Parteien und die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unzulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Berufung unzulässig, wenn sie die erstinstanzliche Klageabweisung nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus (BGH NJW 1999, 2118, 2119; Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl., vor § 511 Rn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl., GrundZ § 511 Rn. 24 jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Erstinstanzlich hat der Kläger die Abänderung des gerichtlichen Vergleiches vom 16.06.1997 ab dem 01.03.1999 mit der Begründung verlangt, sein Erwerbseinkommen habe sich wesentlich verringert. Nunmehr begehrt er die Abänderung des Titels ab dem 01.04.2001 mit der Begründung, ab diesem Zeitpunkt erhalte er eine Altersrente für Schwerbehinderte, die niedriger als die Rente der Beklagten sei. Von dem ursprünglichen Begehren nimmt die Berufung ausdrücklich Abstand. Damit verfolgt der Kläger im Wege der Klageänderung ausschließlich ein neues Begehren, so dass er sich nicht mehr gegen die Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil wendet.

2. Ob eine Klageänderung vorliegt, richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser ist nach herrschender Meinung zweigliedrig zu bestimmen, nämlich nach dem Antrag und dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (vgl. MünchKomm/Lüke, ZPO 2. Aufl. vor § 253 Rn. 30 ff.; Zöller/Vollkommer Einleitung Rn. 82 f.; Zöller-Vollkommer Einleitung Rn. 82 f.). Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO ist wie die Vollstreckungsgegenklage gemäß §§ 767 ZPO eine Rechtsgestaltungsklage, mit der die Rechtskraft oder jedenfalls die Vollstreckbarkeit des Titels abgeändert werden soll (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl., § 323 Rn. 34; Zöller/Vollkommer § 323 Rn. 2). Der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff ist auch auf Rechtsgestaltungsklagen anzuwenden, und zwar grundsätzlich in Bezug auf alle Vorschriften, die an den Streitgegenstand anknüpfen (MünchKomm/Lüke vor § 253 Rn. 33; ferner Stein/Jonas/Schumann vor § 253 Rn. 60). Demgemäß wird bei einer Vollstreckungsklage nach § 767 ZPO der Austausch einer Einwendung als Klageänderung eingeordnet (BGHZ 45, 312 = NJW 1967, 107 mit zustimmender Anmerkung Schlechtriem; Zöller/Herget § 767 Rn. 22; zum Streitstand ferner MünchKom/Schmidt § 767 Rn. 42 sowie 98; Stein/Jonas/Münzberg § 767 Rn. 53 f.). Von dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist auch im Rahmen von § 323 ZPO auszugehen. Allerdings macht die neuere Rechtsprechung des BGH hierfür bei gegenläufigen Abänderungsklagen eine Ausnahme. Gegenläufige Abänderungsklagen haben danach denselben Streitgegenstand; die Rechtshängigkeit der ersten Klage hat zur Folge, dass einem zeitlich später rechtshängig gewordenen Verfahren § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegensteht, dass also auch insoweit nur ein einheitliches Verfahren zulässig ist (BGH FamRZ 1997, 488; BGHZ 136, 374, 377 = NJW 1998, 161, 162 = LM Nr. 74 zu § 323 ZPO mit Anm. Leipold). Die Rechtsprechung stellt insoweit einen besonderen Streitgegenstandsbegriff auf, der auf ein einheitliches Unterhaltsverhältnis abstellt (MünchKomm/Gottwald § 323 Rn. 8; Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 35 a; Zöller/Vollkommer § 323 Rn. 30 und Einleitung Rn. 81 a und 91). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, widersprüchliche Entscheidungen über den selben Unterhaltsanspruch zu vermeiden. Folgerichtig verlangt der BGH daher auch, dass der Gegner sein gegenläufiges Abänderungsbegehren durch Widerklage im Erstverfahren geltend machen muss, will er der Präklusion nach § 323 Abs. 2 BGB entgehen (BGHZ 136, 374, 378 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass für Abänderungsklagen generell dieser besondere Streitgegenstandsbegriff anzuwenden ist. Für die Feststellung des Umfanges der Rechtskraft wird er nicht verwendet (Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 35 a). Die Abweisung einer Abänderungsklage erwächst ebenfalls in materielle Rechtskraft; festgestellt wird das Bestehen oder Nichtbestehen des prozessualen Gestaltungsrechtes (Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 34). Hierfür ist nicht allein der Antrag, sondern auch der geltend gemachte Abänderungsgrund maßgebend. Stellte man nur auf den Antrag ab, so könnte, da der neue Abänderungsantrag von dem früheren zeitlich jedenfalls teilweise umfasst wird, eine Abänderung wegen eines neuen Grundes nicht mehr erfolgen. Der am Unterhaltsverhältnis orientierte Streitgegenstandsbegriff ist lediglich für die Frage der Rechtshängigkeit von Bedeutung, bei der er sich aus dem Gesichtspunkt der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen rechtfertigt. Für die Klageänderung trifft dieser Gesichtspunkt indes nicht zu. Bei ihr besteht ebensowenig wie in Bezug auf die Rechtskraft eine Veranlassung, von dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff abzugehen.

Legt man diesen zugrunde und bestimmt den Streitgegenstand nach dem Antrag und dem Lebenssachverhalt, so ist im vorliegenden Fall - aus den dargelegten Gründen - ein Austausch des Streitgegenstandes anzunehmen; dass sich der Berufungsantrag und der erstinstanzliche Antrag zeitlich teilweise decken, steht dem nicht entgegen. Daraus folgt, dass die Berufung nach der oben angeführten Rechtsprechung unzulässig ist.

3. Auf die in Rechtsprechung und Schrifttum breit erörterte Problematik des Verhältnisses von § 323 ZPO zur Berufung kommt es dagegen nicht primär an (dazu MünchKomm/Gottwald § 323 Rn. 33 ff.; Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 27 bis 30; Zöller/Vollkommer § 323 Rn. 13; Thalmann in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 8 Rn. 153). Danach hat jede Partei grundsätzlich die Wahl zwischen Abänderungsklage und Berufung (OLG Bamberg FamRZ 1990, 187; Stein/Jonas/Leipold § 323 Rn. 30). Hat der Abänderungskläger oder auch der Gegner Berufung eingelegt, so müssen aus Gründen der Prozessökonomie und der Abwendung der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen die Abänderungsgründe allerdings im Berufungsverfahren, ggfls. im Wege der Anschlussberufung, geltend gemacht werden (BGHZ 96, 205 = NJW 1986, 383; BGHZ 136, 374, 376). Voraussetzung ist jedoch, dass das Rechtsmittel zulässig ist (MünchKomm/Gottwald § 323 Rn. 33). So ist der Abänderungsberechtigte, der im Erstverfahren voll obsiegt hat, auf eine erneute Abänderungsklage verwiesen, weil es für eine Berufung an der Beschwer fehlt (MünchKomm/Gottwald § 323 Rn. 34). Entsprechendes muss danach im vorliegenden Fall gelten, in dem der Berufungskläger gar nicht die Beschwer durch das erste Urteil angreift. Der Kläger erleidet dadurch keine gravierenden Nachteile, weil er bei einer Verwerfung der Berufung als unzulässig mit den Gründen, die erst während des Berufungsverfahrens eingetreten sind, nicht gemäß § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert wird (vgl. BGHZ 96, 205, 211; OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 493; MünchKomm/Gottwald § 323 Rn. 39). Bei einer erneuten Klage vor dem Amtsgericht wäre hier noch nicht einmal die zeitliche Grenze für eine Abänderung hinausgezögert, da § 323 Abs. 3 ZPO auf Vergleiche keine Anwendung findet (Zöller/Vollkommer § 323 Rn. 45).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 4.800,-- DM (400,-- DM x 12).



Ende der Entscheidung

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