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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: 4 U 9/03
Rechtsgebiete: BGB, StPO


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 989
BGB § 990 Abs. 1
BGB § 990 Abs. 2
StPO § 94
StPO § 111 c Abs. 1
StPO § 111 k
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 9/03

Anlage zum Protokoll vom 25.11.2003

Verkündet am 25.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer und den Richter am Oberlandesgericht Blank auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 6. März 2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 192/01 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.414,00 € nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (11.04.2001) zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Allerdings hat nur die Berufung des Klägers in Höhe von 4.653,02 € Erfolg. In Höhe von 766,67 € musste sie erfolglos bleiben. Die Berufung des Beklagten ist in vollem Umfang unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch gem. §§ 990 Abs. 2, Abs. 1; 989 BGB wegen des in der Zeit von Frühjahr 1997 bis Februar 1999 eingetretenen Wertverlustes an seinem Pkw C Coupé Kfz-Ident-Nr. ###1, Erstzulassung 19.01.1991 in Höhe von insgesamt 7.414,00 € zu.

Zwischen den Parteien bestand seit dem Ankauf des vorgenannten Pkw und dessen Besitzerwerb durch den Beklagten am 01.02.1997 bis zur Herausgabe des Pkw an den Kläger durch die Staatsanwaltschaft Köln am 19.02.1999 eine Vindikationslage . Der Beklagte hatte nämlich mit Übergabe des gekauften Pkw an ihn am 01.02.1997 - wie zwischenzeitlich durch rechtskräftiges Feststellungsurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12. August 1999 feststeht (vgl. Bl. 112 - 118 BA 2 O 350/97 LG Köln) - kein Eigentum erworben. Vielmehr blieb der Kläger Eigentümer des Pkw. Der Beklagte war unrechtmäßiger Dritter, da er kein Recht zum Besitz hatte.

Der Beklagte war beim Besitzerwerb bösgläubig. Denn er kannte bei Besitzerwerb sein fehlendes Besitzrecht grob fahrlässig nicht.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Für den Besitzerwerber muss bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besondere Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegungen aufgrund der Gesamtumstände und der Verkäuferperson erkennbar gewesen sei, dass der Veräußerer nicht Eigentümer und nicht rechtmäßiger Besitzer war. Dies bestimmt sich nach objektiven Kriterien, so dass die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers den Maßstab nicht mindern können. Umstände des Einzelfalles - so Art, Gegenstand und Umstände des Geschäfts sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten - sind dafür maßgebend, ob Bösgläubigkeit aufgrund konkreter Verdachtsgründe wegen unterlassener Nachforschungen anzunehmen ist (vgl. Palandt-Bassenge, BGB 62. Aufl. 2003, § 932 Rn. 10 m. w. N.).

Unter Beachtung dieser Voraussetzungen war der Beklagte bösgläubig. Die gesamten Umstände im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages mussten den Beklagten derart misstrauisch machen, dass er ohne Rückfrage bei dem noch im Kfz-Brief eingetragenen Eigentümer L nicht kaufen durfte. Bösgläubigkeit ist nämlich in aller Regel schon dann gegeben, wenn der Erwerber sich beim Kfz-Kauf nicht aufgrund der Eintragung im Kfz-Brief davon überzeugt, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist, sofern sich nicht die sich aufdrängenden Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Veräußerers durch besondere Umstände ausräumen lassen (vgl. Palandt-Bassenge a. a. O. Rn. 13 a). Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Bei der gegebenen Sachlage musste sich dem Beklagten geradezu aufdrängen, dass der Verkäufer N O nicht befugt war, über den Pkw zu verfügen. So konnte sich der Verkäufer O nur durch ein sehr zweifelhaftes auf den Namen "H" lautendes Ausweispapier des Vereins "Roma e.V." ausweisen. Wie sich aus den Strafakten ergibt, bestand zwischen dem Lichtbild in dem Ausweis und dem Käufer O kaum Ähnlichkeit. Unterlagen, die eine Verfügungsbefugnis des Verkäufers hätten ergeben können, lagen nicht vor. Zudem konnte der Beklagte den schon recht günstigen Kaufpreis gegenüber dem Verkäufer deutlich herunterhandeln. Unter diesen Gesichtspunkten musste sich bei dem Beklagten geradezu der Verdacht aufdrängen, dass mit dem Pkw etwas nicht stimmte. Ein solcher Verdacht muss auch beim Beklagten aufgekommen sein. Ansonsten wäre es unverständlich, dass sich der Beklagte über seinen Begleiter B an eine auf dem Automarkt anwesende Polizeistreife wandte, um nachzufragen, ob mit dem Pkw alles in Ordnung sei. Allein diese Nachfrage mit negativem Ergebnis konnte den Beklagten allerdings nicht gutgläubig machen. Die Überprüfung der Kfz-Ident-Nr. war nämlich kein ausreichend geeignetes Mittel, um sicherzustellen, dass der Verkäufer O zum Verkauf und zur beabsichtigten Eigentumsübertragung, sei es als Eigentümer, sei es als Verfügungsbefugter, berechtigt war.

Wollte der Beklagte den sich ihm aufdrängenden Verdacht der Nichtberechtigung des Verkäufers O entkräften, blieb ihm nur die Möglichkeit, bei dem noch im Kfz-Brief eingetragenen Voreigentümer die Besitz- und Eigentumsverhältnisse an dem Pkw nachzufragen (vgl. auch BGH MDR 1992, 1080; NJW 1991, 1415; OLG Hamm NJW 1975, 171; OLG Celle OLG R 1995, 185; OLG Köln Schaden-Praxis 1995, 388). Hatte er hierzu keine Möglichkeit, so musste er den Ankauf des Pkw bis zur Klärung der Verhältnisse unterlassen, wollte er nicht Gefahr laufen, kein Eigentum erwerben zu können. Dem Beklagten ist vorzuwerfen, dass er die sich ihm aufdrängenden Verdachtsmomente hintan stellte, um die sich ihm bietende sehr günstige Ankaufsmöglichkeit nicht entgehen zu lassen. Er nahm bewusst das Risiko des Nichterwerbs in er vagen Hoffnung auf sich, es werde schon gut gehen.

Damit war der Beklagte unrechtmäßiger Besitzer, während der Kläger Eigentümer blieb. Die Vindikationslage ist auch nicht durch die Sicherstellung und Beschlagnahme durch die Polizeibehörde am 7. Februar 1997 beseitigt worden. Mit der Sicherstellung und Beschlagnahme des Pkw trat auf Seiten des Beklagten noch kein Besitzverlust ein. Die Inbesitznahme durch die Polizeibehörde führt nämlich - ähnlich wie die Inbesitznahme des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung - nicht zum Besitzverlust des ursprünglichen unmittelbaren Besitzers. Vielmehr wird die beschlagnahmende Stelle unmittelbarer Besitzer. Der ursprüngliche unmittelbare Besitzer wird mittelbarer Besitzer (vgl. BGH NJW 1993, 935 ff. m. w. N.). Der fortbestehende mittelbare Besitz des Beklagten reichte aber zur Aufrechterhaltung der Vindikationslage aus. So wird auch in dem vergleichbaren Falle ein Besitzverlust des ursprünglich unmittelbaren Besitzers verneint, wenn die Sache aufgrund einer einstweiligen Verfügung an einen Sequester herausgegeben wird. Dies muss nach Auffassung des Senates umso mehr gelten, wenn der unrechtmäßige Besitzer weiterhin Eigentums- und Besitzrechte gegenüber dem tatsächlichen Eigentümer geltend macht und der Herausgabe an diesen gegenüber der beschlagnahmenden Stelle nicht zustimmt.

So zeigt auch der weitere Verfahrensgang des Strafverfahrens, dass der Beklagte es war, der durch den Widerspruch gegen die Freigabe des Pkw die weitere Beschlagnahme verursachte. Der Kläger war dementsprechend gehalten, zivilrechtlich gegen den Beklagten vorzugehen.

Am 24.02.1997 verlangte der Kläger gegenüber der Staatsanwaltschaft vergeblich die Herausgabe des Pkw unter anderem auch deswegen, weil der Beklagte widersprach. Durch Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig vom 07.04.1997 - 31 Qs 11/97 = 25 Gs 70/97 AG Goslar = 60 Js 186/97 StA Köln - (Bl. 261 BA 60 Js 186/97 StA Köln) wurde die Beschwerde des Klägers gegen die Beschlagnahme des Pkw als unbegründet verworfen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Beschlagnahme nicht nur zur Sicherung des Eigentums, sondern zu Recht auch deswegen erfolgt sei, weil der streitbefangene Pkw C als Beweismittel in Betracht komme (§ 94 StPO). Als solches werde es weiterhin benötigt, da noch ein Abgleich erfolgen solle, ob die sichergestellten Fahrzeugschlüssel zu Schloss und Türen des Pkw passen würden. In dem Beschluss wurde sodann ausdrücklich am Ende ausgeführt, dass über eine Herausgabe des Pkw nach § 111 k StPO das Beschwerdegericht nicht zu entscheiden habe.

Nach § 111 k StPO sollen bewegliche Sachen, die nach § 94 StPO beschlagnahmt oder sonst sichergestellt oder nach § 111 c Abs. 1 StPO beschlagnahmt worden sind, dem Verletzten, dem sie durch die Straftat entzogen worden sind, herausgegeben werden, wenn er bekannt ist, Ansprüche Dritter nicht entgegenstehen und die Sache für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt werden. Letzteres war jedenfalls im Mai 1997 der Fall. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 21. Mai 1997 - 60 Js 186/97 - (Bl. 287 BA 60 Js 186/97 StA Köln) wurde die Akte an das Amtsgericht Goslar übersandt, gemäss § 111 k StPO zu entscheiden. Weiter wurde in der Verfügung ausgeführt, da sowohl der Anzeigenerstatter (Kläger) als auch der letzte Gewahrsamsinhaber (Beklagter) Herausgabe begehren würden, dürfte dem K (Kläger) eine Frist zur Geltendmachung seiner Ansprüche zu setzen sein. Dementsprechend erging am 23.05.1997 (Bl. 288 BA 60 Js 186/97) der Beschluss des Amtsgerichts Goslar - 25 Gs 70/97 - wonach dem "früheren Eigentümer des Pkw C, früheres Kennzeichen XX-XX ... aufgegeben" wurde, binnen drei Monaten seine Eigentumsansprüche gerichtlich geltend zu machen. Nach erfolglosem Ablauf der Frist sei beabsichtigt, den Pkw an den "gutgläubigen Erwerber" ... herauszugeben. Am 16.7.1997 reichte der Kläger die Klage auf Herausgabe des PKW gegen den Beklagten ein, nachdem dieser weiterhin deren Herausgabe verweigert hatte.

Damit war aber spätestens Ende Mai 1997 klar, dass der Pkw nicht mehr zu Beweiszwecken benötigt wurde und die Herausgabe des Pkw nur noch an der fehlenden Zustimmung des Beklagten scheiterte. Andernfalls hätte die Staatsanwaltschaft die Strafakte nicht mit diesem Vermerk an das Amtsgericht Goslar übersandt. Aus der Übersendungsverfügung wird nämlich eindeutig klar, dass die Herausgabe nunmehr lediglich daran scheiterte, dass sowohl der Kläger wie auch der Beklagte Eigentumsrechte an der sichergestellten Sache geltend machten.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt (Ende Mai 1997) geriet der Beklagte mit seiner Herausgabeverpflichtung in Verzug. Aufgrund der gesamten Umstände musste ihm klar sein, dass er nicht gutgläubig Eigentum an dem von ihm gekauften Pkw erworben hatte. Eine Teilnahme des Klägers an der Tat der inzwischen rechtskräftig verurteilten Täter O und E war nicht nachweisbar. Hier mögen für den Beklagten zwar einige Verdachtsmomente bestanden haben. Spätestens aber nachdem der Pkw von der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht zu Beweiszwecken nicht mehr gebraucht wurde, musste dieser Umstand auch dem Beklagten klargeworden sein. Beharrte er dennoch auf seinem vermeintlichen Eigentum und verweigerte deswegen die Zustimmung in die Herausgabe an den Kläger, geriet er in Verzug, ohne dass es einer weiteren Aufforderung zur Herausgabe bedufte. Die Herausgabeverweigerung durch den Beklagten war ernsthaft und endgültig, so dass es reine Förmelei gewesen wäre, nach Erlass des Beschlusses vom 23. Mai 1997 nochmals die Herausgabe zu verlangen.

Soweit der Beklagte zu diesem Zeitpunkt davon ausging, nicht zur Herausgabe verpflichtet zu sein, kann ihn das nicht entlasten. Für diesen Rechtsirrtum muss er einstehen, wenn er fahrlässig gehandelt hat. Hiervon ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte musste die Rechtslage sorgfältig prüfen. Soweit er Rechtsrat bei einem Rechtsanwalt einholte, muss er sich dessen unzutreffende Beratung nach § 278 BGB zurechnen lassen. Auch der Wortlaut des Gerichtsbeschlusses vom 23. Mai 1997 - 25 GS 70/97 AG Goslar - (Bl. 288 BA 60 Js 186/97 StA Köln) ändert nichts daran, dass der Beklagte in einem vermeidbaren Rechtsirrtum handelte. Die Entlastung scheidet deswegen aus, weil der Beklagte in Kenntnis der erheblichen Tatsachen das Risiko eines Verbotsirrtums eingegangen war. Bei der Anmerkung des Amtsgerichts in dem oben genannten Beschluss handele es sich hinsichtlich der Frage des Gutglaubenserwerbs nicht ein Mal um eine vorläufige Entscheidung in einem summarischen Verfahren (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 276 Rn. 22).

Durch die Vorenthaltung des Pkw durch den Beklagten ist dem Kläger ein Wertverlustschaden in Höhe von 14.500,00 DM entstanden. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren Einwände gegen die Richtigkeit des Gutachtens vorgebracht hat, sind diese nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige hat anhand einer Marktanalyse im Einzelnen einen Wertvergleich hinsichtlich diverser Pkws des hier streitgegenständlichen Typs angestellt und, da er den genauen Zustand des Pkw nicht kannte, einen Durchschnittswert gebildet bezüglich des Marktwertes eines solchen Pkw im Frühjahr 1997 (38.900,00 DM) und im Februar 1999 (24.400,00 DM)) so dass sich ein Wertverlustschaden von 14.500,00 DM ergab, was gerundet einem Betrag von 7.414,00 € entspricht. Aufgrund der im Sachverständigengutachten U vom 18.04.2002 (Bl. 80 - 86 GA) aufgeführten Einzelangaben zu den wertbildenden Faktoren des hier streitgegenständlichen Pkw hat der Senat genügend tatsächliche Anhaltspunkte, die für eine Schätzung des eingetretenen Schadens als Grundlage dienen können. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat auf den Inhalt des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens und die dortige Wertermittlung (Bl. 83 - 85 GA).

Die Zinsentscheidung folgt aus § 291 BGB a. F.

Die Kostenentscheidung ist begründet aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert:

1. Berufung des Klägers: 5.419,69 €

2. Berufung des Beklagten: 2.760,98 €

3. Gesamtstreitwert der Berufung 8.180,67 €

Ende der Entscheidung

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