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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 3 U 8/04
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 426
HGB § 449
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 8/04

Anlage zum Protokoll vom 22.06.2004

Verkündet am 22.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

durch die Richterin am Oberlandesgericht Caesar als Vorsitzende, die Richterin am Oberlandesgericht Schneider und den Richter am Landgericht Ahlmann

auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 04.12.2003 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (86 O 20/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Transportversicherer der Fa. T & L Computertechnik GmbH in C (nachfolgend: VN) aus übergegangenem und abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten mit der Behauptung geltend, diese habe im Rahmen der ihr erteilten Transportaufträge den Verlust von Paketen mit Computerteilen im Netto-Gesamtwert von 5.788,32 € zu vertreten, die ihr am 06.05., 07.05. und 23.05.2002 sowie am 27.06.2002 übergeben worden seien.

Das Landgericht hat der Schadensersatzklage in vollem Umfange stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.788,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2002 zu zahlen. Hierbei hat das Landgericht seine Entscheidung nach durchgeführter Beweisaufnahme im wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin aufgrund der vorgelegten Abtretungserklärungen ihres - von ihr - entschädigten VN aktivlegitimiert sei und ihr die Beklagte gemäß §§ 425 Abs. 1, 435 HGB i.V.m. § 398 BGB, § 67 Abs. 1 VVG wegen des Paketverlustes uneingeschränkt hafte.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass alle streitbefangenen Pakete von der Beklagten abgeholt worden seien und die Pakete den sich aus den korrespondierenden Lieferrechnungen ergebenden Inhalt gehabt hätten. Da die Beklagte auf jeglichen Vortrag zur Behandlung des Transportgutes und zu etwaigen Sicherungsmaßnahmen gegen dessen Verlust verzichtet habe, sei der Rückschluss auf ihr qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB zu ziehen, zumal sie sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen ihres Vertragspartners hinweggesetzt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Köln vom 04.12.2003 (Bl. 85 - 87 GA) Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage und macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass zwischen den Vertragsparteien (VN und Beklagte) die wirksame Vereinbarung einer Massenbeförderung ohne Transportwegkontrolle gemäß Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen (Bl. 156 ff., 157 GA) vereinbart worden sei; vor diesem Hintergrund könne trotz eines Verlustes der Pakete nicht von einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verhalten der Beklagten im Sinne von § 435 HGB ausgegangen werden. Es habe der Vertragsfreiheit der vertragsschließenden Parteien unterlegen, eine freie Vereinbarung über den Überwachungsstandard zu schließen. Dem Versender (VN) habe es freigestanden, einen niedrigen Standard der Überwachung bei einem niedrigen Preis für die Beförderung zu wählen oder einen höheren Preis zu zahlen und damit einen erhöhten Sicherheitsstandard zu erhalten.

Die vertragliche Vereinbarung in Ziffer 2. der Beförderungsbedingungen sei nur als Leistungsbeschreibung zu verstehen, die nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGBG oder den §§ 307 ff. BGB unterliege.

Im Streitfall habe der VN der Klägerin nur die Standardsendung gewählt und nicht die teureren Dienste des Wertpaketes oder der Express-Paket-Sendung, so dass er der Ziffer 2. der Beförderungsbedingungen den fehlenden Überwachungsstandard habe entnehmen können, wobei Ziffer 2. der Bedingungen den Serviceumfang klar definiere. Dem stehe auch § 449 HGB nicht entgegen, zumal die Haftung auch durch "normale" AGB habe abbedungen werden können, soweit es sich um eine Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen gehandelt habe. Die vorliegend versandten Pakete seien als briefähnlich anzusehen, zumal sie im postalischen Massenverkehr versandt worden seien. Darüber hinaus seien die streitgegenständlichen Leistungsbeschreibungen aus Ziffer 2. der Beförderungsbedingungen im einzelnen ausgehandelt worden, weil der VN der Klägerin bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt habe, auf den Regelungsgehalt Einfluß zu nehmen. Denn der VN der Klägerin habe die Wahl gehabt, eine der zwei weiteren angebotenen Versendungsarten (Wertpaket oder Express-Paket-Sendung) zu wählen.

Ihre Sorgfaltspflichten habe die Beklagte nicht verletzt, zumal nur eine Massenbeförderung ohne Transportwegkontrolle geschuldet gewesen sei; eine Einlassungsobliegenheit entfalle in diesem Zusammenhang, weil es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Sorgfaltspflichtverletzung gebe. § 435 HGB sei aufgrund der vereinbarten Leistungsbeschreibung nicht anwendbar, so dass die Haftungsbeschränkungen aus § 431 HGB bzw. Ziffer 9. der Beförderungsbedingungen eingriffen. Eine Haftungsbeschränkung sei auch deshalb geboten, weil der VN der Klägerin bei der Absendung des Gutes eine Wertangabe unterlassen habe, so dass hierdurch - wie auch durch die Wahl der Standardsendung - auf besondere Sicherungsmaßnahmen während des Transportes verzichtet worden sei. Eine volle Haftung der Beklagten sei in diesem Zusammenhang auch deshalb als unbillig zu bewerten, weil sie ohne Wertangabe eine besondere Versicherung des Sendungsgutes unterlassen habe.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass der VN der Klägerin seine Obliegenheiten aus dem Beförderungsvertrag verletzt habe, indem er Wertangaben unterlassen habe, so dass allenfalls eine beschränkte Höchstbetragshaftung in Betracht kommen könne.

Darüber hinaus sei es den Gerichten mit Rücksicht auf Art. 12 GG verfassungsrechtlich verwehrt, höhere als in den Beförderungsbedingungen geschuldete Sorgfaltsanforderungen zu stellen, weil die Dienstleistung "Standardsendung" in Anbetracht des Massenbedarfs für diese Transportart einen abgrenzbaren Beruf darstelle, dessen Wahl und Ausübung durch Art. 12 GG geschützt sei.

Schließlich bestreitet die Beklagte - wie schon in erster Instanz - weiterhin den Inhalt und Wert der streitgegenständlichen Sendungen.

Die Beklagte beantragt,

das am 04.12.2003 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (86 O 20/03) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr Vorbringen aus erster Instanz. Hinsichtlich der fehlenden Wertdeklaration durch ihren VN verweist sie darauf hin, dass die Beklagte für den Fall der Angabe des tatsächlichen Wertes bei Vertragsschluß nicht dargelegt habe, welche höhere Sorgfalt sie hätte walten lassen, so dass weder eine Haftungsbegrenzung noch ein Mitverschulden ihres VN in Betracht kommen könne. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Beklagte Wertsendungen in ihrem Gewahrsam keine besondere Behandlung zukommen lasse, wie dies insbesondere das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 06.12.2003, dort S. 5 (Bl. 203 ff., 207 GA) zeige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Köln aus dem Urteil vom 04.12.2003 ergänzend Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat eine Haftung der Beklagten für den von der Klägerin begehrten Schadensersatz im Ergebnis zu Recht angenommen.

1.

Das Landgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin mit Rücksicht auf die von ihr in erster Instanz vorgelegten Urkunden rechtsfehlerfrei angenommen; Einwände hiergegen sind mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht worden.

2.

Zu Recht ist das Landgericht auch von einer Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Sendungsverlust aufgrund eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von § 435 HGB ausgegangen.

Denn die Beklagte ist nach den überzeugenden Entscheidungsgründen des Urteils des Landgerichts der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast über die Transportwege und die organisatorischen Sicherungsmaßnahmen - insbesondere die notwendigen Schnittstellenkontrollen - nicht nachgekommen.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist im Ergebnis auch nicht geeignet, die Ausführungen des Landgerichts und damit letztlich den Anspruch der Klägerin in Frage zu stellen.

Zwischen den Vertragsparteien ist ein Frachtvertrag über Paketsendungen zustande gekommen, dessen Hauptleistungspflicht der Beklagten in der Beförderung von Paketen gegen Entgelt bestand. Soweit es bei einem solchen Vertrag während der Obhutszeit des Frachtführers zu einer Beschädigung oder einem Verlust der Sendung kommt, führt dies gemäß § 425 HGB zu einer Haftung des Frachtführers, von der er sich gemäß § 426 HGB nur durch den Nachweis befreien kann, dass der Schaden auch bei Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Insoweit enthält § 426 HGB einen Haftungsmaßstab, der § 425 HGB ergänzt; soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass es sich nicht um eine Haftungsbeschränkung, sondern um eine Leistungsbeschreibung handelt, ist dem nicht zu folgen. Denn es handelt sich inhaltlich um eine Änderung des Sorgfaltsmaßstabes des § 426 HGB, die gemäß § 449 HGB ausschließlich durch eine Individualvereinbarung - nicht aber durch AGB - erfolgen kann.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, hängt die Haftungsfreistellung davon ab, ob die Beförderung Briefe oder briefähnliche Sendungen zum Gegenstand hatte. Dies ist im Ergebnis zu verneinen, weil es sich bei der Paketbeförderung nicht um typische "Briefkastenfälle" handelt. Anders als bei Briefsendungen findet im Fall der Beförderung von Paketen regelmäßig ein vorheriger Kontakt mit dem Kunden statt, der es jedenfalls im Grundsatz erlaubt, den Kunden auf Haftungs- oder Transportausschlüsse hinzuweisen oder mit ihm individuelle Vereinbarungen hierüber zu treffen.

Mit Rücksicht auf die Unwirksamkeit der Vertragsbedingungsklausel gelten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 2 BGB), nach denen die Beklagte dem Grunde nach haftet und sich auf Haftungsbegrenzungen, die auf ihren AGB beruhen, nicht berufen kann, ohne dass von einer gänzlichen Unwirksamkeit des Frachtvertrags (§ 306 Abs. 3 BGB) ausgegangen werden könnte.

Die Beklagte hat im Streitfall zum Abschluss einer Individualvereinbarung auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen; ob dem VN der Klägerin überhaupt bekannt und bewußt war, dass zwei weitere Sendungsarten von der Beklagten angeboten worden sind, ist schon nicht hinreichend dargetan, so dass nicht von einer konkreten Wahl dieser Beförderungsart ausgegangen werden kann.

Auch reicht die pauschale Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen für die Annahme einer nach § 449 Abs. 2 HGB erforderlichen Individualvereinbarung nicht aus, zumal von der Beklagten nicht dargelegt ist, dass über die entsprechenden Beförderungsbedingungen konkret verhandelt worden wäre oder zumindest die ernsthafte Bereitschaft der Beklagten als Verwenderin der Bedingungen bestanden hätte, über den Inhalt der Klauseln zu diskutieren oder sie zu ändern (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl. , § 449 Rz. 46).

Darüber hinaus ist dem Oberlandesgericht Stuttgart hinsichtlich seiner Entscheidung vom 14.01.2004 (Urt. v. 14.01.2004 - 3 U 148/03, UG S. 13 f.) auch dahingehend zu folgen, dass bei anderen als brief- oder briefähnlichen Sendungen - wie im Streitfall - eine Abweichung von den Regelungen der §§ 425 - 438 HGB nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen, die vorliegend nicht anzunehmen sind, möglich ist, weil die Sicherheitsvorkehrungen im Massenverkehr mit Paketen nicht herabgesetzt werden sollten (BGH TransportR 2002, 452 [456]).

Die Klägerin kann sich auch auf die tatsächliche Vermutung für das qualifizierte Verschulden der Beklagten berufen (vgl. BGH Transportrecht 2002, 458; OLG Hamburg, Transportrecht 1996, 304; OLG Köln Transportrecht 2001, 364, 366, Transportrecht 2001, 1445, 1446; Koller, a.a.O, § 435 HGB Rnr. 21). Denn soweit von einem bewusst leichtfertigen Organisationsverschulden auszugehen ist, obliegt es auch dem Frachtführer, gegen die Schadensursächlichkeit sprechende Umstände darzutun. Gelingt ihm dies nicht, spricht - wie auch hier - die Vermutung für ein im Hinblick auf die Schadenswahrscheinlichkeit bewusstes Verhalten (BGH NJW 2003, 3626 ff.; OLG Köln, Transportrecht 2001, 1445, 1446). Hiernach folgt die Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs bereits aus den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Grundsätzen der sogenannten sekundären Behauptungslast. Danach können dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei (Versender) außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner nähere Angaben machen kann (vgl. BGH TransportR 2004, 175, 176; NJW 2003, 3626, 3627 m.w.N.). Unterläßt er dies - wie im Streitfall -, ist nicht nur der Schluss auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit, sondern auch der Schluss auf das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gerechtfertigt. Denn in einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, auch von einer sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängenden Erkenntnis auszugehen, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen.

Auch gebietet Art. 12 Abs. 1 GG keine hiervon abweichende Beurteilung. Denn im Ergebnis ist es nicht die Aufgabe des Art. 12 GG, den Frachtführern durch die Herabsetzung von Sorgfaltsanforderungen die Möglichkeit einer für sie günstigen Tarifgestaltung zu ermöglichen und hierdurch ein bestimmtes Wettbewerbsniveau zu eröffnen, da Art. 12 GG lediglich Wettbewerbsverzerrungen verbietet; im übrigen wird auch durch Individualabreden im Rahmen des § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB dem unternehmerischen Bereich ein ausreichender Freiraum für die jeweilige Vertragsgestaltung geschaffen.

Ferner begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Höhe des geltend gemachten Schadens keinen durchgreifenden Bedenken.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Im Berufungsverfahren ist deshalb stets zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder wesentliche Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt läßt. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist danach nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Fehler in der Tatsachenerfassung, der vollständigen und zutreffenden Würdigung des Beweisergebnisses sind zum einen im Streitfall nicht ersichtlich.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass mit den Sendungen zeitgleiche Lieferrechnungen fakturiert worden sind. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.10.2002 (TransportR 2003, 156 ff.) - dem der Senat folgt - klargestellt, dass der Tatrichter nicht gehindert ist, sich die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung auf andere Weise zu verschaffen. Für den vollkaufmännischen Rechtsverkehr hat der Bundesgerichtshof innerhalb des vorbezeichneten Urteils zutreffend darauf abgestellt, dass im gewerblichen Bereich nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass an den gewerblichen Kunden exakt die bestellten und sodann berechneten Waren versandt wurden. Sofern die Güter in verschlossenen Behältnissen zum Versand gebracht wurden, ist bei kaufmännischen Absendern zwar nicht aufgrund einer tatsächlichen Vermutung, die den vollen Gegenbeweis erfordert, sondern prima facie anzunehmen, dass die im Lieferschein und in der dazu korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren in dem Behältnis waren. Es obliegt dann dem Schädiger, den zugunsten des Verwenders streitenden Anscheinsbeweis durch substantiierten Vortrag zu erschüttern (vgl. auch OLG Frankfurt, Transportrecht 2000, 260, 262; LG Düsseldorf, Transportrecht 1993, 140, 141). Dies ist der Beklagten nicht gelungen.

Schließlich ist der Klägerin ein Mitverschulden ihres VN gemäß § 254 BGB an der Schadensentstehung nicht zuzurechnen. Denn einem Mitverschulden ist im Streitfall bereits entgegenzuhalten, dass die korrekte Wertangabe den Verlust auch nicht hätte verhindern können. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Versender sich in einen beachtlichen Selbstwiderspruch begebe, wenn er die Sache aufgebe, obwohl er wisse, dass der Frachtführer die Haftung hierfür ablehne (vgl. BGH NJW 2003, 3626 [3629]). Jedoch ist im Streitfall - wie auch im streitgegenständlichen Fall des Bundesgerichtshofs - nicht davon auszugehen, dass die unterlassene Wertdeklaration den Schaden tatsächlich mitverursacht hat. Denn Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es hierdurch zu einer Verringerung des Verlustrisikos gekommen wäre (vgl. BGH TransportR 2003, 175 [177]). Hierzu läßt sich dem Sachvortrag der Beklagten nichts entnehmen; soweit sie in diesem Zusammenhang in der Berufungsbegründung pauschal auf ihr Vorbringen nebst Beweisanerbieten aus erster Instanz verweist, fehlt es an einem entsprechenden Vorbringen zu diesem Tatsachenkomplex, so dass im Ergebnis ein Mitverschulden der Klägerin an der Entstehung des eingetretenen Schadens nicht angenommen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtsfrage der Einordnung einer nicht individualvertraglichen Änderung des Sorgfaltsmaßstabes des Frachtführers als Leistungsbeschreibung durch das Revisionsgericht - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden ist und die Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.788,32 €

Ende der Entscheidung

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