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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 4 UF 76/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 620 f
ZPO § 620 g
ZPO § 707
ZPO § 769
ZPO § 620 b Abs. 1
ZPO § 620 Ziffer 6
ZPO § 620 f Abs. 1 Satz 1
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 76/02

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers, die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer und den Richter am Oberlandesgericht Blank

am 7. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten vom 22.03.02 (Bl. 92 GA) auf Abänderung der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 2. März 2000 - 32 F 534/99 EA UE - wird zurückgewiesen.

Auf den Antrag des Beklagten vom 22.03.2002 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (Bl. 92 GA) wird die Zwangsvollstreckung aus der vorgenannten einstweiligen Anordnung des Familiengerichts Brühl gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt, soweit die Klägerin daraus wegen eines über 409,50 € hinausgehenden Monatsbetrages vollstreckt.

Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt 125 % des jeweils über den Monatsbetrag von 409,50 € hinausgehenden zu vollstreckenden Betrages.

Gründe:

Der gemäß § 620 b) Abs. 1 ZPO zulässige Antrag des Beklagten auf Abänderung der im Beschlusstenor näher bezeichneten einstweiligen Anordnung ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 620 f Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen und auch sonstige Abänderungsgründe nicht ausreichend dargetan sind.

Nach § 620 f Abs. 1 Satz 1 ZPO tritt eine einstweilige Anordnung u. a. beim Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung mit der Folge außer Kraft, dass sie entweder ganz aufzuheben oder in Ansehung der anderweitigen Regelung entsprechend abzuändern ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist aber das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 6. Februar 2002 - 32 F 534/99 - (Bl. 374 bis 380 GA 4 UF 40/02), mit welchem der Beklagte für die Zeit ab 1.01.2002 lediglich zur Zahlung von monatlichem Trennungsunterhalt in Höhe von 409,50 € verurteilt worden ist, keine "anderweitige Regelung" im Sinne von § 620 f ZPO gegenüber der hier angegriffenen einstweiligen Anordnung vom 2. März 2000 des Familiengerichts Brühl - 32 F 534/99 EA UE -, mit welcher der Beklagte einstweilen verpflichtet worden ist, an die Klägerin ab dem 01.02.2000 einen monatlichen Unterhalt von 1.006,00 DM (entsprechend 514,36 €) zu zahlen.

Das Unterhaltsurteil in der Hauptsache ist nämlich noch nicht rechtskräftig. Beide Parteien haben hiergegen Berufung eingelegt.

Ob ein noch nicht rechtskräftiges Unterhaltsurteil in der Hauptsache eine "anderweitige Regelung" gegenüber einer einstweiligen Anordnung nach § 620 Ziffer 6 ZPO darstellt, ist umstritten. Aus dem Wortlaut des § 620 f ZPO geht nicht hervor, wann Unterhaltsurteile wirksam werden. Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes (so Urteil des XII. Zivilsenates vom 27.10.1999 - XII ZR 239/97 - , veröffentlicht in FamRZ 2000, 751) werden Urteile, durch die eine Partei vorläufig vollstreckbar zur Unterhaltszahlung verurteilt wird, erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam. Nach anderer Meinung sollen solche Urteile wirksam werden, wenn sie ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind und die Vollstreckung nicht nach § 711 abgewendet werden darf (vgl. u. a. Gießler, Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe- Familien- und Kindschaftssachen, 3. Auflage, 2000, Rnr. 607 sowie u. a. OLG Stuttgart FamRZ 2001, 359). Das OLG Düsseldorf (so FamRZ 96, 745 m. w. N.) unterscheidet außerdem dahin, dass, soweit ein vorläufig vollstreckbares Urteil einem Ehegatten weniger Unterhalt zuspricht, als eine vorausgegangene einstweilige Anordnung, diese sogleich außer Kraft tritt; soweit es gleichhohen oder höheren Unterhalt zuspreche, bleibe die Anordnung bestehen, wenn das Urteil nur mit Einschränkungen vorläufig vollstreckbar sei. Die Oberlandesgerichte Hamm (so FamRZ 84, 718) und Zweibrücken (so FamRZ 2001, 259) behandeln vorläufig vollstreckbare Urteil schlechthin als wirksam.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass sämtliche Urteile in Unterhaltssachen erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam werden (vgl. u. a. Zöller-Philippi, ZPO, 23. Auflage 2002, § 620 f Rnr. 22). Hierfür spricht der Sinn des § 620 f ZPO. Einstweilige Anordnungen sollen die Rechtskraft der Scheidung überdauern. Es soll verhindert werden, dass ein regelungsloser Zustand zwischen einstweiliger und endgültiger Lösung eintritt. Wird die einstweilige Anordnung durch ein nur vorläufig vollstreckbares Urteil ersetzt, wird lediglich ein Provisorium durch ein anderes ausgetauscht. Denn ein Urteil, das nur vorläufig vollstreckbar, aber noch nicht rechtskräftig ist, stellt keine endgültige Lösung im Sinne des § 620 f ZPO dar. Die Ersetzung der einstweiligen Anordnung durch die Regelung im nur vorläufig vollstreckbaren Urteil würde aber gerade den zu vermeidenden regelungslosen Zustand zwischen einstweiliger und endgültiger Lösung herbeiführen, wenn das Rechtsmittelgericht das vorläufig vollstreckbare Urteil der Vorinstanz aufhebt und die Sache an die Vorinstanz zurückverweist. Ein solcher regelungsloser Zustand würde auch dann eintreten, wenn während des in der Berufungsinstanz noch anhängigen Rechtsstreites auf Trennungsunterhalt die Ehe rechtskräftig geschieden wird. Denn nur bis zur Rechtskraft der Scheidung könnte der unterhaltsberechtigte Ehegatte aus dem Titel auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen den Unterhaltsschuldner vorgehen. Dagegen hätte die einstweilige Anordnung auch noch nach Rechtskraft der Scheidung Bestand.

Der Senat verkennt nicht, dass nach der von ihm vertretenen Auffassung der Unterhaltsschuldner, hier der Beklagte, der Gefahr ausgesetzt ist, dass der Unterhaltsberechtigte (hier die Klägerin) weiterhin aus der einstweiligen Anordnung vollstreckt, obwohl ihm laut Urteil in der Hauptsache kein oder weniger Unterhalt zusteht, als in der einstweiligen Anordnung tituliert worden ist. Hiergegen kann sich der Unterhaltsschuldner aber mit der Vollstreckungsabwehrklage und dem Antrag zur Wehr setzen, die Vollstreckung aus der einstweiligen Anordnung einstweilen einzustellen. Daneben kann sich der Vollstreckungsschuldner im Rahmen des in der Hauptsache anhängigen Berufungsverfahrens analog § 769 ZPO insoweit wehren, als er die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung erstrebt.

Auch sonstige Abänderungsgründe sind nicht ersichtlich. Ein solcher Abänderungsgrund würde dann vorliegen, wenn es ganz offensichtlich wäre, dass der Beklagte unter keinen Umständen einen höheren als den im Hauptsacheverfahren ausgeurteilten Unterhalt schuldet.

Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Sowohl die Klägerin wie auch der Beklagte haben gegen das erstinstanzliche Urteil des Familiengerichts auf Zahlung von Trennungsunterhalt Berufung eingelegt. Die Parteien tragen streitig zur Leistungsfähigkeit des Beklagten und zur Bedürftigkeit der Klägerin vor. Insoweit bedarf es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch den Senat. Jedenfalls kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Klägerin ab April 2002 der in der einstweiligen Anordnung titulierte Unterhaltsbetrag tatsächlich zusteht. Das summarische Verfahren nach § 620 ZPO soll nicht das Hauptsacheverfahren vorwegnehmen. Es genügt eine hinreichende Glaubhaftmachung der Tatsachen, die den geforderten Unterhaltanspruch rechtfertigen. Andererseits sieht der Senat die Gefahr, dass der Beklagte Nachteile dadurch erleidet, dass weiterhin ohne Einschränkung aus der einstweiligen Anordnung vollstreckt wird. Denn insoweit zu viel gezahlte Unterhaltsbeträge können weder aus Bereicherungsrecht noch analog § 641 g), 717 Abs. 2, 945 ZPO zurückgefordert werden (vgl. insoweit BGH FamRZ 2000, 751, 752 f).

Deswegen ist der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung aus der einstweiligen Anordnung des Familiengerichts Brühl vom 02.03.2000 gemäß dem Hilfsantrag analog § 769 ZPO begründet. Der Beklagte kann gegen Sicherheitsleistung die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangen.

Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung kommt nicht in Betracht, da insoweit das Gläubigerschutzinteresse vor dem Schuldnerschutzinteresse Vorrang hat. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO unterliegt denselben Voraussetzungen wie die nach § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 707 ZPO. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Konzeption der §§ 709 bis 714 ZPO gebührt im Zweifel den Interessen des Gläubigers der Vorrang. Angesichts dessen setzt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine besondere Gefährdung des Schuldnervermögens voraus, nämlich die Gefahr eines Schadens, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht. Ein solcher besonderer Gefährdungstatbestand ist dadurch gegeben, dass die Klägerin aus der einstweiligen Anordnung ohne Sicherheitsleistung auch wegen solcher Unterhaltsbeträge vollstrecken kann, die über den titulierten Unterhaltsanspruch in der Hauptsache hinausgehen. Von daher bedarf es der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung gegen Sicherheitsleistung.

Eines weitergehenden Schutzes des Beklagten bedarf es nicht. Grundsätzlich sollen einstweilige Anordnungen ohne weiteres vollstreckbar sein. Dieser Grundsatz muss insoweit gelten, als der Beklagte auch im Hauptsacheverfahren zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden ist. Deshalb verbleibt es bei der Zwangsvollstreckungsmöglichkeit der Klägerin ohne Sicherheitsleistung. Lediglich für den überschiessenden Betrag soll der Beklagte die Möglichkeit erhalten, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass zuviel gezahlte Beträge nicht rückforderbar sind. Dagegen ist die Klägerin ausreichend dadurch geschützt, dass sie in Höhe von 409,50 € ohne weiteres vollstrecken kann.

Im Hinblick auf § 620 g ZPO ist eine Kostenentscheidung entbehrlich. Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung entstehenden Kosten gelten für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten der Hauptsache.

Gegenstandswert des Abänderungsverfahrens:

12 x (514,36 € - 409,50 €) = 1.258,32 € (= 2.461,00 DM).

Ende der Entscheidung

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