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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: 3 U 167/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 282
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 533 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 130
BGB § 320
BGB § 322 Abs. 1
BGB § 453 Abs. 2
HGB § 454 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 9.9.2005 verkündete und nach Maßgabe des Beschlusses vom 22.9.2005 berichtigte Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (89 O 27/05) wird dieses abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.151,96 € zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Ablieferung der Sendung B. H.-XXXXXXXX (4.500 Kunsttaschen, Absender Fa. X. M. J. D. L., Hongkong) an die Beklagte zu 1).

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 75 % und die Beklagten 25 % als Gesamtschuldner. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 68 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 32 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs.1, 2 ZPO abgesehen.

II.

Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten (nur) ein Anspruch auf Zahlung einer Speditionsvergütung in Höhe von 3.151,96 € gemäß § 453 Abs. 2 BGB i.V.m. den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen zu.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1), deren Komplementär der Beklagte zu 2) ist, ist am 21.9.2004 ein Speditionsvertrag über die Beförderung der streitgegenständlichen Taschen von Hongkong zum Geschäftssitz der Beklagten in L. zustande gekommen. Die Klägerin kann allerdings nicht die nach einem frachtpflichtigem Gewicht von 3.767,50 kg berechneten Luftfrachtkosten, sondern nur diejenigen Kosten verlangen, die bei einer Seebeförderung angefallen wären. Dies sind nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin 3.151,96 €.

Die Beauftragung der Klägerin mit dem Transport der Kunsttaschen von Hongkong nach L. durch die Beklagte, der telefonisch durch die Zeugin I. erteilt wurde, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Allerdings ist zwischen den Parteien keine Einigung über die Frachtrate zustande gekommen. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gingen beide Parteien noch davon aus, dass ein Transport zu den Bedingungen des schriftlichen Angebots vom selben Tage, nämlich unter Berücksichtigung des tatsächlichen Gewichts von 788 kg als frachtpflichtigem Gewicht mit einer Frachtrate von rund 1.720,-- € durchgeführt werden konnte, was allerdings an dem Volumen der Sendung scheiterte. welches den Parteien zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Das Angebot vom 21.9.2004 war ausdrücklich beschränkt auf eine Sendung mit einem Gewichts-/Volumenverhältnis von 1:6, während die Sendung tatsächlich ein weit ungünstigeres Gewichts-/Volumenverhältnis von etwa 1:29 aufwies. Unter Berücksichtigung von nur 780 kg Bruttogewicht errechnete die Klägerin deshalb zutreffend und insoweit von den Beklagten auch nicht angegriffen ein frachtpflichtiges Gewicht von 3.767,50 kg. Allerdings ist es der Klägerin verwehrt, die Luftfrachtkosten auf Basis des unter Berücksichtigung des Volumens frachtpflichtigen Gewichts zu berechnen. Denn zwischen den Parteien ist keine Einigung über die Ausführung einer Luftfracht auch für diesen Fall zustande gekommen. Hierbei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Zeugin T. am 21.9.2004 eine E-Mail an die bei der Beklagten zu 1) beschäftigte und für die Transportaufträge zuständige Zeugin G. versandte, in der sie darauf hinwies, dass sich die Frachtrate wegen des Volumens der Sendung verändern würde. Denn unabhängig von der Frage, ob die Zeugin T. diese E-Mail abgesandt hat, konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die Nachricht auch i.S.d. § 130 BGB zuging. Eine in Form einer E- Mail abgegebene Willenserklärung geht zu, wenn sie in die Mailbox des Empfängers gelangt (vgl. Einsele in MüKo, BGB, 5.A., 2006, § 130, 18). Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in der Mailbox des Empfängers ergibt sich nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann (vgl. Mankowski, Zum Nachweis des Zugangs bei elektronischen Erklärungen, NJW 2004, 1901). Denn die Absendung allein bietet keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Erklärungsempfänger bzw. dessen Mailbox tatsächlich erreicht. Nicht auszuschließen ist es nämlich, dass die Nachricht, etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder den vom Absender verwendeten Programmen, tatsächlich nicht in die Mailbox des Empfängers gelangt.

Kann demnach nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachricht überhaupt bei der Zeugin G. angekommen ist, lässt sich aus den nachfolgenden Telefonaten, den Vortrag der Klägerin insoweit als wahr unterstellt, auch keine konkludente Annahme des Angebots zu den veränderten Bedingungen herleiten.

Indes kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass die Parteien bei rechtzeitiger Kenntnis von dem tatsächlichen frachtpflichtigen Gewicht von dem Speditionsvertrag nicht gänzlich Abstand genommen, sondern Seefracht vereinbart hätten. Aus dem ungünstigen Gewichts-/Volumenverhältnis ergibt sich ein frachtpflichtiges Gewicht, das die Luftfrachtkosten im Vergleich zum ursprünglichen Angebot fast verfünffacht hätte, so dass die Taschen für die Beklagte zu 1) nicht mehr wirtschaftlich zu verwenden gewesen wären. Dennoch waren die Beklagte wegen ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Firma J. auf den Erhalt der Sendung angewiesen. Die Beklagte zu 1) hat folglich auch mit Schreiben vom 13.10.2004 eine Abnahme der Sendung gegen Zahlung der Seefrachtkosten angeboten. Die Beklagten sind im Ergebnis daher jedenfalls zur Zahlung der Seefrachtkosten verpflichtet.

Diese betragen nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin in der für die Beklagten günstigsten Variante, die die Klägerin gemäß § 454 Abs. 1 Nr.1 HGB (vgl. Koller, Transportrecht, § 454 HGB, Rdnr. 5) hätte auswählen müssen, 3.151,96 €.

Eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.875,-- €, den die Beklagten daraus herleiten möchten, dass nach ihrem Vortrag die streitgegenständliche, aus Kunsttaschen bestehende, Sendung nicht mehr verwendbar sei, weil die Taschen für eine Aktion ("V. W. Sets") der Firma J. bestimmt und für diese vorausgezeichnet gewesen seien und außerdem die für die geplante Aktion bereits eingekauften Cremes wegen Ablauf des Verfallsdatums nicht mehr verwendbar seien, ist gemäß §§ 533 Nr. 2, 529, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen. Der dem Aufrechnungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin hat erheblich bestritten, dass die Taschen für die Beklagte zu 1) infolge Zeitablaufs wertlos geworden sind. Sie hat vorgetragen, die Sendung könne nicht für die von den Beklagten genannte Aktion der Firma J. bestimmt gewesen sein, denn bei dem an sich beabsichtigten Transport per Schiff hätten die Taschen nicht mehr rechtzeitig in Deutschland ankommen können. Das Schiff benötige für den Weg von Hongkong nach Deutschland 4 Wochen. Nach den - insoweit unstreitigen - Daten wurde von der Lieferantin der Beklagten, der Firma X. M., als Abgangsdatum ab Hongkong der 30.9.2004 mitgeteilt, während in der Bestellung der Firma J. vom 27.9.2004 der 21.10.2004 als Liefertermin genannt wird. Hieraus ergebe sich, dass der Liefertermin bei einer Seefracht nicht hätte eingehalten werden können. Selbst wenn man daher zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Zulassung der Aufrechnung sachdienlich wäre, scheitert die Zulassung im Ergebnis daran, dass der Vortrag, dass die Taschen für sie infolge des Zeitablaufs wertlos geworden sind, erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt ist und davon auszugehen ist, dass dies auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht, so dass eine Berücksichtigung gemäß § 533 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht kommt. Nachlässigkeit i.S.d. genannten Vorschrift ist zu bejahen, wenn eine Partei entgegen der allgemeinen Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO fahrlässig den erst in der Berufung erfolgten Vortrag unterlässt. Anerkannt ist insoweit insbesondere, dass Gegenrechte - also auch zur Aufrechnung oder Eventualaufrechnung zu stellende Ansprüche - nicht zurückgehalten werden dürfen, sondern alsbald vorgebracht werden müssen (vgl. Zöller, ZPO, 25.A., § 531, Rdnr. 31 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass es den Beklagten nicht möglich gewesen wäre, bereits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 19.8.2005 zu der Unbrauchbarkeit der Taschen infolge Zeitablaufs und damit zu dem ihnen aus ihrer Sicht zustehenden Schadensersatzanspruch vorzutragen. Es fehlen besonders Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständlichen Taschen bis zu diesem Zeitpunkt noch verwendungsfähig gewesen wären.

Die Beklagten haben allerdings zu Recht die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, § 320 Abs. 1 BGB, erhoben. Auch wenn sie nunmehr vortragen, die Sendung sei für sie wertlos geworden, verbleibt es dabei, dass die Klägerin ihre Verpflichtung zur Ablieferung der Sendung bislang nicht erfüllt hat. Ein Grund dafür, dass der Klägerin trotz Zahlung der geschuldeten Vergütung ein anderweitiges Recht an der Sendung zusteht, ist nicht ersichtlich. Es war daher gemäß § 322 Abs. 1 BGB eine Zug-um-Zug Verurteilung auszusprechen.

Ein Zinsanspruch steht der Klägerin nicht zu, denn die Beklagten befinden sich nicht mit der Zahlung in Verzug. Das bloße Bestehen des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB schließt den Schuldnerverzug aus (vgl. Palandt, BGB, 65.A, 2006, § 320, Rdnr. 12).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 91a, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 9.773,39 €

Ende der Entscheidung

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