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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 3 U 38/03
Rechtsgebiete: PostG, ZPO


Vorschriften:

PostG § 51
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 38/03

Anlage zum Protokoll vom 22.06.2004

Verkündet am 22.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.05.2004 durch die Richterin am Oberlandesgericht Caesar, die Richterin am Oberlandesgericht Schneider und die Richterin am Amtsgericht Finster

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30.01.2003 - 14 O 166/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin verfolgt mit der Klage als alleiniger Transportversicherer der Firma E (Versicherungsnehmerin) Schadensersatzansprüche in Höhe von 19.935,14 € aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen des Teilverlustes einer am 04.10.1999 bei der Beklagten eingelieferten Sendung. Wegen des Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, da es davon ausgegangen ist, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für den Sendungsinhalt weder durch Anscheinsbeweis noch nach Vernehmung des Zeugen B erbracht habe.

Mit der Berufung rügt die Klägerin, dass das Landgericht die Grundsätze der Beweislastverteilung bezüglich des Sendungsinhaltes nach der neueren BGH-Rechtsprechung falsch gesehen und übersehen habe, dass für sie ein Anscheinsbeweis streite. Im übrigen habe es bei der Beweiswürdigung auf der Grundlage der Aussage des Zeugen B das an sie zu stellende Beweismaß überspannt. Hilfsweise vertritt sie die Auffassung, dass die in dem Postpaketübereinkommen enthaltenen Haftungsbeschränkungen nicht einschlägig seien. Hierzu behauptet sie ferner, dass das Gut im Gewahrsam der Beklagten in Verlust geraten sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 30.1.2003 - 14 O 166/02 - zu verurteilen, an sie 19.935,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.9.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet weiterhin Inhalt und Wert der Sendung. Im übrigen hält sie das Postpaketübereinkommen auf den vorliegenden Sachverhalt für anwendbar. Sie vertritt dazu die Auffassung, dass die Ratifizierung des Postpaketübereinkommens im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ausreichend sei, im übrigen ergäben sich Haftung und Haftungsbeschränkung auch aus dem Postpaketabkommen vom 05.07.1974. Dieses zweite Postpaketabkommen sei am 06.06.1980 per Dekretnummer 84.774 in Brasilien ratifiziert worden und seit dem 11.06.1980 Gesetz. Ihre Berufung auf die Haftungsbeschränkungen des Postpaketübereinkommens von 1994 sei für die Klägerin lediglich vorteilhaft, da die Ausgleichzahlung auf der Grundlage dieses Übereinkommens erfolgt sei und die Beklagte einen höheren Betrag geleistet habe, als sie unter Anwendung des Postpaketabkommens von 1974 hätten leisten müssen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte jedenfalls ein über den an die Versicherungsnehmerin gezahlten Betrag i. H. v. insgesamt DM 838,-- hinausgehender Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht nicht zu.

Die Haftung der Beklagten für den Sendungsverlust richtet sich nach dem Postpaketabkommen, nämlich Art. 39 Abs. 1 des Postpaketabkommens in der Fassung vom 05.07.1974 (Lausanne), nach dem eine Haftung der Postverwaltung bei Verlust, Beraubung oder Beschädigung von Paketen nach näherer Maßgabe der weiteren Absätze vorgesehen ist.

Die Geltung des PPA 74, auf das es hier maßgeblich ankommt, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Brasilien und die Bundesrepublik Deutschland sind Mitglieder des Weltpostvereins und damit Vertragspartner auch des Postpaketabkommens. Bei diesem handelt es sich um ein völkerrechtliches Vertragswerk, dem Gesetzesrang zukommt. Es ist gemäß der Bekanntmachung vom 17.02.1976 über das Inkrafttreten der Verträge des Weltpostvereins vom 5.7.1974 für die Bundesrepublik Deutschland am 01.01.1976 in Kraft getreten (BGBl. 1976 II, S. 406). Das Postpaketabkommen ist gemäß Art. 1 Nr. 5 des vorbezeichneten Gesetzes Bestandteil der Verträge des Weltpostvereins vom 05.07.1974. Diesen Verträgen hat die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 07.11.1975 (BGBl. 1975 II, S. 1513) zugestimmt.

Brasilien gehört bereits seit kurz nach der Gründung des Weltpostvereins zu den Mitgliedstaaten und ist in der Mitgliederliste des Weltpostvereines aufgeführt. Nach dem weiteren Vortrag der Beklagten und den von ihr vorgelegten Unterlagen ist davon auszugehen, dass lediglich das Postpaketabkommen von 1974 durch Dekretnummer 84.773 vom 06.06.1980 im Bundesgesetzblatt von Brasilien am 11.06.1980 ratifiziert worden ist. Die dazu von der Beklagten vorgelegten Verordnungen in beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache sind inhaltlich nicht angegriffen. Die Ratifizierung einer neueren Fassung des Weltpostvertrages oder des Postpaketübereinkommens in Brasilien ist danach nicht anzunehmen, so dass davon auszugehen ist, dass das PPA 74 als letzter von der Bundesrepublik Deutschland und Brasilien ratifizierter Vertrag anzuwenden ist.

Schließlich ist auch der sachliche Geltungsbereich des PPA 74 eröffnet, denn es handelt sich um die Inanspruchnahme grenzüberschreitender Dienste i. S. d. Art. 1, Art. 2 PPA 74. Aus der Entscheidung des BGH vom 28.1.2003 ergibt sich, dass es für die Anwendbarkeit des Weltpostvertrages nicht darauf ankommt, ob die Sendung zu denen gehört, für die § 51 PostG eine befristete gesetzliche Exklusivlizenz der Beklagten anordnet, da der Weltpostvertrag eine Regelung, wonach die Haftungsbegrenzung nur einen bestimmten, eng begrenzten Bereich des internationalen Postdienstes erfassen soll, der dem staatlichen Monopol unterliege, nicht enthält (BGH NJW 2003, S. 1602, 1604). An der Rechtsprechung, dass dies auch für Sendungen gilt, für die der Anwendungsbereich des Postpaketübereinkommens eröffnet ist (Entscheidung vom 12.8.2003, 3 U 40/03) hält der Senat - auch für das PPA 74 - fest.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den Vorschriften des Weltpostvertrages und des PPA 74 auch um unmittelbar geltendes Recht zwischen der nationalen Postverwaltung - der Bundesrepublik Deutschland - und den Absendern und nicht ausschließlich um Regelungen zwischen den nationalen Postverwaltungen der Mitgliedsstaaten. Dies hat der Senat hinsichtlich des Postpaketübereinkommens von 1994 bereits in der vorgenannten Entscheidung unter Berufung auf die entsprechende Entscheidung des BGH (BGH a. a. O.), der die unmittelbare Geltung aus Art. 3 Abs.1 des Gesetzes zu den Verträgen des Weltpostvereins vom 14.9.1994 (BGBl. 1998, II, S. 2082) abgeleitet hat, entschieden. Dies gilt auch für die zuvor geschlossenen Weltpostverträge (BGHZ 76, 358, 359 f. für den Weltpostvertrag von 1969, OLG Karlsruhe, NJW 1996, 2585 ff. für den Weltpostvertrag von 1989) und entsprechend auch für das jeweilige Postpaketabkommen, namentlich dasjenige von 1974, da auch dort in Art. 43 Abs.1 eine Regelung enthalten ist, die den Regelungen des Art 37 Nr. 1 Weltpostvertrag von 1994 sowie des Art. 29 Nr. 1 Postpaketübereinkommen von 1994 entspricht ist, aus denen der BGH die unmittelbare Geltung des Weltpostvertrages abgeleitet und der Senat sie für das Postpaketübereinkommen übergeleitet hat. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung, wie sie sich für das PPÜ 1994 auch aus seiner Entscheidung vom 15.10.2002 (TranspR 2003, 159f.) ergibt, fest. Nach der eindeutigen Rechtsprechung des BGH in der vorzitierten Entscheidung geben die Ausführungen der Klägerin - einschließlich derjenigen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 03.06.2004 - keinen Anlass zu weiteren Ausführungen.

Die haftungsrechtlichen Bestimmungen sind auch anwendbar, da nach neuem, aber unstreitigem Vortrag der Beklagten das Paket gemäß der Frachtliste in Sao Paulo angekommen und dort zur weiteren Beförderung behandelt worden ist, wobei es für die Anwendbarkeit insbesondere der haftungsbegrenzenden Bestimmungen nicht darauf ankommt, ob die Beförderung zwischen zwei nationalen Postverwaltungen begonnen hat, sondern es vielmehr genügt, dass der Absender lediglich eine durch den Weltpostvertrag gewährleistete internationale Postdienstleistung in Auftrag gegeben hat (BGH NJW 2003, 1602f., so auch der Senat in seiner Entscheidung - 3 U 40/03 - vom 12.8.2003).

Ein weiterer Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den haftungsrechtlichen Regelungen des PPA 74 jedoch nicht. Denn die von der Beklagten unstreitig geleistete Ausgleichszahlung, die die Beklagte nach den Haftungsgrenzen des PPÜ 94 vorgenommen hat, hat zur Erfüllung eines möglichen Anspruchs geführt, da die Haftungsgrenzen des PPA 74 niedriger sind als diejenigen des PPÜ 94. Dass der Ausgleich entsprechend Art. 26 Abs. 2, 3.2 PPÜ erfolgt ist, nämlich unter Zugrundelegung des Betrages in Höhe von DM 2,43925 pro Sonderziehungsrecht (SZR) nach einer Kombination von 40 SZR pro Paket und 4,5 SZR pro Kilogramm unter Berücksichtigung der zu erstattenden Gebühren und zwar insgesamt in Höhe von DM 836,--, ist unstreitig geblieben. Unter Zugrundelegung des Art. 39 Abs. 2 b), Abs. 4 PPA 74 ergibt sich neben dem Anspruch auf Erstattung der entrichteten Gebühren, die sich in Höhe von DM 482,50 aus dem mit der Klageschrift vorgelegten Auftrag zur Beförderung vom 4.10.1999 ergeben, eine Haftungshöchstgrenze von 100 Goldfranken für ein Paket über 15 bis 20 Kilogramm, wobei der Ersatzbetrag gemäss Art 39 Abs.3 PPA 74 nach dem in Goldfranken umgerechneten handelsüblichen Preis für Waren gleicher Art am Ort und zur Zeit der Annahme der Beförderung, hilfsweise nach dem geschätzten gewöhnlichen Wert zu berechnen ist. Im Ermangelung einer Regelung über den Umrechnungswert des Goldfranken im PPA ist auf die entsprechenden Grundsätze für die Umrechnung der Goldfranken im Sinne des Art. 22 WA abzustellen. Für den Umrechnungskurs des Goldfranken vor deutschen Gerichten ist nach herrschender Meinung die 4. Verordnung über den Umrechnungssatz für französische Franken ( BGBl. 1973 I, S.1815) maßgeblich, der zufolge im Rahmen des WA 100 Goldfranken mit DM 21,40 zu bewerten sind ( vgl. Koller, Transportrecht, WA 1955, Art. 22, Rz.7, BGH NJW 1987, S.1939 ff. ) Dass ein anderer Wert anzusetzen wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der Umstand, dass die Haftungshöchstgrenzen nach PPÜ 94 für die Versicherungsnehmerin der Klägerin günstiger sind als diejenigen des PPA 1974, ist im Übrigen unstreitig geblieben.

Auf die Frage des Inhaltes des in Verlust geratenen Paketes kommt es danach nicht mehr an.

Danach ist die Berufung zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Von der Zulassung der Revision sieht der Senat ab, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Frage der Anwendbarkeit der haftungsbegrenzenden Bestimmungen hat der BGH in der Entscheidung vom 28.01.2003 (X ZR 113/02 (NJW 2003, 1602 ff.) - für den Geltungsbereich des Weltpostvertrages - bereits entschieden. Die hier einschlägigen Vorschriften des Weltpostübereinkommens stimmen sinngemäß mit denen des Weltpostvertrages überein und rechtfertigen daher keine andere rechtliche Wertung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 19.935,14 €

Ende der Entscheidung

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