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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 3 U 93/04 BSch
Rechtsgebiete: BSchG, BGB, VVG, RhSchPV


Vorschriften:

BSchG § 3
BSchG §§ 92 ff.
BSchG § 114
BGB § 398
BGB § 823
VVG § 67
RhSchPV § 6.04 Nr. 4
RhSchPV § 6.04 Nr. 5
RhSchPV § 6.30 Nr. 2 Satz 2
RhSchPV § 6.32 Nr. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.4.2004 verkündete Grundurteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 5 C 18/03 BSch - wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(ohne Tatbestand gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus §§ 3, 92 ff., 114 BSchG, 823 BGB, 67 VVG, 398 BGB auf Ersatz des durch den Schiffsunfall vom 3.11.2001 an MS "I. " verursachten Schadens bejaht. Rechtsfehlerfrei ist es zu der Feststellung gelangt, dass der Beklagte zu 2) als Schiffsführer des FGS "W. " die Kollision allein verschuldet hat. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen könnten, sind nicht erkennbar. Soweit die Beklagten rügen, das Rheinschifffahrtsgericht habe ein- und denselben Sachverhalt im vorliegenden Rechtsstreit und in dem Parallelprozess 5 C 16/03 BSch unterschiedlich ausgewertet und damit gegen den Grundsatz der einheitlichen Beweiswürdigung verstoßen, kann ihnen nicht gefolgt werden. Ein Grundsatz dahin, dass in verschiedenen Prozessen eine einheitliche Beweiswürdigung zu erfolgen hätte, existiert nicht. Im übrigen ist das Rheinschifffahrtsgericht in beiden Prozessen zu einem widerspruchsfreien Ergebnis gelangt. Hinsichtlich des behaupteten (Mit-)Verschuldens der Schiffsführung von MS "I. " hat es eine Beweislastentscheidung getroffen. Bezüglich des Verschuldens des Beklagten zu 2) hat es zulässigerweise den eigenen Vortrag der Beklagten zugrundegelegt. Hiernach war von einem Verstoß gegen §§ 6.04 Nr. 4, 6.30 Nr. 2 Satz 2, 6.32 Nr. 4 Satz 1 RhSchPV auszugehen. Das Rheinschifffahrtsgericht brauchte deshalb nicht positiv festzustellen, dass der Beklagte zu 2) - wie von der Klägerin behauptet - einen Hauer nach Backbord gemacht hat und in den rechtsrheinischen Kurs des MS "I. " hineingefahren ist.

Der Beklagte zu 2) hat seine Verpflichtung zur sorgfältigen Auswertung des Radarbilds eklatant verletzt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass er MS "I. " erst auf eine Entfernung von ca. 150 m gesehen hat, obwohl das Radargerät mit einer Voraussicht von ca. 1.200 m eingestellt war. Das Echo des Talfahrers muss - wie die Klägerin zutreffend ausführt - mehrere Minuten lang auf dem Radarbild zu sehen gewesen sein, und zwar schon weit jenseits der Echos der Hochspannungsleitung. Wenn er es gleichwohl nicht gesehen und darauf reagiert hat, lässt sich dies nur damit erklären, dass er entweder minutenlang über eine Strecke von mehr als 1000 m überhaupt nicht auf den Radarschirm geschaut hat - was angesichts des herrschenden dichten Nebels nicht nachvollziehbar wäre -, oder aber das Radarbild nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit beobachtet hat. Denn es ist völlig ausgeschlossen, dass MS "I. " wie ein Geisterfahrer plötzlich erst in einer Entfernung von 150 m vor ihm aufgetaucht ist. Im übrigen hat der Beklagte zu 2) ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakte den gegen ihn erhobenen Vorwurf zugegeben, keine Kursabsprache mit MS "I. " getroffen und in einem Vorausabstand von etwa 200 m in dessen Kurs hineingefahren zu sein, so dass dieses eine Kollision nicht mehr vermeiden konnte.

Dass die beiden Schiffe auf Kollisionskurs geraten sind, muss auf einem Fahrfehler des Beklagten zu 2) beruhen. Nach der Aussage des Zeugen L. vor der Polizei und im Verklarungsverfahren hatte FGS "W. " MS "C. " überholt und fuhr dann weiter in der Mitte der Fahrrinne. Soweit die Zeugin L. von einem Überholen auf ihrer Steuerbordseite spricht, handelt es sich offensichtlich um ein Missverständnis, da MS "C. " selbst dicht an der linksrheinischen Tonnenlinie fuhr und FGS "W. " sonst jenseits der Tonnen am Ufer überholt hätte, was ausgeschlossen erscheint. Der Beklagte zu 2) fuhr also schon von vornherein ziemlich "breit". Die Annahme liegt nahe, dass er - unaufmerksam, wie er war - einfach übersehen hat, dass er seinen Kurs in Anpassung an die Rechtsbiegung des Rheins (aus seiner Sicht) nach Steuerbord hätte korrigieren müssen (vgl. zu einem entsprechenden Fahrfehler Straßburg, ZfB 01, SaS. 1818). Wie der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten ausgeführt hat und sich aus der Rheinkarte ergibt, fährt die Bergfahrt sonst geradeaus nach 400 m ins rechtsrheinische Ufer. Darüber hinaus spricht auch einiges dafür, dass der Beklagte zu 2) zusätzlich noch Backbordkurs gegeben hat, weil er die Fehlechos der Hochspannungsleitung bei Rhein-Kilometer 666,5 für ein in seinen Kurs geratenes Hindernis gehalten hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. F. läuft nämlich das Echo der Hochspannungsleitung vom linksrheinischen Ufer punktförmig quer in die Strommitte hinein, so dass für einen Bergfahrer der Eindruck eines in seinen Kurs geratenden Hindernisses entstehen kann, das backbordseitig umfahren werden muss. Der Beklagte zu 2) hat auch eingeräumt, keine Kenntnis über die Art der Fehlechos gehabt zu haben, die von der Hochspannungsleitung ausgehen.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) den Schiffsunfall schuldhaft verursacht hat.

Demgegenüber kann - wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat - ein Verschulden der Schiffsführung von MS "I. " nicht festgestellt werden. Ein Verstoß gegen § 6.04 Nr. 5 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung

- Nichtbefolgung der Kursweisung des Bergfahrers - steht nicht fest. Aus den Angaben der Zeugen H. sowie A. und J. L. ergibt sich nicht, dass MS "I. " in den Kurs des FGS "W. " hineingefahren wäre. Der Beklagte zu 2) hat auch selbst angegeben, MS "I. " habe, als er es zum ersten Mal wahrgenommen habe, gerade im Strom gelegen. Die Zeugen S. und T. von MS "I. " haben ein Abweichen von ihrem rechtsrheinischen Kurs verneint und übereinstimmend angegeben, FGS "W. " sei plötzlich völlig überraschend bei einem Abstand von 100-200 m in Backbordschräglage in ihren rechtsrheinischen Kurs hineingefahren. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem von dem Sachverständigen Dr. F. festgestellten Kollisionswinkel von 10 - 15 °. Wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Winkelstellung der Schiffe zueinander durch Maßnahmen des letzten Augenblicks in der Weise verändert haben, dass der Kollisionswinkel geringer wurde als derjenige der Kurse beider Schiffe im Zuge ihrer Annäherung. Wie der Beklagte zu 2) im Verklarungsverfahren bekundet hat, hat er auf eine Entfernung von ca. 50 m von Bug zu Bug noch hart Steuerbordkurs gegeben. Im übrigen hat der Sachverständige Dr. F. festgestellt, dass ein überzogener Backbordkurs des Talfahrers in den Kurs der Bergfahrt einen negativen Kollisionswinkel bedingt hätte und es dann zu erheblich stärkeren als den tatsächlich eingetretenen Schäden hätte kommen müssen; die Schadensbilder sprächen für eine ziemlich gestreckte Lage des Talfahrers.

Da somit ein Mitverschulden der Schiffsführung von MS "I. " an der Kollision nicht erwiesen ist, haften die Beklagten allein für die Folgen des Schiffsunfalls.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.185,05 €.

Ende der Entscheidung

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