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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 3 U 144/01 Bsch.
Rechtsgebiete: ZPO, BschG, VVG, BGB, HGB, BinSchLV, BinSchUO, RhSchUO, BSchVG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 92
ZPO § 91 a
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BschG § 3
BschG § 4
BschG § 92 ff.
BschG § 114
BschG § 32
VVG § 67
BGB § 398
BGB § 252 Satz 2
BGB § 254 Abs. 2
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 a.F.
HGB § 412 Abs. 3
BinSchLV § 4
BinSchLV § 4 Abs. 1
BinSchUO § 114
BinSchUO § 115
RhSchUO § 23.05
RhSchUO § 23.06
BSchVG § 21
BSchVG § 27
BSchVG § 28
BSchVG § 29
BSchVG § 21 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 144/01 Bsch.

Anlage zum Protokoll vom 15. Januar 2002

Verkündet am 15 Januar 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Rheinschifffahrtsobergericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom 04. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf sowie die Richter am Oberlandesgericht Blank und Caesar

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.06.2001 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort - 5 C 19/00 Bsch. - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.942,34 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 26.04.2000 zu zahlen, und zwar der Beklagte zu 1.) im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes sowohl persönlich haftend als auch bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung in das MTS "S.", abzüglich eines am 23.10.2000 gezahlten Betrages von 2.600,00 DM (= 1.329,36 Euro).

Hinsichtlich des gezahlten Teilbetrages von 2.600,00 DM ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 25 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 75 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht des Schiffseigners R. gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 3, 4, 92 ff., 114 BschG, 67 VVG, 398 BGB wegen der Anfahrung des MS "A." über den am 23.10.2000 auf die Reparaturkosten gezahlten Betrag von 2.600,00 DM (= 1.329,36 Euro) und die mit der Berufung nicht angegriffene Kostenpauschale von 25,00 DM (= 12,78 Euro) hinaus ein Schadensersatzanspruch wegen Nutzungsverlusts in Höhe von 1.600,20 Euro zu.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es sich bei dem durch die Anfahrung entstandenen Kaskoschaden nicht um einen Bagatellschaden gehandelt, der die Sicherheit und Fahrtüchtigkeit des Schiffes nicht beeinträchtigt hätte. Die Beweisaufnahme hat vielmehr ergeben, dass aufgrund des Unfallschadens entweder bereits ein Haarriss entstanden war, jedenfalls aber die Gefahr bestand, dass ein solcher bei einer Weiterfahrt des Schiffes ohne vorherige Reparatur entstehen würde mit der Folge, des es bei voller Abladung des Schiffes zu einem Wassereinbruch hätte kommen können. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Rheinschifffahrtsgericht in dem angefochtenen Urteil bezug genommen. Dem Schiffseigner R. kann daher nicht entgegengehalten werden, er hätte bis auf weiteres mit dem unreparierten Schiff weiterfahren können und für die Reparatur eine Gelegenheit abwarten müssen, zu der wegen anderer durchzuführender Arbeiten ohnehin ein Werftaufenthalt erforderlich sein würde.

Die Beklagten sind daher verpflichtet, Nutzungsentschädigung für die Dauer des Werftaufenthalts zu leisten. Dabei sind die Zeiten für die Fahrt zu und von der Werft mit einzubeziehen (vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Auflage, Einführung Rn. 53).

Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Höhe des Nutzungsverlusts bei der Trockenschifffahrt nach dem Liegegeld. Der Senat hält auch nach der Neuregelung des Liegegelds gem. §§ 412 Abs. 3 HGB, 4 Lade- und Löschzeitenverordnung (BinSchLV) daran fest, dass der Geschädigte den Nutzungsausfall im Wege der abstrakten Schadensberechnung nach den gesetzlichen Liegegeldsätzen berechnen kann. Diese stellen eine angemessene Vergütung für die besondere zeitliche Inanspruchnahme des Schiffes dar. Da sich der konkrete Nutzungsverlust, den ein Schiffseigner durch die erzwungene Außerbetriebsetzung seines Schiffes erleidet, nur schwierig und häufig überhaupt nicht zuverlässig ermitteln lässt, hat sich in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten der Grundsatz herausgebildet, die Liegegeldbeträge für die Überschreitung der Lade- und oder Löschzeit als vermuteten Mindestschaden in abstrakter Schadensberechnung zugrunde zu legen. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die Liegegeldbeträge das von den beteiligten Schifffahrtskreisen für den Normalfall geschätzte Interesse des Schiffseigners an der Benutzbarkeit seines Schiffes darstellten, also den Durchschnittssatz, der unter gewöhnlichen Verhältnissen mit einem solchen Schiff vereinnahmt wird (vgl. BGH VersR. 65, 351 und 373; OLG Hamburg, VersR. 74, 1216; KG VersR. 76, 463; Bemm/von Waldstein a.a.O., Rn. 43, 47; Vortisch/Bemm, BinSchR. ,4. Auflage, § 92 b Rn. 30; Handelsbräuche in der Rheinschifffahrt, S. 125, 128).

Nach früherem Recht wurden die Liegegelder allerdings nach Kalendertagen berechnet. Es ist auch nicht zu verkennen, dass die jetzige Regelung nach § 4 BinSchLV, wenn man rund um die Uhr rechnet, zu wesentlich höheren Beträgen als nach altem Recht führt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber mit der Erhöhung der Liegegeldsätze den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen und nicht etwa einen alleinigen Einsatz der Schiffe in Continuefahrt zugrunde gelegt hat. Nach altem Recht wurde ebenso wenig, wie in der Lade- und Löschzeitenverordnung danach unterschieden, in welcher Betriebsform die Schiffe fahren. Gem. §§ 114, 115 BinSchUO darf in der Betriebsform A - Tagesfahrt - höchstens 16 Stunden gefahren werden und es muss in der Nacht eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens acht Stunden eingehalten werden. In der Betriebsform D - ständige Fahrt - sind von den Besatzungsmitgliedern entsprechende Ruhezeiten einzuhalten. Ähnliche Regelungen enthalten die §§ 23.05, 23.06 RhSchUO für die Rheinschifffahrt. Im Hinblick auf die vorgeschriebenen Ruhezeiten benötigen die in der Betriebsform D fahrenden Schiffe eine größere Anzahl von Besatzungsmitgliedern, was zu entsprechenden Kosten führt. Von daher erscheint nicht zwingend, dass der Nutzungsverlust eines in Continuefahrt eingesetzten Schiffes höher als derjenige eines Schiffes sein müsste, das grundsätzlich in der Betriebsform A fährt. In der Vergangenheit wurden die Liegegeldsätze gem. §§ 21, 27, 28 BSchVG durch die Frachtenausschüsse der Binnenschifffahrt festgesetzt und nach § 29 BSchVG durch den Bundesminister für Verkehr im Wege der Rechtsverordnung genehmigt. Nach § 21 Abs. 2 BSchVG sollten die Entgelte marktgerecht sein und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Unternehmer der Schifffahrt Rechnung tragen. Der Senat geht davon aus, dass die Höhe der Liegegelder auch nach § 32 BSchG in der Fassung des Gesetzes vom 26.04.1994 und nunmehr gem. § 4 BinSchLV gemäß diesen Grundsätzen festgesetzt worden ist. Die Liegegeldsätze nach altem und neuen Recht dürften wohl auf einer Mischkalkulation unter Einbeziehung sämtlicher Betriebsformen beruhen. Die jetzige Berechnung nach Stunden ist lediglich etwas genauer als diejenige nach Kalendertagen. Der Senat sieht nach alledem keinen Anlass, im Hinblick auf die Neuregelung des Liegegeld durch die Lade- und Löschzeitverordnung von der jahrzehntelangen Praxis, wonach der Nutzungsverlust eines beschädigten Schiffes während der Reparaturzeit abstrakt entsprechend dem gesetzlichen Liegegeld berechnet werden kann, abzuweichen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten bei der abstrakten Berechnung der Nutzungsentschädigung für sein Schiff nach den Liegegeldsätzen nur eine widerlegliche Vermutung im Sinne von § 252 Satz 2 BGB zugute kommt, dass während der Ausfallzeit ein entsprechender Gewinn erzielt worden wäre. Dem Schädiger steht also der Gegenbeweis offen. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, den Nachweis zu führen, dass der Verdienstausfall des Schiffers hier tatsächlich geringer als das gem. § 4 BinSchLV festgelegte Liegegeld war (vgl. Vortisch/Bemm, a.a.O., § 92 b Rn. 30; Bemm/von Waldstein, a.a.O., Einführung Rdn. 47; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 252 Rdn. 5). Hierzu fehlt es jedoch an jeglichem Vortrag der Beklagten, obwohl diese als Schifffahrtstreibende hätten in der Lage sein müssen, Angaben zu den Betriebskosten eines Schiffes und den zur Reparaturzeit durchschnittlich gezahlten Frachten zu machen.

Nach alledem ist der Nutzungsverlust für das 889 t große MS "A." gem. § 4 Abs. 1 BinSchLV mit 0,05 Euro je t, also 44,45 Euro/Stunde zu berechnen.

Allerdings ist unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags der Klägerin nicht von einem reparaturbedingten Ausfall des Schiffes von zwei vollen Tagen, sondern lediglich von 36 Stunden auszugehen. Hiernach hatte der Schiffsführer R. für die Fahrt von L. zur Werft in D. sechs Stunden gebraucht und war dort am 29.02.2000 um 13.00 Uhr angekommen. Die Reparaturen wurden am Nachmittag dieses Tages begonnen und am Abend des 01.03.2000 beendet. Am Morgen des 02.03.2000 hat der Schiffseigner das Schiff abgeholt und für die Fahrt zur Ladestelle in Sch. zwei Stunden benötigt. Im Rahmen der ihm gem. § 254 Abs. 2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht hätte der Zeuge R. das Schiff jedoch bereits am Abend des 01.03.2000 bei der Werft abholen und nach Sch. weiter fahren müssen, wo er die Nacht hätte verbringen können. Mangels näherer Angaben geht der Senat davon aus, dass das Schiff am 01.03.2000 zum üblichen Betriebsschluss gegen 17.00 Uhr fertiggestellt war. Einschließlich der Fahrten zur und von der Werft wäre das Schiff in der Zeit vom 29.02.2000, 7.00 Uhr, bis einschließlich 01.03.2000, 19.00 Uhr, ausgefallen. Der von den Beklagten zu ersetzende Nutzungsverlust beträgt daher 36 Stunden á 44,45 Euro = 1.600,20 Euro.

Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Nutzungsverlusts für weitere 12 Stunden war die Klage somit unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Zinsanspruch ist aus Gesichtspunkt des Verzuges gem. §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 a.F. BGB gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 91 a, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.132,00 Euro

Beschwer der Klägerin: 531,79 Euro,

Beschwer der Beklagten: 1.600,20 Euro.

Ende der Entscheidung

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