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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 4 WF 39/09
Rechtsgebiete: RVG, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 2 Satz 2
RVG § 33 Abs. 3
RVG § 33 Abs. 9
GKG § 68 Abs. 1
GKG § 48 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 3
GKG § 48 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Streitwertbeschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §§ 33 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 RVG, 68 Abs. 1 GKG zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das Familiengericht den Gegenstandswert für die Scheidungssache auf 2.400,00 € (gerundet) festgesetzt. Gemäß § 48 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GKG ist der Gegenstandswert in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfanges und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommenssituation der Parteien, nach seinem Ermessen zu bestimmen, wobei für die Einkommensverhältnisse der Parteien das in 3 Monaten erzielte Nettoeinkommen einzusetzen ist und der Streitwert nicht unter 2.000,00 € angenommen werden darf.

Zutreffend hat das Familiengericht das Einkommen der Parteien auf gerundet 2.400,00 € angenommen. Zu Recht hat es nämlich die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen nach SGB II als Einkommen unberücksichtigt gelassen. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Argumenten des OLG Schleswig in dessen Beschluss vom 27.10.2008 - 13 WF 135/08 - (veröffentlich u. a. in FuR 2009, 179) an, wonach Sozialhilfeleistungen nicht als Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 3 GKG anzusehen sind. Zutreffend fasst das Oberlandesgericht Schleswig in der zitierten Entscheidung des Meinungsstreit hierzu wie folgt zusammen:

"... Die herrschende Meinung lehnt dies (Bewertung des Arbeitslosengeldes II als Einkommen, Anmerkung des Gerichts) ab, da das Gesetz hinsichtlich der Gebührenberechnung mit der Bezugnahme auf das Einkommen der Eheleute ersichtlich an deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfe. Rein staatliche Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II könnten aber die individuelle Belastbarkeit der Eheleute nicht bestimmen, sondern seien gerade Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger (es folgen umfangreiche Rechtsprechungs- und Literaturzitate). Diese Auslegung des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG wurde vom Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtlicher Sicht ausdrücklich nicht beanstandet (Bundesverfassungsgericht FamRZ 2006, 841).

Die Gegenansicht will das Arbeitslosengeld II in die Bemessung des Streitwertes einbeziehen, da der Wortlaut des Gesetzes nicht danach differenziere, aus welcher Quelle das bezogene Einkommen stamme. Der Wortlaut des § 48 Abs. 2 GKG erkläre die Einkommensverhältnisse der Parteien ohne Rücksicht auf eine wirtschaftliche Belastbarkeit und ohne Unterscheidung nach Einkommensquelle für maßgebend. Es lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht im Wege eines Umkehrschlusses entnehmen, dass die Einkommensverhältnisse ausschließlich von Nettoeinkünften, also vom Erwerbseinkommen bestimmt sein sollten. Dass der Mindestwert von 2.000,00 € gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG durch diese Auslegung seine praktische Bedeutung nahezu einbüße, liege nicht in einer zu weiten Fassung des Einkommensbegriffs begründet, sondern darin, dass der Mindestwert von 2.000,00 € inzwischen weit hinter dem zurückbleibe, was 2 Personen für 3 Monate als Einkommensminimum benötigten (es folgen weitere Zitatstellen für die oben wiedergegebene Meinung).

Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung, dass der Bezug von Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung in einer Ehesache relevantes Einkommen darstellt. Die rein am Wortlaut ("Einkommen") orientierte Auslegung der Gegenmeinung (so auch der 12. Zivilsenat - Familiensenat - des OLG Köln in seinem Beschluss vom 17.12.2008 zu Aktenzeichen 12 WF 167/08) überzeugt nicht. Vielmehr ist auf Sinn und Zweck der genannten Wertvorschrift abzustellen. Den Senat überzeugen die Argumente, wonach die Vorschriften über die Streitwertbestimmung in Ehesachen nicht wie z. B. die Prozesskostenhilfevorschriften das konkret verfügbare "flüssige" Einkommen und Vermögen in den Vordergrund stellen, sondern an eine weitergehende Statusbetrachtung anknüpfen, nach der vom 3-fachen Nettomonatseinkommen der Eheleute auszugehen ist. Anzustellen ist danach eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute unter Einbeziehung sozialer Gesichtspunkte, denen die Vorschrift des § 48 Abs. 3 GKG Rechnung trägt. Dann erscheint es aber nicht gerechtfertigt, die Streitwertermittlung unter Einbeziehung des Arbeitslosengeldes II vorzunehmen. Der finanzielle Status von SGB II-Leistungsbeziehern bewegt sich auf dem nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches definierten niedrigsten Niveau in Deutschland (vgl. OLG Hamburg OLGR 2006, 269 f.). Folgt man der gesetzgeberischen Intension der Regelung in § 48 Abs. 3 GKG, sollen aber nur solche Einkünfte der Eheleute bei der Streitwertberechnung mit herangezogen werden, die Ausdruck ihrer Leistungsfähigkeit sind. Die Festsetzung angemessener Gebühren soll im jeweils konkret zu beurteilten Fall nach sozialen Gesichtspunkten möglich sein. Der Streitwert und danach die Höhe der Gerichtsgebühren sollen sich demnach gerade an der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Eheleute unter Berücksichtigung einer möglicherweise schlechteren finanziellen Situation einer der Parteien bemessen. Staatliche Unterstützungsleistungen wie das Arbeitslosengeld II sind aber gerade nicht Zeichen der Leistungsfähigkeit der Parteien, sondern vielmehr Ausdruck ihrer Bedürftigkeit. Sie decken das Existenzminimum ab und geben keine Rechtfertigung dafür, höhere Gebühren verlangen zu können. Zum Nettoeinkommen im Rahmen der Streitwertermittlung sind demgemäß nur Einkünfte zu zählen, denen eine Erwerbsleistung der Parteien zugrunde liegt (so OLG Schleswig a.a.O.; OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 807). Das am 01.01.2005 eingeführte Arbeitslosengeld II beruht auf einer Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Nach seiner Struktur stellt es eine Sozialhilfe für Bedürftige, aber arbeitsfähige Personen dar (OLG Schleswig a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Dresden NJW-RR 2007, 1161 f.). Das Arbeitslosengeld II wird nur für den Fall der Bedürftigkeit gewährt. Anspruchsvoraussetzung ist nicht eine vorangegangene Erwerbstätigkeit, sondern nur die Erwerbsfähigkeit des Empfängers. Die Höhe orientiert sich nicht an vorausgegangenen Arbeitseinkünften, sondern nur am Grundbedarf des Leistungsempfängers. Dem Arbeitslosengeld II kommt keine Lohnersatzfunktion zu; es kann als Sozialhilfe für Hilfsbedürftige, arbeitsfähige Personen charakterisiert werden (so OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 807 zitiert in OLG Schleswig a.a.O.). Die staatlichen Zuwendungen sind damit gerade Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger. Entgegen der Auffassung der Gegenmeinung spricht auch die Festlegung eines Mindestwertes auf 2.000,00 € gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG für diese Auslegung der Gesetzesnorm. Sie gestattet es, einen auch für die wirtschaftlichen Belange der Prozessbevollmächtigten der Eheleute vertretbaren wirtschaftlichen Geschäftswert zu bestimmen. So wird der Leistungsfähigkeit der Eheleute und den wirtschaftlichen Interessen des Anwaltes in vertretbarem Rahmen Rechnung getragen, ohne dass die staatlichen Sozialhilfestellen (Prozesskostenhilfe) noch weiter über Gebühren beansprucht werden müssten.

Im Übrigen kann die Berechnung des Streitwerts nicht beanstandet werden. Erhebliche Einwendungen werden mit Beschwerde hiergegen auch nicht vorgebracht. Die vom Erwerbseinkommen vorgenommenen Abzüge - insbesondere die Berücksichtigung gezahlten Kindesunterhalt - entsprechen der Rechtslage.

Im Hinblick auf § 33 Abs. 9 RVG ist eine Kostenentscheidung entbehrlich.

Der Gegenstandswert der Beschwerde liegt über 200,00 €.

Ende der Entscheidung

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