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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: 4 UF 262/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1570
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 UF 262/02

Anlage zum Protokoll vom 16. Dezember 2003

Verkündet am 16. Dezember 2003

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers sowie die Richter am Oberlandesgericht Pamp und Blank auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 6. November 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl - 32 F 148/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung (18.03.2003) nachehelichen Unterhalt wie folgt zu zahlen:

1. vom 18.03.2003 bis 31.03.2003 73,00 €,

2. für April 2003 260,00 €,

3. für Mai 2003 203,00 €,

4. ab Juni 2003 171,00 € monatlich.

Die Zahlungen haben an das Sozialamt der Stadt Q zu erfolgen, soweit die Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin infolge von Sozialhilfeleistungen auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen sind.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II.

Für die I. Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 3/4 und der Antragsteller zu 1/4.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Antragsgegnerin hat nur teilweise Erfolg, nämlich soweit ab Rechtskraft der Scheidung der tenorierte Unterhalt geltend gemacht wird. Im übrigen ist die Berufung unbegründet, soweit darüber hinaus monatlicher nachehelicher Unterhalt von insgesamt 690,00 € geltend gemacht wird.

Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller gemäß § 1570 BGB nachehelicher Unterhalt in Höhe von 161,00 € für den Monat März 2003 (anteilig ab 18. März 2003 73,00 €), für den Monat April 260,00 €, für den Monat Mai 203,00 € (und zwar anteilig bis zum 11. Mai 93,00 € und ab dem 12. Mai 110,00 €) sowie ab Juni 2003 laufender monatlicher Unterhalt in Höhe von 171,00 € zu. Da die Antragsgegnerin für den gesamten Zeitraum Sozialhilfe bezieht und die bezogene Sozialhilfe über dem ausgeurteilten nachehelichen Unterhalt liegt, haben die Zahlungen für die Vergangenheit an den Sozialhilfeträger zu erfolgen, da der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin im Rahmen der bezogenen Sozialhilfe auf den Sozialhilfeträger von Gesetzes wegen übergegangen ist (§ 91 BSHG).

Der Antragsgegner ist in dem genannten Umfang leistungsfähig.

Ausweislich der "Bescheinigung über Arbeitsverdienst" des Arbeitgebers des Antragstellers verfügte dieser im Zeitraum 18. März 2003 (Rechtskraft der Scheidung) bis 11. Mai 2003 einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld über einen durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst von 2.234,59 € (vgl. Bl. 265 GA). Abzuziehen sind hiervon noch die vermögenswirksamen Leistungen von 40,00 €, die der Arbeitgeber für den Antragsteller zahlte.

Ab dem 30. März 2003 war der Antragsgegner sodann krankgeschrieben. Allerdings erhielt er im Rahmen der Lohnfortzahlung seinen Nettoarbeitsverdienst bis zum 11. Mai 2003 weiter. Ab 12. Mai 2003 bezieht der Antragsteller Krankengeld von täglich 50,68 €. Dies ergibt ein monatliches Krankengeld von 50,68 € x 365 Tage : 12 Monate = 1.541,42 € im Monat (gerundet: 1.542,00 €). Ab dem Zeitpunkt der Krankschreibung kann der Antragsteller keine Fahrtkosten mehr geltend machen. Die Fahrtkosten für den Zeitraum davor veranschlagt der Senat auf 104,00 €. Hierbei geht der Senat entsprechend dem Vortrag des Antragstellers von einer arbeitstäglichen Gesamtfahrtstrecke von 70 km aus.

Hinzuzurechnen waren dem Einkommen des Beklagten vom Senat geschätzte Vermögenserträgnisse in Höhe von 233,00 € monatlich. Der Antragsteller bestreitet zwar solche Einkünfte. Gleichwohl ist der Senat davon überzeugt, dass der Antragsteller noch über erhebliches Vermögen verfügt, aus dem er bei sachgerechter Anlage Erträge von jedenfalls 233,00 € im Monat erzielen kann. Ausweislich den eigenen Angaben des Antragstellers im Güterrechtsverfahren und seiner eigenen Aufstellung über sein Vermögen (Bl. 292, 293 GA) verfügte der Antragsteller im April 2000 über ein Vermögen von 240.860,00 DM. Den Verbrauch dieses Geldes konnte der Antragsteller jedenfalls zum großen Teil nicht plausibel erklären. Soweit er den Verlust seines Vermögens damit begründet, dass die von ihm erworbenen Daimler Optionen wertlos geworden seien, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass der Antragsteller über keinerlei Vermögen mehr verfügt. Die von ihm gekauften Daimler Optionen hatten einen Wert von 84.508,00 DM. Zieht man diese vom ursprünglichen Bestand des Vermögens von 240.860,00 DM ab, so verblieben dem Antragsteller noch 156.352,00 DM (= 79.941,50 €). Den Verbleib dieses Betrages bzw. den Verbrauch der entsprechenden Erlöse aus dem Verkauf von Wertpapieren konnte der Antragsteller für den Senat nicht nachvollziehbar erklären. Insbesondere ergibt sich aus seiner selbstgefertigten Vermögensaufstellung nicht, was mit diesen Geldern letztlich geschehen ist. Nähere Erläuterungen hierzu unterlässt der Antragsteller, obwohl er wiederholt zur konkreten Darlegung über die Verwendung seines Vermögens aufgefordert worden ist. Bei einer langfristigen Vermögensanlage schätzt der Senat die zu erzielende Rendite auf 3,5 % p.a., was im Jahr einen Betrag von 2.797,95 € ausmacht. Dies ergibt auf den Monat umgerechnet einen durchschnittlichen Monatsertrag von 233,00 €.

Nachdem der Antragsteller nunmehr durch Vorlage der entsprechenden Auskünfte der M und der Kreissparkasse L belegt hat, dass er zur Rückführung der Hausschulden insgesamt 822,00 € im Monat zahlt, waren auch diese Kreditbelastungen von seinem jeweiligen Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Darüber hinaus war das Nettoeinkommen des Antragstellers um den gezahlten Kindesunterhalt von insgesamt 500,00 € im Monat zu vermindern.

Soweit der Antragsteller ab dem 12. Mai 2003 Krankengeld bezieht, war zu berücksichtigen, dass sein Arbeitgeber ihm für das Jahr 2003 weiterhin Weihnachts- und Urlaubsgeld zahlt. Dies macht im Monatsdurchschnitt 234,00 € aus, nämlich (1.796,98 € + 1.012,84 €) : 12 (vgl. Bl. 265 GA).

Weiter war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nunmehr zugestandenermaßen derzeit jedenfalls zum teilweisen Ausgleich seiner Vermögenseinbußen aufgrund des Bezuges von Krankengeld ab Mai 2003 durchschnittlich Leistungen seiner Arbeitgeberin in Höhe von 214,00 € im Monat bezieht. Dieser Betrag ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 18. November 2003 (Bl. 364 GA) vorgetragenen Beträgen. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller für Mai und Juni 2003 Leistungen der Arbeitgeberin in Höhe von monatsdurchschnittlich 200,00 € bezogen hat.

Im Hinblick auf den Bedarf der Antragsgegnerin geht der Senat davon aus, dass dieser ein fiktives Einkommen in Höhe von 500,00 € im Monat netto zuzurechnen ist. Im Hinblick auf diesen relativ geringen zuzurechnenden Verdienst bestehen seitens des Senates keine Bedenken an deren Unterhaltsbedürftigkeit im übrigen. Sie kann vom Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, sie könne sich ihren Unterhalt bereits in vollem Umfange selbst verdienen.

Die Antragsgegnerin pflegt und betreut zwei Kinder im Alter von jetzt 15 (B geb. 28.09.1988) und 13 Jahren (T geboren 14.10.1990). Damit ergibt sich eine - eingeschränkte - Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin frühestens ab September 2002. Im August/September 2002 machte sich die Antragsgegnerin mit einem Blumenladen selbständig. Sie arbeitete vollschichtig. Damit war zunächst ein Teil ihrer Tätigkeit überobligationsmäßig. Denn die Antragsgegnerin brauchte bei zwei zu betreuenden Kindern in dem genannten Alter mit Erreichen des 14. Lebensjahres des älteren Kindes nicht sofort wieder voll zu arbeiten. Allenfalls war ihr eine Halbzeittätigkeit zumutbar. Die Antragsgegnerin war gehalten, sich ab September 2002 um eine entsprechende Arbeitsstelle zu bemühen. Grundsätzlich kann der Antragsgegnerin nicht vorgeworfen werden, dass sie sich selbständig machte. Denn in der Regel ist dem Erwerbsverpflichteten mit Ausnahme eine gewisse Orientierungsphase zuzubilligen. Allerdings schloss diese Entscheidung auch mit ein, dass sich die Antragsgegnerin vergewisserte, ob das Risiko, sich selbständig zu machen, kalkulierbar war. Hierbei sind der Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Eigenbedarfsdeckung und das Recht zur freien Berufswahl gegeneinander abzuwägen. Steht fest, dass das Einkommen aus der gewählten Tätigkeit nachhaltig nicht auskömmlich sein wird, wird dieses Recht gegenüber der Verpflichtung zur Eigenversorgung zurückzutreten haben. In diesem Fall ist der Unterhaltsschuldner gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten einer nachhaltigen bedarfsdeckenden Tätigkeit nachzugehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat der Überzeugung, dass das von der Antragsgegnerin eingegangene Risiko, sich selbständig zu machen, nicht kalkulierbar war. Die Antragsgegnerin hat sich, wie sich aus ihrer Anhörung insbesondere im Termin am 13. Mai 2003 ergeben hat, ohne vorherige Planung selbständig gemacht. Sie hat weder eine Marktanalyse angestellt noch im einzelnen überprüft, welche Kosten ihr entstehen werden und mit welchen Einnahmen sie rechnen konnte. Trotz eindringlicher Befragung seitens des Senates konnte die Antragsgegnerin zu ihren kalkulatorischen Vorüberlegungen keinerlei Angaben machen. Von daher muss der Antragsgegnerin vorgeworfen werden, dass sie sich keinerlei Gedanken zum eingegangenen unternehmerischen Risiko gemacht hat. Die weitere Entwicklung des Geschäftsbetriebes zeigt dann auch, dass die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit an dem konkreten Ort mit den konkreten Belastungen von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Hätte die Antragsgegnerin, wie man es von einem verantwortungsbewussten Unternehmer zu fordern hat, fundierte unternehmerische Untersuchungen angestellt, hätte sie dies unschwer erkennen können. Sie hätte dann von ihrem Plan sicher Abstand genommen.

Daher war die Antragsgegnerin von vornherein gehalten, sich sofort um eine Beschäftigung in abhängiger Tätigkeit zu kümmern. Bis heute hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, dass sie sich in ausreichender Form um eine entsprechende Tätigkeit gemäß ihrer Ausbildung gekümmert hat. Die Antragsgegnerin ist gehalten, die Zeit, die ihr aufgrund der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht, damit zu nutzen, entsprechende qualifizierte Bewerbungsschreiben zu fertigen und sich auch sonst in geeigneter Weise um Arbeit zu bemühen. Solche Bemühungen sind jedenfalls in dem zu fordernden Umfang nicht belegt. Der Senat ist der Auffassung, dass es der Antragsgegnerin auch möglich ist, eine Halbtagstätigkeit mit einem durchschnittlichen Nettoverdienst von 500,00 € monatlich zu erhalten. Dies wäre z.B. schon durch Aufnahme von zwei Geringverdienertätigkeiten möglich.

Ausgehend von diesen Überlegungen ergeben sich folgende Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin:

I.

Für die Zeit bis 31.03.2003:

1.

Monatsnettoverdienst des Antragstellers 2.234,59 €

2.

weitere Abzüge

a) vermögenswirksame Leistungen 40,00 €

b) Fahrtkosten (geschätzt) 104,00 €

Zwischensumme: 2.090,59 €

3.

zuzüglich Vermögenserträgnisse 233,00 €

Zwischensumme: 2.323,59 €

4.

weitere Abzüge

a) Kreditraten 822,00 €

b) Kindesunterhalt 500,00 €

5.

bereinigtes Nettoeinkommen des Antragstellers 1.001,59 €

6.

abzüglich fiktives Einkommen der Antragsgegnerin 500,00 €

7.

Differenzeinkommen der Parteien 501,59 €

8.

Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin (3/7 von 501,59 €) 214,97 €.

Dem Beklagten muss allerdings der Mindestselbstbehalt von 840,00 € verbleiben. Er ist damit lediglich in Höhe von 161,00 € leistungsfähig. Damit ergibt sich für den Restmonat März ein nachehelicher Unterhalt von gerundet 73,00 € (14/31 von 161,00 €).

II.

Unterhaltsanspruch April 2003

1.

bereinigtes Nettoeinkommen des Antragstellers (1.001,59 € + weggefallene Fahrtkosten : 104,00 €) 1.105,59 €

2.

abzüglich fiktives Einkommen der Antragstellerin 500,00 €

3.

Differenzeinkommen der Parteien 605,59 €

4.

Unterhaltsanspruch der Klägerin (3/7 von 605,59) 259,53 € gerundet ergibt dies einen Unterhaltsanspruch der Klägerin für April 2003 von 260,00 €

damit verbleiben dem Beklagten noch 845,59 €, so dass sein Mindestselbstbehalt gedeckt ist.

Bis einschließlich 11. Mai 2003 ist dieser Monatsunterhalt geschuldet, so dass sich für Mai 2003 monatsanteilig ein Anspruch von 11/31 von 260,00 € = 92,26 € (gerundet: 93,00 €) ergibt.

III.

Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ab 12. Mai 2005

1.

bezogenes Krankengeld des Antragstellers 1.542,00 €

2.

zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld 234,00 €

3.

zuzüglich Leistung der Arbeitgeberin 1.283,87 € : 6 = 214,00 €

4.

zuzüglich Vermögenserträgnisse 233,00 €

Gesamtnettoeinkommen des Antragstellers 2.223,00 €

5.

abzüglich Kreditraten 822,00 €

6.

abzüglich gezahlter Kindesunterhalt 500,00 €

bereinigtes Nettoeinkommen des Antragstellers im Monat 901,00 €

7.

abzüglich fiktiven Einkommen der Antragsgegnerin 500,00 €

8.

Differenzeinkommen der Parteien 401,00 €

9.

Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin (1/2 von 401,00 €) 200,50 €.

Allerdings müssen dem Antragsteller 730,00 € im Monat als Mindestselbstbehalt des Nichterwerbstätigen verbleiben, so dass sich der Unterhaltsanspruch auf 171,00 € im Monat reduziert. Dies ergibt für den Monat Mai ab 12. Mai einen anteiligen Unterhaltsanspruch von 20/31 von 171,00 € = 110,32 € (gerundet 110,00 €).

Damit beläuft sich der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin für den Monat Mai auf 93,00 € (1. Mai bis 11. Mai 2003) plus 110,00 € (12. Mai bis 31. Mai 2003), insgesamt also 203,00 €.

Ab dem 1. Juni 2003 schuldet der Antragsteller laufenden Unterhalt in Höhe von 171,00 € monatlich.

Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 93 a Abs. 1 ZPO und für die zweite Instanz auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

1. bis zum 13.05.2003 12 x 850,00 € = 10.200,00 €

2. ab dem 13.05.2003 (teilweise Berufungs- rücknahme im Termin vom 13.05.2003) 12 x 690,00 € = 8.280,00 €

Ende der Entscheidung

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