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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 3 U 117/04 BSch
Rechtsgebiete: ZPO, HGB, BSchG


Vorschriften:

ZPO § 142
ZPO § 421
ZPO § 422
HGB § 18 Abs. 2
BSchG § 2
BSchG § 3
BSchG § 92
BSchG § 92 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - St. Goar - 4 C 12/03 BSch - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Versicherer von MS "W." Schadensersatzansprüche in Höhe von 81.654,87 € aus dem Zusammenstoß dieses Schiffes mit dem Koppelverband, bestehend aus TMS "V. L. " und SL "F. XX", am 23.10.2002 auf der E. in L. in V. geltend. Die Schiffe waren bei Nebel im Begegnungsverkehr zusammen gestoßen. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Ausrüster, jedenfalls Auch - Ausrüster, in Anspruch, weil der Schiffsführer von TMS "V. L. " als Bergfahrer die Kollision verschuldet habe.

Das Schifffahrtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei weder Schiffseigner noch Ausrüster des Koppelverbandes gewesen.

Mit der Berufung hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, die Beklagte sei Ausrüster von TMS "V. L. ". Die Streithelferin als angeblicher Ausrüster habe bis heute auf Verantwortlichstellungen der Klägerin nicht reagiert und ihre Behauptung, sie stelle das Schiffspersonal, in keiner Weise konkretisiert oder qualifiziert unter Beweis gestellt. Das gelte auch hinsichtlich der Versicherung des Schiffes. Auch die Beklagte habe insoweit ihre Prozessförderungspflicht nicht erfüllt. Das Schifffahrtsgericht habe klären müssen, wer das Schiffspersonal von TMS "V. L. " beschäftigt habe. Die Klägerin beantragt gemäß § 421 ZPO, der Beklagten und der Streithelferin die Vorlage der Arbeitsverträge des Personals sowie die Befrachtungsnachweise und die Versicherungspolice aufzuerlegen. Sie behauptet, die Beklagte habe das Schiff bereedert, befrachtet und versichert.

Die Klägerin meint unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 HGB, die Reederei K. , die auch TMS "V. L. " über einen Internetauftritt vermarkte, müsse mit der Beklagten gleichgesetzt werden.

Die Klägerin behauptet ferner, eine langjährige Mitarbeiterin der Beklagten habe diese nach der Kollision als Ausrüsterin des Schiffes bezeichnet. Den angebotenen Beweis habe das Schifffahrtsgericht erheben müssen.

Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Beklagte sei jedenfalls "Auch-Ausrüster" neben der Streithelferin.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 81.654,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil und die von den Parteien sowie der Streithelferin in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Schifffahrtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche unterliegen gemäß Art. 40 EGBGB dem v. Recht, weil sich der Zusammenstoß von MS "W." und dem Koppelverband, bestehend aus TMS "V. L. " und SL "F. XX" in V. ereignet hat und dort der Schaden an MS "W." eingetreten ist.

Art. 40 Abs. 2 EGBGB kommt nicht zur Anwendung, da weder die Klägerin noch ihre Versicherungsnehmerin ihren Sitz oder eine Niederlassung in Deutschland haben. Auch die Voraussetzungen des Art. 41 EGBGB liegen nicht vor.

Die Parteien haben nicht gemäß Art. 42 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts gewählt. Eine entsprechende Vereinbarung liegt nicht darin, dass sich die Beklagte mit dem Gerichtsstand St. Goar einverstanden erklärt hat. Die Klägerin hatte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 28.10.2002 (Bl. 63 d.A.) den Gerichtsstand St. Goar angeboten; die Beklagte hat sich mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.10.2002 (Bl. 64 d.A.) damit einverstanden erklärt. Von einer Rechtswahl ist in beiden Schreiben keine Rede. Eine entsprechende Vereinbarung ist auch nicht dadurch zustande gekommen, dass die Klägerin sich zur Begründung ihres Anspruchs auf die Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes berufen hat; denn Beklagte und Streithelferin haben der Anwendung deutschen Rechts wiederholt widersprochen und darauf bestanden, dass v. Recht anzuwenden sei.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Haftung der Beklagten als Ausrüster oder Auch-Ausrüster von TMS "V. L. " nach v. Recht hielt der Senat nicht für erforderlich. Denn nach dem unbestrittenen Klagevortrag besteht hinsichtlich des Ausrüsterbegriffs und der Haftung des Ausrüsters für Schäden aus einer Schiffskollision kein Unterschied zwischen dem deutschen und dem v. Recht. Nach v. Recht hafte der "Inbetriebhalter" eben so wie nach deutschem Recht der Ausrüster. Die beiden Rechtsfiguren des Ausrüsters und Auch-Ausrüsters fänden sich in dem v. Inbetriebhalter Begriff wieder.

Hiernach haftet die Beklagte nicht für den bei der Kollision entstandenen Schaden, da nach deutschem Recht eine Haftung gemäß § 2, 3, 92, 92 b BSchG nicht besteht.

Unstreitig war die Beklagte nicht Schiffseigner von TMS "V. L. " (§ 1 BSchG).

Das Schifffahrtsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte nach deutschem Recht nicht Ausrüster oder Auch-Ausrüster des Schiffes gewesen ist.

Ausrüster im Sinne von § 2 BSchG ist jede Person, die ein ihr nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffsführer anvertraut. Der Ausrüster muss im eigenen Namen das Schiff als selbständiger Unternehmer nutzen. Wird das Schiff einem Schiffsführer anvertraut, so ist der Schiffsverwender nur dann Ausrüster, wenn der Schiffsführer in seinen Diensten steht, also von ihm abhängig ist und seinem Direktionsrecht unterliegt (vgl. BGHZ 22, 197, 200; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg VersR 1978, 560 - jeweils für § 510 HGB -).

Die Beweislast für alle Umstände, die die Ausrüstereigenschaft begründen, liegt beim Kläger, wenn er den Ausrüster aus der Verwendung des Schiffes in Anspruch nimmt. Diesen Beweis hat die Klägerin nicht geführt.

Die Beklagte und die Streithelferin behaupten, letztere sei Ausrüster von TMS "V. L. ". Dementsprechend ist in dem von der Schifffahrtsaufsicht des Zentralen Verkehrsinspektorats in C. - Registrierungsbehörde für schwimmende Objekte unter v. Flagge - die Streithelferin als "Inbetriebhalter" des Schiffes eingetragen. Unstreitig entspricht der Begriff nach v. Recht dem Begriff des Ausrüsters nach deutschem Recht.

Demgegenüber bezieht sich die Klägerin für ihre Behauptung, die Beklagte sei Ausrüster des Schiffes, im wesentlichen auf den Internetauftritt der "Reederei K. ", die damit wirbt, dass zu ihrer Flotte u.a. auch TMS "V. L. " und SL "F. XX" gehören. Die "Reederei K. " ist ein Firmengruppen-Familienunternehmen ("K. -Gruppe"), zu dem eine Vielzahl von operativ tätigen Gesellschaften gehört, von denen die Beklagte nach ihrem Vortrag die größte und die Streithelferin eine von der Beklagten rechtlich und wirtschaftlich unabhängige v. Betriebsgesellschaft (Kommanditgesellschaft mit Sitz in K. ) ist. Die Beklagte ist nach den vorliegenden Handelsregisterauszügen für beide Firmen weder Komplementärin noch Kommanditistin der Streithelferin. Einer der Geschäftsführer beider Firmen war zum Unfallzeitpunkt Herr Dr. H. K. ; ferner waren drei Mitglieder der Familie K. Kommanditisten der Streithelferin; Herr M. Y. war sowohl Geschäftsführer der Beklagten als auch der Komplementärin der Streithelferin. Diese Personengleichheit begründet eben so wenig eine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit der Streithelferin von der Beklagten wie die Werbung der "Reederei K. " im Internet, sie habe eine geschlossene Leistungskette mit eigenständigen Niederlassungen von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer geschaffen; K. sei in neun Ländern Europas mit Tochterunternehmen, Niederlassungen und Agenturen vertreten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Äußerungen des Herrn Dr. H. K. in einem Artikel der Zeitschrift für Binnenschifffahrt vom März 2004 (Bl. 289 d.A.), in dem er die Streithelferin als "Tochterunternehmen" bezeichnet. Wie sich aus der Überschrift und dem Textzusammenhang ergibt, hat Herr K. die Streithelferin der "K. -Gruppe" und nicht der Beklagten zuordnen wollen.

Die Ausrüstereigenschaft der Beklagten lässt sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten vereinfachten Jahresabschluss 2002 der Streithelferin (Übersetzung Bl. 384 ff. d.A.) herleiten. Die darin aufgeführten erheblichen Beträge für "in Anspruch genommene Dienstleistungen" Schiffsmiete und Schiffsbesatzung sind im Gegenteil ein wesentliches Indiz für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten und der Streithelferin, diese habe das ihr nicht gehörende TMS "V. L. " zur Binnenschifffahrt verwendet und die Besatzung gestellt. Zwar sei sie nicht Arbeitgeberin der Besatzungsmitglieder gewesen; diese seien durch eine crewing agency gestellt worden - eine im Schifffahrtsbereich weit verbreitete Form der Arbeitnehmerüberlassung. Die Streithelferin habe aber das arbeitsrechtliche Weisungsrecht hinsichtlich der Berufsausübung der Besatzungsmitglieder erlangt und die Weisungen gegeben, wie die Besatzungsmitglieder sich auf dem Schiff zu verhalten hätten, von wem, wann, wie und wohin gesteuert werde, welche Ladung das Schiff aufnehme und wo gelöscht werde. In der im Jahresabschluss 2002 angeführten "Schiffsmiete" sei auch die Chartermietrate für TMS "V. L. " enthalten. Das Schiff werde von der Streithelferin befrachtet.

Die Klägerin hat keinen geeigneten Beweis dafür angeboten, dass dieser - mit den von ihr selbst eingereichten Unterlagen in Einklang stehende - Vortrag der Beklagten und der Streithelferin falsch ist. Der Jahresabschluss 2002 der Streithelferin ist nicht geeignet, den Vortrag der Klägerin zu stützen. Sie sieht sogar ausdrücklich von der Behauptung ab, die Beklagte habe das Schiffspersonal beschäftigt, weil sie meint, dies wäre eine Behauptung "ins Blaue hinein". Weder die Beklagte noch die Streithelferin sind jedoch verpflichtet, durch Vorlage von Verträgen u.ä. "klarzustellen", wer den Schiffsführer gestellt hat. Die Beklagte und die Streithelferin haben hinreichend substantiiert dargetan, dass der Schiffsführer und die übrige Besatzung in den Diensten der Streithelferin stand und ihrem Direktionsrecht unterlag.

Den Anträgen der Klägerin gemäß § 421 ZPO, der Streithelferin und der Beklagten aufzuerlegen, die Arbeitsverträge des Personals für TMS "V. L. ", die Befrachtungsnachweise und die Versicherungspolice für das Schiff vorzulegen, ist nicht stattzugeben, da die Beklagte und die Streithelferin nicht gemäß § 422 ZPO zur Vorlegung der Urkunden verpflichtet sind. Ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskunft oder Herausgabe der genannten Urkunden steht der Klägerin nicht zu. Mit der Benennung der Streithelferin als Ausrüster sind die in Betracht kommenden Auskunftsansprüche der Klägerin jedenfalls erfüllt. Aus diesem Grunde hat der Senat auch von einer Anordnung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO abgesehen.

Die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen reichen ebenfalls weder einzeln noch in der Gesamtschau aus, die Ausrüstereigenschaft der Beklagten festzustellen, sodass insoweit angebotene Beweise nicht zu erheben waren.

Kein hinreichendes Indiz ist der Umstand, dass ein für Versicherung und Havariebearbeitung zuständiger Angestellter der Beklagten (Herr S. N. ) Schadensfälle und Versicherungsangelegenheiten auch für andere Gesellschaften der "K. -Gruppe" bearbeitet hat, wie sich aus der Anmeldung von Schadensersatzansprüchen der E.-Tankschifffahrtsgesellschaft mbH in Wien vom 30.10.2002 gegenüber der Klägerin ergibt (vgl. Bl. 65 d.A.). Solche Maßnahmen - ebenso wie die Beauftragung von Schiffsexperten durch Mitarbeiter der Beklagten - im Rahmen des Familienunternehmens "K. -Gruppe" sprechen nicht gegen die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit der einzelnen Gesellschaften. Gleiches gilt für die Behauptung der Klägerin, TMS "V. L. " sei von der Beklagten versichert worden. Im Übrigen hat die Klägerin für diese Behauptung und die weitere, das Schiff sei unter der Flagge der Beklagten gefahren, keinen geeigneten Beweis angeboten.

Das Schifffahrtsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass die von der Klägerin behauptete Äußerung einer nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiterin der Beklagten im Zusammenhang mit der Schadensabwicklung, die Beklagte habe den Koppelverband ausgerüstet, die Ausrüstereigenschaft nicht begründen kann und kein hinreichendes Indiz dafür ist, dass die Beklagte tatsächlich Ausrüster war.

Nach den gesamten Umständen ergibt sich auch nichts dafür, dass die Beklagte neben der Streithelferin Auch-Ausrüster des Schiffes war. Auch-Ausrüster kann nur sein, wer die Voraussetzungen der Ausrüstereigenschaft erfüllt. Nicht ausreichend ist ein wirtschaftlicher Nutzen, den die Beklagte nach Klagevortrag durch die europaweite Vermarktung der "K. Flotte" durch die "Reederei K. " hat.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 HGB eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten aus dem Internetauftritt der "Reederei K. " herleiten will, kann sie damit keinen Erfolg haben. Für die Frage einer Haftung des Ausrüsters für eine Schiffskollision spielt dieser Gesichtspunkt keine Rolle. Der Zusammenstoß der Schiffe ist nicht etwa erfolgt, weil die Versicherungsnehmerin der Klägerin darauf vertraut hätte, es mit einem Schiff zu tun zu haben, dessen Ausrüster die Beklagte war.

Schließlich handelt die Beklagte nicht treuwidrig, wenn sie ihre Ausrüstereigenschaft in diesem Rechtsstreit verneint. Denn der Klägerin ist bereits mehr als ein halbes Jahr vor Klageerhebung durch ein weiteres Unternehmen der "Reederei K. ", die E.-Tankschifffahrtsgesellschaft mbH, mit Schreiben vom 21.01.2003 mitgeteilt worden, dass Ausrüster von TMS "V. L. " die Streithelferin gewesen sei (Bl. 23 d.A.).

Nicht entscheidungserheblich ist schließlich, ob die Streithelferin außergerichtlich auf Verantwortlichstellungen der Klägerin nicht reagiert hat.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurück zu weisen.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Berufungsstreitwert: 81.654,87 €.

Ende der Entscheidung

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