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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 4 UF 169/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 169/05

Anlage zum Protokoll vom 11. April 2006

Verkündet am 11. April 2006

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer-Schwellenbach und den Richter am Oberlandesgericht Blank auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. August 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn - 43 F 2/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht der Klage auf Zustimmung zur Kündigung der früheren ehelichen Wohnung stattgegeben. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann zunächst auf die überzeugenden Ausführungen des Familiengerichts verwiesen werden.

Es kann dahinstehen, ob der Anspruch des Klägers, den Mietvertrag der Parteien mit Frau I T über die Wohnung F-Straße 14 in #### C, erstes Obergeschoss rechts, gemeinschaftlich mit dem Kläger zum nächstmöglichen Termin zu kündigen bzw. der Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger zuzustimmen, aus einer analogen Anwendung der Vorschriften über das Gesellschaftsrecht bzw. die Gemeinschaft oder aus einer analogen Anwendung des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB herzuleiten ist (zum Meinungsstreit vergleiche im Einzelnen Hülsmann, Ehegattenauszug und Mietvertragskündigung, NZM 2004, 124 ff. m. w. N.). Jedenfalls kann ein Ehepartner nach endgültiger Trennung der Eheleute die Zustimmung zur Kündigung der ehemaligen Ehewohnung dann verlangen, wenn unterhaltsrechtliche Gründe oder auch der Gesichtspunkt nachehelicher Solidarität dem nicht entgegenstehen. Denn in diesem Falle ist der Grund für einen Anspruch des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten, das Mietverhältnis unter Mitwirkung des anderen Ehegatten aufrecht zu erhalten, weggefallen. Dem Interesse des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten am Fortbestand des Mietverhältnisses steht das nunmehr vorrangig gewordene Interesse des auf Auflösung des Mietvertrages dringenden (geschiedenen) anderen Ehegatten entgegen. Dieser ist daran interessiert, nicht mehr möglichen finanziellen Belastungen aus diesem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein. Allein der unbestritten bestehende Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bezüglich seiner Mietzahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter lässt sein Interesse an der Auflösung des Mietverhältnisses nicht entfallen. Der Freistellungsanspruch schützt ihn nämlich nicht vollständig. Dies gilt insbesondere bei einem finanziell schwachen (früheren) Ehepartner, der in der Wohnung verblieben ist. Der Freistellungsanspruch besteht nur im Innenverhältnis. Die Haftung im Außenverhältnis gegenüber dem Vermieter bleibt aber bestehen, wenn der andere Ehegatte nicht leistet.

Vorliegend greift der Einwand nachehelicher Solidarität gegenüber dem Kläger nicht mehr. Jedenfalls nachdem die Beklagte seit dem 31. Dezember 2005 wieder verheiratet ist, ist ein Unterhaltsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger erloschen. Auch sonstige familienrechtliche Bindungen, die den Anspruch des Klägers überlagern könnten, sind nicht mehr ersichtlich.

Darüber hinaus hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Beklagte in recht beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Zunächst waren die Mietzahlungen allein durch die Unterhaltszahlungen des Klägers an die Beklagte gesichert. Eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten besteht nicht mehr. Die Klägerin bezieht derzeit Erziehungsgeld. Ihr jetziger Ehemann ist arbeitslos. Von gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen kann bei dieser Sachlage nicht ausgegangen werden, zumal im Haushalt der Beklagten insgesamt 4 Kinder leben.

Die Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger erscheint auch nicht treuwidrig. So hatte die Beklagte genügend Zeit, sich um eine neue Wohnung zu bemühen. Die Trennung der Parteien erfolgte im Juni 2000. Ihre Ehe wurde am 30. Januar 2003 geschieden. Schon seit einiger Zeit lebte der jetzige Ehemann der Beklagten, den sie am 31.12.2005 heiratete, in der ehemaligen Ehewohnung der Parteien mit dieser zusammen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass es bei ihren wirtschaftlichen Verhältnissen kaum möglich ist, in einer geeigneten Wohnlage eine für sie finanzierbare ausreichend große Wohnung zu erhalten, reicht dies nicht aus, um das Verhalten des Klägers als gegen Treu und Glauben verstoßend anzusehen. Unter den konkreten Umständen, Wiederheirat und recht beengte finanzielle Verhältnisse, kann es der Beklagten durchaus zugemutet werden, ihre Wohnungsansprüche zu reduzieren. Wohnungsangebote lagen ihr von den entsprechenden staatlichen Stellen vor. Diese schlug sie wegen der angeblich nicht akzeptablen Lage aus, wie sie in der mündlichen Verhandlung selbst geäußert hat.

Auch gehen die Vorschriften der Hausratsverordnung nicht den allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüchen vor. Unstreitig findet die Hausratsverordnung keine Anwendung mehr, nachdem die Parteien nunmehr mehr als 3 Jahre geschieden sind. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass, soweit die geschiedenen Eheleute kein Wohnungszuweisungsverfahren nach der Hausratsverordnung betrieben haben, diese sich nur noch einvernehmlich aus dem gemeinsam geschlossenen Mietvertrag lösen können. Vielmehr muss dem (geschiedenen) ausgezogenen Ehegatten die Möglichkeit verbleiben, außerhalb des Wohnungszuweisungsverfahrens nach der Hausratsverordnung die Kündigung auch gegen den Willen des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten durchzusetzen. Das sieht im Grunde die Beklagte auch nicht anders. Sie meint jedoch, dass ihr eine längere Übergangszeit zum Auszug belassen werden müsse. Dies ist aber aus den oben genannten Gründen nicht zutreffend.

Soweit die Beklagte tatsächlich nicht in der Lage sein sollte, innerhalb der Kündigungsfrist eine neue Wohnung zu finden, wird sie mit dem Vermieter Lösungswege suchen müssen. Jedenfalls können diese Schwierigkeiten dem Kläger nicht mehr entgegengehalten werden, der ein schutzwürdiges Interesse daran hat, dass er nahezu 6 Jahre nach der Trennung und 3 Jahre nach der Scheidung der Parteien aus dem Mietvertrag entlassen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Nachdem nunmehr die Beklagte wieder verheiratet ist und der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität, der möglicherweise eine andere Entscheidung hätte rechtfertigen können, weggefallen ist, kann nicht zweifelhaft sein, dass der Anspruch des Klägers auf Zustimmung zur Kündigung besteht. Diese Einzelfallentscheidung bedarf keiner Überprüfung durch das Revisionsgericht.

Der Berufungsstreitwert beträgt 6.503,63 €. Er ergibt sich aus dem Wert der Jahresnettomiete. Dieser Wert ist gemäß § 3 ZPO zugrunde zu legen und zwar unter Beachtung des in den §§ 100 KostO, 41 GKG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens. Die Klage ist auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet. Maßgebend ist das Interesse des Klägers auf Abgabe dieser Willenserklärung. Dieses Interesse ist wirtschaftlicher Natur. Denn der Kläger möchte nicht mehr aus dem Mietvertrag haften. Daher erscheinen die Streitwertgrundsätze zu Verfahren die Wohnung bzw. Mieten betreffend für die Wertfestsetzung als zutreffende Grundlage für die Wertberechnung.

Ende der Entscheidung

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