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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 27 UF 34/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BVersG


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 2
BGB § 1587 o Abs. 2 S. 4
BVersG § 57 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das am 27.1.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Schleiden teilweise abgeändert.

Die Genehmigung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs in dem am 17.7.2003 vor dem Notar T. in H. geschlossenen notariellen Vertrag (UR Nr. xxxx/2003) wird abgelehnt.

Zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners auf eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei der E. U. AG werden monatliche Versorgungsanwartschaften i.H.v. 510,30 €, bezogen den 30.11.2003, begründet auf dem Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Versicherungsnummer xx xxxxxx J xxx.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind seit dem 10.6.2005 rechtskräftig geschiedene Eheleute.

Sie haben am 27.10.1972 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag ist am 2.12.2003 zugestellt worden.

In der vom 1.10.1972 bis 30.11.2003 dauernden Ehezeit (§ 1587 II BGB) haben die Parteien folgende Anwartschaften erworben:

die Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte i.H.v. monatlich 434,57 €,

der Antragsgegner bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz i.H.v. monatlich 64,86 € und bei der E. U. AG i.H.v. monatlich 1.390,30 €.

Durch das am 27.1.2005 verkündete Verbundurteil hat das Amtsgericht -Familiengericht- Schleiden den Ausschluss des Versorgungsausgleichs im notariellen Vertrag vom 17.7.2003 genehmigt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil wird insoweit verwiesen.

Gegen die Genehmigung des Versorgungsausgleichs richtet sich das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel der Antragstellerin, das als befristete Beschwerde nach § 621 e I i.V.m. § 621 I Nr. 6 ZPO zu behandeln ist. Mit der Beschwerde macht sie geltend, der ursprüngliche Entwurf des notariellen Vertrages habe vorgesehen, dass der Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Weise durchgeführt werde. Erst als der Antragsgegner im Notartermin vom Notar über die Folgen des Versorgungsausgleichs aufgeklärt worden sei, habe er sich geweigert, den Vertrag mit dem vorgesehenen Inhalt abzuschließen. Um den Termin nicht "platzen" zu lassen, habe sie daraufhin dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs zugestimmt, ohne sich allerdings bewusst gewesen zu sein, damit im Alter nicht ausreichend abgesichert zu sein.

Die Antragstellerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Abweisung des Antrags auf Genehmigung des in § 4 des Notarvertrages vom 17.7.2003 vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs den gesetzlichen Versorgungsausgleich durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er räumt ein, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs erst im Notartermin vereinbart worden ist, macht aber geltend, die Antragstellerin habe durch die vorangegangene Vermögensauseinandersetzung 116.500 € mehr an Vermögen erhalten als er.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze verwiesen.

II.

Das als "Berufung" bezeichnete Rechtsmittel der Antragstellerin ist als befristete Beschwerde gemäß § 621e I i.V.m. § 621 I Nr. 6 ZPO zulässig und in der Sache begründet.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kann der Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht genehmigt werden.

Die Genehmigung ist nach § 1587 o II 4 BGB zu versagen, wenn die vereinbarte Leistung unter Einbeziehung der Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleichs entsprechenden Sicherung des Berechtigten geeignet ist oder zu keinem nach Art und Höhe angemessenen Ausgleich unter den Ehegatten führt.

Vorliegend ist für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs keine Gegenleistung vereinbart worden. In § 6 Ziffer 1 des notariellen Vertrages heißt es zwar, der Antragsgegner zahle als Ausgleich für die Eigentumsübertragung sowie den Verzicht auf Unterhalt und den Versorgungsausgleich einen Betrag von 75.000 €. Diese Aussage entspricht aber nicht der vertraglichen Regelung. Die Höhe der vereinbarten Ausgleichszahlung deckt sich vielmehr mit dem von den Parteien in § 5 Ziffer II des notariellen Vertrages angenommenen Verkehrswert des Hälfteanteils der Antragstellerin. Zwar ist das Eigentum des Antragsgegners zunächst durch das zugunsten der gemeinsamen Kinder bestellte Wohnrecht belastet worden. Das ist aber keine Regelung, die zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die Antragstellerin führt.

Die Höhe der Ausgleichszahlung war im Übrigen schon vereinbart, als der Ausschluss des Versorgungsausgleichs noch gar nicht erwogen worden war. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, hat der Antragsgegner den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erstmals im Notartermin verlangt. Der Ausschluss ist dann in die Urkunde aufgenommen worden, ohne dass der vorgesehene Inhalt des Vertrages im Übrigen geändert worden ist. Die Antragstellerin hat daher auf den Versorgungsausgleich verzichtet, ohne irgendeine Gegenleistung oder Kompensation für die damit verbundenen Nachteile zu erhalten.

Zwar ist ein entschädigungsloser Verzicht auf den Versorgungsausgleich nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH FamRZ 1982, 471; 1982, 688; 1994,234). Durch das Genehmigungserfordernis soll aber verhindert werden, dass der sozial schwächere Ehegatte bei einer Vereinbarung unter dem Druck der Scheidungssituation übervorteilt wird. Eine Genehmigung des entschädigungslosen Verzichts auf den Versorgungsausgleich kann deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn der Ausgleichsberechtigte nicht auf den Versorgungsausgleich angewiesen ist, um eine angemessene Altersversorgung zu erlangen, oder der Ausgleich zwischen den Eheleuten im Übrigen gleichwohl angemessen ist.

Die erste Alternative ist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der Ausgleichszahlung und der Vermögensaufteilung auszuschließen, zumal sie nach der Übertragung ihres Grundstücksanteils ihren Wohnbedarf anderweitig decken muss. Insbesondere hat sie aber ehebedingt Nachteile bei der Erlangung eigener Versorgungsanwartschaften erlitten, da sie nach der Geburt der Kinder von 1981 bis 1992 überhaupt nicht berufstätig war und danach nur in Teilzeit.

Auch ist der Ausgleich zwischen den Parteien im Übrigen nicht angemessen.

Der Ausgleichsbetrag zugunsten der Antragstellerin beläuft sich, wie noch darzustellen sein wird, auf monatlich 510,30 €. Bei einer statistischen Lebenserwartung von 85 Jahren entgehen der Antragstellerin, wenn sie nach Vollendung des 65. Lebensjahres Rente erhält, ca. 120.000 €.

Der Antragsgegner wird durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht in entsprechendem Maße belastet. Da er schon Versorgungsempfänger ist, greift zu seien Gunsten das Pensionärsprivileg nach § 57 I 2 BVersG ein. Danach wird eine im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Entscheidung zum Versorgungsausgleich bereits gezahlte Pension erst dann gekürzt, wenn der Ausgleichsberechtigte selbst eine Rente erhält. Da die Antragstellerin noch keine Rente bezieht und erst 53 Jahre alt ist, kann es bis zu 12 Jahren dauern, bis den Antragsgegner die Nachteile aus dem Versorgungsausgleich tatsächlich treffen. Da die derzeitige statistische Lebenserwartung des Antragsgegners bei noch 20,5 Jahre liegt, wirkt sich der Versorgungsausgleich zu seinen Lasten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nur während eines Zeitraums aus, der wesentlich geringer ist als der Zeitraum, in dem der Ausschluss des Versorgungsausgleichs voraussichtlich die Antragstellerin belasten würde. Es ist zu erwarten, dass zu diesem Zeitpunkt auch bereits das Wohnrecht für die Kinder erloschen ist, so dass der Antragsgegner die Kürzung der Pension durch den Versorgungsausgleich durch Mieteinnahmen kompensieren kann.

Der Einwand des Antragsgegners, die Antragstellerin habe einen angemessenen Ausgleich durch die Vermögensauseinandersetzung erlangt, greift nicht. Ausweislich der vom Antragsgegner gefertigten Übersicht (Bl. 119 GA) betrug die Gesamtsumme des Anlagevermögens der Parteien 167.717,57 €. Davon hat die Antragstellerin 119.447 € erhalten, der Antragsgegner 48.270,48 €. Unstreitig sind die Parteien aber davon ausgegangen, dass auf Seiten der Antragstellerin Schenkungen ihrer Eltern i.H.v. 50.000 € in das Anlagevermögen eingeflossen sind, die ihr wieder zufließen sollten. Die beim Zugewinnausgleich in das Anfangsvermögen der Antragstellerin fallenden Schenkungen wären zum Ausgleich des Kaufkraftschwundes zudem noch hochzurechnen gewesen.

Es ist deshalb offensichtlich, dass die Antragstellerin keinen angemessenen Ausgleich für die erheblichen Nachteile erhalten hat, die ihr durch den Verzicht auf den Versorgungsausgleich entstehen würden. Die Genehmigung ist daher zu versagen und der gesetzliche Versorgungsausgleich durchzuführen.

vom Antragsgegner erworbene Anwartschaften:

 bei der Landesversicherungsanstalt 64,86 €
bei der E. U. AG 1.390,30 €
 1.455,16 €
von der Antragstellerin erworbene Anwartschaften 434,57 €

Ausgleichspflichtig ist der Antragsteller, da er die höheren Anwartschaften erlangt hat.

Die Anwartschaften des ausgleichspflichtigen Antragsgegners aus der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen zusammen mit den Anrechten aus der Beamtenversorgung die Anrechte der ausgleichsberechtigten Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung um 1.020,59 €. Für die Hälfte des Wertunterschiedes sind zugunsten der Antragstellerin nach § 1587 b II BGB Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 93 a I ZPO, 13 a FGG 1587 b VI BGB, 49 GKG.

Ende der Entscheidung

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