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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 3 U 41/05
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 41/05

Anlage zum Protokoll vom 14.02.2006

Verkündet am 14.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.12.2005 durch seine Mitglieder Lampenscherf, Schneider und Gurba

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11.01.2005 in Verbindung mit dem Ergänzungsurteil vom 29.03.2005 (5 O 315/04) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die weiteren Kosten der Streithelferin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte und deren Streithelferin durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte oder deren Streithelferin jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten zusätzliche Vergütung für die Beseitigung einer auf Betonwänden aufgebrachten Zwischenschicht.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2001 mit der Durchführung von Schadstoffsanierungsarbeiten im A.gymnasium, B.str.x, xxxxx Köln. Grundlage des Auftrags war das Angebot der Klägerin vom 22.05.2001. In diesem Angebot nahm die Klägerin Bezug auf eine Ausschreibung der Beklagten, die unter Ziff.1.2.9., 1.2.10., 2.2.8. und 2.2.9. des Leistungsverzeichnis jeweils eine Entfernung des Wand- bzw. Deckenputzes "rückstandsfrei bis auf den blanken Beton" als geschuldete Leistung vorsah. Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin Arbeiten, die die Entfernung einer auf dem Beton vorhandenen "Ausgleichsschicht" zum Gegenstand hatten, als Zusatzarbeiten vergütet erhalten muss, oder ob es sich insoweit noch um die Erbringung der schon ursprünglich geschuldeten Leistung der Klägerin handelt mit der Folge, dass diese Arbeiten bereits mit dem zwischen den Parteien vereinbarten und unstreitig auch gezahlten Festpreis abgegolten sind. Während die Klägerin meint, sie habe nur den PCB-belasteten Oberputz beseitigen müssen, nicht aber die zuletzt noch vorhandene Spachtel- und Ausgleichsmasse, bei der es sich nicht um Putz gehandelt habe, vertritt die Beklagte die Auffassung, dass angesichts des Wortlauts der Ausschreibung klar gewesen sei, dass sämtliche Putzschichten, auch die zuletzt noch vorhandene Ausgleichsschicht, schon nach dem Inhalt des Vertrages vom 15.06.2001 zu beseitigen gewesen seien. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Formulierung "bis auf den blanken Beton" sei eindeutig dahin zu verstehen, dass keinerlei Schichten auf dem jeweiligen Untergrund hätten verbleiben dürfen; auf die Frage, ob die letzte zu beseitigende Schicht als "Putz" anzusehen sei, komme es daher nicht an.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, dass ihr ein Vergütungsanspruch selbst dann zustünde, wenn man der Auslegung des Landgerichts folge und eine Beseitigungspflicht bis auf den blanken Untergrund annehme. Denn dann sei die Ausschreibung fehlerhaft, weil sie nicht den Vorgaben von § 9 VOB/A entspreche; dies führe zu einer Haftung der Klägerin aus culpa in contrahendo. Im Übrigen habe das LG aber auch das Leistungsverzeichnis missverstanden, ausweislich dessen die Klägerin eben nur Putz zu entfernen gehabt habe, und nicht auch noch die zusätzlich vorhandene "Ausgleichsschicht", die Teil der eigentlichen Wand und deren Entfernung besonders aufwändig gewesen sei. Dass es sich nicht um Putz handele, werde auch durch ein eingeholtes Privatgutachten belegt. Zudem habe die Beklagte die unterlassene Entfernung dieser Schicht auch zunächst hingenommen - ebenso die Streitverkündete - und erst später, als sich zeigte, dass die Verputzerfirma insoweit Beanstandungen erhob, bemängelt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 41.211,57 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2003 zu zahlen.

Die Beklagte und deren Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie behauptet, die streitige "Ausgleichsschicht" habe zum Putz gehört, der unzweifelhaft von der Klägerin zu beseitigen gewesen sei.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.08.2005 durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. W. P. zu der Frage, wie das Leistungsverzeichnis hinsichtlich der Formulierung "Entfernen des Deckenputzes (bzw. Wandputzes) rückstandsfrei bis auf den blanken Beton" von beteiligten sachkundigen Verkehrskreisen in der Praxis unter fachlichen Aspekten zu verstehen ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.12.2005, wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage.

1.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung besteht nicht, denn die Klägerin hat hier nur diejenigen Arbeiten erbracht hat, die schon Gegenstand des auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses geschlossenen Vertrages waren und die sie daher zum vereinbarten Festpreis zu erbringen hatte. Nach den eindeutigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen P. konnte die Klägerin das Leistungsverzeichnis nur in dem Sinne verstehen, dass die Entfernung sämtlicher auf dem Beton befindlichen Schichten, also auch der hier streitgegenständlichen, geschuldet war; dies war durch die Formulierung "rückstandsfrei bis auf den blanken Beton" klargestellt. Mit diesem auch dem Wortsinn der Vereinbarung entsprechenden Inhalt ist daher der Vertrag gem. §§ 133, 157 BGB zustande gekommen.

Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

Die Angriffe der Klägerin gegen die Ausführungen des Sachverständigen P. gehen fehl. Der seit Jahrzehnten forensisch tätige und dem Senat aus zahlreichen Verfahren als sachkundig bekannte Sachverständige hat die hier allein entscheidende Frage, wie das Leistungsverzeichnis in dem streitigen Punkt zu verstehen ist, nachvollziehbar und eindeutig beantwortet. Zu dieser Frage tragen die von der Klägerin zitierten Ausführungen des Privatgutachters Dr. S. nichts bei. Dieser beschäftigt sich vielmehr mit der hier unerheblichen Frage, dass und warum der Sachverständige P. die in Rede stehende Schicht nicht als Putz- bzw. Spritzbewurfsschicht habe kennzeichnen dürfen. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen; denn grundlegende Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen P. auch im Hinblick auf die Auslegung des Leistungsverzeichnisses werden dadurch nicht begründet. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Klägerin selbst in dem entscheidenden Punkt, dass sie nämlich damit rechnen musste, dass sich unter dem eigentlichen "Oberputz" noch eine weitere Schicht - welcher Körnung und Konsistenz auch immer - befand, nicht entgegen getreten ist. Insoweit hat der Sachverständige P. überzeugend dargelegt, dass ein mehrschichtiger Wandaufbau oberhalb von Betonschichten jahrzehntelanger baulicher Praxis entspricht. Auch aus der Stellungnahme des von der Klägerin zitierten Privatgutachters Dr. S. ergibt sich aber, dass auch aus dessen Sicht gegebenenfalls mit einer unterhalb des eigentlichen Putzes gelegenen Schicht - sei es Spritzbewurf, sei es "Betonkontakt" - zu rechnen war. Das Risiko, welcher Art eine solche Schicht war und welchen Aufwand ihre Beseitigung verursachen würde, hat aber dann nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung, die eine Beseitigung "rückstandsfrei bis auf den blanken Beton" vorsah, die Klägerin zu tragen.

Der Hinweis der Klägerin auf die Wirkung des § 640 Abs.2 BGB angesichts einer Abnahme ihrer Leistungen vor Verlangen der vollständigen Beseitigung der letzten auf dem Beton verbliebenen Schicht geht ebenfalls fehl. Eine förmliche Abnahme, die die Parteien unter Ziff.24 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Stadt Köln ausdrücklich vereinbart hatten, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich; für einen etwaigen Verzicht auf die vereinbarte förmliche Abnahme fehlt es an Darlegungen zu einer - hier auch äußerst fern liegenden - Vertretungsmacht des für die Streithelferin tätigen Bauleiters M.. Fehlt es aber an einer vereinbarten förmlichen Abnahme, so kann auch § 640 Abs.2 BGB von vornherein nicht zur Anwendung kommen. Im Übrigen würde auch eine etwaige Abnahme der Arbeiten der Klägerin in Kenntnis ihrer Unvollständigkeit hier nicht dazu führen, dass die Klägerin eine zusätzliche Vergütung verlangen könnte. § 640 Abs.2 BGB führt jedenfalls nicht zum Verlust des Schadensersatzanspruchs gem. § 635 BGB a.F. (BGHZ 77, 134 ff.; st. Rspr.). Ein solcher Schadensersatzanspruch, der die Mängelbeseitigungskosten einschließt (BGH, aaO.), würde die Klägerin hier aber dazu verpflichten, der Beklagten die vollständige geschuldete Leistung ohne Mehrkosten für die Beklagte zukommen zu lassen. Die Voraussetzungen des § 635 BGB a.F. sind erfüllt; denn die Klägerin hat es ohne weiteres zu vertreten, wenn sie ihre Leistungspflichten trotz eindeutiger vertraglicher Regelung zunächst nur unvollständig erfüllt.

Schließlich hat die Beklagte hier auch ersichtlich nicht missbräuchlich gehandelt, indem sie von der Klägerin lediglich verlangt hat, die vertraglich geschuldete Leistung vollständig zu erbringen. Dass es der Beklagten möglich gewesen wäre, ihre diesbezügliche Beanstandung gegebenenfalls einige Tage früher vorzubringen - nach Darstellung der Klägerin geht es hier um einen Zeitraum von jedenfalls weniger als drei Wochen -, kann für sich genommen offensichtlich nicht zu einer Verwirkung des Erfüllungsanspruchs führen.

2.

Auch eine Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo kommt nicht in Betracht. Voraussetzung einer Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo wegen fehlerhafter - hier: missverständlicher - Ausschreibung setzt voraus, dass der Auftragnehmer gerade auch in einem schutzwürdigen Vertrauen enttäuscht worden ist; daran fehlt es, wenn der Auftragnehmer bei ihm zumutbarer Prüfung die Unklarheit des Leistungsverzeichnisses hätte erkennen können (BGHZ 124, 64 ff.). Das ist hier nach den entsprechend dem oben Ausgeführten überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen P. ohne weiteres der Fall. Mit der Formulierung "rückstandsfrei bis auf den blanken Beton" war ersichtlich die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges als zu erbringende Leistung ausgeschrieben; die damit verbundene Risikoverlagerung war offensichtlich (vgl. BGH WM 1996, 2208 ff.). Der erforderliche Aufwand konnte nur dann sicher kalkuliert werden, wenn bekannt war, welche Schichten sich im Einzelnen über dem blanken Beton befanden. Mit einem mehrschichtigen Wandaufbau war jedenfalls zu rechnen (s.o.).

3.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 18.01.2006 bietet danach keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die hier entscheidende, durchaus nicht sonderlich komplexe Frage der Auslegung einer einfachen Klausel des Leistungsverzeichnisses konnte ohne weiteres sachgerecht im Rahmen einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen durchgeführt werden.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert: 41.211,57 Euro

Ende der Entscheidung

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