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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 4 UF 183/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 93a | |
ZPO § 543 Abs. 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 18. März 2003
In der Familiensache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richter am Oberlandesgericht Blank und Pamp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 11. Juli 2001 (32 F 496/99), berichtigt durch Beschluß des Amtsgerichts vom 23. Juli 2001 (gl. Az.), hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt unter III. des Urteilstenors unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 601,00 DM, für Dezember 2001 in Höhe von 112,00 DM und ab Januar 2002 in Höhe von monatlich 41,00 € zu zahlen; im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die hiernach vom Antragsteller zu erbringenden Unterhaltsleistungen sind jeweils monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats fällig.
Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 15 % dem Antragsteller und zu 85 % der Antragsgegnerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist zu einem geringen Teil begründet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Verbundurteil die auf Zahlung nachehelichen Unterhalts gerichtete Klage der Antragsgegnerin in vollem Umfang abgewiesen. Denn der Antragsteller ist aufgrund des gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 4 Satz 1 EGBGB anwendbaren türkischen Sachrechts verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab dem Tage der Rechtskraft der Ehescheidung (23. November 2001) Unterhalt nach Art. 144 des bis zum 31. Dezember 2001 geltenden türk. ZGB in der tenorierten Höhe zu zahlen. Nur hinsichtlich des weitergehenden Unterhaltsbegehrens bleibt die Klage auch in der Berufungsinstanz ohne Erfolg.
Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß der Anspruch der Antragsgegnerin auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt sich nach Art. 144 türk. ZGB in der bis zum 31. Dezember 2001 maßgeblichen Fassung richtet. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Scheidung dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Das ist hier das türkische Recht, weil beide Parteien türkische Staatsangehörige sind (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Das so berufene Scheidungsstatut regelt nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 EGBGB auch die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten. Eine Rückverweisung auf das deutsche Recht oder eine Weiterverweisung (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) kommen nicht in Betracht, weil das türkische Recht die Verweisung durch das deutsche Recht annimmt; denn Art. 13 Abs. 1 des türk. Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht bestimmt, daß - unter anderem - die Folgen der Scheidung dem gemeinsamen türkischen Heimatrecht der Ehegatten unterliegen. Soweit in der Türkei mit Wirkung vom 1. Januar 2002 ein neues Zivilgesetzbuch (Gesetz Nr. 4721) in Kraft getreten und das bisher geltende ZGB aufgehoben worden ist (vgl. dazu insbesondere S, StAZ 2002, 97 ff.), gilt im Streitfall weiterhin das bisherige Recht, weil - wie auch der Sachverständige Dr. S in seinem Rechtsgutachten vom 21. Oktober 2002 unter Hinweis auf Art. 1, 9 des Einführungsgesetzes zum neuen türk. ZGB ausgeführt hat - die Scheidung, aufgrund deren die Antragsgegnerin Unterhalt begehrt, vor dem 1. Januar 2002 rechtskräftig und die Unterhaltsklage ebenfalls vor diesem Datum erhoben worden ist. Unabhängig davon dürfte mit dem neuen türk. ZGB, das den nachehelichen Bedürftigkeitsunterhalt nunmehr in dem - von Art. 144 des bisherigen ZGB in einem Teilaspekt abweichenden - Art. 175 regelt, jedenfalls hinsichtlich der im Streitfall erheblichen Fragestellungen keine wesentliche Änderung der Rechtslage verbunden sein.
Nach Art. 144 des bisherigen türk. ZGB (im folgenden: ZGB) kann der Ehegatte, der durch die Scheidung in Bedürftigkeit geraten würde, für seinen Lebensunterhalt unter der Voraussetzung, daß sein Verschulden nicht überwiegt, vom anderen Ehegatten auf unbegrenzte Dauer Unterhalt entsprechend dessen finanziellen Fähigkeiten verlangen (Übersetzung nach Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil "Türkei"; mit der sprachlich teilweise hiervon abweichenden Übersetzung des Sachverständigen Dr. S - S. 4 des Gutachtens - ist keine Veränderung des sachlichen Gehalts verbunden). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall entgegen der Ansicht des Amtsgerichts vor. Insbesondere kann - was im Berufungsverfahren hinsichtlich des Anspruchsgrunds zwischen den Parteien letztlich allein streitig ist - nicht davon ausgegangen werden, daß die Antragsgegnerin das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft.
Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht angenommen, nach den erstinstanzlich unwidersprochen gebliebenen Angaben des Antragstellers zum Scheitern der Ehe könne nur von einem überwiegenden Verschulden der Antragsgegnerin an der Zerrüttung der Ehe ausgegangen werden. Diese Ansicht ist im angefochtenen Urteil bereits in sich nicht überzeugend begründet worden. Soweit nämlich das Amtsgericht in diesem Zusammenhang den Vortrag des Antragstellers herangezogen hat, die Antragsgegnerin habe ihn - nach der Darstellung im Scheidungsantrag vom 22. November 1999 im Dezember 1998 (Bl. 3 GA), nach der Darstellung im Schriftsatz vom 20. Januar 2000 im Oktober 1998 (Bl. 15 GA) - "ohne Angabe von Gründen verlassen" und sei so aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ausgebrochen, besagt das nichts für die allein entscheidende Frage, ob solche Gründe ggfls. gleichwohl - und in wessen Person - vorlagen. Daß die Antragsgegnerin - angeblich - kommentarlos ausgezogen ist, gestattet nicht zwangsläufig den Schluß, daß sie hierzu auch keinen berechtigten Anlaß hatte. Das gilt insbesondere in Anbetracht des Umstands, daß das türkische Recht in Gestalt des Art. 132 türk. ZGB unter den dort näher geregelten Voraussetzungen für den Fall des Verlassens einen besonderen Scheidungstatbestand bereit hält, der Antragsteller sich indes nicht hierauf, sondern ausdrücklich (nur) auf den allgemeinen Zerrüttungstatbestand berufen hat.
Im übrigen durfte das Amtsgericht die vorstehend wiedergegebene Sachdarstellung des Antragstellers auch deshalb nicht zur Versagung des in der Berufungsinstanz allein noch streitigen Unterhaltsanspruchs heranziehen, weil sie sich ebenso wie das weitere, im angefochtenen Urteil jedenfalls nicht ausdrücklich in Bezug genommene Vorbringen des Antragstellers im Schriftsatz vom 20. Januar 2000 zu angeblichen Verfehlungen der Antragsgegnerin ersichtlich nur auf die Begründung des Scheidungsantrags, nicht aber auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau bezog. Der Antragsteller, der sein Scheidungsbegehren ursprünglich ausdrücklich auf das deutsche Sachrecht gestützt hatte, hat auf einen rechtlichen Hinweis des Amtsgerichts die Ehescheidung wegen Zerrüttung gemäß Art. 134 Abs. 1 türk. ZGB beantragt. Im Rahmen der Zerrüttungsscheidung türkischen Rechts aber muß der die Scheidung begehrende Ehegatte regelmäßig allein schon im Hinblick auf die bei überwiegendem Verschulden des Scheidungsklägers bestehende Einspruchsmöglichkeit des anderen Gatten nach Absatz 2 der Vorschrift ein zumindest geringes Verschulden des anderen Teils dartun und ggfls. nachweisen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1996, 1148; Finger FuR 1997, 195, 197; s. auch Hohloch/Öztan, Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht Teil 6 B Rdn. 86). Der Sachverständige Dr. S hat in seinem Gutachten (dort S. 7) ebenfalls hervorgehoben, im Falle der einseitigen Klageerhebung - anders als bei der hier nicht gegebenen einverständlichen Scheidung, die die Vereinbarung einer Scheidungsfolgenvereinbarung voraussetzt - müsse schon im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage eine Prüfung der Schuldfrage erfolgen. Denn zulässig sei die Scheidungsklage (auch nach Art. 134 türk. ZGB) nur, wenn den Gegner ein Verschulden an der Scheidung treffe. Allerdings führe das bei der Zerrüttungsscheidung nicht unbedingt zur ausgewogenen Feststellung der Verschuldensanteile, weshalb die Verschuldensfrage unvollständig geklärt bleiben könne. Schon vor diesem Hintergrund bestehen zumindest Bedenken, ob dem Vortrag des Scheidungsklägers im Scheidungsantrag, die Zerrüttung der Ehe beruhe auf vom anderen Ehegatten verschuldeten Umständen, im allgemeinen ohne weiteres Bedeutung auch für einen erst anschließend vom anderen Teil geltend gemachten (selbständigen) Unterhaltsanspruch beigemessen werden kann.
Letztlich können diese Zweifel aber im Streitfall auf sich beruhen. Denn jedenfalls vorliegend durfte das Amtsgericht nicht ohne vorherige Klarstellung des Antragstellers dessen Begründung des Scheidungsantrags auch der später anhängig gewordenen Folgesache zum nachehelichen Unterhalt zugrunde legen. Zwar ist die Antragsgegnerin erstinstanzlich dem Vorbringen des Antragstellers zu den angeblichen Zerrüttungsursachen nicht entgegengetreten. Insoweit ist aber zunächst schon zu berücksichtigen, daß sie dem Scheidungsbegehren ohnehin nicht widersprochen, sondern hierin ausdrücklich eingewilligt hat, aus ihrer Sicht also insoweit die Notwendigkeit, zu etwaigen Verschuldensanteilen und deren Gewichtung vorzutragen, gar nicht bestand. Hinzu kommt, daß der Antragsteller den Antrag auf Abweisung des Unterhaltsantrags der Antragsgegnerin in seinem Schriftsatz vom 10. Januar 2001 (Bl. 43 ff. GA) ausschließlich auf Ausführungen zur seines Erachtens fehlenden Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Ehegattenunterhalt sowie der Frage bedarfsdeckender Eigeneinkünfte der Antragsgegnerin gestützt hat. Darüber hinaus hat er in diesem Schriftsatz "zur Vermeidung von Wiederholungen...wegen aller Einzelheiten zur Abwehr des Unterhaltsanspruches" auf seinen Schriftsatz in dem parallelen - deutschem Sachrecht unterliegenden - Trennungsunterhaltsprozeß 32 F 329/00 AG Brühl verwiesen, in dem ebenfalls (nur) seine eigene Leistungsfähigkeit sowie die tatsächlichen oder fiktiv anzunehmenden Einkünfte der Antragsgegnerin streitig waren. Er hat sich also gerade nicht auf die Begründung des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Scheidungsantrags gestützt. Berücksichtigt man ferner, daß der Antragsteller sich im ursprünglichen Scheidungsantrag, wenngleich lediglich im Rahmen seines Prozeßkostenhilfegesuchs, als "gegenüber seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern zum Unterhalt verpflichtet" (Bl. 3 GA) bezeichnet hatte, konnte sein erstinstanzlicher Sachvortrag weder in Einzelpunkten noch in seiner Gesamtheit dahin verstanden werden, der Antragsteller wolle sich in der Folgesache nachehelicher Unterhalt mit anderen als in seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen bzw. denjenigen der Antragsgegnerin liegenden Einwänden verteidigen. Auch der Sachverständige Dr. S geht in seinem Gutachten (dort S. 13) davon aus, daß vorliegend für die Scheidung keine Begründung vorgetragen worden sei, aus der sich ein Verschulden für die Zerrüttung erkennen ließe.
Wenn das Amtsgericht dessen ungeachtet - auch - in der Folgesache von einem (überwiegenden) Verschulden der Antragsgegnerin als außer Streit stehend ausgehen und daher bereits hierauf gestützt den Unterhaltsantrag abweisen wollte, hätte es eines vorherigen Hinweises (§ 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO) an die Antragsgegnerin bedurft, damit diese eigenen Sachvortrag zur Verschuldensfrage, den sie bis dahin im Unterhaltsverfahren nicht für erforderlich halten brauchte, nachholen konnte. Den Anforderungen an einen solchen Hinweis wird allein der - beiden Parteien am 20. bzw. 21. März 2001 zugestellte - Beschluß des Amtsgerichts vom 16. März 2001 (Bl. 1 32 F 496/99 UE) nicht gerecht. Die pauschale Formulierung, der Antragsgegnerin werde aufgegeben, näher darzulegen, "dass und in welchem Umfang sie nach dem hier anwendbaren türkischen Recht...auch nach dem Ende der Ehe von dem Antragsteller Unterhalt beanspruchen kann", macht nicht hinreichend deutlich, daß das Amtsgericht - ggfls. - gerade das bislang in der Folgesache noch von keiner Partei angesprochene Tatbestandsmerkmal des nicht überwiegenden Verschuldens im Sinne von Art. 144 türk. ZGB überhaupt als streitig bzw. als von der Antragsgegnerin nicht ausreichend dargelegt erachtete.
Bei dieser Sachlage kann der Vortrag der Antragsgegnerin, mit dem sie sich nunmehr im Berufungsrechtszug auf ihr nicht überwiegendes Verschulden an der Scheidung beruft, nicht als verspätet behandelt werden.
Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht auch fest, daß die Antragsgegnerin jedenfalls - was für den Anspruch nach Art. 144 türk. ZGB ausreicht - nicht das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft.
Der Beweiserhebung in der Berufungsinstanz steht nicht entgegen, daß das Amtsgericht mit dem angefochtenen Urteil die Ehe der Parteien nach Art. 134 Abs. 1 türk. ZGB geschieden hat und der - in Rechtskraft erwachsene - Scheidungsausspruch keine Feststellungen zu einem Verschulden, geschweige denn dem überwiegenden Verschulden eines der Ehegatten, insbesondere der Antragsgegnerin enthält, die Scheidung vielmehr allein damit begründet ist, daß die Parteien, zwischen denen seit mehr als zwei Jahren keine Lebensgemeinschaft mehr bestehe, ihre Ehe für zerrüttet hielten und deren Fortsetzung ablehnten, weshalb zur Überzeugung des Gerichts feststehe, daß die Ehe gescheitert sei.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluß vom 24. Juni 1992 (FamRZ 1993, 75) in einem dem vorliegenden Sachverhalt insofern vergleichbaren Fall, als auch dort das angefochtene Verbundurteil unter anderem hinsichtlich des auf Art. 134 Abs. 1 türk. ZGB gestützten Scheidungsausspruchs rechtskräftig geworden war, die Auffassung vertreten, dem in der Berufungsinstanz geltend gemachten Begehren, dem bedürftigen Ehegatten wegen dessen Alleinschuld an der Scheidung den Unterhaltsanspruch zu versagen, stehe die Rechtskraft der für den Nachscheidungsunterhalt vorgreiflichen Entscheidung des Familiengerichts über die Scheidung selbst entgegen. In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht die Ehe wegen tiefgreifender, von beiden Ehegatten verursachter Zerrüttung geschieden. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts gibt das so begründete und seinerseits rechtskräftige Scheidungsurteil den rechtlichen Rahmen auch für die Entscheidung in der Folgesache Nachscheidungsunterhalt. Wenn das türkische Recht in Art. 144 türk. ZGB dem allein an der Scheidung schuldigen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch versage, könne diese Rechtsfolge nur eintreten, wenn die Scheidung aus dem Alleinverschulden des Unterhaltsgläubigers erfolgt sei (vgl. zur Bindungswirkung des Scheidungsausspruchs gemäß Art. 134 Abs. 1 türk. ZGB für den Anspruch aus Art. 144 türk. ZGB auch OLG Hamm FamRZ 1994, 580, 581; FamRZ 1994, 582, 583; Staudinger/von Bar/Mankowski, BGB 13. Bearb. Anh I zu Art. 18 EGBGB Rdn. 263; Finger FuR 1997, 300, 301; zur Bindungswirkung der Begründung des Scheidungsausspruchs für den Anspruch aus Art. 144 türk. ZGB neigt auch OLG Stuttgart FamRZ 1993, 975; anders - keine Bindungswirkung für die Unterhaltsklage bei fehlender Entscheidung über das Verschulden anläßlich der Scheidung - wohl OLG Saarbrücken FamRZ 1994, 579, 580).
Ob dieser Rechtsprechung zur Bindungswirkung des rechtskräftig gewordenen Scheidungsausspruchs für die Unterhaltsklage gefolgt werden kann, bedarf aus Anlaß des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls dann, wenn - wie hier - das erstinstanzliche Gericht im Scheidungsausspruch überhaupt keine nachvollziehbaren Feststellungen zu den Verursachungs- bzw. Verschuldensbeiträgen der Ehegatten getroffen hat, kann nach türkischem Sachrecht die Rechtskraft der Scheidung den zweitinstanzlichen Streit über die Verschuldensanteile nicht präkludieren, unabhängig davon, ob der auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommene Gatte erstinstanzlich bereits den Anspruchssausschluß wegen überwiegenden Verschuldens des anderen Teils geltend gemacht hatte oder nicht. Wie der Sachverständige Dr. S in seinem Gutachten nachvollziehbar und von beiden Parteien unangegriffen ausgeführt hat, entspricht es nämlich türkischem Rechtsverständnis, daß nach Rechtskraft eines Scheidungsurteils, in dessen Begründung keine Feststellungen zum Verschulden getroffen wurden, die Erhebung einer Unterhaltsklage nach Art. 144 türk. ZGB weiterhin möglich ist und auch in diesem Stadium noch die entsprechenden Feststellungen getroffen, d. h. nachgeholt werden können. So hat der Sachverständige zunächst anhand von zahlreichen Belegen aus der türkischen Rechtsprechung und Literatur darauf hingewiesen, daß der zuständige 2. Senat des türkischen Kassationshofs seit einer Wende in seiner Jurisdiktion Mitte des Jahres 1993 nunmehr die nachträgliche Erhebung einer Entschädigungsklage gemäß Art. 143 türk. ZGB oder einer Unterhaltsklage gemäß Art. 144 türk. ZGB nach rechtskräftigem Abschluß des Scheidungsverfahrens und in diesem Rahmen auch die Nachholung der entsprechenden Feststellungen zum Verschulden für möglich erachtet (vgl. auch schon OLG Hamm FamRZ 1994, 582; OLG Köln FamRZ 1999, 860, 861). Verlangt wird dem Sachverständigengutachten zufolge lediglich noch, daß die Bedürftigkeit des Unterhalt Begehrenden ursächlich auf die Scheidung zurückzuführen sein muß.
Nichts spricht dafür, daß der vorliegend zu beurteilende Fall, in dem nicht erstmals nach rechtskräftigem Abschluß des Scheidungsverfahrens auf nachehelichen Unterhalt geklagt, sondern im Rahmen des Verbundverfahrens erstmals in zweiter Instanz nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs über das Scheidungsverschulden gestritten wird, anders zu beurteilen ist. Denn wenn schon die Nachholung von Feststellungen zum Verschulden in einem gesonderten Prozeß möglich ist, kann nichts anderes gelten, wenn es - wie hier - um zwei Instanzen desselben Prozesses geht. Zwar gibt es, wie der Sachverständige S ausgeführt hat, in der Türkei keine Berufungsinstanz, so daß eine dem Streitfall vergleichbare Situation nach türkischem Recht nicht eintreten kann. Der Sachverständige hat aber plausibel dargelegt, in welche Richtung die türkische Lehre und Rechtspraxis gehen würden, wenn sie mit einer Konstellation der vorliegenden Art konfrontiert würden. So hat er vor allem auf ein Urteil des 2. Senats des türkischen Kassationshofs vom 5. März 1992 in einem Fall abgestellt, in dem der Scheidungsausspruch ohne Verschuldensfeststellungen ergangen war; ferner war Unterhalt in Form einer Entschädigung zugesprochen worden. In der Revisionsinstanz wurde lediglich der den Unterhalt betreffende Teil der Entscheidung angefochten, wohingegen die Scheidung rechtskräftig wurde. Der Kassationshof hob den Unterhaltsteil mit der Begründung auf, es fehlten die Feststellungen zum Verschulden als einer Voraussetzung der Entschädigung, die nachzuholen seien. Nach der aus dieser Entscheidung sowie einem weiteren vom Sachverständigen zitierten Urteil des Großen Zivilsenats des Kassationshofs vom 1. Februar 1995 vom Sachverständigen überzeugend gezogenen Wertung hält der türkische Kassationshof die Feststellungen zum Verschulden für so wichtig, daß er deren Fehlen in einem rechtskräftigen Scheidungsurteil, mit dem zugleich Unterhalt zugesprochen wird, nicht als für den weiteren Verfahrensgang bindend ansieht.
Den ihr obliegenden Beweis, daß sie nicht das überwiegende Verschulden an der Scheidung trifft, hat die Antragsgegnerin geführt.
Nach dem auch insoweit überzeugenden und seitens der Parteien unwidersprochen gebliebenen Gutachten des Sachverständigen Dr. S entspricht es türkischem Rechtsverständnis, im Rahmen des Anspruchs gemäß Art. 144 türk. ZGB die Darlegungs- und Beweislast für sein eigenes Nichtverschulden dem Anspruchsteller aufzuerlegen. Grundsätzlich gilt auch im türkischen Recht einschließlich des Scheidungsverfahrens, daß jede Partei die Darlegungs- und Beweislast für dasjenige trifft, was sie zu ihren Gunsten vorträgt (Art. 6 türk. ZGB). Zwar bietet, soweit es insbesondere um das Verschulden im Rahmen des Unterhaltsanspruchs geht, die türkische Rechtsprechungspraxis kein einheitliches Bild. Indes ist, wie der Gutachter hervorgehoben hat, auch nach türkischem Rechtsverständnis, derjenige, der selbstverständliche Voraussetzungen, also dasjenige, was nach der Lebenserfahrung in der Regel als wahr bzw. als Tatsache anzunehmen ist, zu beweisen hat, von der Beweislast hierfür frei. Da sich aber keine Regel des Inhalts aufstellen läßt, daß, wer Unterhalt begehrt, in der Regel "unschuldig" ist, muß der Unterhaltsgläubiger beweisen, daß ihn jedenfalls kein höheres Verschulden an der Scheidung trifft.
Aufgrund der Beweisaufnahme hält es der Senat für erwiesen, daß die Scheidung der Parteien zumindest nicht überwiegend auf einem Verschulden der Antragsgegnerin beruht. Hierbei kann letztlich dahin stehen, ob die Antragsgegnerin die volle Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der in Rede stehenden Negativtatsache trifft oder ob zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, etwa die vom Antragsteller behaupteten Tatsachen zu ihrem - der Antragsgegnerin - Verschulden zu entkräften bzw. zu widerlegen sind. Denn auch im erstgenannten Fall ist der der Antragsgegnerin obliegende Beweis geführt:
Dabei verkennt der Senat nicht, daß gegenüber der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H2 in einzelnen Punkten Bedenken angebracht erscheinen. Der Zeuge, bei dem es sich um den Sohn der Antragsgegnerin aus einer früheren Ehe handelt, hat zwar die Sachdarstellung der Antragsgegnerin zu dem von ihr behaupteten Fehlverhalten des Antragstellers, die vor allem gewalttätige Übergriffe gegen die Person der Antragsgegnerin sowie deren "Gängelung" in finanziellen Dingen betreffen, ausnahmslos bestätigt. Seine Schilderung mutete indes - ohne daß es im einzelnen auf die vom Antragsteller im Schriftsatz vom 7. März 2003 angesprochene Frage der Übereinstimmung mit der tatsächlichen Abwicklung der familiären Geldangelegenheiten ankommt - sehr stark am schriftsätzlichen Vorbringen der Antragsgegnerin ausgerichtet und insoweit wenig unvoreingenommen und unabhängig an. Sie wird auch nicht, insbesondere soweit es um die angeblichen Gewalttätigkeiten des Antragstellers geht, in geeigneter Form durch anderweitige Tatsachen objektiviert.
Vergleichbare Vorbehalte sind jedoch, wie noch auszuführen ist, gegenüber der Aussage des Zeugen U L, dem Sohn des Antragstellers aus dessen erster Ehe angebracht, soweit es um die von ihm bekundeten Verfehlungen der Antragstellerin geht. Wenngleich mithin beide Zeugen jeweils erkennbar zugunsten "ihres" Elternteils und gegen den jeweiligen Stiefelternteil Partei ergriffen, so läßt sich doch als gemeinsamer Grundkonsens ihrer Aussagen festhalten, daß die Geldangelegenheiten eine stete Quelle des Streits in der Familie waren. So hat der Zeuge H2 erklärt, zwischen den Parteien sei es "immer nur ums Geld" gegangen, und auch der Zeuge U L hat angegeben, die Geldangelegenheiten seien eine Ursache für Streitigkeiten gewesen, andere Ursachen seien ihm - dem Zeugen - nicht bekannt. Letzteres ist im übrigen ganz unwahrscheinlich, nachdem der Zeuge in anderem Zusammenhang bekundet hat, schon als Kind bei Streitigkeiten der Parteien stets "dazwischen gegangen" zu sein, um "Schlimmeres" zu verhindern.
Die Verantwortlichkeit hinsichtlich des Streits um das Geld kann indes nicht, jedenfalls nicht zum überwiegenden Teil, der Antragstellerin zugewiesen werden, ohne daß es hierbei näher darauf ankommt, in welchem Umfang und in welcher Form deren eigener Verdienst aus ihrer Berufstätigkeit in den Familienhaushalt eingeflossen ist. Streit um das Geld soll es nämlich nach der Darstellung des Zeugen U L immer dann gegeben haben, wenn von dem - der Aussage des Zeugen zufolge zu Hause in einem unverschlossenen Schrank verwahrten - Geldbetrag nichts mehr übrig war, ohne daß entsprechende Einkäufe getätigt worden waren. Dieses Verschwinden von Geldbeträgen läßt sich aber angesichts des Umstands, daß nach der weiteren Schilderung des Zeugen L "praktisch jeder" an das Geld im Schrank heran konnte, nicht einseitig bzw. überwiegend der Antragsgegnerin anlasten.
Soweit im übrigen der Zeuge U L bekundet hat, die Antragsgegnerin habe ihn mehrfach mit einem Messer verletzt, vermag der Senat der Aussage keinen Glauben zu schenken. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 10. April 2002 einen Vorfall aus dem Jahre 1996 behauptet (hinsichtlich dessen schon wegen des zeitlichen Abstands zu der erst Ende 1998 erfolgten Trennung die Kausalität für die Scheidung zweifelhaft ist), bei dem die Antragsgegnerin U unter anderem einen Teller an den Kopf und ihn mit dem Messer in den Rücken gestochen haben soll (Bl. 121 f. GA). Demgegenüber hat der Zeuge bei seiner Vernehmung sogar noch zwei weitere Vorfälle angegeben, anläßlich deren die Antragsgegnerin ihn - erstmals anläßlich eines Urlaubs, als er, der Zeuge 13 oder 14 Jahre alt gewesen sei, und sodann später in Deutschland - mit einem Küchenmesser an der Hand bzw. mit einem Obstschälmesser am Bein verletzt haben soll. Es ist insoweit schon schwer vorstellbar, daß ungeachtet der Vielzahl der angeblichen Vorfälle dem Antragsteller - demgegenüber nach der Darstellung des Zeugen L auf Bitten der Antragstellerin die Wahrheit stets verheimlicht worden sein soll - der tatsächliche Hintergrund der Verletzungen verborgen geblieben ist. Ebenso wenig hat der Zeuge plausibel zu erklären vermocht, weshalb er sich über mehrere Jahre hinweg nicht gegenüber dem Antragsteller als seinem leiblichen Vater über die Tätlichkeiten der Stiefmutter offenbart hat. Hinzu kommt, daß der Schilderung des Zeugen U L - neben der Aussage des Zeugen H2 - auch die Bekundungen der Zeugin H, der Tochter des Antragstellers aus dessen erster Ehe, entgegen stehen. Denn die Zeugin, die nach ihrer Heirat im Jahre 1991 aus der Wohnung der Parteien ausgezogen ist, dort aber in der Folgezeit etwa alle zwei Wochen zu Besuch war, hat angegeben, über Tätlichkeiten der Antragsgegnerin gegenüber U könne sie aus eigener Anschauung nichts sagen, sie habe hiervon erst nach dem Auszug der Antragsgegnerin erfahren. Es ist aber gänzlich unwahrscheinlich, daß U L sich ungeachtet der Massivität der von ihm geschilderten Vorfälle nicht einmal seiner älteren Schwester, die nach ihrem Auszug außerhalb des unmittelbaren familiären Konfliktfeldes und damit auch der Spannungen zwischen den (Stief-)Elternteilen lebte, anvertraut haben soll.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, daß vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen U L die angeblichen Tätlichkeiten der Antragsgegnerin auch nicht ursächlich für die Zerrüttung der Ehe geworden sein können, weil der Antragsteller während des Zusammenlebens der Parteien gerade nichts von diesen Übergriffen erfahren haben soll.
Bei dieser Sachlage vermag der Senat nur festzustellen, daß die Ehe der Parteien in erster Linie unter dem von den Zeugen H2 und L geschilderten Streit um finanzielle Angelegenheiten litt. Dieser Streit kann indes nicht im Sinne eines Scheidungsverschuldens überwiegend dem einen oder dem anderen Ehegatten, insbesondere nicht der Antragsgegnerin zugewiesen werden.
Der Vernehmung der am 16. Oktober 1988 geborenen, heute also 14 Jahre alten Zeugin N L, der gemeinsamen Tochter der Parteien, bedurfte es nicht mehr, weil der Senat den Beweis des Nichtüberwiegens des Verschuldens der Antragsgegnerin schon aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im übrigen für erbracht ansieht (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. Vor § 284 Rdn. 12). Auf eine Entscheidung der verfahrensrechtlichen Frage, ob im Falle der Aussagebereitschaft des Kindes hinsichtlich der Ausübung des Aussageverweigerungsrechts ein Ergänzungspfleger zu bestellen war, nachdem die Antragsgegnerin auf die von ihr benannte Zeugin nicht verzichtet, der gemeinsam mit der Antragsgegnerin sorgeberechtigte Antragsteller hingegen der Vernehmung der Tochter widersprochen hat (vgl. Zöller/Greger aaO § 383 Rdn. 4), kommt es daher nicht an.
Der Höhe nach schuldet der Antragsteller der Antragsgegnerin für deren Lebensführung gemäß Art. 144 Abs. 1 türk. ZGB Unterhalt entsprechend seinen finanziellen Verhältnissen bzw. - in der Übersetzung der Vorschrift durch den Sachverständigen Dr. S - nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Damit ist jedenfalls dann, wenn er Bedürftige - wie hier - in Deutschland lebt, entgegen einer verschiedentlich in der deutschen Rechtsprechung (vgl. AG Hamburg FamRZ 1989, 749, 751; KG FamRZ 1993, 976, 979; OLG Saarbrücken FamRZ 1994, 579, 580; OLG Hamm OLGR 1994, 240) und Literatur (vgl. zuletzt etwa Söllner, FuR 2002, 198, 200) vertretenen Ansicht kein bloßer "Notunterhalt" im Sinne der Sicherung eines Mindeststandards festgelegt (vgl. in diesem Sinne bereits OLG Köln FamRZ 1992, 948; OLG Stuttgart FamRZ 1993, 975; OLG Hamm FamRZ 1994, 580, 581; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 919; Staudinger/von Bar/Mankowski aaO Anh I zu Art. 18 EGBGB Rdn. 260; Finger, FuR 1997, 236, 238; zum Streitstand siehe auch OLG Köln FamRZ 1997, 1087; FamRZ 1999, 860, 861). Wie der Sachverständige Dr. S zur Überzeugung des erkennenden Senats und von den Parteien ebenfalls unbeanstandet anhand zahlreicher Nachweise aus der türkischen Rechtsprechung und dem dortigen Schrifttum dargelegt hat, gibt es in der Türkei bis heute keine von den Gerichten entwickelten "Richtlinien", insbesondere keine pauschalierten Beträge oder Berechnungsmodelle zur Unterhaltsermittlung. Das eröffnet dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum, von dem nach den Ausführungen des Sachverständigen ohnehin das gesamte türkische Unterhaltsrecht geprägt ist. Der türkische Kassationshof setzt zwar die Untergrenze des Bedürftigkeitsunterhalts nach Art. 144 Abs. 1 türk. ZGB beim gesetzlichen Mindestlohn an, das bedeutet den Darlegungen des Sachverständigen zufolge aber keine Bindung der Gerichte hieran. Vielmehr bedeutet "Bedarfsdeckung" nach türkischem Verständnis einerseits mindestens Sozialhilfeniveau, andererseits aber auch keine Beschränkung auf das Existenzminimum (vgl. in diesem Sinne auch Hohloch/Öztan aaO Teil 6 B Rdn. 176). Dabei fließt ein Bedarf, der die bisherigen ehelichen Lebensverhältnisse zumindest mit berücksichtigt, in die Unterhaltsbemessung ein. Dem entspricht die türkische Rechtsprechung, soweit sie dem geschuldeten Unterhalt die sozialen und ökonomischen Verhältnisse der Beteiligten zugrunde legt. Da nach der vom Sachverständigen aufgezeigten dortigen Rechtsprechung ferner auch die sozialen und ökonomischen Verhältnisse des (Aufenthalts-) Landes der Ehepartner zu beachten sind, entspricht es Sinn und Zweck der türkischen Unterhaltsvorschrift, in den von Sinn und Zweck des Art. 144 Abs. 1 türk. ZGB gezogenen Grenzen die deutschen Verhältnisse zu berücksichtigen.
Der Senat hat daher keinen Zweifel, den Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem beide Parteien seit längerem in der Bundesrepublik leben und nach den Darlegungen im Scheidungsantrag jedenfalls derzeit keiner von ihnen die Rückkehr in die Türkei beabsichtigt, nach den hiesigen Verhältnissen zu bemessen. Daß bei der Bemessung des Unterhaltsbetrags nicht auf einen abstrakten "Notbedarf" abgestellt werden kann, entspricht im übrigen ohnedies dem Gebot des Art. 18 Abs. 7 EGBGB als einer Konkretisierung des ordre-public-Vorbehalts (vgl. dazu Palandt/Heldrich, BGB 62. Aufl. Art. 18 EGBGB Rdn. 20), wonach in jedem Falle - auch - die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen sind, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung des Unterhaltsanspruchs nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholung auf sein zum Trennungsunterhalt ergangenes Urteil vom 14. Mai 2002 (4 UF 182/01) Bezug. Der Sachvortrag der Parteien im vorliegenden Verfahren gibt keine Veranlassung, von den im vorgenannten Urteil dargestellten Grundlagen der Unterhaltsberechnung abzuweichen. Die betreffenden Ausführungen gelten daher, soweit es um die für den nachehelichen Bedürftigkeitsunterhalt maßgeblichen Zeitraum ab November 2001 geht, grundsätzlich auch hier.
Allerdings ist aufgrund der im vorliegenden Verfahren - anders als im Parallelprozeß, in dem die Einkommensermittlung auf der Grundlage einer Hochrechnung erfolgen mußte - zu den Gerichtsakten gereichten Verdienstbescheinigung des Antragstellers für Dezember 2001 (Bl. 126 GA) für das Jahr 2001 von folgendem Durchschnittseinkommen auszugehen:
Gesamtbezüge: 62.795,10 DM abzgl. Lohnsteuer: 9.691,00 DM abzgl. Krankenversicherungsbeiträge: 4.138,97 DM abzgl. Rentenversicherungsbeiträge: 5.899,61 DM abzgl. Arbeitslosenversicherungsbeiträge: 2.007, 72 DM verbleiben: 41.057,80 DM entspricht monatsdurchschnittlich (: 12): 3.421,48 DM abzgl. AG-Anteil Vermögensbildung: 22,00 DM verbleiben: 3.399,48 DM
Das ist geringfügig mehr als der vom Senat im Parallelprozeß ermittelte monatliche Durchschnittsbetrag von 3.392,47 DM.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die - im vorliegenden Rechtsstreit ergänzend geltend gemachte - Kreditrate von monatlich 250,00 €, die der Antragsteller zur Rückführung eines am 25. April 2002 zur Pkw-Finanzierung aufgenommenen Darlehens (Bl. 155 ff. GA) mit Wirkung ab Mai 2002 zu tragen hat, nicht als unterhaltsrechtlich beachtliche Abzugsposition Berücksichtigung finden. Denn der Finanzierungsaufwand für einen Pkw ist schon in der Kilometerpauschale enthalten, auf deren Grundlage vorliegend die berufsbedingten Fahrtkosten des Antragstellers abgerechnet werden; er kann deshalb nach gefestigter Rechtsprechung nicht noch zusätzlich geltend gemacht werden (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 936 m. zahlr. weit. Nachw.).
Ausgehend hiervon ergibt sich folgende Berechnung des ab Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung (23. November 2001) geschuldeten Bedürftigkeitsunterhalts:
November 2001:
Einkommen Antragsteller: 3.399,48 DM abzgl. Fahrtkosten: 117,33 DM abzgl. Finanzierungskosten Wohnhaus: 136,71 DM verbleiben bereinigt: 3.145,44 DM zzgl. Wohnvorteil: 750,00 DM ergeben: 3.895,44 DM abzgl. Tabellenunterhalt Tochter N: 672,00 DM verbleiben: 3.223,44 DM fiktiv zurechenbares Eigeneinkommen Antragsgegnerin: 333,00 DM Differenz: 2.890,44 DM 3/7-Quote: 1.238,76 DM
Für den Monat November ergibt sich daher nach Abzug der Sozialhilfeleistungen an die Antragsgegnerin in Höhe von 638,00 DM ein - anteilig für die Zeit ab dem 23. November 2001 bis zum 30. November 2001 geschuldeter - Bedürftigkeitsunterhalt in Höhe von (1.238,76 DM - 638,00 DM =) 600,76 DM, also von rund 601,00 DM (Monatsbetrag). Entsprechend der im Senatstermin vom 16. April 2002 im Verfahren über den Trennungsunterhalt (4 UF 182/01) erfolgten Klarstellung versteht der Senat in der vorliegenden Sache den Berufungsantrag ebenfalls dahin, daß nur die Unterhaltsforderungen Gegenstand des Rechtsstreits sind, die sich nach Abzug der Sozialhilfeleistungen ergeben, hinsichtlich derer die Ansprüche der Antragsgegnerin auf das Sozialamt übergegangen sind.
Dezember 2001:
Ab Dezember entfällt auf Seiten des Antragstellers, wie im Senatsurteil in der Parallelsache näher dargelegt, die Zurechnung eines Wohnvorteils und die unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähige monatliche Darlehensrate über 500,00 DM tritt hinzu. Der Unterhalt berechnet sich danach wie folgt:
bereinigtes Einkommen Antragsteller: 3.145,44 DM abzgl. Darlehensrate: 500,00 DM verbleiben: 2.645,44 DM abzgl. Tabellenunterhalt N: 562,00 DM verbleiben: 2.083,44 DM Eigeneinkommen Antragsgegnerin: 333,00 DM Differenz: 1.750,44 DM 3/7-Quote: 750,19 DM
Mangels gegenteiliger Angaben sind hierauf die Sozialhilfeleistungen in unveränderter Höhe von 638,00 DM anzurechnen, so daß als Unterhalt ein Restbetrag von (750,19 DM - 638,00 DM =) 112,19 DM, also von rund 112,00 DM verbleibt.
ab Januar 2002
Da die Parteien keine gegenteiligen Angaben gemacht haben, sind die zuletzt im Jahre 2001 geltenden Verhältnisse ab dem Jahre 2002 fortzuschreiben. Das führt unter Berücksichtigung der ab Januar 2002 erhöhten Fahrtkosten des Antragstellers zu folgender Unterhaltsberechnung:
Einkommen Antragsteller (3.399,48 DM): 1.738,13 € abzgl. Fahrtkosten (190,66 DM): 97,48 € abzgl. Finanzierungskosten Wohnhaus (136,71 DM): 69,90 € abzgl. Darlehensrate (500,00 DM): 255,65 € verbleiben bereinigt: 1.315,10 € abzgl. Tabellenunterhalt Tochter N: (Düsseldorfer Tabelle, Stand 1. Januar 2002): 288,00 € verbleiben: 1.027,10 € fiktiv zurechenbares Eigeneinkommen Antragsgegnerin: 170,26 € Differenz: 856,84 € 3/7-Quote: 367,22 € abzgl. Sozialhilfe (638,00 DM): 326,20 € Rest: 41,02 € gerundet: 41,00 €
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits war § 93a ZPO zu beachten. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Es bestand kein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache - soweit die Rechtsanwendung durch den Senat der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich wäre - weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.227,49 € (12 x 852,00 DM = 10.225,00 DM)
Ende der Entscheidung
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