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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 29.07.2003
Aktenzeichen: 3 U 49/03
Rechtsgebiete: HGB, StVG, BGB


Vorschriften:

HGB § 347
HGB § 407
HGB § 418 Abs. 2 Satz 2
HGB § 421
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 426
HGB § 429 Abs. 2
HGB § 430
HGB § 432 Satz 2
HGB § 439 Abs. 1 Satz 1
StVG § 7
BGB § 276
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 823
BGB § 831
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 49/03

Anlage zum Protokoll vom 29.07.2003

Verkündet am 29.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2003 durch seine Mitglieder Caesar, Schneider und Dr. Bern

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Januar 2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 9/02 - teilweise abgeändert.

Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.628,28 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes seit dem 26.09.2001 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers in erster Instanz entstandenen Kosten, welche er selbst zu tragen hat, werden dem Kläger 17 % und der Beklagten 83 % auferlegt. Der Kläger hat 17 % der Kosten des Streithelfers zu erstatten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Klage ist in Höhe von 4.628,28 € begründet. Der Kläger kann gemäss § 425 Abs. 1 HGB in dieser Höhe von der Beklagten den Ersatz des Schadens verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass sein am 19.08.2001 auf der Autobahn A ### liegen gebliebener Pkw Ford Scorpio, den die Beklagte im Auftrag des B abgeschleppt hat, beim Abladen in der Reparaturwerkstatt ungebremst vom Abschleppwagen rückwärts herabgerollt und gegen eine Betonmauer geprallt ist.

a)

Zwischen dem B und der Beklagten ist ein Frachtvertrag gemäss § 407 HGB zustande gekommen. Der B, bei dem der Kläger Mitglied ist, hat die Beklagte mit der Beförderung des Pkws des Klägers zur Reparaturwerkstatt beauftragt. Der Abschluss eines Frachtvertrages scheitert entgegen den Ausführungen des Landgerichts insbesondere nicht daran, dass die Beklagte den Pkw nicht in ihre Obhut genommen habe oder dass dem Kläger ein Einfluss auf den Fahrer des Abschleppwagens nicht unmöglich gewesen sei. Die Beklagte hat den Pkw zur Beförderung übernommen und hatte während des Abschleppvorgangs die alleinige Verantwortung für die Sicherheit des aufgeladenen Fahrzeugs. Dem Kläger stand keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Sicherheit des Transportes zu, auch wenn er im Führerhaus des Abschleppwagens Platz genommen hatte. Weisungen hinsichtlich des konkreten Abladeortes in der Reparaturwerkstatt durfte er als Empfänger des Transportgutes gemäss § 418 Abs. 2 Satz 2 HGB erteilen.

b)

Unstreitig wurde der Pkw des Klägers nach der Übernahme zur Beförderung durch die Beklagte und vor der Ablieferung durch Abladen beschädigt.

c)

Der Kläger ist als Empfänger des Transportgutes gemäss § 421 HGB aktivlegitimiert. Absender war der B als Vertragspartner der Beklagten.

d)

Die Beklagte ist nicht gemäss § 426 HGB von der Haftung für den beim Abladen des Pkw entstandenen Schaden befreit, weil sie den ihr obliegenden Beweis der Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nicht geführt hat.

Der Frachtführer ist von der Haftung befreit, wenn die Beschädigung auf Umständen beruht, die er auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. § 426 HGB begründet - ebenso wie § 7 StVG - eine verschuldensunabhängige Haftung (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 426 HGB Rz. 2). Der Frachtführer kann sich entlasten, wenn auch ein besonders gewissenhafter Frachtführer bei Anwendung der äußersten möglichen und ihm zumutbaren Sorgfalt den Schaden nicht hätte vermeiden können. Die Unvermeidbarkeit und Unabwendbarkeit des Schadens sind anhand des Maßstabes eines "idealen" Frachtführers zu bestimmen, der eine über den gewöhnlichen Durchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie ein geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Rahmen des Menschenmöglichen an den Tag legt (vgl. BGH NJW 1991, 1171 für § 7 StVG). Vom Frachtführer sind über die normalen Sorgfaltsvorkehrungen im Sinne der §§ 276 BGB, 347 HGB hinausgehende Schadensverhütungsanstrengungen bis zu dem Punkt zu verlangen, an dem sie auf den ersten Blick als gänzlich untragbar, absurd und damit als unzumutbar erscheinen (vgl. Koller, a. a. O., § 426 HGB Rz. 4).

Die Beklagte musste daher entweder die konkrete, unvermeidbare Schadensursache beweisen oder dartun und beweisen, dass der Schaden nicht durch irgend einen bei größter Sorgfalt vermeidbaren oder in seinen Folgen abwendbaren Umstand herbeigeführt worden sein kann. Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Sie hat nicht einmal vorgetragen, aus welchen Gründen der pneumatisch betriebene Freilauf nicht mehr funktionierte mit der Folge, dass das Fahrzeug ungebremst vom Abschleppwagen rückwärts abrollte. Auch im - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 17.07.2003 wird die konkrete Schadensursache nicht genannt, so daß hierin Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand. Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass der Fehler selbst bei äußerster Sorgfalt nicht erkennbar gewesen ist. Auf den Einbau einer neuen Winde durch den Streithelfer - nachdem zuvor zwei ähnliche Vorfälle mit dem selben Abschleppfahrzeug aufgetreten waren - durfte sich die Beklagte nicht beschränken. Denn nach dem Vortrag des Streithelfers (Bl. 92 d. A.) erfolgte der Einbau rein vorsorglich und konnte trotz mehrfacher Überprüfung der betreffenden Winde keinerlei Funktionsstörung in Form eines irgendwie gearteten Sachmangels festgestellt werden. Dann lag es aber nahe, dass ein anderer Mangel für die Funktionsstörung ursächlich war - falls der Fahrer keinen Bedienungsfehler gemacht hatte, der ebenfalls die Unvermeidbarkeit ausschließen würde. Bei größter Sorgfalt waren weitere Schäden vermeidbar, wenn die Beklagte den pneumatischen Freilauf und die Fernbedienung hätte überprüfen lassen und bis zum Auffinden der Schadensursache Abladevorgänge nur im Handbetrieb vorgenommen hätte, wie es auch nach dem streitgegenständlichen Vorfall geschehen ist. Ein "Idealfrachtführer" hätte sich nicht darauf verlassen, dass es bei etlichen Ab- und Aufladevorgängen nach dem Einbau der neuen Seilwinde nicht zu Problemen gekommen ist und dass es bei seinen anderen Fahrzeugen mit dem gleichen Aufbau keine Probleme gegeben hat. Eine technische Überprüfung ist auch nicht etwa aus Kostengründen unzumutbar. Es ist Sache des Frachtführers, dafür zu sorgen, dass das Transportmittel die für einen sicheren Transport erforderlichen Eigenschaften aufweist.

Da bereits aus den vorgenannten Gründen die Unabwendbarkeit des Schadens nicht bewiesen ist, kann dahinstehen, ob aufgrund der Aussage des vom Landgericht vernommen Zeugen I feststeht, dass der Schaden nicht durch eine Fehlbedienung des Zeugen herbeigeführt worden ist.

e)

Die Beklagte hat gemäss § 429 Abs. 2 HGB Wertersatz zu leisten sowie gemäss § 430 HGB die Sachverständigenkosten als Kosten der Feststellung des Schadens zu tragen. Weitergehende Ansprüche auf Ersatz des Nutzungsausfalls, der An- und Abmeldekosten sowie der allgemeinen Unkostenpauschale sind gemäss § 432 Satz 2 HGB ausgeschlossen. Die frachtrechtliche Haftungsbeschränkung des Frachtführers gilt nicht nur gegenüber seinem Vertragspartner, sondern auch gegenüber dem Empfänger des Frachtgutes, also auch gegenüber dem Kläger.

Der Wertersatz gemäss § 429 Abs. 2 HGB berechnet sich nach dem Unterschied zwischen dem Wert des unbeschädigten Fahrzeugs bei Übernahme zur Beförderung durch die Beklagte und dem Wert, den der Pkw nach der Beschädigung hatte. Es wird vermutet, dass die notwendigen Reparaturkosten dem Unterschiedbetrag entsprechen. Diesen hat der Sachverständige C in seinem Privatgutachten vom 20.08.2001 mit Brutto 9.495,11 DM errechnet. Den Zeitwert des unbeschädigten Pkw hat er auf 9.500,00 DM geschätzt, den Restwert auf 1.500,00 DM, so dass sich hiernach ein Schaden von 8.000,00 DM errechnet. Das bloße Bestreiten der Schadensberechnung durch die Beklagte ist nicht ausreichend. Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens hätte sie konkret dartun müssen, welche Berechnungen des Sachverständigen falsch sein sollen.

Die Beklagte hat den Schaden also in Höhe von 8.000,00 DM + 1.052,12 DM (Sachverständigenkosten) = 9.052,12 DM = 4.628,28 € zu ersetzen.

f)

Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist gemäss § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB beträgt ein Jahr und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde (§ 439 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Ablieferung erfolgte am 19.08.2001. Die Verjährung wurde durch die Klageerhebung gehemmt (Artikel 229 § 6 Abs. 1 EGBGB, § 204 Nr. 1 BGB). Die am 09.01.2002 bei Gericht eingegangene Klage (vgl. § 167 ZPO) wurde am 18.02.2002 an die Beklagte zugestellt. Unerheblich ist, dass der Kläger seine Klage ursprünglich nicht ausdrücklich auf die Frachtführerhaftung gestützt hat. Er hat in der Klageschrift Schadenersatz ohne Nennung einer Anspruchsgrundlage geltend gemacht.

2)

Ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls in Höhe von 1.638,00 DM, der An- und Abmeldekosten in Höhe von 150,00 DM sowie der allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 50,00 DM steht dem Kläger auch nicht aus anderen Rechtsgründen zu. Der Senat brauchte nicht zu prüfen, ob die Beklagte dem Grunde nach auch gemäss §§ 823, 831 BGB und gemäss § 7 StVG haftet. Denn die frachtrechtliche Haftungsbeschränkung des Frachtführers gemäss § 432 Satz 2 HGB gilt gemäss §§ 434, 436 HGB auch für eine außervertragliche Haftung.

Der Zinsanspruch ist gemäss § 288 Abs. 1 BGB begründet. Der Kläger hat die Beklagte erst durch Anwaltsschreiben vom 19.09.2001 mit einer Fristsetzung von fünf Tagen in Verzug gesetzt, so dass von einem Verzugsbeginn am 26.09.2001 ausgegangen wird.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 92 Abs. 1, 101, 344 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird gemäss § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Berufungsstreitwert: 5.568,03 €

Ende der Entscheidung

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