Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 4 U 27/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 16. Oktober 2008 - 1 O 36/08 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Schuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

Entscheidungsgründe:

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Vertragsauslegung ergebe, dass in der Errichtung des Gartenhauses und des Traktorenunterstandes kein Bebauen im Sinn des § 3 Ziffer 11 des Kaufvertrags liege.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Sie hält die Vertragsauslegung des Landgerichts für verfehlt und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angegriffenen Entscheidung nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen;

- hilfsweise - das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Aachen zurückzuverweisen;

- höchst hilfsweise - die Revision zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in der Errichtung des Holz- Gartenhauses (ca. 6 m²) und des Holz- Traktorenunterstands (ca. 12 m²) auf dem ca. 3.500 m² großen sog. Wiesenring kein Bebauen des Wiesenrings, keine "typische" Bebauung von Bauland im Sinn des § 3 Ziffer 11 des notariellen Kaufvertrages zwischen den Parteien gesehen, das eine Kaufpreisnachforderung von fast 205.000,00 € oder sogar von fast 305.000,00 € zur Folge haben sollte.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugende Argumentation des Landgerichts.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung haben keinen Erfolg.

Gemäß §§ 157, 133 BGB hat die Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfolgen, der wirkliche Wille der Parteien ist festzustellen, ohne dass am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist.

Auslegungsgegenstand ist hier der Begriff des Bebauens. Nach Ansicht aller Beteiligten ist dieser Begriff hier nicht eindeutig.

Wie die Klägerin umfangreich darlegt, ist der Begriff des Bebauens im öffentlichen Bauordnungsrecht sehr weit gefasst. Teilweise abweichend wird der Begriff im zivilrechtlichen Werkvertragsrecht verstanden.

Ebenso wie bei einer festgestellten Verkehrssitte, die nur für bestimmte am Verkehr beteiligte Kreise gilt, kann hier nicht ohne weiteres allein das Begriffsverständnis einer Rechtsordnung zugrunde gelegt werden, wenn der Vertrag, der den auszulegenden Begriff verwendet, sich nicht innerhalb dieser Rechtsordnung bewegt.

Es handelt sich hier nicht um einen Vertrag zwischen zwei öffentlich-rechtlichen Organisationen mit beiderseits öffentlich-rechtlichem Begriffsverständnis oder um einen Werkvertrag, sondern um einen zivilrechtlichen Kaufvertrag zwischen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die dabei nicht öffentlich-rechtlich, sondern fiskalisch aufgetreten ist mit "normalen" Bürgern. Es ist also zu fragen, wie in diesem Verhältnis der Begriff des Bebauens zu verstehen ist, wobei es hier nur darauf ankommt, ob bereits ein Gartenhaus bzw. ein Geräteunterstand eine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags sein können.

Zur Auslegung heranzuziehen sind u. a. weitere vertragliche Regelungen, die Entstehungsgeschichte der fraglichen Regelung, ihr Sinn und Zweck, der wirtschaftliche Hintergrund und die berechtigten Interessen der Parteien.

Die streitige Vereinbarung stellt darauf ab, ob "ganz oder teilweise" bebaut wird. Dies bedeutet eindeutig aber nur, dass es nicht darauf ankommen sollte, in welchem räumlichen Ausmaß der Wiesenring bebaut werden würde und besagt damit nichts über die Art der Bebauung, wie die Klägerin wohl meint.

Unstreitig sind dem Vertragsschluss zwischen den Parteien Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und der Firma C. vorangegangen, deren Inhalt auch den Beklagten bekannt war, weil die Beklagten zu 1) und 2) als Pächter der Firma C. an Ort und Stelle ein Pflegeheim errichten wollten und bei Scheitern der Vertragsverhandlungen mit der Firma C. selbst als Kaufinteressenten aufgetreten sind. Mit der C. war die Möglichkeit besprochen worden, auf dem Wiesenring später Altenwohnungen zu errichten. Wie sich aus dem eigenen Aktenvermerk der Klägerin vom 29.11.1996 (Anlage K 2) ergibt, wurde auch bei den Vertragsverhandlungen mit den Beklagten nach einigen Jahren "eine Erweiterung der Anlage ins Auge gefasst". Eine derartige Bebauung z. B. mit Altenwohnungen wäre zwanglos auch von "normalen" Bürgern als Bebauen im Sinn des Kaufvertrags aufgefasst worden.

Bei einer solchen oder ähnlichen Bebauung wäre auch der vereinbarte Nachzahlungskaufpreis von mehr als 205.000,00 € und sogar von mehr als 305.000,00 € wirtschaftlich angemessen und würde die berechtigten Interessen beider Parteien angemessen ausgleichen.

Ausgehend vom Vortrag der Klägerin war der Wiesenring bereits bei Abschluss des Kaufvertrages Bauland und ist den Beklagten unter Berücksichtigung dieser Tatsache vergleichsweise günstig überlassen worden. Es war daher interessengerecht, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, wenn die Beklagten später die Möglichkeiten des Baulands tatsächlich durch eine Bebauung z. B. mit Altenwohnungen oder ähnlichem nutzen und so aus der Bebauung des Baulands einen das bisherige Maß übersteigenden wirtschaftlichen Vorteil ziehen würden. Gerade die Höhe des vereinbarten Nachzahlungskaufpreises spricht dagegen, dass er bereits bei Errichtung eines Gartenhauses und eines Traktorenunterstands anfallen sollte, die einen entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil unter keinen Umständen ergeben könnten. Ein Gelände auf dem nur ein Gartenhaus oder ein Unterstand errichtet werden dürfte, würde auch niemals Baulandpreise erzielen. Selbst wenn ein Gelände, auf dem ein Gartenhaus und ein Unterstand errichtet werden sollen, Bauland sein müsste, stellte die Errichtung von Gartenhaus und Unterstand nicht die baupreiswürdige, also die "typische" Bebauung von Bauland dar.

Unstreitig war mit dem zunächst vereinbarten Kaufpreis die bauliche Nutzung des Wiesenrings als Bauland nicht abgegolten. Unstreitig ist der Nachzahlungskaufpreis der Preis für das Wiesenland als Bauland. Deshalb geht der Senat ebenso wie das Landgericht davon aus, dass erst die "typische Bebauung" des Wiesenlands als Bauland die Nachzahlung des Baulandpreises zur Folge haben sollte, so dass allein die Errichtung des Gartenhauses, und des Geräteunterstands nicht den Anspruch auf Kaufpreisnachzahlung zur Folge hatten.

Die Aufbereitung des Wiesenlands als parkähnliche Anlage stellt auch dann nicht eine typische Nutzung als Bauland durch Bebauen dar, wenn sie die Attraktivität des Altenheimes erhöht haben sollte. Eine Parkanlage ist nach keiner denkbaren Definition ein Bebauen von Land, sondern eine andersartige Nutzung von Land, die auch nicht dadurch den Charakter einer Bebauung erhält, dass es der Nutzung einer Bebauung dient. Außerdem bedarf es dafür auch nicht der Eigenschaft als Bauland.

Auch die Errichtung eines Übergangs über den Wassergraben stellt nicht eine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags, also nicht die "typische" Bebauung von Bauland dar, wenn gleich werkvertraglich eine Brücke ein Bauwerk sein kann.

Außerdem verstieße es hier gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin wegen der Errichtung des Übergangs den Nachzahlungskaufpreis verlangen würde, weil sie unstreitig selbst für das Betreiben des Altenheims zur Sicherung des Rettungsweges eine zweite Zufahrt angeregt hatte (vgl. auch den Aktenvermerk vom 29.11.1996, Anlage K 2) und sogar selbst "die Anlegung mehrerer Holzbrücken zur fußläufigen Anbindung der Anlage zum Ort angedacht" hatte (Anlage K 2).

Auch kann in der Belastung mit Grundpfandrechten und einem Erbbaurecht keine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags gesehen werden.

Es mag zutreffen, dass der Wert des Wiesenrings als Bauland eine höhere Belastung ermöglicht hat, also eine wirtschaftliche Nutzung der Baulandqualität vorliegt, aber eben keine solche durch eine Bebauung, die erst den Anspruch auf den Nachzahlungskaufpreis auslösen sollte.

Außerdem lag die konkrete Belastbarkeit des Grundstücks auch im Interesse der Klägerin, da anderenfalls das Altenheim nicht hätte errichtet werden können, die Beklagten an dem Grundstück also kein Interesse gehabt hätten.

Dass der Erbbauberechtigte bauen darf, ist unerheblich. Auch der Eigentümer darf bauen. Da jedoch nicht im Sinn des Kaufvertrages gebaut worden ist, kommt es nicht darauf an, ob der Erbbauberechtigte rechtlich auf dem Grundstück oder dem Erbbaurecht baut.

Außerdem hat die Klägerin nicht die Möglichkeit genutzt, den Wiesenring von dem Erbbaurecht nachträglich zu entlasten.

Dass die Beklagten die Möglichkeit haben, den Wiesenring zu verkaufen und dafür eventuell Baulandpreise zu erzielen, kann auch keinen Anspruch auf den Nachzahlungskaufpreis auslösen.

Dies wäre zwar auch eine wirtschaftliche Nutzung des Baulands, aber wieder keine Bebauung. Außerdem wurde diese Möglichkeit bei Abschluss des Kaufvertrags gesehen, denn die Beklagte hat sich verpflichtet, ihre Verpflichtung zur Kaufpreisnachzahlung im Fall der Bebauung einem späteren Eigentümer "weiterzugeben", so dass es schon von daher zweifelhaft ist, ob sie überhaupt den Wiesenring zu Baulandpreisen verkaufen könnte, wenn später an die Klägerin nachgezahlt werden müsste.

Da hier keine Bebauung im Sinn des Kaufvertrags vorliegt, besteht auch kein Auskunftsanspruch bezüglich des Zeitpunkts der Errichtung des Gartenhauses bezüglich des Unterstandes.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache als typische Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Berufungswert: 238.602,88 €

Ende der Entscheidung

Zurück