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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 3 U 112/06 BschRh
Rechtsgebiete: RheinSchPVO, BGB, BSchG, ZPO
Vorschriften:
RheinSchPVO § 6.09 Nr. 1 | |
RheinSchPVO § 6.03 Nr. 3 | |
BGB § 823 | |
BSchG § 3 | |
BSchG § 92b | |
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 |
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 22. Mai 2006 (5 C 38/05 BSch) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach einer am 10.06.2004 erfolgten Schiffskollision bei Rheinkilometer 832,5 (Obermörmter). Die Klägerin ist Versicherer des MS "K.", das als Koppelverband mit einem steuerbord gemeerten Leichter zu Tal fuhr. Die Beklagte zu 1. ist Eignerin, der Beklagte zu 2. Schiffsführer des TMS "F.", das sich auf Bergfahrt befand und im Begriff war, das ebenfalls zu Berg fahrende MS "St. N." zu überholen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist nach durchgeführter Beweisaufnahme unter Zugrundelegung insbesondere der Angaben der unbeteiligten Zeugen X. (MS "D. W."; in Bergfahrt hinter TMS "F.") und E. (MS "St. N.") zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kollision allein vom Schiffsführer des MS "K." verschuldet worden sei, weil dieser entgegen § 6.03 Nr.3 RheinSchPVO den Kurs im Begegnungsverkehr ohne Not in einer Weise geändert habe, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen konnte. Demgegenüber lasse sich ein Verschulden des Beklagten zu 2. nicht feststellen. Ein Verstoß gegen § 6.09 Nr.1 RheinSchPVO liege nicht vor, weil das eingeleitete Überholmanöver gefahrlos hätte durchgeführt werden können, wenn nicht MS "K." den Kurs geändert hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts. Tatsächlich ergebe sich bei zutreffender Würdigung der Zeugenaussagen, dass TMS "F." alle Veranlassung gehabt hätte, den Überholvorgang abzubrechen, während MS "K." nicht weiter nach rechtsrheinisch habe ausweichen können; dies ergebe sich insbesondere auch aus den vom Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht für nicht glaubhaft gehaltenen Angaben des Zeugen Q. (MS "L.", in Talfahrt hinter MS "K.").
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlussverhandlung I. Instanz gestellten Anträgen der Klägerin zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu. Der von der Klägerin aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht geltend gemachte Schadensersatzanspruch setzt Verschulden voraus, §§ 823 BGB, 3, 92b BSchG. Ein solches Verschulden auf Seiten der Schiffsbesatzung des TMS "F." ist auf der Grundlage der in erster Instanz getroffenen Feststellungen, wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend erkannt hat, nicht ersichtlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die entscheidungserheblichen Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts unrichtig oder unvollständig sein könnten, fehlen. Dieses Ergebnis geht zu Lasten der für alle klagebegründenden Tatsachen, insbesondere auch das Verschulden, beweispflichtigen Klägerin.
1.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch setzt gem. §§ 823 BGB, 3, 92b BSchG zwingend ein Verschulden voraus; eine Gefährdungshaftung ist dem deutschen Binnenschifffahrtsrecht fremd (BGH, Urt. v. 05.07.1982, VersR 1982, 1047 ff.).
2.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat festgestellt, dass das von TMS "F." hier eingeleitete Überholmanöver trotz der Begegnung mit MS "K." zulässig war, weil es ausreichend Platz für eine Begegnung gab, wobei sich TMS "F." im Zeitpunkt der Begegnung so dicht wie möglich neben MS "St. N." befand, das sich linksrheinisch so nah wie möglich der Kribbenlinie genähert hatte. Hiervon ausgehend lässt sich ein Verschulden des Schiffsführers des TMS "F." nicht feststellen.
a.
Ein Verschulden ergibt sich danach nicht aus einem Verstoß des Schiffsführers des TMS "F." gegen § 6.09 Nr.1 RheinSchPVO. Denn den Beklagten ist nach dem festgestellten Sachverhalt der ihnen obliegende Beweis gelungen, dass das Überholmanöver grundsätzlich zulässig war, ohne dass die Klägerin weitere Anhaltspunkte für Fehler bei der Vorbeifahrt hätte nachweisen können. Sache des Überholenden ist es zunächst, die Zulässigkeit des Überholmanövers darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1970, VersR 1970, 948). Das ist den Beklagten hier gelungen. Denn wenn auch bei Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes unzweifelhaft genügend Raum für eine gefahrlose Begegnung vorhanden ist, ist das Überholen durch einen Bergfahrer auch dann zulässig, wenn ihm ein Talfahrer entgegen kommt (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.1969, VersR 1969, 460).
b.
Die Klägerin hat weitere Anhaltspunkte für schuldhaftes Verhalten der Schiffsbesatzung des TMS "F." in Zusammenhang mit der Vorbeifahrt an MS "St. N." nach den Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts nicht beweisen können. Die Behauptung, TMS "F." sei "vom Winde verweht" worden und habe daher den Kurs geändert und somit gegen § 6.03 Nr.3 RheinSchPVO verstoßen, ist nach den Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts nicht erwiesen. Das geht zu Lasten der insoweit nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1968, VersR 1969, 323: "steht fest, dass ..."; Wassermeyer, Der Kollisionsprozess in der Binnenschifffahrt, 4.Aufl. 1971, S.90: "... wird allgemein anerkannt ..."; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl.1996, § 6.03 RheinSchPVO Rn52). Entsprechendes gilt für die Behauptung der Klägerin, TMS "F." habe MS "K." keinen geeigneten Weg freigelassen (zur Beweislast vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1988, NJW 1989, 473 f.; Urt. v. 25.11.1968, VersR 1969, 323; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl.1996, § 6.03 RheinSchPVO Rn50).
3.
An diese Feststellungen ist der Senat gem. § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen.
a.
Mit Recht hat es das Rheinschifffahrtsgericht als erwiesen angesehen, dass eine Begegnung Backbord an Backbord zwischen TMS "F." und MS "K." hier trotz des von TMS "F." eingeleiteten Überholmanövers an dieser Stelle grundsätzlich noch gefahrlos möglich war, weil es ausreichend Platz für die Begegnung gab. Dies haben nicht nur die unbeteiligten Zeugen X. und E. übereinstimmend bestätigt, auch der von der Klägerin selbst als glaubhaft angesehene Zeuge Q. hat ausdrücklich "Platz für drei Schiffe nebeneinander" eindeutig bestätigt. Selbst der Schiffsführer des MS "K.", der Zeuge C., hat maßgeblich nur darauf abgestellt, dass TMS "F." den ursprünglichen Kurs nicht beibehalten habe, sondern "vom Winde verweht" worden sei, nicht aber bekundet, dass es bei entsprechender Fahrweise von TMS "F." nicht ausreichend Platz für das Überholmanöver gegeben habe. Nimmt man hinzu, dass sich die Schiffe zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 2. des entgegenkommenden MS "K." in ca. 1,5 km Entfernung gewahr wurde, unstreitig in ca.270-300m breitem Fahrwasser befanden, die Kribbenlinie linksrheinisch, an der sich MS "St. N." befand, selbst nach den Angaben des Schiffsführers C. von MS "K." an dieser Stelle "sehr kurz" ist und MS "K. rechtsrheinisch schon über Grund fuhr, kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass es ausreichend Platz für eine Überholung von MS "St. N." durch TMS "F." gab. Damit aber entfällt ein Anscheinsbeweis zu Lasten der Beklagten (vgl. Bemm/von Waldstein, RheinSchPVO, § 6.03 Rn52). Dass der Beklagte zu 2. hier von vornherein nicht hätte überholen dürfen oder aber für das Überholen einen anderen Kurs hätte wählen können, ist angesichts der unterschiedlichen Zeugenaussagen jedenfalls nicht erwiesen.
b.
Mit Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht auch sonstiges schuldhaftes Verhalten der Besatzung des TMS "F." bei der Vorbeifahrt nicht für erwiesen erachtet. Soweit die Klägerin darauf verweist, TMS "F." habe angesichts des Windes nicht Kurs gehalten, haben dies zwar der Zeuge C. als Schiffsführer von MS "K." und - als Vermutung - auch der unbeteiligte Zeuge Q. bestätigt; diesen Angaben stehen aber die jedenfalls nicht minder glaubhaften Angaben der unbeteiligten Zeugen X. und E. gegenüber, so dass ein schuldhafter Verstoß gegen das Kursänderungsgebot im Ergebnis nicht als erwiesen angesehen werden kann.
c.
Entsprechendes gilt für die Behauptung der Klägerin, TMS "F." habe MS "K." keinen geeigneten Weg für eine Begegnung freigelassen. Dies haben zwar der Zeuge C. als Schiffsführer von MS "K." und in Ansätzen auch der unbeteiligte Zeuge Q. so dargestellt, indem sie bekundet haben, MS "K." habe nicht noch weiter rechtsrheinisch fahren können; diesen Angaben stehen aber wiederum die jedenfalls nicht minder glaubhaften Angaben der unbeteiligten Zeugen X. und E. gegenüber, die übereinstimmend bekundet haben, MS "K." habe sich etwa in Strommitte befunden, so dass von ausreichendem Platz zur Vorbeifahrt auszugehen wäre.
4.
Die Nichterweislichkeit des Verschuldens geht im Rahmen der Haftung nach §§ 823 BGB, 3, 92b BSchG nach allgemeinen Grundsätzen zu Lasten der Klägerin als Anspruchstellerin (vgl. BGH Urt. v. 03.02.1975, VersR 1975, 639).
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
6.
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO). Alle im vorliegenden Fall maßgeblichen Fragen sind bereits ausreichend höchstrichterlich geklärt; die Begründung der Entscheidung beruht im Wesentlichen auf der revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Würdigung der erhobenen Beweise.
Streitwert: 16.384,45 Euro
Ende der Entscheidung
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