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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: 4 UF 230/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 230/03

Anlage zum Protokoll vom 04. Mai 2004

Verkündet am 04. Mai 2004

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer-Schwellenbach und den Richter am Oberlandesgericht Blank

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.08.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn - 42 F 89/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht - eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagten steht der durch Vergleich titulierte monatliche Unterhaltsanspruch in Höhe von 285,30 € weiterhin zu.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 1573 Abs. 1 BGB.

Nach Auffassung des Senates entfällt der Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht mangels Leistungsfähigkeit des Klägers. Der Kläger hat nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichtes darlegen können, dass er nicht in der Lage ist, der Beklagten einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 285,30 € zu zahlen.

Der Kläger ist seit März 2003 arbeitslos. Gemäß seinen Angaben im Termin am 30. März 2004 bezieht er seit Januar 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 22,62 € was monatlich rund 688,00 € ausmacht. Davor erhielt er rund 744.- € Arbeitslosengeld.

Nach Auffassung des Senates wäre der Kläger darüberhinaus in der Lage, zu der bezogenen Arbeitslosenunterstützung durch geeignete Nebentätigkeiten so viel hinzuzuverdienen, dass er jedenfalls im Rahmen seiner Inanspruchnahme leistungsfähig ist. Der Kläger kann ohne Anrechnung auf die Arbeitslosenunterstützung 165,00 € hinzuverdienen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger als gelernter Maurer bei gehöriger Anstrengung eine solche Nebentätigkeit erhalten könnte. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren schon nicht ausreichend dargetan, dass er sich ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht hat. An solche Bemühungen stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. So wird von einem Arbeitslosen verlangt, dass er die ihm zur Verfügung stehende Zeit im Umfang einer ansonsten ausgeübten Erwerbstätigkeit nutzt, um sich um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen. Die vom Kläger vorgetragenen Bemühungen genügen solchen Anstrengungen nicht. Allerdings führen mangelnde Arbeitsbemühungen nur dann zu einem zurechenbaren Einkommen, wenn der Arbeitslose auch tatsächlich noch vermittelbar ist. Hieran hat der Senat bezüglich des 59-jährigen Klägers erhebliche Zweifel, soweit es eine Vollzeitbeschäftigung betrifft. Dabei führt der Kläger zu Recht an, dass bei der heutigen Wirtschaftslage und dem Trend, möglichst junge Arbeitskräfte zu beschäftigen, es für einen 60-jährigen gelernten Maurer unter Berücksichtigung von altersbedingten Verschleisserscheinungen nur unter besonders glücklichen Umständen noch möglich ist, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden. Jüngere Arbeitskräfte sind im Baubereich schon gesundheits- und körperbedingt leistungsfähiger. Nur in Ausnahmefällen wird sich die besondere Erfahrung zugunsten eines älteren Arbeitnehmers auswirken. Dies gilt jedenfalls in dem Altersbereich, dem der Kläger zuzurechnen ist.

Dies heißt allerdings nicht, dass der Kläger generell keine Chancen hätte, zumindest in einer Nebentätigkeit (Teilzeitbeschäftigung) im erlaubten Maße hinzuzuverdienen. Dass der Kläger hierzu nennenswerte Anstrengungen unternommen hätte, ist nicht erkennbar. Soweit der Kläger vorträgt, schon krankheitsbedingt sei er nicht mehr in der Lage, einer Beschäftigung nachzugehen, ist dieser Vortrag völlig substanzlos. Er steht im übrigen im Widerspruch zu seinen behaupteten Bemühungen, eines neuen Arbeitsplatz zu finden. Der Kläger ist nicht etwa krankheitsbedingt arbeitslos geworden. Vielmehr ist sein ursprünglicher Arbeitgeber insolvent geworden. Hierdurch war eine weitere Beschäftigung des Klägers nicht mehr möglich. Die vom Kläger im mündlichen Termin nochmals genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind hauptsächlich altersbedingte Verschleisserscheinungen. Sie rechtfertigen nicht die Annahme einer generellen Arbeitsunfähigkeit. Bezeichnenderweise hat der Kläger auch keinen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt.

Die aufgezeigten Umstände rechtfertigen nach Auffassung des Senates die Annahme, dass der Kläger zumindest im erlaubten Umfang noch hinzuverdienen kann. Dies sind monatlich 165,00 €. Damit erhöht sich sein Einkommen fiktiv um diesen Betrag auf 909,00 € bis Ende Dezember 2003 und auf 853,00 € ab Januar 2004.

Die 3/7-Quote hieran als der Beklagten zustehender Unterhaltsanspruch würde sich damit auf 389,00 € bis Ende 2003 und auf 365,00 € ab Januar 2004 belaufen. Dieser Anspruch läge somit höher als der durch Vergleich titulierte Unterhaltsanspruch in Höhe von 285,30 €.

Allerdings bliebe hierbei unberücksichtigt, dass dem Beklagten grundsätzlich der angemessene Selbstbehalt von 1.000,00 € zu verbleiben hat. Dieser ist aber zu reduzieren, da der Kläger mietfrei im Hause seiner Mutter wohnt. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst erklärt hat, lebt er schon längere Zeit auch von der Unterstützung seiner Mutter. Nur so sei es ihm möglich gewesen, in der Vergangenheit den Unterhalt für die Beklagte zu zahlen. Damit steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Unterstützung durch die Mutter des Klägers nicht diesem alleine zukommen sollte, sondern dass die Mutter im Bewusstsein der Unterhaltsschuld ihres Sohnes diesem geldwerte Vorteile zukommen ließ. Damit ist der Wohnvorteil, den der Kläger genießt, nicht als freigiebige Zuwendung eines Dritten zu werten, die nur ihm, dem Begünstigten, zukommen sollte. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil der Kläger im Termin erklärt hat, dass für die Zukunft nach dem Ableben der Mutter geplant sei, dass er ein Wohnrecht an dem Haus erhalte, während seine Schwester das Haus erben solle.

Damit reduziert sich aber der dem Kläger zu belassende angemessene Selbstbehalt um den hierin enthaltenen Anteil für die Warmmiete in Höhe von 440,00 €. Allerdings kann dieser Warmmietanteil nicht im vollen Umfange vom angemessenen Selbstbehalt abgezogen werden, da der Beklagte für sich und seine Mutter verbrauchsabhängige Nebenkosten trägt. Unter Berücksichtigung der vom Kläger genannten Zahlungen an die Mutter geht der Senat davon aus, dass eine Verminderung des angemessenen Selbstbehaltes um 190,00.- € auf zunächst 810.- € angemessen erscheint.

Darüberhinaus war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seiner Mutter in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft lebt, in der beide voneinander profitieren. Dadurch vermindern sich die Lebenshaltungskosten des Beklagten erheblich. Der Senat schätzt diese Einsparungen auf rund 250,00 € monatlich. Damit wäre rein rechnerisch von einem dem Kläger jedenfalls zu belassenen Selbstbehalt von 560,00 € auszugehen. Tatsächlich verbleiben aber dem Kläger bei einer fiktiven Zurechnung von Erwerbseinkommen aus einer Nebentätigkeit bis Ende 2003 909,00 € - 285,30 € = 650,70 € und ab Januar 2004 853,00 € - 285,30 € = 567,70 €. Unter den gegebenen Lebensumständen ist damit - wie oben dargelegt - der angemessene Selbstbehalt des Klägers jedenfalls gedeckt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte bedürftig. Sie ist nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Beklagte hat durch ärztliche Atteste beginnend im Jahre 1988 belegt, dass sie gesundheitlich stark eingeschränkt ist. Schon 1988 wurden Verschleisserscheinungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen und Bluthochdruck diagnostiziert (vgl. Bescheid des Versorgungsamtes L. vom 28.09.1988 (Bl. 83 GA)). Außerdem wurde der Verlust der Gebärmutter sowie Narbe nach Schilddrüsenoperation attestiert. Dieser Gesundheitszustand hat sich in der Folgezeit verschlechtert wie insbesondere die ärztlichen Atteste des Dr. med. T vom 02.06.2003 und der Universitätsklinik C vom 05.05.2003 (Bl. 84 - 86 GA) zeigen. So wird in dem ärztlichen Attest des Dr. med. T vom 02.06.2003 ausgeführt, dass die Patientin (Beklagte) seit Jahren über therapierefraktäre Lumboischialgien klage und zwar zur Zeit rechts stärker ausgeprägt als links. Die Kernspintomographie der LWS ergab eine deutliche Fehlhaltung der LWS mit verstärkter Lumballordose. Die Höhe der Wirbelkörper lag im Normbereich. Festgestellt wurde eine deutliche Abflachung der Bandscheiben im gesamten LWS-Bereich insbesondere in den Segmenten L 1 bis L 5. Weiter wurden festgestellt erhebliche Signalalterationen im Abschlussplattenbereich von L 3/4 mit bandförmigen Signalanhebungen in den T 2- und Signalminderung in den T 1 - gewichteten Sequenzen im Sinne reaktiv-entzündlicher Veränderungen bzw. im Sinne eines reaktiv-entzündlichen Knochenmarködems. Erkannt wurden weiter Deformierungen der Intervertebralgelenke mäßiger Ausprägung mit geringgradiger Spiralkanalstenose in Höhe L 2/3, L 3/4 und diskret auch L 4/5. Zusätzlich kam es in Höhe L 2/3 zu einer medio-rechtslateralen Vorwölbung von Bandscheibengewebe in den Spinalkanal. In Höhe L 3/4 wurde eine ebenfalls umschriebene rechtsbetonte und mediale Vorwölbung von Bandscheibengewebe nach dorsal in den Spinalkanal festgestellt und in Höhe L 4/5 eine diskrete flachbogige Protrusion. Die Bandscheibe L 5/ S 1 ist nur geringgradig abgeflacht, ansonsten regelrecht konfiguriert. Das mitdargestellte caudale Myelon zeigt eine regelrechte Signalwirkung. Als Beurteilung wurde eine fortgeschrittene Osteochondrose und Spondylosis deformans mit Spondylarthrose im gesamten LWS-Bereich mit deutlichen reaktiv-entzündlichen Veränderungen in Höhe L 3/4 im Sinne einer aktivierten Osteochondrose niedergelegt. Darüberhinaus wurde diagnostiziert eine sekundäre mäßiggradige Spinalkanalstenose in Höhe L 2/3, L 3/4 und geringer L 4/5. Zusätzlich ergaben die medizinische Beurteilung medio-rechtslaterale Bandscheibenprolapse bei L 2/3 und L 3/4 sowie eine flachbogige mediale Protrusion bei L 4/5. Die Recessus laterales sind ebenfalls bei L 3/4 und L 4/5 geringgradig eingeengt. Eine Fehlhaltung mit verstärkter Lumballordose wurde festgestellt. In dem ärztlichen Attest der Universitätsklinik C vom 05.05.2003 wurde dann nochmals in der Anamnese niedergelegt, dass es sich um eine bekannte Patientin mit langjährigen chronischen LWS-Beschwerden und seit August mit Schmerzen im rechten Bein handele. Zu den näheren Einzelheiten vergleiche Seite 1 des vorgenannten ärztlichen Attestes (Bl. 86 GA).

Hieraus wird deutlich, dass es sich bei der Gesundheitsschädigung der Beklagten um einen lang anhaltenden Krankheitsprozess handelt, der sich im Laufe der Zeit deutlich verschlechtert hat. Ob die Beklagte in der Vergangenheit - insbesondere bei Abschluss des Vergleiches - erwerbstätig war, kann nicht festgestellt werden. Allerdings ist in dem Vergleich keine Erwerbsobliegenheit der Beklagten festgeschrieben, obwohl der gemeinsame Sohn der Parteien im März 1994 gut 13 Jahre alt war und die Beklagte schon eine gewisse Erwerbsobliegenheit traf. Fest steht aber, dass sich der Kläger in der Folgezeit nach Vertragsabschluss dazu verpflichtet fühlte, aufgrund freier Vereinbarung der Parteien den gezahlten Unterhalt über den titulierten Betrag hinaus zu erhöhen bis zuletzt Mitte 2000 auf rund 460,00 € (= 900,00 DM). Auch im vorliegenden Verfahren hat sich der Kläger zunächst nicht auf eine Erwerbsobliegenheit der Beklagten berufen. Erstmals ist diese Forderung im Berufungsverfahren aufgestellt worden. Diese Umstände sind gewisse Indizien dafür, das der Kläger in der Vergangenheit selbst davon ausgegangen ist, das die Beklagte jedenfalls zu einer Berufstätigkeit in größerem Umfang nicht verpflichtet war. Berücksichtigt man das Krankheitsbild der Beklagten und ihr nunmehriges Lebensalter von knapp 54 Jahren, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte jedenfalls keine Tätigkeit aufnehmen könnte, welche ihr das Existenzminimum sichern würde.

Damit schuldet aber der Kläger der Beklagten zumindest den durch Vergleich festgelegten nachehelichen Unterhalt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus § 708 Nr. 8, § 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.707,90 € festgesetzt (285,30 € Rückstand + 3.422,60 € laufender Unterhalt).

Ende der Entscheidung

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