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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 4 UF 168/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB VI


Vorschriften:

ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 629 a Abs. 2
BGB § 1587 Abs. 1. S. 1
BGB § 1587 a
BGB § 1587 c Nr. 1
BGB § 1587 c Nr. 3
SGB VI § 56
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 168/03

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer und den Richter am Oberlandesgericht Blank

am 23. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

1.

Der Antragsgegnerin wird zur Abwehr der gegnerischen Beschwerde für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Beschwerdeverfahren Rechtsanwalt G beigeordnet.

2.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird zurückgewiesen.

3.

Die befristete Beschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 02.07.2003 - 32 F 451/01 - zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 1 und 3 ZPO statthafte und auch sonst in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Gunsten des Antragstellers gemäß § 1587 c Nr. 1 i. V. m. Nr. 3 BGB ausgeschlossen.

Zweck des Versorgungsausgleichs ist die Aufteilung der in der Ehe aufgrund gemeinsamer Lebensleistung erworbenen Anrechte, um dem sozial schwächeren Ehegatten eine angemessene Altersversorgung zu sichern. Dieser Grundsatz ist dann nicht gewahrt, wenn durch ungerechte Schematisierung der Versorgungsausgleich statt zu einer ausgewogenen sozialen Sicherung zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht führt. Daher hat der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen, den Versorgungsausgleich zu kürzen oder entfallen zu lassen, wenn seine uneingeschränkte Durchführung zu einem Ergebnis führen würde, das dem Gerechtigkeitsdenken in unerträglicher Weise widersprechen würde (so OLG Bremen FamRZ 2002, 466 m. w. N.). Dies ist Vorliegend der Fall.

Dabei ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin während der Ehezeit nur Anwartschaften nach § 56 SGB VI erworben hat, also Anwartschaften aufgrund von Kindererziehungszeiten, nicht zu einem Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleiches führen kann. Beim Versorgungsausgleich ist die Erhöhung des Anspruchs auf Altersruhegeld durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten beim Versorgungsausgleich grundsätzlich zu berücksichtigen, denn auch sie sind dazu bestimmt, der Versorgung im Alter zu dienen und unterfallen daher grundsätzlich dem Ausgleich nach §§ 1587 Abs. 1. S. 1, 1587 a BGB (so u. a. BGH FamRZ 1986, 449, 450; OLG Bremen a.a.O.).

Auch der Umstand, dass der Antragsteller während der Ehe einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen ist und daher keine bzw. nur geringe Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, reicht allein nicht aus, um die Durchführung des Versorgungsausgleiches auszuschließen. Dabei ließe man außer Acht, dass die durch die Nichtentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ersparten Aufwendungen den Parteien zur gemeinsamen Lebensführung zur Verfügung gestanden haben. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller allenfalls bis zur Trennung der Antragsgegnerin und seinen beiden minderjährigen Kindern in ausreichendem Maße Unterhalt gezahlt hat. Danach hat er keinerlei Unterhalt mehr bezahlt. Die oben genannten Vorteile aus der fehlenden, ausreichenden bzw. ganz unterlassenen Altersvorsorge kam der Antragsgegnerin spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugute.

Zu berücksichtigen war aber, dass der Antragsteller keine "ehebedingten" Nachteile erlitten hat, da er auch ohne die Eheschließung keine höheren Anwartschaften erworben hätte. Diese Tatsache mag für sich allein noch keine grobe Unbilligkeit begründen. In der Gesamtschau unter Berücksichtigung aller weiteren Umstände ist eine solche aber zu bejahen. So ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs dazu führt, dass die Antragsgegnerin wegen der Betreuung der in den Jahren 1994 und 1997 geborenen gemeinsamen Kinder der Parteien auf Jahre hinaus an der Ausübung einer Ganztagstätigkeit gehindert ist und die über die Ehezeit hinauswirkenden Nachteile durch die Betreuung der beiden Kinder alleine trägt. Das führt dazu, dass sie sich noch jahrelang damit begnügen muss, in geringerem Umfang eigene Beiträge zur Alterssicherung zu leisten als ihr dies bei einer Ganztagstätigkeit möglich wäre. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass der Antragsteller, obwohl er sich durch gerichtlichen Vergleich vor dem Senat vom 03.09.2002 - 4 UF 28/02 OLG Köln - (Blatt 22 - 24 R GA) dazu verpflichtet hatte, bisher jedenfalls freiwillig keinerlei Unterhalt gezahlt hat und Pfändungen seines Einkommens nur begrenzt möglich waren, weil der Antragsteller über lange Zeit hinweg sich in Betrieben seiner neuen Lebensgefährtin mit einem Einkommen beschäftigen ließ, welches Pfändungen des Unterhalts in der titulierten Höhe kaum ermöglichte (siehe zu dieser Problematik auch OLG Koblenz FamRZ 2004, 104 m. w. N.). Nach seinen neuesten Angaben hat sich der Antragsteller nunmehr erneut selbständig gemacht, ohne dass in irgendeiner Form Gewähr dafür gegeben wäre, dass der Antragsteller nunmehr Unterhalt zumindest in der titulierten Höhe leisten wird. Die ausbleibenden Unterhaltszahlungen haben auch dazu geführt, dass es der Antragsgegnerin nicht möglich ist, Altersvorsorge in weitergehendem Umfang zu betreiben. Der Senat ist der Auffassung, dass der Antragsteller bei gehörigen, ihm gebotenen Anstrengungen durchaus in der Lage wäre, seine Familie in einem angemessenen Umfang zu versorgen. Bezeichnenderweise hat es der Antragsteller - wie dem Senat aus dem Vorprozess zum Trennungs- und Kindesunterhalt bekannt ist - an den ihnen zumutbaren Anstrengungen bis zu diesem Zeitpunkt fehlen lassen, eine Beschäftigung mit ausreichendem Einkommen zu erlangen. Der Senat verweist insoweit insbesondere auch auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 03.09.2002 zu vorgenanntem Verfahren (vgl. Blatt 22 - 24 R GA). Danach kann festgestellt werden, dass der Antragsteller nicht unverschuldet leistungsunfähig ist, sondern seine (möglicherweise tatsächlich gegebene) Leistungsunfähigkeit jedenfalls auf eine eigene schuldhafte Obliegenheitsverletzung gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern zurückzuführen ist.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller jetzt 42 Jahre alt ist und noch die Möglichkeit hat, über einen Zeitraum von 23 Jahren die notwendige Altersvorsorge zu betreiben. So hatte der Antragsteller gemäß Auskunft der BfA vom 22.08.2002 insgesamt Anwartschaften i. H. v. 317,89 € erworben. Wegen der vorgenannten Gründe entfallen aber auf die Ehezeit lediglich erworbene Anwartschaften von 23,09 €. Die Antragsgegnerin hatte gemäß Auskunft der BfA vom 22.10.2002 bis zu diesem Zeitpunkt Rentenanwartschaften i. H. v. insgesamt 324,33 € erworben, worauf auf die Ehezeit ein Anteil von 105,43 € bedingt durch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten entfiel. Berücksichtigt man dabei die noch über längere Zeit andauernde Einschränkung der Antragsgegnerin, eine ausreichende Altersvorsorge zu betreiben, so stellt sich die Versorgungslage der Parteien in etwa gleich dar, auch wenn der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird.

Unter Berücksichtigung der sich aus den oben dargelegten Umständen ergebenden beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere der beiderseitigen Einkommensverhältnisse während der Ehe, wäre die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig, wobei hinzu kommt, dass der Antragsteller in der letzten Zeit der Ehe seiner Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, nicht hinreichend nachgekommen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die obigen Ausführungen. Der Antragsteller hat es unterlassen, seit der Trennung (etwa August 2000) für seine Familie in ausreichendem Maße für deren Unterhalt zu sorgen, obwohl zwei minderjährige Kinder aus der Ehe stammen und die Antragsgegnerin in Folge der ihr obliegenden Kinderbetreuung nicht in der Lage und hierzu auch nicht verpflichtet war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach den Feststellungen des Senates hat der Antragsteller keine ausreichenden Anstrengungen unternommen, um eine Arbeitsstelle zu finden, die ihm die Versorgung seiner Familie ermöglicht hätte. Gerade aufgrund der mangelhaften Anstrengungen des Antragsstellers zur Aufnahme einer ausreichend vergüteten Erwerbstätigkeit wurde dem Antragsteller eine fiktives Arbeitseinkommen i. H. v. 2.500,00 DM netto zugerechnet. Gleichwohl unterlies es der Antragsteller auch nach September 2002 den geschuldeten Unterhalt zu zahlen, ohne dass er dies auch nur annähernd hinreichend hätte entschuldigen können. Durch sein pflichtwidriges Verhalten geriet die Restfamilie des Antragstellers in wirtschaftliche Not und fiel der Sozialhilfe anheim.

Dies führt dazu, dass neben dem Ausschlussgrund des § 1587 c Nr. 1 auch der des § 1587 c Nr. 3 BGB Anwendung findet. In dem Verhalten des Antragstellers ist eine lang dauernde Verletzung der Unterhaltspflicht zu sehen. Der Antragsteller, der nach der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht in anderer Weise als durch Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beizutragen hatte, war gehalten, Alles zu tun, um eine Anstellung zu finden, die es ihm ermöglichte, die wirtschaftliche Existenz seiner Familie zu sichern. Dass er hierzu nicht sofort in der Lage gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Der Vortrag des Antragstellers gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht in dem unterstellten Umfang vermittelbar gewesen wäre. Die Unterhaltspflichtverletzung ist auch über eine längere Zeit, nämlich mehr als 2 Jahre, begangen worden. Sie muss auch als gröblich angesehen werden, da über die Nichterfüllung der geschuldeten Unterhaltsleistung hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beschaffung seines Lebensbedarfes geraten ist (vgl. BGH FamRZ 1987, 50). Wie oben bereits festgestellt, hat die Handlungsweise des Antragstellers dazu geführt, dass die Antragsgegnerin und die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien in wirtschaftlich äußerst beengten Verhältnissen gelebt haben und auch noch leben.

Die Unterhaltspflichtverletzung ist auch schuldhaft erfolgt. Der Antragsteller kannte alle objektiven Umstände, die ihn veranlassen mussten, alles ihm Mögliche zu unternehmen, um eine angemessene Arbeitsstelle zu erhalten. Gleichwohl blieben solche Bemühungen aus. Zuletzt hat sich der Antragsteller erneut in das ungewisse Schicksal einer selbständigen Tätigkeit begeben, obwohl er hier bereits zuvor gescheitert ist.

Nach alledem war die befristete Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Da wie oben ausgeführt die befristete Beschwerde des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg hat, war sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des befristeten Beschwerdeverfahrens mangels der gemäß § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht ebenfalls zurückzuweisen.

Streitwert für das befristete Beschwerdeverfahren: bis 500,00 €

Ende der Entscheidung

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