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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 27 UF 221/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 164 II
BGB § 607 I
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

27 UF 221/01

In der Familiensache

hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Koall und der Richter am Oberlandesgericht Schmitz und Kleine

am 22. April 2002

beschlossen:

Tenor:

1) Der Antragstellerin wird wegen der Versäumung der Beschwerdefrist betreffend den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 16. Juli 2001 - 32 F 518/00 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2) Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der vorbezeichnete Beschluss abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Einwilligung des Antragsgegners in die Änderung des Familiennamens der Kinder S. und J. W. von W. in H.-W. wird ersetzt.

3) Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe:

1) Das Rechtsmittel ist zulässig.

Der Antragstellerin ist auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist nach den §§ 621 e, 516 ZPO, 11 RPflG zu gewähren. Sie war ohne ihr Verschulden gehindert, die Beschwerdefrist einzuhalten. Das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen der Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, stellt kein Verschulden der Partei i.S.v. § 233 ZPO dar (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 233, Rn. 23 Stichwort Prozesskostenhilfe). Nach Behebung dieses Hindernisses durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat hat die Antragstellerin mit am 30.11.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung beantragt und mit weiterem, ebenfalls am 30.11.2001 eingegangenem Schriftsatz die Prozesshandlung nachgeholt.

Mit dem Wiedereinsetzungsantrag ist die zweiwöchige Frist des § 234 ZPO gewahrt worden. Nach der anwaltlichen Versicherung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und der von ihr geschilderten Einzelheiten über ihren Tagesablauf ist nämlich davon auszugehen, dass sie von dem in ihrem Büro am 14.11.2001 eingegangenen Beschluss und damit von der Behebung des Hindernisses i.S.v. § 234 Abs. 2 ZPO erst im Laufe des 16.11.2001 Kenntnis genommen hat. Wäre ihr der Beschluss mittels Empfangsbekenntnis zugestellt worden, wäre unter diesem Datum das Empfangsbekenntnis zurückzusenden gewesen. Das Empfangsbekenntnis ist grundsätzlich mit dem Datum zu versehen, an dem das zuzustellende Schriftstück von dem Rechtsanwalt mit dem Willen entgegengenommen wird, es zu behalten (vgl. BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Nicht anderes kann für den Fristbeginn betreffend die Behebung des Hindernisses i.S.v. § 234 ZPO gelten. Mit der Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags und der Beschwerde bei Gericht am 30.11.2001 ist daher die Wiedereinsetzungsfrist eingehalten.

2) In der Sache erstrebt die sorgeberechtigte Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners in die Änderung des Familiennamens von W. in den Doppelnamen H.-W. . Das Amtsgericht hat mit Gründen, auf die der Senat hinsichtlich der Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts ausdrücklich Bezug nimmt, die Ersetzung der Einwiligung abgelehnt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die strengen Anforderungen an die Erforderlichkeit der Namensänderung seien nicht erfüllt.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie macht insbesondere geltend, das Amtsgericht habe sich mit den Anforderungen, die für das Tragen eines Doppelnamens zu stellen seien, nicht auseinandergesetzt. Aus der Möglichkeit der Verwendung eines Doppelnamens folge, dass an das Zustimmungserfordernis geringere Anforderungen zu stellen seien. Der Antragsgegner tritt diesem Rechtsmittel entgegen. Er macht geltend, die Änderung des Familiennamens entspreche lediglich dem Bestreben der Kindesmutter und nicht demjenigen der Kinder. Das Jugendamt habe - dies ist nicht streitig - empfohlen, zunächst zwei Jahre abzuwarten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze verwiesen.

Die Beschwerde ist in der Sache begründet.

Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass mit der durch die Neufassung des § 1618 Abs. 4 BGB geänderten Wortwahl, wonach die Namensänderung erforderlich sein muss, der Schutz der namensrechtlichen Bindung an den nicht sorgeberechtigten Elternteil stärker als nach bisherigem Recht ausgestaltet worden ist (vgl. BGH MDR 2001, 217; Wagenitz, FamRZ 1998, 1546, 1550 ff; Mühlens/Kirchmeier/Gressmann, Das neue Kindschaftsrecht. S.129 unter Hinweis auf BT-Drs. 13/8511 S. 73 f; Willutzki, KindPrax 2000, 76, 77; Oelkers/Oelkers, MDR 2001, 2169, 1270)). Bei der vorzunehmenden umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten sind Eltern- und Kindesinteressen regelmäßig als gleichrangig anzusehen. Abzuwägen sind dabei einerseits das Interesse des Kindes, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, andererseits der Grundsatz der Kontinuität der Namensführung, der ein Belang des diesen Namen führenden Elternteils, aber auch ein wichtiger Kindesbelang ist, weil er der Aufrechterhaltung der Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil dient (vgl. BGH MDR 2001, 217).

Regelmäßig ist damit nach der Neuregelung zum 1.7.1998 eine Einbenennung in die neue Familie nicht schon dann erforderlich, wenn die Beseitigung der Namensverschiedenheit innerhalb der neuen Familie des sorgeberechtigten Elternteils zweckmäßig und dem Kindeswohl förderlich erscheint. Eine mit der Trennung des Namensbandes verbundene Einbenennung ist nur dann als aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig anzusehen, wenn anderenfalls schwerwiegende Nachteile zu befürchten wären oder die Einbenennung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde (vgl. BGH MDR 2001, 218; .OLG Köln FamRZ 2001, 1547, 1548; OLG Oldenburg, FamRZ 2000, 694 f ).

Im Vergleich zu einer Einbenennung durch vollständige Änderung des Familiennamens sind allerdings die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Namensänderung bei der im Streitfall allein noch begehrten Voranstellung des Ehenamens des sorgeberechtigten Elternteils vor den bisherigen Familiennamen niedriger anzusetzen. Bei der notwendigen Abwägung der widerstreitenden Interessen ist in einem derartigen Fall von besonderem Gewicht, dass die Trennung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil entfällt und damit die Kontinuität des Namensführung als wichtiger Kindesbelang, aber auch Belang des nicht sorgeberechtigten Elternteils gewahrt bleibt. In einem solchen Fall kann das Interesse des Kindes an der Führung auch des Ehenamens der sorgeberechtigten Mutter und ihres Ehemanns gegenüber dem Interesse des nicht sorgeberechtigten Elternteils überwiegen, durch die ausschließliche Beibehaltung seines Familiennamens die Aufrechterhaltung der bestehenden Beziehung nach außen zu dokumentieren. Denn der in der Namensänderung liegende Eingriff in das Elternrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils entspricht in derartigen Fällen eher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit mag zwar eine "vollständige Einbenennung" in die Familie der sorgeberechtigten Mutter wegen der Schwere des Eingriffs in das Elternrecht in Fällen ausscheiden, in denen eine unabdingbare Notwendigkeit im Interesse des Kindes nicht festgestellt werden kann, nicht jedoch die additive Einbenennung, der nach der Rechtsprechung als der "mildere Eingriff" in das Elternrecht stets zu prüfen ist (vgl. BGH MDR 2001, 217, 218; OLG Celle, FamRZ 1999, 1374, 1375; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1376, 1377; OLG Bamberg, 2 UF 327/99; AG Bad Oldeslohe KindPrax 2000, 51; Willutzki a.a.O., 78).).

In diesem Sinn ist im Streitfall das Voranstellen des Ehenamens der Antragstellerin als nach § 1618 Abs.4 BGB erforderlich anzusehen. Beide Kinder, insbesondere S., haben bei ihrer Anhörung vor dem Rechtspfleger nachvollziehbar ihr Interesse dargelegt, den Namen H. zu führen. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass ihre Äußerungen auch bestimmt worden sein dürften durch das ihnen nicht verborgen gebliebene Interesse der Mutter an der Einbenennung, die ersichtlich bestrebt ist, ihrem jetzigen Ehemann auch in Bezug auf die beiden Kinder aus erster Ehe die Vaterrolle zuzuweisen. Dass die Kinder um Loyalität zur Mutter bemüht sind, bei der sie leben, zeigt die Äußerung S.s, er möchte wie die Mutter heißen, weil er sie lieb habe. Gleichwohl kann den Aussagen beider Kinder - namentlich wegen der immer wieder auftretenden Frage nach der Namensungleichheit in der Familie - das ernstliche Interesse entnommen werden, auch mit den anderen Mitgliedern der Familien, besonders auch dem weiteren Kind, einen Namen zu führen, der die Einheitlichkeit der Familie zum Ausdruck bringt. Das ist mit dem gewählten Doppelnamen unter Wahrung der Belange auch der Ursprungsfamilie der Fall. Dem hat der Antragsgegner gewichtige, bei der Abwägung zu berücksichtigende eigene Interessen nicht entgegengesetzt.

Von einer erneuten persönlichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der Kinder sieht der Senat ab. Insbesondere der Wille der Kinder ist durch die Anhörung im ersten Rechtszug hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist; Anhaltspunkte für eine Willensänderung sind weder ersichtlich noch von dem Antragsgegner hinreichend konkret geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung hat die Grundlage in § 13 a FGG, 94 Abs. 3 KostO.

Beschwerdewert: 5.000 DM

Ende der Entscheidung

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