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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 132/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 670
BGB § 677
BGB § 683 Satz 1
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 132/01

Anlage zum Protokoll vom 19.03.2002

Verkündet am 19.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, die Richterin am Oberlandesgericht Schneider und den Richter am Landgericht Dr. Falkenstein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. April 2001 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O 143/00 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 € abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die jeweilige Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Die Beklagte, eine in A./Niederlande ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht, erteilte der Klägerin am 6. April 1999 einen Speditionsauftrag über die Verbringung von Druckmaschinen nach A./Niederlande. Diese Druckmaschinen waren zuvor zollfrei aus den USA vorübergehend in das Gebiet der Europäischen Union zu der in der Zeit vom 2. bis zum 6. Juni 1999 in M. stattfindenden Ausstellung F. eingeführt worden und sollten nach Beendigung der Ausstellung endgültig in den Niederlanden verbleiben. Bei den Verhandlungen über die Auftragserteilung, die seitens der Beklagten durch die Zeugin T. und seitens der Klägerin durch den Zeugen U. geführt wurden, füllte der Zeuge U. ein als "Speditionsauftrag und Abholschein" überschriebenes Formular der Klägerin aus, in das er u. a. den handschriftlichen Vermerk "Clear everything permanent" aufnahm. Das Formular wurde danach vom Zeugen U. und der Zeugin T. unterschrieben.

Nachdem die Klägerin die Waren übernommen hatte, führte sie noch in Deutschland die Einfuhrabfertigung durch, wobei sie 58. 241,17 DM an Einfuhrumsatzsteuer zahlte, danach verbrachte sie die Ware an ihren Bestimmungsort nach A./Niederlande.

Unter dem 23. September 1999 stellte die Klägerin der Beklagten den von ihr gezahlten Umsatzsteuerbetrag von 58.241,17 DM sowie eine Vorlageprovision in Höhe von 542,41 DM, insgesamt 58.823,58 DM in Rechnung. Die Beklagte stellte unter dem 28. September 1999 beim Bundesamt für Finanzen in B. einen Antrag auf Umsatzsteuervergütung, die Rechnung der Klägerin bezahlte sie zunächst nicht.

Die Klägerin hat behauptet, sie arbeite immer auf der Grundlage der ADSp, auf die sie in ihren Geschäftspapieren verweise. Dies sei der Beklagten, die mit der Klägerin schon vor dem hier maßgeblichen Rechtsgeschäft in Geschäftsbeziehungen gestanden habe, auch bekannt gewesen. Zudem werde auf der Rückseite des von der Zeugin T. unterzeichneten Formulars auf die Geltung der ADSp verwiesen. Die Beklagte habe sie nicht mit dem Zollversand als Zollgut, sondern mit der endgültigen Einfuhr der Ware beauftragt. Dies ergebe sich auch aus der Formulierung "Clear everything permanent".

Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.823,58 DM nebst 5% Zinsen seit dem 4. Oktober 1999 zu zahlen.

Nachdem die Beklagte einen ihr erstatteten Einfuhrumsatzsteuerbetrag von 58.779,46 DM am 12. Dezember 2000 an die Klägerin ausgekehrt hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.823,58 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Oktober 1999 abzüglich am 12. Dezember 2000 gezahlter 58.779,46 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Klägerin nicht mit der Einfuhrabfertigung, sondern nur mit der endgültigen Verbringung der Waren in die Niederlande beauftragt. Der Hinweis "Clear everything permanent" habe lediglich als Erinnerungsstütze für die Beklagte dienen sollen. Die Zeugin T. habe gegenüber dem Zeugen U. ausdrücklich erklärt, dass die Waren erst in den Niederlanden verzollt werden sollten, da die Beklagte berechtigt sei, für die aus den USA stammenden Waren keinen Umsatzsteuervorschuss zahlen zu müssen.

Durch am 3. April 2001 verkündetes Urteil (das zunächst vermerkte Verkündungsdatum 13. April 2001 wurde gemäß Beschluss vom 27.04.2001 berichtigt) hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 58.823,58 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Oktober 1999 abzüglich am 12. Dezember 2000 gezahlter 58.779,46 DM zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei Sache der Beklagten gewesen, die Klägerin bei der Auftragserteilung darauf hinzuweisen, dass sie von dem ihr eingeräumten Recht der Umsatzsteuerbefreiung habe Gebrauch machen wollen; für ihre Behauptung, auf ihre Befreiung von der Umsatzsteuerabgabe in den Niederlanden hingewiesen zu haben, habe sie jedoch keinen Beweis angetreten.

Gegen dieses an ihre Prozessbevollmächtigten am 5. April 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 3. Mai 2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Begründung der Berufung auf am 21. Mai 2001 bei Gericht eingegangenen Antrag der Beklagten bis zum 3. Juli 2001 verlängert worden ist, hat die Beklagte mit am 29. Juni 2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung begründet.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet weiter, der Zeuge U. habe später eingeräumt, dass die Steueranmeldung, mit der die Klägerin nicht beauftragt worden sei, versehentlich erfolgt sei. Die Klägerin habe gewusst, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, eine Umsatzsteuerverlagerung in die Niederlande vorzunehmen, wo kein Umsatzsteuervorschuss zu zahlen sei.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet weiter, die Zeugin T. habe mit der von ihr unterzeichneten Erklärung die Klägerin beauftragt, die Ware nach der Messe in M. dauernd in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland/der Europäischen Union einzuführen und dabei alle notwendigen zollamtlichen Formalitäten zu erledigen. Hätte die Beklagte einen unverzollten Transport der Waren in die Niederlande in Auftrag geben wollen, hätte sie dies in anderer Weise zum Ausdruck bringen müssen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. November 2001 durch Vernehmung der Zeugen M. T. und Dirk U.. Wegen des Ergebnises der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. Februar 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht über den von der Beklagten an die Klägerin ausgekehrten Betrag von 58.779,46 DM hinaus kein Zahlungsanspruch zu; hinsichtlich des Betrages von 58.779,46 DM ist keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten, denn insoweit war die Klage mangels Fälligkeit eines Zahlungsanspruchs der Klägerin ebenfalls unbegründet.

Die Klägerin kann ihr Zahlungsbegehren nicht aus Ziffer 17.1 ADSp herleiten, denn die ADSp sind in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht Wirksam einbezogen worden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die ADSp lässt sich der zu den Akten gereichten Ablichtung der Vertragsurkunde vom 4. Juni 1999 nicht entnehmen. Auf der Vorderseite dieses Formulars ist nur allgemein von auf der Rückseite befindlichen geschäftlichen Angaben, Haftungsbestimmungen und weiteren Informationen die Rede, nicht jedoch von den ADSp. Die Rückseite des Formulars hat die Klägerin nicht vorgelegt. Die Klägerin hat auch ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung, der Beklagten sei durch frühere Geschäftsverbindungen bekannt gewesen, dass die Klägerin stets auf der Grundlage der ADSp tätig werde, nicht konkretisiert, so dass es für den Senat nicht möglich ist, die Richtigkeit dieses Vortrags der Klägerin zu überprüfen. Da es sich bei der Beklagten um ein ausländisches Unternehmen handelt, das auch nicht als Spediteur tätig ist, lässt sich die Einbeziehung der ADSp in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag auch nicht damit begründen, dass die Beklagte hätte wissen müssen, dass deutsche Spediteure regelmäßig nach den ADSp arbeiten und die ADSp deshalb auch für vorliegenden Vertrag Anwendung finden sollten, denn bei ausländischen Unternehmen, die nicht selbst ein Speditionsunternehmen betreiben, kann nicht erwartet werden, dass sie über ausreichende Kenntnisse hinsichtlich der Praxis deutscher Spediteure verfügen.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der von ihr verauslagten Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich auch nicht aus §§ 675, 670 BGB, denn es handelt sich insoweit nicht um Aufwendungen, die die Klägerin für erforderlich halten durfte.

Eine ausdrückliche Beauftragung der Klägerin, die Einfuhrabfertigung in Deutschland vorzunehmen und den entsprechenden Einfuhrumsatzsteuerbetrag an die deutschen Zollbehörden zu entrichten, ist nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen U. und T. nicht erfolgt. Auch der vom Zeugen U. in das später von der Zeugin T. unterschrieben Auftragsformular eingefügte Vermerk "Clear everything permanent", besagt nicht, dass die Klägerin die Einfuhrabfertigung gerade in Deutschland vornehmen und die Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland entrichten sollte.

Zwar sollten die zunächst nur vorübergehend und zollfrei in das Gebiet der Europäischen Union eingeführten Waren von der Klägerin in die Niederlande transportiert werden, wo sie endgültig verbleiben sollten, was zur Folge hatte, dass wegen dieses endgültigen Verbleibs im Gebiet der Europäischen Union auch Einfuhrumsatzsteuer anfiel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin die Einfuhrverzollung in Deutschland vornehmen und hinsichtlich der dort anfallenden Einfuhrumsatzsteuer für die Beklagte in Vorlage treten sollte, denn die Beklagte als niederländischer Importeur war berechtigt, die Einfuhrverzollung in die Niederlande zu verlagern, wo, wie der Zeuge U. bestätigt hat, die Einfuhrumsatzsteuer nicht sofort fällig wird, sondern über ein Steuerkonto verrechnet wird. Diese unterschiedliche Praxis in Deutschland und den Niederlanden war, wie der Zeuge U. ebenfalls eingeräumt hat, auf Seiten der Klägerin bekannt. Wenn es aber für Waren, die zum endgültigen Verbleib im Gebiet der Europäischen Union in die Niederlande verbracht werden, zwei Möglichkeiten der Einfuhrverzollung gibt, bei denen nur in einem Fall die Umsatzsteuer durch den Spediteur zu verauslagen ist, während im anderen Fall eine Verrechnung über ein Steuerkonto erfolgt, ergibt sich nicht ohne weiteres aus den Umständen, dass die Klägerin berechtigt war, die Verzollung in Deutschland vorzunehmen und dabei hinsichtlich des dann anfallenden Einfuhrumsatzsteuerbetrages für die Beklagte in Vorlage zu treten. Vielmehr hätte es insoweit entweder einer eindeutigen Klarstellung bei der Auftragserteilung oder aber jedenfalls einer Rückfrage seitens der Klägerin bei der Beklagten bedurft. Da dies vorliegend nicht erfolgt war, durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie berechtigt war, für die Beklagte in Deutschland den anfallenden Einfuhrumsatzsteuerbetrag im Voraus zu zahlen, so dass es sich insoweit nicht um Aufwendungen handelt, die die Klägerin als Beauftragte für erforderlich ansehen durfte.

Aus den gleichen Gründen entfällt auch ein Aufwendungserstattungsanspruch der Klägerin aus §§ 677, 683 Satz 1, 667 BGB.

Schließlich kann die Klägerin sich auch nicht auf bereicherungsrechtliche Ansprüche berufen, denn eine Bereicherung der Beklagten ist erst frühestens mit der Erstattung des Einfuhrumsatzsteuerbetrages durch die deutschen Zollbehörden entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand infolgedessen kein fälliger bereicherungsrechtlicher Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte. Nach der Erstattung des Betrages durch die deutschen Zollbehörden hat die Beklagte die betreffende Summe sogleich an die Klägerin ausgekehrt, ohne dass zuvor ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen sie bestanden hatte.

War die Klägerin nach alledem nicht berechtigt, den Einfuhrumsatzsteuerbetrag von 58.241,17 DM für die Beklagte zu entrichten, so steht ihr auch keine Provision für diese von ihr vorgenommene Zahlung in Höhe von 582,41 DM zu, so dass die Klage auch insoweit keinen Erfolg haben konnte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: bis zu 6.135,50 € (12.000,00 DM)

Ende der Entscheidung

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