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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: 4 U 24/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 U 24/04

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richter am Oberlandesgericht Schlemm und Blank

am 14. Dezember 2004

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Juni 2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 O 619/02 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:

Die an sich statthafte - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da zur Überzeugung des Senats die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senates liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Hierauf hat der Senat den Kläger bereits mit Beschluss vom 16. November 2004 - 4 U 24/04 - ( Blatt 300 - 302 R GA ) hingewiesen. Der Kläger hat zu den Hinweisen des Senates nicht mehr Stellung genommen. Der Senat sieht keine Veranlassung seine in oben genanntem Beschluss dargelegte Rechtsauffassung zu ändern. Neue Gesichtspunkte haben sich nicht ergeben. Es verbleibt bei der Begründung des Senates zur Unbegründetheit der Berufung, die nochmals wiederholt wird.

Soweit der Kläger seine Berufung darauf stützt, dass nunmehr die Drittwiderbeklagte zu 1) als Zeugin im Berufungsverfahren gehört werden könne, ist dies gegenstandslos geworden, nachdem die Beklagte zu 1) Anschlussberufung mit dem Ziel eingelegt hat, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen und den Kläger sowie die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 410 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 21. August 2002 zu zahlen. Damit ist die Widerbeklagte zu 2) weiterhin Partei. Sie kann auch im Berufungsverfahren nicht als Zeugin gehört werden.

Der Kläger kann seine Berufung auch nicht auf eine falsche Beweiswürdigung des Landgerichts stützen. Die Beweiswürdigung der I. Instanz kann nur unter den Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angegriffen werden, soweit hierdurch die vom Gericht des 1. Rechtszugs festgestellten Tatsachen sich als falsch erweisen. Hierzu müssen konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit begründen, so dass eine Neufeststellung geboten erscheint. In diesem Falle ist eine erneute Beweisaufnahme erlaubt (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Auflage 2004, § 529 Rn.2 d). Nach der Begründung des Rechtsausschusses (BD - Brf 14/6036,S. 159) sollen Zweifel bereits dann vorliegen, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Dazu sind schlüssige Gegenargumente, die die erhebliche Tatsachenfeststellung in Frage stellen, erforderlich, aber auch ausreichend. Mit der Neuregelung sollte die bisherige Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Wiederholung der Beweisaufnahme im Sinne eines gebundenen Ermessens gesetzlich erfasst werden. Wann das Berufungsgericht die Beweisaufnahme wiederholt, soll vorhersehbarer sein und nicht mehr wie bisher im reinen Ermessen nach § 398 Abs. 1 ZPO stehen (vgl. BT-Drs. 14/6036 S. 157). So ist die erneute Vernehmung von Zeugen nur mit der Begründung, dabei lasse sich eine bessere Aufklärung erwarten, nicht zulässig. Die erneute Beweisaufnahme ist eröffnet, wenn sich Zweifel bereits aus dem Protokoll ergeben, also die Beweisaufnahme nicht erschöpfend war oder die protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht. Deckt aus der Sicht des Berufungsgerichts die Zeugenaussage die Urteilsgründe nicht, ergeben sich Zweifel an der Vollständigkeit der Tatsachengrundlage (vgl. Zöller a.a.O., Rn. 7 m.w.N.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist in sich schlüssig und widerspricht nicht den Denkgesetzen. Unmittelbare Unfallzeugen gibt es nicht. Insoweit stehen sich der Vortrag der Parteien sowie ihre Einlassungen bei ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO widersprechend gegenüber. Es gibt auch keine objektiven Anhaltspunkte, dem einen oder anderen Parteivortrag mehr Glauben zu schenken. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht nicht der Aussage des Zeugen P. gefolgt ist, wonach der Beklagte zu 2) in seiner Gegenwart gesagt haben soll, er sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren. Das Landgericht hat im Einzelnen das Für und Wider dieser Aussage abgewogen und hat sich von deren Richtigkeit letztendlich nicht überzeugen können. Die landgerichtlichen Überlegungen sind in sich schlüssig und lassen Denkfehler nicht erkennen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht auch zutreffend mit darauf abgestellt, dass der Zeuge E., einer der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten, glaubhaft erklärt hat, dass er ein etwaiges Geständnis des Beklagten zu 2) protokolliert hätte, was ausweislich der beigezogenen Unfallakten nicht der Fall ist. Wäre ein solches Geständnis abgegeben worden, hätte nichts näher gelegen, als dass die Drittwiderbeklagte zu 1) hierauf die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamte hingewiesen hätte. Somit wertet das Landgericht das Indiz, dass im Unfallprotokoll hierzu nichts vermerkt ist, unangreifbar dahin, dass ein solches Geständnis nicht abgegeben worden ist und dass der Aussage des Zeugen P. nicht zu folgen ist.

Schließlich kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass die durchgeführte Beweisaufnahme deswegen unzutreffend und lückenhaft ist, weil das Landgericht nicht die Zeugin M. als Zeugin dazu vernommen habe, dass sie nach der Erklärung des Beklagten zu 2) erklärt habe, die Drittwiderbeklagte zu 1) sei unschuldig. Die Zeugin M. fehlte entschuldigt im Beweisaufnahmetermin. In Kenntnis aller Umstände hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Drittwiderbeklagten erklärt, dass er für diese Instanz auf die Vernehmung der Zeugin M. verzichte. Damit war das Landgericht gehindert, die Beweisaufnahme fortzusetzen. Im Zivilprozess gilt nicht das Amtsermittlungsprinzip. Das Gericht kann nur die angebotenen Beweismittel erheben. Wird auf Zeugen verzichtet, steht dieses Beweismittel nicht mehr zur Verfügung.

Der Kläger ist auch daran gehindert, nunmehr die Zeugin M. als neues Beweismittel in den Prozess einzuführen. Gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Dies ist nicht der Fall, wie sich bereits aus dem Umstand ergibt, dass gemäß Beweisbeschluss des Landgerichts vom 28.01.2003 (Bl. 93, 94 GA) auch die Zeugin M. als Zeugin hatte gehört werden sollen.

Das Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel ist auch nicht infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dem Kläger war durchaus bewusst, dass der Frage, ob der Beklagte zu 2) an der Unfallstelle einen Rotlichtverstoß zugegeben hatte, entscheidende Bedeutung zukommen konnte. Dementsprechend hatte er die Polizeibeamtin M. auch als Zeugin benannt. Verzichtete er gleichwohl auf die Vernehmung der Zeugin, so war es - wie oben aufgezeigt - nicht verfahrensfehlerhaft, wenn das Landgericht auf der Grundlage der bisherigen Beweisaufnahme seine Entscheidung traf.

Die Nichtgeltendmachung dieses Angriffs- bzw. Verteidigungsmittels beruht dagegen auf einer Nachlässigkeit des Klägers sowie der Drittwiderbeklagten (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Hierbei müssen sich der Kläger und die Drittwiderbeklagten das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Nachlässigkeit im Sinne der Vorschrift bedeutet einfache Fahrlässigkeit. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Drittwiderbeklagten handelte fahrlässig, als er erstinstanzlich auf die Vernehmung der Zeugin M. verzichtete. Bei Anwendung der ihm als Rechtsanwalt obliegenden Sorgfalt musste er erkennen, dass der Aussage dieser Zeugin mit entscheidende Bedeutung zukommen konnte. Es lag auf der Hand, dass die Beweiswürdigung und Entscheidung des Landgerichtes bei fehlenden Tatzeugen davon abhängen konnte, dass der Beklagte am Unfallort gegenüber einer aufnehmenden Polizeibeamtin einen Rotlichtverstoß zugegeben hatte. Hätte die Zeugin solches bestätigt, hätte sich möglicherweise auch die Aussage des Zeugen P. in einem anderen Licht dargestellt. Der Verzicht auf die Zeugin in I. Instanz war umso riskanter, als der Zeuge E. sich an Einzelheiten der Unfallaufnahme nicht mehr erinnern konnte und erklärt hat, wenn ein solches Geständnis abgegeben worden wäre, wäre dies im Unfallprotokoll aufgenommen worden. Damit war die Aussage des Zeugen P. deutlich entwertet. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten mussten damit rechnen, dass das Landgericht bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem ungeklärten Unfallgeschehen ausgehen würde. Damit kam der Zeugin M. entscheidende Bedeutung zu, zumal nach dem Klägervortrag der Beklagte zu 2) dieser gegenüber das Schuldeingeständnis des Rotlichtverstoßes abgegeben haben soll.

Das Beweismittel "Zeugin M." ist auch als neues Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel zu werten. Es stand in erster Instanz aufgrund des Verzichtes des Klägers und der Drittwiderbeklagten nicht zur Verfügung. Erstmalig wurde es damit in der Berufungsinstanz wirksam eingeführt.

Da es nach der ZPO-Reform nicht mehr darauf ankommt, ob es aufgrund der Einführung von neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln auch zu einer Verzögerung kommt, kann in vorliegendem Berufungsverfahren eine erneute Beweisaufnahme nicht mehr stattfinden.

Damit erweist sich aber das erstinstanzliche Urteil als richtig, so dass die Berufung zurückzuweisen ist, da auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert der Berufung des Klägers: 5.143,63 €

Streitwert der Anschlussberufung der Anschlussberufungsklägerin: 410,00 €

Ende der Entscheidung

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