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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.11.2009
Aktenzeichen: 4 UF 60/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2 Satze 1
BGB § 1610
BGB § 1612
BGB § 1615
ZPO § 323
EGZPO § 36 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 26.02.2009 - 35 F 94/06 - unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Februar 2006 bis zum 10.05.2007 einschließlich unter teilweiser Abänderung der Jugendamtsurkunde der Stadt ... vom 15.06.1989 - Urkundenregisternummer XX. - einen über den titulierten Betrag von zuletzt 291,00 € hinausgehenden Betrag von weiteren 25,00 € monatlichen Kindesunterhalt von zu zahlen.

Im Übrigen wird die Unterhaltsklage als unzulässig abgewiesen. Es verbleibt insoweit bei dem titulierten Unterhalt gemäß Urkunde des Jugendamtes der Stadt ... vom 15.06.1989 - Urkundenregisternummer XX. -.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Die Unterhaltsabänderungsklage der Klägerin ist nämlich nur insoweit zulässig und begründet, als sie für die Zeit von Februar 2006 bis zum Eintritt ihrer Volljährigkeit (10.05.2007) eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels um 25,00 € monatlich begehrt. Dagegen ist ihre weitergehende Abänderungsklage in dem noch verfolgten Umfang unzulässig, da ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt.

Zu Recht wehrt sich der Beklagte gegen eine (weitere) Verurteilung zur Zahlung von monatlichem Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind von mehr als 25,00 € sowie Ausbildungsunterhalt für die Zeit ab Volljährigkeit, da für die weitergehende Abänderungsklage der Klägerin bereits ein Unterhaltstitel in Form der Jugendamtsurkunde der Stadt ... vom 15.06.1989 zu Urkundenregisternummer XX. besteht.

Der Beklagte hat sich nämlich gemäß Jugendamtsurkunde vom 15.06.1989 der Stadt ... zu Urkundenregisternummer XX. verpflichtet, an die Klägerin monatlichen Kindesunterhalt in Höhe der jeweiligen Regelbeträge nach der Regelbetragsverordnung in der jeweils gültigen Fassung abzüglich des anteiligen Kindergeldes zu zahlen. In der Jugendamtsurkunde heißt es unter Ziffer II. wie folgt:

"II. Ich verpflichte mich, für die Zeit vom 11.05.1989 an den Regelunterhalt unter Berücksichtigung einer gemäß § 1615 BGB anzurechnenden Sozialleistung von derzeit monatlich 25,00 DM im voraus zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters bis zum 1. eines jeden Monats zu zahlen, die rückständigen Beträge sofort. Mit den Unterhaltsleistungen sollen die jeweils ältesten Unterhaltsforderungen beglichen werden. Wegen der Erfüllung der Verbindlichkeit aus dieser Urkunde hinsichtlich des Regelunterhaltes unterwerfe ich mich der gerichtlichen Beschlussverfahren (§§ 642 a, 642 b, 642 d ZPO)."

Damit hat die Klägerin einen dynamisierten Unterhaltstitel erhalten. Der titulierte Unterhaltsanspruch ist nämlich nicht auf die in Ziffer III. der Jugendamtsurkunde der Stadt ... vom 15.06.1989 zu Urkundenregisternummer XX. genannten Zahlbeträge beschränkt. Ziffer III. lautet wie folgt:

"III. Ich erkenne an, dass der Betrag meiner unter II. übernommenen Verpflichtung zur Zeit für die Altersgruppe

Geburt - vollendetem 6. Lebensjahr 226,00 DM,

7. - vollendetem 12. Lebensjahr 279,00 DM,

13. - vollendetem 18. Lebensjahr 335,00 DM

ausmacht und verpflichte mich zur Zahlung des jeweiligen Betrages."

Die Ziffer III. legt damit nur die damalige Zahlungsverpflichtung ( "zur Zeit" ) fest und zwar anhand der Werte der damals gültigen Düsseldorfer Tabelle gemäß den damals gültigen Regelbeträgen. Soweit sich der Regelbetrag wegen Änderung der Regelbetragsverordnung änderte, passten sich die titulierten Ansprüche der Klägerin automatisch an den jeweils gültigen Regelbetrag an. Bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestand damit ausweislich der Werte der Düsseldorfer Tabelle in der bis Juni 2007 gültigen Fassung für die Klägerin bereits ein Unterhaltstitel in Höhe von 291,00 € (Zahlbetrag), so dass entsprechend ihrem zuletzt gestellten Antrag nur noch bezüglich des überschießenden Betrags von 25,00 € monatlich die Abänderungsklage Erfolg hat.

Insoweit ist das Amtsgericht fälschlicherweise davon ausgegangen, dass gemäß der Jugendamtsurkunde bis zum Eintritt der Volljährigkeit lediglich ein Unterhaltsanspruch von monatlich 335,00 DM (= 171,28 €) tituliert sei.

Der Beklagte ist leistungsfähig, Kindesunterhalt gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 2 Satz 1, 1603 Abs. 1, 2 Sätze 1, 1610, 1612 BGB in Höhe von insgesamt 316,00 € monatlich zu zahlen.

Das Familiengericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Bedarf der Klägerin der Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle in der damals gültigen Fassung zu entnehmen ist und dass der Beklagte in dieser Höhe auch leistungsfähig ist.

Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beklagten gehen im Ergebnis fehl. Nicht angegriffen wird von dem Beklagten das Urteil, soweit das Familiengericht von einer von ihm bezogenen monatlichen Rente von rund 1.250,00 € ausgeht.

Soweit sich der Beklagte dagegen wehrt, dass ihm Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung für den genannten Zeitraum zugerechnet werden, ist diesem Einwand zu folgen, da sich aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Steuerbescheid für das Jahr 2006 (Bl. 283 ff. GA), ergibt, dass tatsächlich im Jahr 2006 und wohl auch danach keine Einnahmen mehr aus Vermietung und Verpachtung erzielt worden sind. Das hängt damit zusammen, dass die Immobilien verkauft werden sollten bzw. die als Ferienwohnung vermieteten Immobilien Verluste machten.

Allerdings führt dies nicht dazu, dass beim Beklagten nur von Einnahmen in Höhe der Rentenbezüge auszugehen ist. Vielmehr hat der Beklagte jedenfalls in der Zeit von Februar 2006 bis Mai 2007 noch eine eigene Wohnung in C. genutzt. Die Wohnungsgröße beläuft sich auf ca. 110 qm. Daher kann ohne weiteres von einem Wohnvorteil in Höhe von 650,00 € ausgegangen werden. Für tatsächlich bediente Belastungen in dieser Zeit ist nichts erkennbar. Es wird mit der Berufung auch nicht konkret hierzu vorgetragen. Daher geht der Senat von einem Einkommen des Beklagten von 1.900,00 € aus.

Soweit der Beklagte berufliche Aufwendungen geltend machen will, kann dem nicht gefolgt werden. Der Beklagte bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Auch bei seiner mündlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte keine für den Senat plausiblen Angaben dazu machen können, dass und insbesondere in welcher konkreten Höhe er für weitere Fortbildungen tatsächlich notwendige und erfolgversprechende Aufwendungen gemacht hat. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, er bemühe sich um eine Weiterbildung als Sachverständiger in seinem früher ausgeübten Beruf des Kfz-Handwerks, ist dieser Vortrag auch in der mündlichen Verhandlung ganz vage geblieben und gibt dem Senat keine Grundlage für eine Schätzung evt. tatsächlich angefallener Kosten.

Zu Recht hat auch das Berufungsgericht die exorbitant hohen angeblichen Kosten für Medikamentenaufwand außer Ansatz gelassen. Auch hierzu fehlt jeglicher substantieller Vortrag. Dieser konnte auch nicht in der mündlichen Verhandlung bei seiner Anhörung konkretisiert werden.

Richtig rügt der Beklagte, dass das Familiengericht bei der Berechnung seines Einkommens die Unterhaltslasten bezüglich seiner beiden minderjährigen Kinder in Österreich außer Ansatz gelassen hat. Dies verleiht der Berufung aber keinen Erfolg. So führt die Klägerin an, dass der Beklagte tatsächlich in der hier genannten Zeit keinerlei Zahlungen an seine beiden anderen minderjährigen Kinder erbracht hat. Absetzbar vom Einkommen sind aber grundsätzlich nur die tatsächlichen Belastungen.

Aber auch wenn man die geschuldeten Unterhaltsleistungen für diese beiden Kinder berücksichtigt, konnte der Beklagte der Klägerin bis zu ihrer Volljährigkeit monatlich 316,00 € Kindesunterhalt zahlen.

Geht man von einem Einkommen des Beklagten zwischen 1.700,00 € und 1.900,00 € aus, ist der Unterhaltsbedarf der Klägerin von 353,00 € zutreffend gemäß dem Tabellenbetrag entsprechend der 4. Einkommensgruppe in der 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle belegt, was einen Zahlbetrag von 316,00 € ausmacht. Dieser Unterhaltsanspruch besteht für die Zeit von Februar 2006 bis zum Eintritt der Volljährigkeit, ohne dass es auf die Frage der Einkommensverhältnisse auf Seiten der Kindesmutter ankäme. Denn bis zum Eintritt der Volljährigkeit besteht gegenüber der betreuenden Kindesmutter kein Barunterhaltsanspruch der Klägerin.

Selbst wenn man die gemäß Verpflichtungserklärung des Beklagten titulierten Unterhaltsansprüche der Kinder C. M., geboren am 13.01.2004, in Höhe von monatlich 157,00 € und O. M., geboren am 25.05.2006, in Höhe von 125,00 € berücksichtigt, verbleiben dem Beklagten bei anrechenbaren Belastungen von maximal 200,00 € jedenfalls noch 1.418,00 €, so dass der Beklagte jedenfalls den Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 316,00 € zahlen kann, ohne dass sein Mindestselbstbehalt von 770,00 € unterschritten wäre.

Ob der Beklagte auch für die Zeit ab Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin in der mit der Abänderungsklage geltend gemachten Höhe leistungsfähig ist, braucht nicht entschieden zu werden, da insoweit bereits ein Unterhaltstitel in Form der fortbestehenden Jugendamtsurkunde der Stadt ... vom 15.06.1989 zu Urkundenregisternummer XX. existiert. Denn die in der Jugendamtsurkunde unter II. bestimmte Zahlungsverpflichtung des Beklagten ist nicht auf die Zeit der Minderjährigkeit der Klägerin beschränkt. Es ist nämlich im Falle eines titulierten Kindesunterhaltsanspruchs davon auszugehen, dass aus nicht befristeten Unterhaltstiteln über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus weiter vollstreckt werden kann, bis eine Abänderung durch den Unterhaltsschuldner durchgesetzt worden ist. Eine solche Abänderungsklage ist seitens des Beklagten bisher nicht angestrengt worden.

Der Senat folgt der Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg in seiner Entscheidung vom 30.09.2008 (OLGR Brandenburg, FamRZ 2009, 475, 476), dass für eine eingereichte Leistungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn mit einer Jugendamtsurkunde bereits ein Unterhaltstitel vorliegt, aus dem vollstreckt werden kann (OLG Brandenburg a.a.O. mit Zitat von Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., vor § 253 Rnr. 18 a). Nur soweit höherer Unterhalt beansprucht wird, kann danach dies mit der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend gemacht werden (vgl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323 Rnr. 47). Der Abänderbarkeit wie auch dem Fortbestand der Jugendamtsurkunde steht nicht entgegen, dass die Klägerin inzwischen volljährig geworden ist. Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes ist identisch mit dessen Unterhaltsanspruch nach Eintritt der Volljährigkeit. Demzufolge kann ein Kind, wenn es während seiner Minderjährigkeit einen Unterhaltstitel gegen seine Eltern erlangt hat, auch nach Eintritt der Volljährigkeit ein Erhöhungsbegehren im Wege der Abänderungsklage geltend machen (OLG Brandenburg a.a.O. mit Zitat von BGH FamRZ 1984, 682; OLG Zweibrücken NJWE-FER 2000, 53; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 323 Rnr. 21). Andererseits braucht es sich nicht den Unterhalt mit Eintritt der Volljährigkeit (erneut) titulieren zu lassen. So liegt der Fall hier. Aus der vorzitierten Ziffer II. der Jugendamtsurkunde ergibt sich eindeutig, dass eine Beschränkung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten auf die Zeit der Minderjährigkeit der Klägerin nicht erfolgt ist. Etwas Anderes kann auch nicht aus Ziffer III. der vorgenannten Urkunde hergeleitet werden.

In II. der vor genannten Urkunde ist der Unterhalt unbefristet übernommen worden. Soweit in Ziffer III. der vor genannten Urkunde die Unterhaltsbeträge nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ausgewiesen sind, hat dies darin seine Ursache, dass die Regelbetragsverordnung Werte nur bis zur Volljährigkeit ausweist und die Zuständigkeit des Jugendamtes mit Eintritt der Volljährigkeit entfällt, für eine Fortschreibung der Werte also kein Bedürfnis besteht. Dies hat zur Folge, dass die Höhe des Unterhaltes auch für das volljährig gewordene Kind auf den Regelbetragssatz für die 3. Altersstufe festgeschrieben ist. Soweit das volljährige Kind einen höheren Unterhalt beansprucht - etwa entsprechend der 4. Altersgruppe - muss der erhöhte Betrag - aber auch nur dieser Spitzenbetrag - im Wege der Abänderungsklage geltend gemacht werden.

Damit betrug/beträgt der titulierte monatliche Unterhaltsanspruch der Klägerin (Zahlbetrag) ab der Zeit ihrer Volljährigkeit gemäß der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle bis einschließlich Juni 2007 291,00 €, so dann bis zum 31.12.2007 288,00 €, ab Januar 2008 weiter 288,00 € und ab Januar 2009 295,00 €. Aufgrund der Übergangsregelung in § 36 Nr. 3 EGZPO ist nach der Neuregelung des Unterhaltsrechtes zum 01.01.2008 auf die Mindestunterhaltssätze abzustellen. Dort ist geregelt, dass, wenn Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten ist - wie hier 100 % - es bei dem Titel verbleibt. Eine Abänderung ist nicht erforderlich. An die Stelle der bisherigen Prozentsätze vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt. Da vorliegend 100 % des Regelbetrags geschuldet war, ist nunmehr der Mindestunterhalt - wie oben genannt - tituliert. Da die Klägerin mit ihrer Abänderungsklage keinen höheren Unterhalt als monatlich 288,00 € für die Zeit ab ihrer Volljährigkeit - also ab Januar 2009 sogar weniger als tituliert - fordert, fehlt ihrer Abänderungsklage ab dem 11.05.1007 insgesamt das Rechtsschutzinteresse.

Für die Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit bedarf es daher keiner weiteren Erörterungen zum Umfang des Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegenüber dem Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Die Klägerin hatte mit ihrer Klage nur in ganz geringem Maße Erfolg. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten übersteigt das Obsiegen der Klägerin in diesem Rechtsstreit nicht die 5 %-Marke.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt wie bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung festgesetzt 2.026,08 €.

Ende der Entscheidung

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