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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: 4 UF 129/05
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 6
BGB § 1666
BGB § 1666 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 129/05

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer-Schwellenbach und den Richter am Oberlandesgericht Blank

am 28.10.2005

beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 15. Juni 2005 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Hinsichtlich der Kinder N, T, O, D, M, L, E und K wird den Kindeseltern das elterliche Personensorgerecht zwecks Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) und der Gesundheitsfürsorge entzogen. Insoweit wird die elterliche Personensorge dem Jugendamt der Bundesstadt C ( JA C ) als Ergänzungspfleger übertragen.

Bezüglich der Kinder W, F und J wird den Kindeseltern das elterliche Personensorgerecht insgesamt entzogen. Die elterliche Personensorge wird dem Sozialdienst Katholischer Frauen C e.V. (SKF C) als Ergänzungspfleger übertragen.

Die weitergehenden Anträge des JA C werden zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung findet in erster und zweiter Instanz nicht statt.

II.

Den Antragsgegnern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G in B bewilligt. Gründe:

I.

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragsgegner hat in der Sache teilweise Erfolg, nämlich soweit das Familiengericht den Antragsgegnern das elterliche Sorgerecht bezüglich der Kinder N, T, O, D, M, L, E und K insgesamt entzogen hat und den Entzug nicht lediglich auf die im Beschlusstenor genannten Teilbereiche der elterlichen Personensorge beschränkt hat. Im übrigen ist die befristete Beschwerde mit der Maßgabe unbegründet, dass bezüglich der Kinder W, F und J nur die elterliche Personensorge und nicht das gesamte elterliche Sorgerecht einschließlich der Vermögenssorge zu entziehen ist und dass daher für alle Kinder keine Vormundschaft sondern lediglich eine Ergänzungspflegschaft des JA C bezüglich der Kinder N, T, O, D, M, L, E und K sowie des SKF C bezüglich der Kinder W, F und J anzuordnen ist.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung und ohne erneute Anhörung der Beteiligten und der betroffenen Kinder im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem der Sachverhalt in erster Instanz umfänglich aufgeklärt worden ist. Das Verfahren in Familiensachen u. a. nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - Regelung der elterlichen Sorge bzw. eines Teilbereiches der elterlichen Sorge für ein Kind - bestimmt sich gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO grundsätzlich - wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt - nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Danach ist eine mündliche Verhandlung in Sorgerechtsverfahren nicht unbedingt erforderlich. Dies ergibt sich u. a. auch aus den Vorschriften der §§ 53 a und 53 b FGG. Dort ist die mündliche Verhandlung für das Zugewinnausgleichs- und das Versorgungsausgleichsverfahren geregelt. Dagegen bestimmt § 50 a FGG lediglich, dass in Verfahren über die Personen- oder Vermögenssorge für ein Kind die Eltern anzuhören sind. Die Anhörung dient vor allem der Sachaufklärung, aber auch der Sicherstellung des rechtlichen Gehörs. Dabei hat die grundsätzlich freigestellte mündliche Verhandlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht die Funktion und Bedeutung des § 128 Abs. 1 ZPO, wie das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohnehin nicht den strengen Regeln des zivilprozessualen Verfahrens folgt (vgl. BGH NJW-RR 2000, 877 m. w. N.). So sind konkrete Sachanträge weit gehend frei gestellt und das Gericht ist in aller Regel an die gestellten Anträge nicht gebunden.

Der Sachverhalt ist umfassend aufgeklärt worden; die Kindeseltern wie auch die betroffenen Kinder sind während des familiengerichtlichen Verfahrens durch das Familiengericht wie auch im Rahmen der Gutachtenerstellung wiederholt angehört worden. Es liegen dem Senat keine Anhaltspunkte vor, dass sich der in dem angegriffenen Beschluss vom Familiengericht festgestellte Kindes- und Elternwille entscheidend geändert hätte. Eine weitere Sachaufklärung ist aufgrund der sorgfältigen und umfassenden Tatsachenfeststellung des Familiengerichts wie auch der Feststellung der tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der umfangreichen Gutachtertätigkeit durch Befragung der am "Helfersystem" beteiligten Personen nicht erforderlich. Weitere Feststellungen bisher nicht bekannter Tatsachen, die den zu beurteilenden Lebenssachverhalt in einem anderen Licht darstellen, sind nicht zu erwarten. Das rechtliche Gehör aller Beteiligter ist ausreichend gewahrt.

Die Beschwerde der Kindeseltern hat in der Sache teilweise Erfolg, da das Familiengericht nicht in allen Punkten seiner Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt hat, indem es das Sorgerecht bezüglich aller Kinder den Antragsgegnern insgesamt entzogen hat. Dabei kann kein Zweifel daran bestehen, dass - was letztlich auch von keiner Seite in Frage gestellt wird - bezüglich der betroffenen Kinder sorgerechtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666 a BGB erforderlich sind.

Da eine Vermögensgefährdung nicht vorliegt, waren die zu treffenden Maßnahmen auf solche der Personensorge zu beschränken.

Die Aufgaben des JA C sowie des SKF C waren daher auf die Bestellung als Pfleger im Aufgabenbereich der Personensorge - soweit diese den Eltern zu entziehen war - einschließlich der Vertretung ( § 1629 Abs. 1 BGB ) in diesen Angelegenheiten zu beschränken ( vgl. BayObLG FamRZ 1999, 316 ff ). Wird nur die Personensorge (teilweise) entzogen, ist den Kindern gemäß § 1909 Abs. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

II.

Soweit das Familiengericht bezüglich der Kinder N, T, O, D, M, L, E und K den Kindeseltern die Personensorge insgesamt entzogen hat, erscheint dem Senat dies unverhältnismäßig.

Eine Entscheidung des Familiengerichts, nach der die Trennung der Kinder von ihren Eltern vollzogen werden kann, wäre mit dem in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG gewährleisteten Elternrecht nur dann vereinbar, wenn ein schwerwiegendes - auch unverschuldetes - Fehlverhalten der Eltern und entsprechend eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen würden, denen nicht anders als durch Entzug der elterlichen Sorge zu begegnen wäre. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat, diese von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119, 144 f. = NJW 1968, 2233). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses "natürliche Recht" den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (vgl. BVerfG, NJW 1982, 1375 ). Wenn Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, greift das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG ein; der Staat ist nicht nur berechtigt sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicher zu stellen. Diese Verpflichtung des Staates ergibt sich in erster Linie daraus, dass das Kind als Grundrechtsträger Anspruch auf den Schutz des Staates hat (vgl. BVerfGE 24, 119, 144 = NJW 1968, 2233 ff). So dürfen Kinder gegen den Willen der Erziehungsberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (Art. 6 Abs. 3 GG).

Dabei kann das Wohl des Kindes gefährdet sein, ohne dass die Eltern ein Schuldvorwurf trifft oder jedenfalls ihr Verschulden bewiesen werden kann: So können Eltern trotz bestem Willen und persönlichem Einsatz der Erziehungsaufgabe nicht gewachsen sein. Die Feststellung der Schuld bereitet insbesondere dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn die Uneinsichtigkeit und die Unbelehrbarkeit der Eltern auf einer intellektuellen Minderbegabung beruhen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die ausdrückliche Feststellung eines Verschuldens in der familiengerichtlichen Entscheidung von den Eltern nicht selten als Diskriminierung empfunden wird, wodurch die Zusammenarbeit der Eltern mit dem Familiengericht und den Jugendbehörden zum Schaden des Kindes erheblich gestört werden kann. So setzen auch die besonders schwer wiegenden Eingriffe in das Elternrecht nach dem KJHG ein Verschulden nicht voraus.

Die in §§ 1666, 1666 a BGB getroffene Regelung dient dem Ziel, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen möglichst umfassenden Schutz des Kindes zu schaffen.

Der Gesetzgeber ging in Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG davon aus, dass die Trennung der Kinder von ihren Eltern den stärksten Eingriff in das Elternrecht darstellt; sie darf danach nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Aus diesem Grund wurde abweichend von dem Regierungsentwurf (BT-Dr 8/111) auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Vorschrift des § 1666 a BGB eingefügt. Mit dieser Bestimmung sollte klargestellt werden, dass die Trennung des Kindes von seinen Eltern nur zulässig ist, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gefahr für das Kind abzuwenden. Dabei können nur das Kindeswohl und das Elternrecht und nicht der erforderliche Aufwand bestimmend für die notwendigen Hilfen sein. § 1666 a Abs. 2 BGB verdeutlicht, dass der Entzug des gesamten Personensorgerechts nur in Betracht kommt, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Die Gerichte haben hiernach zunächst zu versuchen, etwa durch Ermahnungen, Verwarnungen, Gebote und Verbote die Gefahr von dem Kinde abzuwehren. Nur wenn anzunehmen ist, dass diese Mittel nicht ausreichten, darf das schärfste Mittel des teilweisen oder vollständigen Entzugs der Personensorge angewandt werden (vgl. hierzu BT-Dr 8/2788, S. 59 f.).

Danach hat der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 1666 a BGB eine Regelung geschaffen, die es dem Familienrichter ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen.

Das Familiengericht hat besonders zu berücksichtigen, dass, wenn ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen getrennt wird, dies der stärkste vorstellbare Eingriff in das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist, der in gleicher Intensität auch das Kind selbst trifft. Zugleich liegt in dem Entzug der Personensorge die Feststellung des Gerichts, dass die Eltern als Erziehungsberechtigte versagt haben. Diese Beurteilung ihrer Persönlichkeit berührt die Eltern in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 55, 171, 181 = NJW 1981, 217 ff).

Die strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Trennung des Kindes von der Familie ist somit oberstes Verfassungsgebot, nach dem sich die Familiengerichte bei der Auswahl der zu treffenden sorgerechtlichen Entscheidung zu richten haben ( vgl. zu Vorstehendem: BVerfG NJW 1982, 1379, 1380 ).

Nach Auffassung des Senates hat das Familiengericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insoweit nicht gewahrt, als es einerseits die Kinder N, T, O, D, M, L, E und K zumindest vorläufig im Haushalt der Antragsgegner belässt, andererseits den Antragsgegnern das Sorgerecht bezüglich dieser Kinder vollständig wegen erheblicher Gefährdung des Kindeswohls in der Erwartung entzogen hat, aufgrund der nunmehr jederzeit möglichen Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt seien die Antragsgegner besser in die zweifellos erforderliche Kooperation mit dem JA und den übrigen Verantwortlichen der zur Verfügung gestellten "Helfersysteme" einzubeziehen. Der vom Familiengericht verfolgte Zweck der Sorgerechtsentziehung bezüglich der o.g. Kinder ist unter der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der §§ 1666, 1666 a BGB mit dieser Zielrichtung unverhältnismäßig. Er kann auch mit weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden.

Es mag bisher aus vielfältigen Gründen, u. a. auch wegen eingeschränkter intellektueller Fähigkeiten der Antragsgegner, die auch bei den festgestellten Defiziten ihrer Kinder zum Tragen gekommen sind und die öffentliche Hilfen erforderlich gemacht haben, an deren erforderlichen umfassenden Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen gefehlt haben. In diesem Zusammenhang ist aber weiter zu berücksichtigen, dass die Antragsgegner aus sozial schwachem Milieu stammen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Behörden für sie ungewöhnlich erscheinen mag. Behörden wird dort zunächst mit Misstrauen begegnet. Nicht gerechtfertigt erscheinende Eingriffe in persönliche Freiheitsbereiche werden häufig befürchtet. So erscheint es dem Senat schon aus der Persönlichkeitsstruktur der Antragsgegner heraus zunächst erklärbar, dass diese den Verbund der Familie durch das Einschreiten des JA in Gefahr sahen und sich gegen - wie sie objektiv unzutreffend meinten - unberechtigte Eingriffe in ihre Privatsphäre wehren wollten. So führt der Sachverständige Prof. Dr. L2 in seinem Gutachten vom 03.03.2005 ( Blatt 335 - 522 GA ) wiederholt durchaus überzeugend aus, dass die Kindeseltern davon überzeugt seien, im Wesentlichen Alles richtig zu machen und ihnen die Einsichtsfähigkeit bzw. -bereitschaft fehle, Grundsätzliches zu ändern. Man wird nicht erwarten können, dass die grundsätzlich zu fordernde Einsichtsfähigkeit geradezu über Nacht kommt. Auch hier ist bei den Kindeseltern ein Entwicklungsprozess erforderlich. Gerade für die Kindesmutter steht der Wunsch - wenn auch mehr aus egozentrischen Gründen -, eine Familie mit vielen Kindern zu haben, im Vordergrund. Sie befürchtete - aus sicher objektiv nicht berechtigtem Misstrauen gegenüber dem Jugendamt, welches über lange Zeit den Erhalt der Familie sichern wollte - möglicherweise eine vom JA gewollte Zerschlagung "ihrer Familie". Für die Kindeseltern war der Eindruck vorherrschend, man halte sie nicht für geeignet, Kinder zu haben und diese selbst aufzuziehen. Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L2, an dessen zutreffender Analyse der Familiensituation der Senat keine Zweifel hegt, erscheint in seiner kompromisslosen Diktion in dieser Hinsicht nicht geeignet, die Spannungen zu entschärfen. Hinzukommt ein verkrampftes Verhältnis zu den derzeit verantwortlichen Mitarbeitern des JA. Unabhängig von der Frage, wie diese Spannungen entstanden sind, wäre es im Interesse Aller - insbesondere aber der Kinder - wünschenswert, hier für eine Entschärfung zu sorgen. Nicht zu verkennen ist, dass es nach den Aussagen aller in den Entwicklungsprozess eingeschalteter Personen mittlerweile zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit gekommen ist. Die Antragsgegner würden unter Umständen gegenüber den Behörden aufgeschlossener sein, wenn man ihnen das Gefühl vermittelte, dass sie mit unterstützenden öffentlichen Maßnahmen in die Lage versetzt werden sollen, ihre Kinder selbst zu erziehen. Im Hinblick auf die starken emotionalen Bindungen der Antragsgegner zu ihren Kindern und deren grundsätzlicher Wille, das Beste für ihre Kinder zu tun - beides wird in der angegriffenen Entscheidung bestätigt, wenn auch die eingesetzten Mittel der Kindeseltern weitgehend verfehlt sind -, kann bei einem entspannten Verhältnis zwischen dem JA und den Antragsgegnern nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegner nicht imstande und bereit sind, mit diesem zusammenzuarbeiten, soweit dies im Interesse ihrer Kinder geboten ist . Dabei verkennt der Senat nicht und das müssen auch die Kindeseltern wissen, dass diese hart an sich selbst arbeiten müssen, damit sie fähig werden, ihre Kinder eigenverantwortlich zu erziehen. Hierzu müssen sie die ihnen gebotenen Hilfen annehmen. Der Senat teilt aufgrund der detaillierten Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L2 die Auffassung, dass die Kindeseltern derzeit nicht in der Lage sind, ihre Kinder eigenverantwortlich, ohne fremde Hilfe zu erziehen. Folge davon ist, dass die Kinder bereits unter erheblichen Entwicklungsstörungen leiden, die anders, als die Kindeseltern zu glauben meinen, nicht angeboren oder anlagebedingt sind, sondern weitgehend auf Erziehungsdefizite zurückzuführen sind. Nicht die Anderen sind schuld, vielmehr haben die Kindeseltern den jetzigen Zustand durch ihr eigenes Verhalten und die Fehleinschätzung, in der Kindererziehung weit gehend nicht auf Hilfe Dritter angewiesen zu sein, selbst herbei geführt.

Die Kindeseltern müssen erkennen und diese Erkenntnis muss ihnen vermittelt werden, dass es nicht um eine Bevormundung ihrerseits geht. Vielmehr sollen sie durch die Hilfe und Mitwirkung Dritter in die Lage versetzt werden, später eigenverantwortlich, alleine ihre Kinder erziehen zu können. Die Eltern trifft nicht der Vorwurf, dass sie gerade aufgrund ihrer eigenen schwierigen Kindheit und Jugend nicht genügend gelernt haben, eine Familie zu führen. Vorzuwerfen ist ihnen aber, dass sie sich dieser Einsicht teilweise verschließen und die Hilfsangebote noch nicht umfassend annehmen. Die Kindeseltern müssen akzeptieren, dass sie selbst noch viel lernen müssen und daher Eingriffe in ihre Familienführung zu dulden haben.

Hier scheint nach Auffassung des Senates eine gewisse Bewusstseinserweiterung der Kindeseltern, die es zu fördern gilt, in Gang gesetzt worden zu sein. Auch das Familiengericht hält es für nicht ausgeschlossen, durch Erziehungshilfen und die Anordnung konkreter Erziehungsmaßnahmen einer Gefährdung des Kindeswohls in der Zukunft entgegenwirken zu können. Anders wäre es nicht zu verstehen, dass das Familiengericht die Kinder grds. in der Familie belassen will, damit also ihren Verbleib dort als dem Kindeswohl entsprechend und bei entsprechender Hilfe Dritter als ihre geistig-seelische oder körperliche Entwicklung nicht gefährdend ansieht.

Dass erhebliche Defizite aufzuarbeiten sein werden, steht dieser Einschätzung, die der Senat teilt, nicht entgegen. Kann aber durch den nur teilweisen Entzug der Personensorge eine fortschreitende Kindeswohlgefährdung weitgehend ausgeschlossen werden, erscheint es unverhältnismäßig, den Antragsgegnern das Sorgerecht für die Kinder N, T, O, D, M, L, E und K vollständig zu entziehen, zumal die Antragsgegner damit rechnen müssen, dass bei Unterlaufen der Maßnahmen des JA und damit sich verfestigender Kindeswohlgefährdung die vollständige Sorgerechtsentziehung droht und diese zur Gefahrenabwehr auch im Wege der einstweiligen Anordnung kurzfristig durchgesetzt werden könnte.

Die Antragsgegner haben die vom JA in Ausübung der ihnen übertragenen Teilbereiche der elterlichen Personensorge angeordneten Maßnahmen vorbehaltlos zu unterstützen. Sie haben ihren Kindern deren Notwendigkeit zu erklären. Es kann nicht verkannt werden, dass sich aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Kinder der Antragsgegner unter Verwahrlosungstendenzen leiden und erhebliche Entwicklungsrückstände aufweisen, die im Einzelfall nur schwer behebbar sein werden. Um so mehr bedarf es der Anstrengung Aller, diesen Prozess der völlig unzureichenden Erziehung umzukehren. Es gilt, das Familienleben zu strukturieren und den Kindern einerseits Raum für die freie Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu schaffen, ihnen gleichzeitig aber auch einzuhaltende Grenzen zu vermitteln. Der Senat sieht in Übereinstimmung mit den überzeugenden, ausführlich begründeten Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L2 hier derzeit die Kindeseltern überfordert. Deshalb bedürfen sie wie auch die Kinder der Hilfe. Es wird für die Familie ein gemeinsamer Lernprozess sein, der sicher nicht immer ohne Schwierigkeiten durchlaufen werden kann. Andererseits kann er das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie in die richtige Richtung leiten. Es gilt nicht, sich nach außen abzugrenzen, die Umwelt als feindlich zu betrachten und sich zu isolieren. Dem den Kindern von ihren Eltern vermittelten Bild, die Familie als Bollwerk gegen die Anfeindungen von außen zu sehen und jeden Außenstehenden zunächst als möglichen Gegner zu betrachten, wird der erlebten Erkenntnis weichen müssen, dass die Familie Wärme, Zuneigung und Förderung vermitteln kann.

Als Zwischenergebnis kann nach Auffassung des Senates fest gehalten werden, dass es trotz des derzeitigen vom Sachverständigen Prof. Dr. L2 überzeugend festgestellten elterlichen Erziehungsunvermögens für die Zukunft nicht erforderlich sein wird, zur Abwendung einer akuten Gefahr den Eltern die Personensorge für ihre Kinder N, T, O, D, M, L, E und K gänzlich zu entziehen, sondern es ausreichend erscheint, dass für die erforderlichen Maßnahmen, die die Entwicklungs- und Verhaltensstörungen der Kinder im geistig-seelischen wie im kognitiven Bereich beheben sollen, den Antragsgegnern die entsprechenden Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen werden, damit die notwendigen Maßnahmen ohne Verzögerungen zum Wohl der Kinder und zur Abwehr weiterer Gefahren durchgesetzt werden können. Dabei bedarf es - wie oben bereits ausgeführt - der intensiven Mitarbeit der Kindeseltern, die begreifen müssen, dass sie für ihre Kindern eine Vorbildfunktion haben.

Die Antragsgegner erfüllen derzeit nicht die grundsätzlichen erzieherischen Voraussetzungen, nämlich Eigenständigkeit in der Haushaltsführung und die Fähigkeit, externe familienbezogene Angelegenheiten wahrzunehmen sowie vorausschauend zu planen. Sie sind aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage, ihre Kinder entsprechend ihren Begabungen zu fördern. So ist der bisherige Abbau von Entwicklungsrückständen im sozialen und sprachlichen Verhalten der Kinder nicht auf ihren Einfluss sondern auf den Besuch von Kindergruppen und Sonderschulen sowie den Einsatz der übrigen zur Verfügung gestellten pädagogischen Hilfen zurückzuführen. Die eingeschalteten Schulen haben hier unter Mithilfe der übrigen Beteiligten der SPFH Einiges bewirkt. Heilpädagogische Maßnahmen sind in die Wege geleitet worden und müssen intensiviert werden. All das vermögen die Eltern allein verantwortlich nicht zu verwirklichen, wobei ihnen derzeit teilweise auch noch die Einsicht in die Notwendigkeit fehlt. Andererseits bedürfen die Kinder des familiären Zusammenhaltes. Sie sind emotional stark aneinander gebunden. Das Herauslösen aus dem Familienverbund würden all die getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen negativ belegen. Dies gilt es zu verhindern, solange eine gezielte Förderung der Kinder in der Familie möglich ist.

Entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen stellen sich die Defizite bei den Kindern N, T, O, D, M, L, E und K, die besondere personensorgerechtliche Maßnahmen erfordern, wie folgt dar:

N, der, wie der Antragsgegner bei seiner Anhörung durch den Sachverständigen erklärt hat, von diesem mittlerweile adoptiert worden ist und den Namen U angenommen hat, leidet an einem Mangel an Zuwendung und Geborgenheit. Bei ihm besteht ein Entwicklungsbedürfnis. Das geistige Potential sowie eine gewisse Wissens- und Lernbereitschaft sind durchaus vorhanden. Es droht die Gefahr der Verwahrlosung und es ist zu befürchten, dass N von zu Hause ausreißt mit der Gefahr, in falsche Kreise zu gelangen. Es besteht die Sehnsucht nach Beziehung, Zugehörigkeit und Bestätigung, was er so in der Familie nicht findet. Eine akute Gefährdung liegt vor ( vgl. Gutachten L2 Blatt 396 ff; 474 f GA ).

T hat sich aufgrund des familiären Drucks einer inneren Selbstzensur unterworfen (vgl. Gutachten L2 Blatt 417 ff GA).

Bei O treten depressive Verstimmungen mit Kontaktverlusten auf. Sie will anerkannt und beachtet werden ( vgl. Gutachten L2 Blatt 422 ff GA ) .

Zu T und O ist übereinstimmend zu sagen, das beide Mädchen verängstigt und verunsichert aufgrund eines auf ihnen lastenden hohen Konformitätsdrucks wirken. Sie fühlen sich wegen des Einflusses der Kindeseltern von den Helfern eher bedroht - was im Übrigen auch von den anderen Kindern, wenn auch nicht so stark empfunden wird -als unterstützt: "Die wollen die Familie kaputt machen". Sie werden wie ihre Geschwister in ihren Grundbedürfnissen und ihrer Entwicklung allein gelassen. Auch hier besteht die Sehnsucht nach Beachtung und Zuwendung. Nicht zu verkennen ist eine gewisse Gefährdung der beiden Mädchen in Bezug auf frühe bzw. unangemessene Sexualerfahrung und andere Grenzüberschreitungen bzw. Missbrauchshandlungen (vgl. Gutachten L2 Blatt 477 - 480 GA).

Bei D liegt wohl keine anlagebedingte Minderbegabung vor. Vielmehr sind die kognitiven Defizite auf mangelnde geistige Förderung zurückzuführen, die die Eltern nicht leisten können. Es handelt sich um ein aufgeschlossenes, sehr kontaktfreudiges, lernbereites Kind. Defizite bestehen in den Bereichen der Wahrnehmung, Sprache und Motorik. So verfügt D nur über schwache räumlich-visuelle Konstruktionsleistungen. Eine Frühförderung zum Ausgleich der Defizite ist unbedingt erforderlich, wobei auf das entsprechende Zeitfenster bezüglich der Entwicklungsphasen zu achten ist. Sonst drohen irreparable, jedenfalls aber nachträglich schwer behebbare Störungen in der seelisch-geistigen Entwicklung (vgl. Gutachten L2 Blatt 438 ff, 480 f GA).

M besitz nur eine kurze Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne. Er ist leicht abgelenkt und hat wenig Ergeiz, eine gestellte Aufgabe zu lösen. M fehlen grundlegende Lösungsstrategien für einfachste Lern- und Leistungsanforderungen (vgl. Gutachten L2 Blatt 441 f, 481 GA).

L ist schnell ablenkbar. Eine normale altersgerechte Wahrnehmungs- und Bewegungsentwicklung liegt nicht vor. Erhebliche Defizite im kognitiven sowie im wahrnehmungsbezogenen als auch sozial-emotionalen Bereich sind feststellbar. Ihm fehlt das Verständnis für auch nur einfache Regeln. Er verfügt nur über eine kurze Konzentrations- und Aufnehmungsspanne ( vgl. Gutachten L2 Blatt 442 ff, 481 f GA ).

Es Sprachvermögen erscheint nicht altersgerecht. Im Zeitpunkt der Begutachtung lautierte er erst und ignorierte jegliche Ansprache. Sein Spielverhalten kann nicht als altersgerecht bezeichnet werden. Es liegt eine allgemeine Entwicklungsverzögerung mit Auffälligkeiten in der Körperwahrnehmung, Bewegungskoordination und Sprachentwicklung wegen vermutlicher Förderdefizite vor. Grundsätzlich hat er Freude am Erkunden seiner Umwelt und eigener Handlungsmöglichkeiten. Er braucht eine verlässliche Orientierung mit emotionalem Bindungsangebot und sozialem Vorbild ( = soziale und emotionale Stabilität ), die er in der Familie bisher nicht genügend erfährt ( vgl. Gutachten L2 Blatt 445 ff, 482 GA ).

K wurde kurz vor der Begutachtung der übrigen Kinder geboren. Seine Gesundheitsentwicklung war wohl auch aufgrund der Unterstützung Dritter -SPFH - bis dahin planmäßig. Allerdings ist zu befürchten, dass ohne die Hilfe Dritter seine Entwicklung nicht normal verläuft. Vielmehr muss wie zuvor bei den anderen Kindern damit gerechnet werden, dass die Eltern die gleichen Fehler wiederholen. Der Senat schließt sich der wohl begründeten Einschätzung des Sachverständigen an, dass auch für K mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sich erhebliche Entwicklungsstörungen( Verzögerungen ) sowie sozial-emotionale Benachteiligungen und Auffälligkeiten herauskristallisieren werden, wenn nicht unterstützend eingegriffen wird (vgl. Gutachten L2 Blatt 448, 482 f GA).

Die oben aufgezeigten Defizite müssen aufgearbeitet werden. Die Kindeseltern allein können hier keine entscheidenden Weichenstellungen geben. Bei ihnen besteht eine eklatante Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdeinschätzung. Sie bescheinigen sich selbst eine geringe Förderbedürftigkeit, eine hohe Kooperationsbereitschaft, hervorragende Gesamtprognosen sowie hohe Lernerfolge. Diese Selbsteinschätzung widerspricht deutlich den tatsächlichen Gegebenheiten, wie sie sich aus dem objektiven, dem Gericht offenbaren, desolaten Zustand der Familie ergeben und wie sie der Sachverständige in seinem Gutachten aufgrund eingehender Untersuchungen der Persönlichkeitsstruktur der Kindeseltern und der familiären Situation im Einzelnen bestätigt hat. Daher kann kurzfristig keine grundsätzliche Veränderung der Grundhaltung der Kindeseltern erwartet werden, auch wenn gewisse Veränderungen in ihrem Erkenntnisprozess wahrnehmbar sind und ihre Kooperationsbereitschaft sicher auch unter dem Druck des drohenden Sorgerechtsentzugs nach übereinstimmender Erklärung Aller gewachsen ist. Gegen diese langsam wachsende Erkenntnis eigener Defizite steht eine große und langfristige Förderbedürftigkeit der Kinder ( vgl. Gutachten L2 Blatt 460 ff GA ).

So wird das Handeln der Kindesmutter von ihrer eigenen psychisch-sozialen Bedürftigkeit bestimmt. Sie hatte in der Kindheit keine eigene Familie und wuchs selbst in Heimen auf. Ihre Jugend war schwierig. Sie selbst hat das Leben in einer Familie in sozialen Strukturen nicht erlebt. Ihr Wunsch ist es, eine große Familie zu haben und es besser zu machen. Dabei wiederholt sie bei ihren Kindern ihre eigene Lebensgeschichte. Im Grunde bedient sie sich ihrer Kinder zur eigenen Bedürfnisdeckung, ohne deren Bedürfnisse erkennen und fördern zu können. Eine strukturierte Erziehung findet nicht statt. Sie will ihre Kinder zur Selbständigkeit erziehen, überfordert sie aber damit, da bestimmte Regeln nicht aufgestellt werden. Sie kann für ihre Kinder keine Vorbildfunktion haben. Ihre durch eigene Erziehungs- und Förderdefizite geprägte Persönlichkeitsstruktur steht ohne eine psychotherapeutische Behandlung gegen eine dauerhafte Veränderung ( vgl. Gutachten L2 Blatt 463 ff ).

Der Kindesvater kann dies nicht ausgleichen. Er hat eine ähnlich schwere Kindheit und Jugend wie seine Ehefrau erlebt. Selbst verfügt er über kein Erziehungskonzept. Die Entwicklungen seiner Kinder und deren Verhalten stellen für ihn häufig Überraschungen dar, die er als gegeben hinnimmt, ohne sie zu hinterfragen. Auch bei ihm scheinen kaum Veränderungen seiner persönlichen Gesamtstruktur feststellbar zu sein. Wegen der ungünstigen Paardynamik aufgrund vergleichbarer Probleme ist eine gegenseitige Hilfestellung der Eheleute bei der Problemaufbereitung nicht zu erwarten. Es fehlt schon am grundsätzlichen Problembewusstsein. Noch immer verdrängen die Kindeseltern ihre eigene Verantwortung und schieben die missliche Lage der Familie auf Andere oder vorgegebene Anlagen ( vgl. Gutachten L2 Blatt 467 ff GA ).

Um eine weitere Gefährdung des Kindeswohls zu verhindern, erscheint es daher dem Senat geboten, den Antragsgegnern die elterliche Personensorge zu entziehen, soweit es um die Gesundheitsfürsorge und die zu treffenden erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe bezüglich der Kinder N, T, O, D, M, L, E und K geht. Hier muss das JA sofort handeln können, ohne dass die Einwilligung der Eltern eingeholt werden muss. Soweit die sozialpädagogischen und heilfürsorglichen Maßnahmen dies erfordern, obliegt dem JA damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Es wird abzuwarten sein, ob diese Maßnahmen bezüglich der genannten Kinder ausreichend sein werden, ob sich also die letztendlich doch günstige Prognose des Senates zur Lern- und Kooperationsbereitschaft der Kindeseltern bewahrheitet, ob also die Kindeseltern die vom JA getroffenen Maßnahmen akzeptieren und nach besten Kräften unterstützen. Dabei wird es auch Aufgabe des JA sein, die erforderlichen Maßnahmen den Kindeseltern im Einzelnen zu erläutern und mögliche Differenzen und Missverständnisse verständnisvoll auszuräumen und den Antragsgegnern zu vermitteln, dass es um das Wohl der bereits geschädigten Kinder und nicht darum geht, die Kindeseltern zu bevormunden und in ihre Rechte einzugreifen. Unter allen Umständen ist zu versuchen, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.

Die Kindeseltern sind auch gefordert, an einer Verbesserung der Wohnsituation mitzuwirken und eine Vermittlung durch das JA zu akzeptieren und Angebote nicht mit nichtigen Gründen auszuschlagen. Gleiches gilt für Beschäftigung von Haushaltshilfen und Hilfen zur Organisation des Haushaltes. Hier werden die Kindeseltern ständig an sich zu arbeiten haben, um dem Alltagsleben eine für die Kinder verlässliche Ordnung geben zu können. Es ist darauf zu achten, dass Schul- und Kindergartenzeiten sowie Arzttermine unbedingt einzuhalten sind.

III.

Bezüglich der Kinder F, J und W konnte es nicht bei der nur teilweisen Entziehung des Personensorgerechts sein Bewenden haben. Mit dem Familiengericht ist der Senat aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L2 in seinem Gutachten vom 03.03.2005 ( Blatt 335 - 522 GA ) sowie in seiner "fachlichen Stellungnahme" zum Wunsch der Kindeseltern auf Rückkehr von J vom 01.07.2004 ( Blatt 231 - 244 GA ) und seiner Stellungnahme vom 08.06.2005 zu den Angriffen der Antragsgegner gegen sein v.g. Gutachten ( Blatt 652 - 669 GA ) der Auffassung, dass zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung die Personensorge insgesamt den Kindeseltern zu entziehen und auf den SKF C zu übertragen war.

Bezüglich F sind sich auch die Antragsgegner mit dem antragstellenden JA C sowie dem Sachverständigen darüber einig, dass es bei der Entziehung des Sorgerechts verbleiben muss, da die Kindeseltern wegen starker Auffälligkeiten von F nicht mehr in der Lage sind, seine Erziehung - auch unter Mithilfe Dritter - zu gewährleisten. So haben die Kindeseltern selbst darum gebeten, F aus der Familie zu holen und ihn in Heimerziehung zu bringen. Um den erheblichen, teilweise bereits verfestigten Entwicklungsstörungen bei F entgegen zu wirken, bedarf es daher gemäß § 1666 BGB der vollständigen Übertragung der elterlichen Sorge auf den SKF C, ohne dass der Einsatz geringerer Mittel nach § 1666 a BGB möglich erscheint.

Ebenso verhält es sich bei J. Auch bei ihm hat der Sachverständige erhebliche Entwicklungsstörungen festgestellt, die auf die fehlerhafte Erziehung der Eltern zurückzuführen sind. J ist im Sprachverständnis verzögert. Er zeigt ein stark aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern. Es besteht Gefahr auch für die jüngeren Geschwister. Bei J handelt es sich um ein sensibles Kind, welches durch stabile und orientierungsspendende Beziehungsangebote und darauf aufbauende Fördermaßnahmen ansprechbar ist, was es im besonderen Maße zu fördern gilt. Bei J besteht ein grundlegend gestörter emotionaler Selbstkontakt. Er war für seine frühere Kindertagesstätte nicht mehr länger tragbar. Eklatante Anzeichen von Verwahrlosung sind bereits vorhanden. Sein Selbstbild ist negativ und instabil. Verhaltensauffälligkeiten im Bereich der Fremd- und Selbstgefährdung treten deutlich zutage. In der Familie nimmt er eine unangemessen stark bevorzugte Stellung ein. Seine Eltern sehen die Problematik ihres Sohnes nicht und können daher Js Entwicklung zum Positiven nicht fördern. So haben die Eltern zunächst selbst ihre Überforderung bei Js Erziehung erkannt und deren Heimunterbringung mit in die Wege geleitet. Ihre jetzige indifferente Haltung gegenüber den weiterhin erforderlichen Maßnahmen zeigt deutlich, dass einer Kindeswohlgefährdung nur durch die fortbestehende Heimunterbringung mit Übertragung der elterlichen Sorge auf den SKF C begegnet werden kann. Eine Rückführung Js in die Familie zum jetzigen Zeitpunkt erscheint dem Senat ausgeschlossen. ( Vgl. Gutachten Dr. L2 Blatt 427, 478 - 480 GA ).

Schließlich war es auch bei W erforderlich, den Antragsgegnern das Personensorgerecht zu entziehen, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. W verfügt über ein geringes Selbstwertgefühl. So bezeichnete sie sich selbst bei ihrer Exploration im Rahmen der Begutachtung als "dumm" und "Dreck". Dagegen steht ein starkes Lernbedürfnis, das in der Familie nicht gefördert werden kann. So ist bei ihr bereits eine starke Entwicklungsverzögerung eingetreten. Sie musste die Sonderschule für Lernbehinderte verlassen und besucht nun eine Sonderschule für Geistigbehinderte, obwohl nach den für den Senat überzeugenden, im Einzelnen begründeten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L2 erhebliche Zweifel an einer angeborenen Minderbegabung bei W gegeben sind. Hier gilt es im besonderen Maße, die vorhandene Entwicklungsbereitschaft und -fähigkeit zu fördern. Das können die Kindeseltern derzeit jedenfalls nicht leisten. So fehlt ihnen schon die Einsicht und der Glaube in Ws Fähigkeiten und Bedürfnisse. Sie nehmen ihren derzeitigen Leistungsstand als gegeben, nicht änderbar hin. W fühlt sich wie auch ihre Geschwister durchaus eng mit der Familie verbunden, merkt aber andererseits, dass die Familie ihr die ersehnte Geborgenheit nicht geben kann, was zu einem Gefühl der Verlorenheit geführt hat. In diesem Zwiespalt hat sie sich als einzige der Kinder nicht dem Konformitäts- und Schweigedruck der Familie gebeugt. Ihr starker Wille zur Lebenszufriedenheit und zur Verbesserung ihrer Lebensumstände muss weiter gefördert werden. Bereits jetzt konnte nach relativ kurzer Zeit eine positive Entwicklung fest gestellt werden, die die Hoffnung nährt, dass W möglicherweise zumindest auf eine Sonderschule für Lernbehinderte zurückkehren kann. Auch im Hinblick auf familiären Druck, der auf W seitens der Kindeseltern, aber auch ihrer Geschwister ausgeübt wird, kann es nicht verantwortet werden, W in den elterlichen Haushalt zurückkehren zu lassen. Dies gilt um so mehr als gerade auch die Kindeseltern versuchen, W dahin umzustimmen, dass sie eindeutig erklären soll, wieder nach Hause zu wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden seitens der Antragsgegner die Mitarbeiter des JA wie auch der Heime negativ dargestellt. Nicht sie, die Eltern, sollen an dem Zustand der Familie schuld sein, vielmehr sind die eingeschalteten Behörden und Institutionen die Auslöser der Krise. Dabei wird W eine Sündenbockrolle von der ganzen Familie zugewiesen. Ihr wird von ihren Eltern wie auch den von diesen beeinflussten Geschwistern massiv der Eindruck vermittelt, sie habe am "Zerschlagen" der Familie durch ihren Wunsch, nicht nach zu Hause zurückkehren zu müssen, entscheidend mit beigetragen. Dies habe den ganzen Prozess um die Frage der Sorgerechtsentziehung forciert. Der Gewissenskonflikt zwischen dem Wunsch auf eine "zwangfreie" Entwicklung und dem von den Antragsgegnern vermittelten Gefühl, dass dieser Wunsch die Familie, an der sie zweifellos stark hängt, auseinander bringen könnte, lässt sie in ihrer Entscheidung unsicher werden. Daher erscheint es wichtig, W einem solchen täglichen Druck zu entziehen, so dass die bereits eingeleiteten Maßnahmen nicht rückgängig gemacht werden können ( vgl. Gutachten L2 Blatt 405 ff 475 - 477 ). Allerdings sollte andererseits der starken Bindung Ws an ihre Familie durch ein großzügig gehandhabtes Umgangsrecht Rechnung getragen werden. Dabei müssen die Antragsgegner aber gewährleisten, dass sie ihre Kontakte zu W nicht dazu missbrauchen, sie hinsichtlich ihrer Entscheidung, nicht in der Familie verbleiben zu wollen, unter Druck zu setzen. Die Handhabung ihres Umgangsrechtes gegenüber W wie aber auch gegenüber F und J wird ein wichtiges Indiz für ihre Lernfähigkeit und -bereitschaft sein, die notwendigen Bedürfnisse ihrer Kinder zu akzeptieren und eigene Belange dem gegenüber hintan zu stellen.

Zu Unrecht meinen die Antragsgegner, das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L2 sei unbrauchbar. Verfehlt erscheint der Vorwurf, der Sachverständige habe nicht alle Untersuchungen selbst vorgenommen, sondern sich hierzu Dritter bedient, ohne das ausreichend anzuzeigen. Allein der Umfang der anzustellenden Untersuchungen macht es erforderlich, zur Ermittlung der Befunde sich eines Mitarbeiterstabes zu bedienen, der dem Sachverständigen zuzuarbeiten hat. Die angestellten Ermittlungen hatte der Sachverständige in eigener Verantwortung aufgrund seiner Sachkunde auszuwerten. Der Sachverständige hat deutlich gemacht, dass er nicht alle Untersuchungen selbst angestellt, sondern sich eines Mitarbeiterstabes bedient hat. Seine angestellten Ermittlungen sind auch umfassend. Er hat alle maßgeblich mit dem Fall befassten Stellen eingehend befragt, die gefundenen Untersuchungsergebnisse mit einander verglichen und auf ihre Plausibilität und Relevanz hin untersucht. Es kann dem Sachverständigen nicht vorgeworfen werden, einseitig vorgebrachten Tatsachenstoff ohne nähere Prüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zu Lasten der Antragsgegner gewürdigt zu haben. Die objektiv vorgefundene Situation der Familie der Antragsgegner war bei der Begutachtung relativ eindeutig. Sie wird nicht nur von den befragten Mitarbeitern und Helfern der SPFH, des JA, der Schulen und Kindergärten bzw. -gruppen sondern teilweise auch von den Kindeseltern selbst bestätigt. Diese geschilderte Situation hatte der Sachverständige fachkundig zu würdigen und dem Gericht die notwendige Sachkunde zu vermitteln, in eigener Verantwortung die rechtlich notwendigen Konsequenzen hieraus zu ziehen. Nichts Anderes hat der Sachverständige getan. Dass er bei der Beurteilung der Situation gegen die Denkgesetze verstoßen oder gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen hätte, ist nicht erkennbar dargelegt. Allein die Tatsache, dass sich die Antragsgegner anders sehen als der Sachverständige, macht seine Feststellungen nicht unbrauchbar. Vielmehr werden diese durch die objektiven Gegebenheiten gestützt. Die starken Entwicklungsstörungen bei allen begutachteten Kindern können nicht hinweg diskutiert werden. Die Verantwortung der Kindeseltern hierfür liegt auf der Hand. Eine solch große Anhäufung von angeblich angeborenen Minderbegabungen kann - wie der Gutachter mehrfach anführt - kaum begründet werden. Sie wird auch durch die Untersuchungsbefunde widerlegt.

Das Gutachten wird auch nicht deswegen unbrauchbar, weil der Sachverständige - anders als das Familiengericht und der Senat - die Auffassung vertritt, alle hier betroffenen Kinder der Antragsgegner müssten aus der Familie genommen werden. Das mag aus psychologischer und pädagogischer Sicht das Optimale für die Entwicklung der Kinder sein, berücksichtigt aber nicht die weiter oben dargelegten Schranken, die Art. 6 GG in Verbindung mit §§ 1666, 1666 a BGB setzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Beschwerdewert: 15.000,00 €

Ende der Entscheidung

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