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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.11.2005
Aktenzeichen: 3 U 162/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 429 Abs. 1
HGB § 429 Abs. 3
HGB § 433
BGB § 280
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 162/04

Anlage zum Protokoll vom 22.11.2005

Verkündet am 22.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.10.2005 durch seine Mitglieder Lampenscherf, Schneider und Kremer für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 16.09.2004 (14 0 81/04) teilweise wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.895,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.4.2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe eines Betrages von 514,53 € von der Forderung des X Anzeigers aus der Rechnung vom 30.4.2004 (Rechnungsnummer ### über netto 3.933,81 € betreffend Beilagen vom 5.3.2004) freizustellen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung von Schadenersatzansprüchen aus einem Frachtvertrag.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Rahmen ständiger Geschäftsbeziehungen regelmäßig, Werbeprospekte von der Druckerei Firma H Druck in I zum Verlagsgebäude des X Anzeigers in J zu bringen. Am 30.1.2004 beauftragte die Klägerin die Beklagte, fix zum 27.2.2004 54.500 Werbeprospekte mit der Bezeichnung "KP 03/2004" (1.105 kg) abzuholen zur "Streuung" am 5.3.2004. Dies ist der Tag, an dem die Tageszeitungen mit den beigefügten Prospekten jeweils erscheinen. Diese Prospekte holte die Beklagte am 2.2.2004 bei der Firma H Druck ab und verbrachte sie in ihr Lager. Ferner war die Beklagte beauftragt worden, 54.500 Stück weiteres Prospektmaterial ("Natur life 03/2004", 751 kg, Gartenmöbelprospekt) bei der Druckerei zu laden und fix am 8.4.2004 beim Verlag X Anzeiger abzuliefern zur Streuung am 15.4.2004. Diese Prospekte holte die Beklagte am 23.2.2004 bei der Druckerei ab. Am 24.2.2004 lieferte die Beklagte aufgrund einer Verwechslung die Prospekte mit der Auftragsnummer "Natur life 03/2004" statt der Auftragsnummer "KP 03/2004" am 24.2.2004 beim X Anzeiger ab. Den Empfang der Ware bestätigte der Verlag allerdings auf den ihm bei der Anlieferung vorgelegten Lieferpapieren betreffend den Speditionsauftrag "KP 03/2004". Am 5.3.2004 wurden sodann die Prospekte "Natur life" (Gartenmöbelprospekte) mit den Tageszeitungen verteilt. Nachdem der Beklagten dies am 5.3.2004 mitgeteilt worden ist, stellte sie fest, dass die falsche Palette ausgeliefert worden war. Noch am gleichen Tag veranlasste sie die Auslieferung der Prospekte "KP03//2004" an den Verlag, die sodann mit der Tageszeitung vom 6.3.2004 verteilt wurden. Die Klägerin begehrt mit der Klage die Erstattung eines Betrages von 3.933,81 €, den der Verlag der Klägerin für die Verteilung der Prospekte "Gartenmöbel" am 5.3.204 unter dem 30.4.2004 in Rechnung gestellt hat. Ferner verlangt sie die Erstattung der Kosten für den Nachdruck der Gartenprospekte über 3.577,92 €, die im Hinblick auf die verfrühte Auslieferung am 5.3.2004 zum vorgesehenen Auslieferungszeitpunkt 15.4.2004 hätten nachgedruckt werden müssen. Am 4.5.2004 erstattete die Beklagte einen Betrag von 682,07 €.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird im übrigen auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bonn Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage im vollen Umfang zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin Schadenersatz wegen Überschreitung der Lieferfrist beanspruchen könne, da die Beklagte die Palette mit den Prospekten "KP 03/2004" verspätet ausgeliefert habe. Die Verwechslung der Prospekte bei der Beklagten habe dazu geführt, dass der Verlag in J am 5.3.2004 die "Gartenmöbelprospekte" statt der Prospekte "KP 03/2004" der Tageszeitung beigelegt hätte. Diese verfrühte Beilage sei wie ein Untergang des Gutes zu behandeln. Die Haftungsbegrenzung nach § 431 Abs. 1 HGB greife nicht ein, weil der Beklagten qualifiziertes Verschulden i.S. § 435 HGB vorzuwerfen sei. Wenn ein Mitarbeiter der Beklagten "blind" handele, ohne auf die Beschriftung der Palette durch Palettenzettel oder Palettenfahne zu achten und ohne sich zu vergewissern, zu welchen Personen/Terminen diese Palette auszuliefern sei, liege darin die Außerachtlassung einer auf der Hand liegenden Sorgfaltspflichtverletzung. Die Beklagte treffe jedenfalls auch ein Organisationsverschulden. Die Unterscheidungsmerkmale der Palettenfahne würden in der Ladeliste nicht erscheinen. Der Schadenshergang bleibe ungeklärt, da dem Vortrag der Beklagten zum Organisationsablauf keine Sicherungsmaßnahmen zum Zeitpunkt der Verwechselung, insbesondere keine Ausgangskontrollen, zu entnehmen seien. Auf ein Mitverschulden des Absenders bzw. Empfängers könne sich die Beklagte nicht berufen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Ein qualifiziertes Verschulden liege bei der Verwechselung der Palette durch den Mitarbeiter nicht vor. Die Verwechslung sei begünstigt worden aufgrund der nahezu optischen Identität der an den Paletten angebrachten Fahnen, der Bezeichnung "03/2004" und der identischen Gesamtstückzahl, die sich auf der als Kontrollunterlage für den Fahrer dienenden Ladeliste/Rollkarte finde. Unter Bezugnahme auf die Eintragungen in der Rollkarte, nach denen bei Warenausgang verladen und abgehakt werde, sei ihr auch kein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Dazu führt sie im einzelnen näher aus. Sie ist der Auffassung, dass der Klägerin ein die Empfängerin treffendes Mitverschulden zuzurechnen sei, weil der Verlag einen nicht die gelieferte Ware betreffenden Lieferschein quittiert habe.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nachdem die Klägerin und Berufungsbeklagte ursprünglich beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung von 7.511,73 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.4.2004 abzüglich am 4.5.2004 geleisteter 682,07 € zu verurteilen, beantragt sie nunmehr die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte nach Maßgabe des folgenden Antrages zu verurteilen, nämlich

1. an die Klägerin 2.895,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.4.2004 zu zahlen,

2. die Klägerin von der Forderung des Verlages X Anzeiger vom 30.4.2004 über 3.933,81 € freizustellen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Aufgrund organisatorischer Unzulänglichkeiten bei der Beklagten liege ein qualifiziertes Verschulden vor. Ein Mitverschulden der Druckerei oder des Verlages sei nicht gegeben. Den Verlag treffe keine Prüfungspflicht bezüglich des angelieferten Prospektmaterials, da bei diesem immer nur eine einzige Lieferung der Beklagten vorrätig sei. Die verfrühte Streuung des Gartenmöbelprospekts am 5.3.2004 sei für sie wertlos gewesen, weil die Ware erst Mitte April 2004 habe geliefert werden können. Sie behauptet, dass sie für die Streuung der Prospekte "KP 03/2004" am 6.3.2004 an den Verlag einen Betrag von 4.968,00 € bezahlt habe.

Der Senat hat Beweis erhoben, ob die Klägerin die Rechnungen des X Anzeigers vom 30.4.2004 (für Streuung Prospekte am 5.3.2004) und vom 10.3.2004 (für Streuung Prospekte am 6.3.2004) bezahlt habe, durch schriftliche Vernehmung des Zeugen S. Der Zeuge hat mit Schreiben vom 18.7.2005 bekundet, dass die Rechnung vom 10.3.2004 bezahlt und die Rechnung vom 30.4.2004 noch nicht bezahlt worden seien. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und hat überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten wegen der zum Streuungstermin 5.3.2004 fehlerhaften Auslieferung der Prospekte "Natur Life" ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 433 HGB zu.

1. Ein Anspruch aus § 425 Abs. 1 3. Alt. HGB besteht nicht, weil die geltend gemachten nutzlosen Aufwendungen für die Verteilung der Prospekte "Natur life 03/2004" am 5.3.2004 einschließlich der entstandenen Druckkosten kein Schaden ist, der durch die verspätete Lieferung der Prospekte "KP 03/2004" zum 6.3.2004 entstanden ist. Ein Anspruch aus §§ 425, 429 HGB wegen Verlust oder Beschädigung des Gutes kommt auch nicht in Betracht, da die Gartenmöbelprospekte "Natur life" im Obhutszeitraum nicht beschädigt worden, sondern unversehrt, wenn auch verfrüht, zur Auslieferung gekommen sind. Anlass, die verfrühte Auslieferung als Totalverlust anzusehen, weil durch die Streuung zum 5.3.2004 die Streuung derselben Prospekte zum 15.4.2004 unmöglich geworden ist, besteht nicht, weil sich dieser Fall zwanglos über die Verletzung einer vertraglichen Pflicht nach § 280 BGB lösen lässt.

2. Die Beklagte hat ihre aus dem Frachtvertrag bestehende Pflicht, zum Streuungstermin 5.3.2004 die Prospekte "KP 03/2004" an den Verlag auszuliefern, verletzt, indem sie unter Vorlage des die Prospekte "KP 03/2004" betreffenden Lieferscheins tatsächlich die Prospekte "Natur life 03/2004" ausgeliefert hatte. Diese Verwechslung führte dazu, dass der Verlag bereits am 5.3.2004 die Prospekte "Natur life 03/2004" den Tageszeitungen beigelegt hatte, obwohl der Streuungstermin für diese Prospekte erst am 15.4.2004 war. 2. Zu diesem Versehen ist es aufgrund der Verwechslung der Paletten bei der Zusammenstellung der auszuliefernden Güter im Lager der Beklagten gekommen. Dieses Versehen ist auf fahrlässiges und damit schuldhaftes Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten zurückzuführen, der bei der Zusammenstellung der Güter die abweichende Bezeichnung "KP 03/2004" statt "Natur life 03/2004" übersehen hat.

3. Durch diese schuldhafte Pflichtverletzung ist der Klägerin auch ein Vermögensschaden entstanden. Aufgrund der Verwechslung sind die Gartenmöbelprospekte "Natur life" verfrüht gestreut worden mit der Folge, dass für die erneute Streuung der Prospekte zum vorgesehenen Termin im April 2004 diese Prospekte neu gedruckt werden mussten. Die Klägerin ist zudem Ansprüchen des Verlages ausgesetzt wegen der Kosten für die erforderliche weitere Streuung. 4. Da die Beklagte wegen der Verletzung einer mit der Ausführung der Beförderung des Gutes zusammenhängenden vertraglichen Pflicht für Schäden haftet, die nicht durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist entstanden sind, und es sich auch um keinen Personen- und/oder Sachschaden, sondern um den Ersatz eines Vermögensschadens handelt, ist die Haftung der Beklagten grundsätzlich auf das Dreifache des Betrages begrenzt, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre (§ 433 HGB). Gemäß § 429 Abs. 1 HGB ist bei Verlust des Gutes der Wert am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung zu ersetzen. Bei Gütern, die keinen Markt besitzen, ist deren Wert zu schätzen. Anhaltspunkte geben hierfür die Herstellungskosten. Als "Marktpreis" für die am 5.3.2004 verteilten Prospekte, die lediglich für die Klägerin angefertigt worden sind und deshalb nur für sie einen Wert besitzen, sind die hierfür angefallenen Druckkosten zugrunde zulegen. Ausweislich der vorgelegten Rechnung ist für den Druck von 206.900 Exemplaren ein Nettopreis von 5.178,75 € angefallen, so dass anteilig für 54.500 Prospekte von Druckkosten in Höhe von 1.364,15 € auszugehen ist. Dies ist der bei Verlust zu erstattende Wertbetrag. Damit ergibt sich als nach § 433 HGB zu leistende Entschädigung ein Betrag von insgesamt 4.092,45 € (3x 1.364,15 €). Ein anderer Wert ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 431 HGB, der die nach § 429 HGB zu leistende Entschädigung seinerseits auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt. Unter Berücksichtigung des Gewichts der Prospekte von 1.105 kg ergibt sich rechnerisch ein Betrag von 11.045,58 € als Höchstbetrag für die für den Fall des Verlustes zu zahlende Entschädigung. Dieser liegt deutlich über den ermittelten 1.364,15 €, so dass es bei dem nach § 433 HGB ermittelten Entschädigungsbetrag von 4.092,45 € verbleibt.

Der der Klägerin kausal entstandene Schaden beläuft sich insgesamt auf 7.511,74 € (Nettobeträge). Zum einen sind ihr durch die für sie nutzlose, weil verfrühte Verteilung der Gartenmöbelprospekte "Natur life" am 5.3.2004 Kosten entstanden. Allerdings steht aufgrund der schriftlich eingeholten Aussage des Zeugen S zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin die diesbezügliche Rechnung des X Anzeigers vom 30.4.2004 über 3.933,81 € netto noch nicht bezahlt, so dass sie insoweit gegenüber der Beklagten nur einen Anspruch auf Freistellung hat. Ferner hat sie die am 5.3.2004 zu früh verteilten Prospekte (54.500 Stück) nachdrucken müssen und hierfür einen Nettobetrag von 3.577,92 € aufgewendet (Rechnung vom 23.4.2004). Da die Beklagte sich im Termin mit der Verrechnung der nach Zustellung des Mahnbescheides erfolgten Teilzahlung von 682,07 € auf den Schadensbetrag von 3.577,92 € einverstanden erklärt hat, steht ihr insoweit gegen die Beklagte noch ein Zahlungsbetrag von 2.895,85 € zu. In Höhe des unter Berücksichtigung der Haftungsbegrenzung verbleibenden Restbetrages von 514,53 € kann sie von der Beklagten verlangen, sie von der Rechnung des X Anzeigers vom 30.4.2004 freizustellen.

5. Die auf § 433 gestützte Haftungsbeschränkung ist auch nicht nach § 435 HGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gelten die gesetzlichen Haftungsbegrenzungen im Frachtrecht nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat. Leichtfertigkeit bedeutet einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts als innere Tatsache ist erst dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt. Dabei sind in erster Linie Erfahrungssätze heranzuziehen; zudem kann der Schluss auf das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe nahe liegen (BGHZ 158, 322). Die Verwechslung des Gutes beruht aufgrund der vorliegenden Umstände jedoch nicht auf einem qualifizierten Verschulden der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiter, deren Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen muss.

Anknüpfungspunkt ist zunächst das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten bei der Verladung, die der Ablieferung der Gartenmöbelprospekte am 24.2.2004 vorausging. Bei der Beklagten befanden sich in diesem Zeitpunkt beide Paletten, welche sie am 2.2.2004 bzw. am 23.2.2004 bei der Druckerei in I abgeholt hatte. Die Verladung erfolgt bei der Beklagten anhand der Rollkarte bzw. der dieser entsprechenden Ladeliste; die Lieferscheine stehen den Mitarbeitern bei der Verladung nicht zur Verfügung, sondern befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Büro. An der Ware befand sich ein Palettenzettel, welcher von der Druckerei erstellt worden war. Die im jeweiligen Palettenzettel enthaltene Stückzahl (bei beiden Paletten 54.500) stimmte mit derjenigen in der Rollkarte überein; ebenso die Anlieferungsadresse. Die unterschiedlichen Streutermine waren zwar in den Palettenzetteln, nicht aber in der Rollkarte enthalten und somit für die mit der Verladung befassten Mitarbeiter nicht überprüfbar; auch ist der Beklagten darin beizupflichten, dass für den Frachtführer nicht die Streutermine, sondern nur die von ihm zu beachtenden Liefertermine maßgeblich sind. Die beiden Paletten wiesen ein unterschiedliches Gewicht auf; diese lediglich in der Rollkarte enthaltene Angabe dient aber nicht der Individualisierung des Ladegutes, sondern nur der Vermeidung von Überladungen der LKW; eine Überprüfung des Gewichtes zum Zwecke der Individualisierung war nicht geboten. Eine Feststellung, dass es sich bei der aufgeladenen Palette nicht um die in der Rollkarte bezeichnete handelte, war für die mit der Verladung befassten Mitarbeiter daher nur anhand der Warenbezeichnung auf der Palettenfahne ("Natur Life" 03/2004) und auf der Rollkarte (KP 03/04) möglich. Angesichts der Übereinstimmung anderer Merkmale wie Anlieferadresse und Stückzahl und der inhaltlichen Übereinstimmung der Zahlen in der Warenbezeichnung ("03/04" bzw. "03/2004") stellt sich die Verwechslung nicht als besonders schwerer Pflichtenverstoß dar, welcher das Maß der Leichtfertigkeit erreichen würde. Denn da nicht ohne weiteres nachvollziehbar war, was sich hinter der Bezeichnung "KP" verbarg, musste sich den Mitarbeitern nicht aufdrängen, dass es sich dabei um einen abweichenden Namen des Prospekts handelte; aus der Sicht eines unbefangenen Lesers hätte es sich ebenso um eine kategorisierende Bezeichnung handeln können. Daher lag es nicht ohne weiteres auf der Hand, dass es sich bei der Palette mit der Bezeichnung "Natur Life 03/2004" nicht um die in der Rollkarte genannte Palette handelte. Anderes könnte gelten, wenn den mit der Verladung befassten Mitarbeitern beide am 2.2.2004 bzw. am 23.2.2004 eingetroffenen Paletten nebeneinander vor Augen gestanden hätten, sodass sich eine nähere Überprüfung, wie etwa durch Nachfrage, aufgedrängt hätte; dafür ist jedoch nichts ersichtlich.

Der Beklagten kann kein leichtfertiges Organisationsverschulden vorgeworfen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 158, 322) handelt es sich beim Umschlag von Transportgütern um einen schadensanfälligen Bereich, der deshalb so organisiert werden muss, dass ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen stattfinden, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfassten Ware erfordern. Vorliegend kann es nur um die Ausgangskontrolle gehen, da sich die Verwechslung beim Verladen zum Weitertransport ereignete. Wie ausgeführt, erfolgt die Ausgangskontrolle bei der Beklagten über einen Abgleich von Palettenzettel und Rollkarte, in welche die Beklagte die von Seiten des Absenders zur Verfügung gestellten Angaben über das Frachtgut übernommen hat. Dieses Verfahren ist jedenfalls bei Gütern, welche - wie dies bei Werbeprospekten der Fall ist - keine besondere Entwendungsgefahr aufweisen, nicht zu beanstanden. Im Streitfall hat sich keine mangelhafte Betriebsorganisation realisiert; vielmehr hat sich ausgewirkt, dass sich zwei für denselben Empfänger bestimmte Paletten mit derselben Stückzahl und mit teilweise übereinstimmenden Warenbezeichnungen gleichzeitig im Lager der Beklagten befanden. Fehler von Mitarbeitern, die durch eine derartige Verkettung unglücklicher Umstände begünstigt werden, lassen sich nicht mit zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen verhindern. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Beklagten weder Leichtfertigkeit hinsichtlich eines Organisationsmangels, noch das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts vorwerfen. Wenn das Landgericht sich darauf stützt, dass die "Ladeliste" unzureichende Angaben für einen Vergleich mit dem Palettenzettel enthalte, so wird dabei übersehen, dass es sich bei der Anlage zum Schriftsatz vom 7.7.2004 nicht um eine Ladeliste, sondern um eine Auftragsliste handelt. Eine Rollkarte hat ausweislich des Protokolls in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung auch vorgelegen. § 531 Abs. 2 ZPO steht einer Berücksichtigung der mit der Berufungsbegründung vorgelegten Rollkarte auch nicht entgegen, da die Klägerin insoweit nur Verspätung rügt, den Inhalt der Rollkarte aber nicht bestreitet. Unstreitiges neues Vorbringen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen.

6. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt auch kein Mitverschulden des Empfängers in Betracht. Als Mitverschulden kann nur ein sozial inadäquates Verhalten gewertet werden (Koller, 5. Aufl. 2004, § 425 HGB Rz. 72). Die Klägerin trägt vor, sie habe den Zeitungsverlag angewiesen, den Zeitungen stets die von der Beklagten angelieferten Prospekte beizulegen. Vor diesem Hintergrund traf den Verlag als Empfänger keine Verpflichtung, die Übereinstimmung der Prospekte und der Streutermine auf den Palettenzetteln oder Lieferscheinen zu überprüfen.

Der weitergehende Freistellungsantrag war wegen der Haftungsbegrenzung zurückzuweisen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Zinsen waren in Höhe von 5 Prozentpunkte zuzusprechen, da es sich bei dem Zahlungsanspruch nicht um eine Entgeltforderung i.S. § 288 Abs. 2 BGB, sondern um Schadenersatz handelt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.829,66 €

Ende der Entscheidung

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