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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.12.2000
Aktenzeichen: 3 U 72/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 133 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 515 Abs. 3 | |
ZPO § 710 Nr. 8 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
3 U 72/00 8 O 533/99 LG Aachen
Anlage zum Protokoll vom 05.12.2000
Verkündet am 05.12.2000
Meusel, JOS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf, den Richter am Oberlandesgericht Blank und die Richterin am Landgericht Reuter-Jaschick
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.03.2000 verkündete Urteil der 8.Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 533 / 99 - teilweise abgeändert und neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Beschluß zu TOP 2 der Gesellschafterversammlung vom 12.06.1999, mit dem die Feststellung des Kassenabschlusses für das Wirtschaftsjahr 1996 / 1997 von den Gesellschaftern beschlossen worden ist, nichtig ist.
Es wird festgestellt, daß der Beschluß zu TOP 3 der Gesellschafterversammlung vom 12.06.1999, mit dem die Feststellung des Kassenabschlusses für das Wirtschaftsjahr 1997 / 1998 von den Gesellschaftern beschlossen worden ist, nichtig ist.
Es wird festgestellt, daß der Beschluß zu TOP 4 c) der Gesellschafterversammlung vom 12.06.1999, mit dem die Fortsetzung von Ablenkfütterungen durch die Gesellschafter festgelegt worden ist, nichtig ist.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. -
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
Nicht nur die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 der Gesellschafterversammlung vom 12.06.1999 betreffend die Kassenabschlüsse für die Wirtschaftsjahre 1996 / 1997 und 1997 / 1998 sind nichtig, wie das Landgericht mit dem - insoweit nach Rücknahme der Berufung der Beklagten - nicht angefochtenen Urteil vom 10.03.2000 bereits festgestellt hat, sondern auch der Beschluß zu TOP 4 c) der Gesellschafterversammlung betreffend die Festlegung der Fortsetzung von Ablenkfütterungen. Es kann dahingestellt bleiben, ob für einen Beschluß zur Fortsetzung der Ablenkfütterungen das Einstimmigkeitsprinzip gilt oder ob es sich um einen Beschluß handelt, der dem Anwendungsbereich von Ziffer 8 des Gesellschaftsvertrages und mithin dem (vereinbarten) Mehrheitsprinzip unterfällt, gegen das wegen der grundsätzlichen Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen bei Personalgesellschaften im Hinblick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit keine Bedenken bestehen. Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob dieser Beschluß der Gesellschafter gegen eine gesetzliche Bestimmung verstößt, weil er nicht im Einklang mit dem belgischen Jagdgesetz steht. Denn der Beschluß zu TOP 4 c) der Gesellschafterversammlung ist bereits deshalb ungültig, weil er gegen unverzichtbare Bestimmtheitserfordernisse verstößt. Einem (Mehrheits-) Beschluß, der sich darin erschöpft, durch pauschale Verweisung die bestehende tatsächliche Übung in einem bestimmten Lebenskreis oder jedenfalls die Vorstellungen der beschließenden Beteiligten hierüber zum Maßstab künftiger rechtlicher Geltung zu erklären, mangelt die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche inhaltliche Bestimmtheit. Dieser Grundsatz, der in der Rechtsprechung für Beschlüsse der Wohnungseigentümer-Gemeinschaft aufgestellt worden ist (vgl. KG MDR 1981, 500; BayObLG, BayObLGR 1983, 66 f. -66), kann auch auf Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung finden, zumindest in den Fällen, in denen in Rechte der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter eingegriffen wird. Denn auch bei einer Auslegung der Beschlüsse der Gesellschaft bürgerlichen Rechts muß berücksichtigt werden, daß Rechtswirkungen auch im Verhältnis zu den dagegen stimmenden oder den der Gesellschafterversammlung ferngebliebenen Gesellschaftern geschaffen werden sollen, auch wenn der Beschluß im allgemeinen nur innere Rechtsverhältnisse der Gesellschafter gestaltet. Daher ist es geboten, die rechtliche Beachtlichkeit solcher Beschlüsse davon abhängig zu machen, ob die Mindesterfordernisse inhaltlicher Klarheit und Bestimmheit erfüllt sind. Wird jedoch im Beschlußtext statt einer Konkretisierung des Regelungsgehaltes nur auf eine vorangegangene tatsächliche Handhabung verwiesen, wobei nicht ersichtlich ist, in welcher Weise und in welchem Umfang in der Vergangenheit die entsprechende Handhabung beschlossen worden und wie sie ausgestaltet ist, so sind die Mindestanforderungen für eine rechtliche Beachtlichkeit zweifelsfrei unterschritten. Hier stößt auch eine alle Begleitumstände erfassende Auslegung (§ 133 BGB) an ihre Grenzen. Zwar können übereinstimmende Vorstellungen der Beteiligten auch einer unklaren Beschlußfassung einen eindeutigen, von allen Beteiligten getragenen Sinn geben. Dies scheitert aber dann, wenn der geäußerte Wille selbst unklar und lückenhaft ist und der Regelungsgehalt durch individuelle Handhabung der Beschließenden erst hinreichend bestimmt wird. In einem solchen Fall kann auch der nicht zustimmende oder abwesende Gesellschafter einen bestimmten Regelungsgehalt nicht erschließen und in seinen Auswirkungen beurteilen. Ein solcher Beschluß kann keine rechtliche Bindungswirkung entfalten und verstößt auch gegen jegliche Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Vorliegend haben die Beklagten gegen die Stimme des Klägers beschlossen, die Ablenkfütterungen fortzusetzen und haben damit allein auf eine tatsächliche Handhabung in der Vergangenheit verwiesen, jedoch nicht im einzelnen konkretisiert, in welcher Art und Weise sowie in welchem Umfang diese Ablenkfütterungen durchgeführt werden sollen. Aus sich heraus läßt sich dem Beschluß daher nicht entnehmen, welche Regelung von den Gesellschaftern beschlossen worden ist. Es läßt sich lediglich feststellen, daß es sich um Ablenkfütterungen handelt. Durch den Bezug auf die bisherige Handhabung mag auch der Ort der Ablenkfütterung klargestellt sein; Zweifel bezüglich des Futtermittels mag man im Hinblick auf die belgischen Bestimmungen noch überwinden können. Was unklar bleibt, ist jedenfalls der durch die Handhabung wesentlich beeinflußte Kostenrahmen der Maßnahme, der von der tatsächlichen Umsetzung der allein zustimmenden, beschließenden Gesellschafter abhängt und damit von ihrem künftigen Verhaltensweisen und Vorstellungen. Inwieweit hier überhaupt Auswirkungen bedacht wurden, eine Willensbildung stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich. Der Beschluß ist in seinen Grenzen nicht faßbar und in seiner Ausgestaltung nur von dem Verständnis und der Handhabung der beschließenden Gesellschafter abhängig. Hinreichend bestimmt und objektivierbar ist der Beschlußinhalt hiermit nicht. Es handelt sich hierbei um einen Beschluß, der im wesentlichen in die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und damit mittelbar auch das Vermögen der einzelnen Gesellschafter betrifft und somit in wesentliche Rechte der Gesellschafter eingreift. Denn der Kläger hat unbestritten vorgetragen, daß für die Ablenkfütterungen pro Jahr Beträge von bis zu DM 20.000,00 aufzuwenden sind. Die Gesellschaft finanziert ihre Auslagen jedoch allein durch die von den einzelnen Gesellschaftern einzuzahlenden DM 1.000,00 sowie Wildbreterlöse. Daher kann unter Zugrundelegung der Kosten für Ablenkfütterungen davon ausgegangen werden, daß letztendlich die einzelnen Gesellschafter mit einem erheblichen Differenzbetrag zu belasten sein werden. Wird daher durch den betreffenden Gesellschafterbeschluß in die Rechte der Gesellschafter eingegriffen, ist das Bestimmtheitserfordernis auch für den Beschluß einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unverzichtbar. Damit entspricht der Beschluß zu TOP 4 c ) der Gesellschafterversammlung vom 12.06.1999 nicht diesen Erfordernissen und ist daher bereits aus diesem Grund ungültig.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 710 Nr. 8, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren des Klägers: DM 2.000,00
Zwar mag für die Streitwertbemessung auch das Interesse des Klägers an der Befreiung von der durch den Beschluß der Gesellschafterversammlung begründeten Verbindlichkeit heranzuziehen sein. Es ist derzeit jedoch nicht ersichtlich, daß die von dem Kläger behauptete Belastung von DM 20.000,00 je Fütterung bereits den einzelnen Gesellschaftern und damit auch dem Kläger belastet wird. Damit kann allein das Interesse des Klägers an der Befreiung von einer mittelbaren, möglichen zukünftigen Belastung ausschlaggebend sein, welches ausreichend mit DM 2.000,00 bemessen ist.
Streitwert des Berufungsverfahrens insgesamt: bis zum 19.06.2000 Berufung des Klägers 2.000,00 DM Berufung der Beklagten 8.889,00 DM 10.889,00 DM ab dem 19.06.2000 Berufung des Klägers 2.000,00 DM
Beschwer der Beklagten: DM 2.000,00
Ende der Entscheidung
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