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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.02.2003
Aktenzeichen: 3 U 83/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 83/02

Anlage zum Protokoll vom 11. Februar 2003

Verkündet am 11. Februar 2003

Meusel, J.O.S.'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2003 durch seine Mitglieder Lampenscherf, Dr. Bern und Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Mai 2002 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O 95/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Streithelferin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Empfängerin einer Luftfrachtsendung Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend. Die S. Deutschland GmbH hatte Mobiltelefone hergestellt und die Beklagte beauftragt, den Transport zur Klägerin nach Hongkong zu veranlassen. Ende März 1998 wurden die Mobiltelefone von der von der Beklagten beauftragten Streithelferin auf dem Luftweg von K. nach Hongkong transportiert. Die Klägerin macht einen Totalschaden geltend, weil von den insgesamt 852 Geräten 13 auf dem Transport in Verlust geraten und 839 beschädigt worden seien, weil Feuchtigkeit eingedrungen sei und die Elektronik beschädigt habe. Den Schaden der Klägerin hat ihre Transportschadensversicherung, die M.M.a.F.I. (Hong Kong) ausgeglichen. Der Versicherer ließ sich von der Klägerin einen "Letter of Transfer" (Bl. 78 d.A.) unterschreiben. Die Parteien streiten darüber, ob es sich hierbei um eine Abtretung oder um eine Subrogation des englischen Rechtsbereich handelt und ob die Klägerin aufgrund dieses Schreibens noch aktivlegitimiert ist.

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 223.028,04 US-Dollar nebst 5 % Zinsen seit dem 12.12.1998 beantragt.

Die Beklagte und die Streithelferin haben Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin sowie eine Haftung für den nach Umfang und Höhe streitigen Schaden bestritten und geltend gemacht, von der S. Deutschland GmbH nur einen Speditionsauftrag erhalten zu haben, den sie pflichtgemäß erfüllt habe. Im übrigen hat sie gerügt, die Ware sei nicht ordnungsgemäß verpackt gewesen, weil sie gegen die starken Regenfälle, zu denen es unangekündigt bei Transporten nach Singapore und Hongkong immer wieder komme, nicht geschützt gewesen sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden, insbesondere den "Letter of Transfer" (Bl. 78 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Rechtsgutachtens des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität K., Prof. Dr. M., die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht mehr aktivlegitimiert sei. Sie habe ihre Schadensersatzansprüche an ihren Versicherer abgetreten. Auf das Urteil vom 14.05.2002 (Bl. 188 ff d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin stützt ihre rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung darauf, der "Letter of Transfer" sei nur als Subrogation zu verstehen, und legt zur Bestätigung ein entsprechendes Schreiben ihres Versicherers vom 11.09.2002 vor (Bl. 220 d.A.). Ferner benennt sie einen Mitarbeiter der Versicherung in Hongkong als Zeugen.

Sie vertritt die Auffassung, zumindest im Wege gewillkürter Prozessstandschaft berechtigt zu sein, die Schadensersatzforderung geltend zu machen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die von den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei nicht mehr Inhaberin der von ihr geltend gemachten Schadensersatzforderung, weil sie diese an ihren Transportversicherer übertragen habe. Dem schließt sich der Senat an.

Der von der Klägerin unterzeichnete "Letter of Transfer" hat nicht die Wirkung einer Subrogation, sondern die einer Übertragung der Rechte der Klägerin im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Schadensersatzansprüchen.

Die - Kraft Gesetzes eintretende - Subrogation ist ein Prinzip des englischen Versicherungsrechts, nach dem ein Versicherer, der den Versicherten entschädigt hat, berechtigt ist, die Ansprüche des Versicherten gegenüber dem dritten Schädiger im Namen des Versicherten geltend zu machen. Die Ansprüche des Versicherten gegen den Schädiger gehen nicht auf den Versicherer über, dieser kann im Prozess nur die Befriedigung der Ansprüche des Versicherten verlangen. Entsprechend wird der Schädiger zur Zahlung an den Geschädigten, nicht an die Versicherung, verurteilt. Der Versicherte bleibt umgekehrt trotz erfolgter Zahlung durch den Versicherer grundsätzlich in der Geltendmachung seiner Ansprüche im eigenen Namen unbeschränkt. Er muss einen erfolgreich eingeklagten Betrag bis zu maximal der Höhe dem Versicherer zurückerstatten, den dieser an ihn ausgezahlt hat. Das Recht der Subrogation gilt nach dem vom Landgericht eingeholten Rechtsgutachten vom 16.04.2002 auch in Hongkong.

Die Einordnung des "Letter of Transfer" nach dem Recht von Hongkong führt nicht dazu, darin lediglich eine rein deklaratorische Dokumentation der gesetzlichen Wirkungen der Subrogation oder eine vertragliche Modifizierung derselben zu sehen. Die auf das Recht von Hongkong bezogene Vorstellung der Parteien des Versicherungsvertrages war vielmehr auf eine Übertragung der Rechtspositionen der Klägerin an ihren Versicherer gerichtet.

Die Auslegung des "Letter of Transfer" hat sich sowohl nach dem für die Auslegung maßgeblichen deutschen Recht - die Auslegung richtet sich gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach dem Forderungsstatut - als auch nach englischem Recht, welches insoweit auch in Hongkong gilt, in erster Linie am Wortlaut zu orientieren. Das englische Recht zieht zur Auslegung allein das schriftliche Vertragsdokument heran; bei der Auslegung der Vertragsbedeutung ist ein objektiver, am Wortlaut orientierter Test vorzunehmen. Da im englischen Rechtskreis die große Bedeutung des Vertragsdokuments für die Auslegung allgemein bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien Erklärungen abgeben wollten, die aus sich heraus verständlich sind. Dem objektiven Wortlaut muss somit auch bei der Auslegung nach deutschen Grundsätzen eine gesteigerte Bedeutung zukommen.

Maßgebliches Indiz für eine Übertragung der Rechtsposition der Klägerin an ihren Versicherer ist der erste Satz des "Letter of Transfer":

"Als Gegenleistung dafür, dass Sie uns den Betrag von .... gezahlt haben, der eine Forderung aus dem unten angegebenen Interesse darstellt, welches durch Ihre Hongkong Versicherungspolice Nr. .... versichert ist, übertragen wir hiermit alle unsere Ansprüche, Rechte und Vermögensinteressen in der besagten Angelegenheit, die durch die angegebene Versicherungspolice versichert ist, und wir fertigen für Sie alle Unterlagen aus, die Sie benötigen, um berechtigt unseren Namen zu benutzen."

Die Verwendung der Begriffe "Ansprüche, Rechte und Vermögensinteressen", die "übertragen" werden, ist eindeutig im Sinne einer uneingeschränkten Rechtsübertragung. Ein entsprechender Wille wird bestätigt durch die Bezeichnung des Schreibens als "Letter of Transfer".

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der letzte Teil des ersten Satzes der Erklärung nicht überflüssig, wenn es sich um eine Vollübertragung der Rechtspositionen der Klägerin handelt. Die Verpflichtung der Klägerin, alle Unterlagen zu fertigen, die der Versicherer benötigt, um den Namen der Klägerin zu benutzen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Versicherer im Namen der Klägerin klagt. Denn auch die Geltendmachung der übergegangenen Rechte der Klägerin durch den Versicherer im eigenen Namen setzt voraus, dass er den Namen der Klägerin in berechtigter Weise benutzt. Andernfalls kann er seine Aktivlegitimation nicht dartun und beweisen.

Auch der zweite Satz des "Letter of Transfer" steht mit einer Rechtsübertragung in Einklang. Er lautet in der Übersetzung:

"Wir verpflichten uns, Ihnen jegliche erforderliche Hilfestellung zu leisten, falls Ihnen zu einer oder mehreren Klagen gegen die Transporteure oder Dritte in Bezug auf den Schaden geraten wird; auf Ihre Veranlassung hin werden wir solche Klagen oder Verfahren zu Ihren Gunsten durchführen, wobei Sie uns von allen Kosten, Auslagen und Gebühren solcher Klagen freistellen."

Hiernach sollte die Entscheidung über ein prozessuales Vorgehen gegen einen Schädiger allein bei dem Versicherer liegen, der grundsätzlich die Prozesse selbst führte. Die Klägerin sollte nur noch auf Veranlassung des Versicherers klagen.

Somit steht der gesamte Text des "Letter of Transfer" mit der Auslegung im Einklang, dass eine Übertragung der Rechtsposition der Klägerin gewollt war. Hingegen lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine bloße Subrogation aus dem Text entnehmen.

Da die Auslegung sich in erster Linie am objektiven Wortlaut der Erklärung zu orientieren hat, kann es nicht darauf ankommen, dass der Versicherer im Nachhinein erklärt hat, er habe nur eine einfache Subrogation beabsichtigt, selbst wenn dies den ganz üblichen Geschäftsgeflogenheiten in Hongkong entsprechen sollte.

Erheblich kann allerdings das Vorbringen der Klägerin sein, nach dem übereinstimmenden Willen der Versicherungsvertragsparteien sei nur eine Subrogation beabsichtigt gewesen, die Möglichkeit einer Forderungsübertragung sei nicht bekannt gewesen. Nach dem für die Auslegung maßgeblichen deutschen Recht ist der übereinstimmende Wille der Parteien auch dann allein maßgebend, wenn er im Inhalt der von ihnen abgegebenen Erklärungen keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (vgl. Palandt/Heinrichs, § 133 BGB Rz. 8).

Dieses - von der Beklagten bestrittene - neue Vorbringen in der Berufungsbegründung bzw. in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2003 ist jedoch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Klägerin hat in erster Instanz in ihren Schriftsätzen lediglich eine Auslegung des "Letter of Transfer" vorgenommen und sich mit dem Rechtsgutachten auseinandergesetzt. Zu dem tatsächlichen und - wie nunmehr behauptet - übereinstimmenden Willen des Versicherers und der Klägerin enthält der erstinstanzliche Vortrag keinerlei Angaben. Die Voraussetzungen für eine Zulassung des neuen Vorbringens im Berufungsverfahren liegen nicht vor. Spätestens nach Vorlage des Rechtsgutachtens hätte die Klägerin vortragen müssen, dass der tatsächliche übereinstimmende Wille vom Wortlaut des "Letter of Transfer" abweiche und hätte hierfür Beweis anbieten müssen. Das Unterlassen beruht auf einer Nachlässigkeit der Partei.

Hat die Klägerin ihre Rechtsposition in Bezug auf die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche durch den "Letter of Transfer" auf ihren Versicherer übertragen, so war bei Klageerhebung die Forderung - falls und soweit sie begründet ist - zwar noch nicht mit Wirkung gegenüber der Beklagten auf den Versicherer übergegangen, weil es noch an einer schriftlichen Mitteilung des Forderungsübergangs an den Schuldner fehlte. Aber die Klägerin war trotzdem nicht mehr berechtigt, die Ansprüche ohne Mitwirkung ihres Versicherers gerichtlich geltend zu machen.

Das Recht von Hongkong unterscheidet - ebenso wie das englische Recht - zwei Arten von Forderungsabtretungen: Das statutory assignment (oder "legal assignment") und das equitable assignment.

Das statutory assignment setzt eine schriftliche Erklärung des Zedenten und eine schriftliche Mitteilung an den Schuldner voraus. Vom Zeitpunkt der Benachrichtigung an geht die Forderung über.

Fehlt es - wie hier - an einer schriftlichen Mitteilung an den Schuldner, so kommt auch ein equitable assignment in Betracht, das lediglich eine formlose Erklärung des Forderungsinhabers in der Absicht, die Forderung einem Dritten übertragen zu wollen, voraussetzt. Die Rechtswirkung ist eingeschränkter als beim statutory assignment. Das equitable assignment ist zwar uneingeschränkt zwischen den Vertragsparteien wirksam. Gegenüber Dritten ist die Wirkung aber insoweit eingeschränkt, als der Schuldner bei fehlender Anzeige weiter befreiend an den Zedenten leisten kann. Zudem können weitere Zessionare, auch wenn an sie später abgetreten wurde, durch eine frühere Anzeige beim Schuldner Priorität erlangen. Diese relative Wirkung des equitable assignment wirkt sich auch auf die prozessuale Durchsetzbarkeit der Forderung aus: Der Zessionar muss grundsätzlich bei Klagen aus dem abgetretenen Recht den Zedenten als notwendige und vollwertige Prozesspartei mit einbeziehen. Auch für den hier relevanten umgekehrten Fall, dass der Zedent die Forderung selbst einklagt, wird eine Miteinbeziehung des Zessionars in den Prozess verlangt. Das erklärt sich daraus, dass die rechtliche Forderungsinhaberschaft beim Zedenten bleibt und dem Zessionar ein "equitable right" (Billigkeitsrecht) eingeräumt wird. Das Erfordernis der gemeinsamen Prozessbeteiligung wird allerdings für den Fall abgelehnt, dass der Zedent kein rechtliches Interesse an der Forderung zurückbehält und einem statutory assignment nur die fehlende Benachrichtigung des Schuldners entgegensteht, denn diese kann vom Zessionar jederzeit nachgeholt werden. Nach englischem Prozessrecht kann der Zedent auch vor der Benachrichtigung des Schuldners die Forderung nicht mehr ohne Beteiligung des Zessionars einklagen.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin ihre Schadensersatzforderung jedenfalls nicht mehr ohne Beteiligung ihres Versicherers gerichtlich geltend machen konnte. Eine solche Beteiligung ist jedoch nicht erfolgt.

Aus diesem Grunde liegen auch die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht vor: Weder macht die Klägerin eine fremde Forderung geltend, noch liegt eine Ermächtigung durch den Versicherer vor, den Prozess im eigenen Namen zu führen. Eine solche Ermächtigung kann insbesondere auch nicht in dem Schreiben des Versicherers vom 11.09.2002 (Bl. 220 d.A.) gesehen werden. Der Versicherer verweist dort im Gegenteil darauf, dass die Klägerin ihm als Gegenleistung für die Zahlung der Versicherungssumme erlaube, in ihrem Namen zu Gunsten des Versicherers, auf sein Risiko und seine Kosten die Prozesse zu führen.

Da somit die Klägerin nicht aktivlegitimiert ist, war ihre Berufung mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergehen nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gegen dieses Urteil war die Revision nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 234.339,19 €.

Ende der Entscheidung

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