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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.10.2006
Aktenzeichen: 4 WF 142/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Köln vom 17. Mai 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragstellerin war durch Beschluss vom 21. Dezember 2000 unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. in X. ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Verbundverfahren über Scheidung, Versorgungsausgleich, Umgangsregelung und Zugewinnausgleich bewilligt worden. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte die Antragstellerin ein Bruttoeinkommen von 2.750 DM sowie eine Miete einschließlich Nebenkosten von insgesamt 1.070 DM angegeben. Ferner waren an Vermögenswerten aufgeführt ein halber Miteigentumsanteil an einem Grundstück in X., ein Kontoguthaben von 6.044 DM, ein PKW im Wert von ca. 6.500 DM sowie zwei Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert/Guthaben von 6.026 DM und 10.261 DM. Aus einem nachgereichten Übertragungsvertrag aus dem Jahr 1996 (Bl. 21 ff) ergab sich ein von den Vertragparteien damals angegebener Grundstückswert in Höhe von 9.450 DM, das zum Zugewinnausgleichsverfahren eingeholte Gutachten hat demgegenüber bereits für den 5. September 1996 den Bodenwert auf 240.000 DM bestimmt und für den Stichtag des Ehezeitendes am 25. November 1999 auf 300.000 DM.

Das zugrunde liegende Scheidungsverbundverfahren ist durch das seit dem 22. Mai 2002 rechtskräftige Urteil abgeschlossen. Unter dem 14. Februar 2006 hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Köln beantragt, der Antragstellerin die einmalige Nachzahlung anteiliger Gerichtskosten (4.480,94 €) und der Rechtsanwaltskosten aus diesem Verfahren aufzugeben. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragstellerin aus dem Verkauf der Immobilie einen Erlös von 71.580 € erhalten hat. Lediglich die Ablösung einer Hypothek von 10.000 € hält der Bezirksrevisor für gerechtfertigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen (Bl. 118 f).

Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Absatz 3 ZPO zulässig (vgl. dazu OLG Nürnberg FamRZ 1995, 1592 mit weiteren Nachweisen). Mangels förmlicher Zustellung hatte die Ein-Monats-Frist zur Einlegung der Beschwerde (§§ 569 Absatz 1 Satz 1, 127 Absatz 2 Satz 3 ZPO) noch nicht zu laufen begonnen, im übrigen ist die Beschwerde sogar innerhalb eines Monats nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zwar ist der Antrag des Bezirksrevisors auf Nachzahlung zulässig. Die voraus gegangenen Entscheidungen des Familiengerichts vom 15. April 2005 (Bl. 59) und vom 11. August 2005 (Bl. 111), durch welche nach Überprüfung der finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin die ratenfreie Prozesskostenhilfe bestätigt worden ist, stehen dem Antrag auf Erlass einer Nachzahlungsanordnung nicht entgegen. Denn die Staatskasse war an diesen Überprüfungsverfahren nicht beteiligt. Es bestand daher für den Bezirksrevisor auch keine Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde gegen die Feststellungsbeschlüsse.

Der Nachzahlungsantrag ist auch rechtzeitig gestellt. Die Sperrfrist von vier Jahren nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens, innerhalb derer nur eine Abänderung zum Nachteil der Partei vorgenommen werden darf (§ 120 Absatz 4 Satz 3 ZPO) war noch nicht abgelaufen und auch die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts ist noch innerhalb der Sperrfrist ergangen. Schließlich ist das Antragsrecht des Bezirksrevisors auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er die Kenntnis über den Grundstücksverkauf durch eine unredliche Handlung des beigeordneten Rechtsanwalts der Antragstellerin erhalten hat. Die Regeln der Beweisverwertungsverbote greifen insoweit nicht ein. Denn sie setzen voraus, dass in ein verfassungsrechtlich geschütztes Individualrecht eingegriffen wird und die Verwertung nicht ausnahmsweise durch Güterabwägung gerechtfertigt wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. § 286 Rdn. 15 a mit weiteren Nachweisen). Der Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen seine Verschwiegenheitsverpflichtung wiegt jedoch geringer als das öffentliche Interesse auf ein unbeeinträchtigtes Sozialhilfesystem (zu welchem die Gewährung von Prozesskostenhilfe gehört), zumal der Verstoß nicht den Kernbereich der Rechtsberatung betrifft.

Der Nachzahlungsantrag ist jedoch nicht begründet. Nach der Regelung des § 120 Absatz 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Ein solche wesentliche Veränderung liegt hier allenfalls in der erheblichen Steigerung des Grundstückswerts und in der Erzielung des Verkaufserlöses vor. Die bei den - bereits bei der Erstbewilligung der Prozesskostenhilfe vorhandenen - beiden Lebensversicherungen durch die fortlaufenden Beitragszahlungen eingetretenen Wertsteigerungen stellen keine wesentliche Veränderung dar, welche eine Abänderung der Zahlungsanordnung rechtfertigen könnten.

Es ist bereits fraglich, ob hinsichtlich des Grundstücks überhaupt eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu bejahen ist. Denn durch den Verkauf wurde lediglich der bereits vorhandene Vermögenswert realisiert, der eigentlich schon der Erstbewilligung der Prozesskostenhilfe entgegen gestanden hat. Die Regelung des § 120 Absatz 4 ZPO dient aber (anders als die Vorschrift des § 124 ZPO) nicht dazu, eine unzutreffende Bewertung bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu korrigieren (vgl. auch OLG Celle FamRZ 1991, 207 mit weiteren Nachweisen). Die Frage des Eintritts einer wirtschaftlichen Verbesserung der Vermögenslage kann aber dahin gestellt bleiben.

Denn eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin liegt derzeit jedenfalls nicht vor. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie den auf sie entfallenden Anteil des Erlöses aus dem Grundstücksverkauf vollständig ausgegeben hat, und zwar schon im Jahr 2003. Es besteht auch kein Grund, die Antragstellerin so zu behandeln, als verfüge sie noch über das Geld. Das wäre nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich gehandelt hätte, d.h. wenn sie sich absichtlich oder zumindest leichtfertig vermögenslos gemacht hätte, um wegen der Prozesskosten nicht in Anspruch genommen werden zu können (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1995, 374 mit weiteren Nachweisen). Für eine derartige Annahme liegen anders als in dem vom Bezirksrevisor zitierten Fall des OLG Köln (Aktenzeichen 2 W 85/02) hier keine Anhaltspunkte vor. Weder die Zahlung des titulierten Zugewinnausgleichs noch die Verringerung einer bereits im Jahr 2002 eingegangenen Verpflichtung aus einem Bauträgervertrag noch die Beschaffung eines kleinen Ersatz-PKW noch die Rückzahlung des von den Eltern gewährten Darlehens zur Begleichung der Wahlanwaltsgebühren des beigeordneten Rechtsanwalts sind der Antragstellerin als leichtfertig entgegen zu halten. Dass sie sich auf die Rückzahlung der Gerichts- und Anwaltskosten hätte einstellen müssen, kann nicht aus den - erst nach den getätigten Ausgaben erfolgten - Überprüfungen im Jahr 2005 hergeleitet werden.

Ende der Entscheidung

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