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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.08.2002
Aktenzeichen: 4 WF 74/02
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG Kostenverzeichnis Nr. 1211b |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In der Familiensache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat auf die am 23. Mai 2002 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 22. Mai 2002 gegen den ihm am 15. Mai 2002 zugestellten Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 25. April 2002 (42 F 363/01), durch den sein Antrag vom 15. Oktober 2001, das ruhende Verfahren 42 F 235/87 AG Bonn wieder aufzunehmen, abgelehnt worden ist,
am 6. August 2002
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Auf den Antrag des Antragsgegners vom 15. Oktober 2001 wird die Wiederaufnahme des Verfahrens 42 F 235/87 AG Bonn angeordnet.
Gründe:
Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist als sofortige Beschwerde gemäß § 252 ZPO i. V. m. §§ 567 ff., 569 ZPO (in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung) statthaft und als solche in zulässiger Weise, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Vorschrift des § 252 ZPO gilt für alle Arten der Aussetzung sowie für alle sonstigen, den Stillstand des Verfahrens herbeiführenden oder ablehnenden Entscheidungen und daher insbesondere auch für die Entscheidung über die Ablehnung der Fortsetzung des Verfahrens (vgl. Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. § 252 Rdn. 1). Für die in der Beschwerdeschrift angeführte Unterscheidung zwischen einfacher und sofortiger Beschwerde ist hierbei nach Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes vom 27. Juli 2001 am 1. Januar 2002 kein Raum mehr; vielmehr ist - entsprechend dem neu gefaßten Wortlaut von § 252 ZPO - einheitlich nur noch die sofortige (fristgebundene) Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO n. F. gegeben.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens 42 F 235/87 AG Bonn kann mit den Erwägungen, auf die das Amtsgericht die angefochtene Entscheidung gestützt hat, nicht verweigert werden:
Das Amtsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß zur Wiederaufnahme übereinstimmende Anträge beider Parteien erforderlich seien, an denen es hier - unstreitig - fehlt. Übereinstimmende Parteierklärungen fordert § 251 ZPO nur für die Ruhensanordnung selbst, nicht jedoch für die Fortsetzung des zum Ruhen gebrachten Verfahrens; insofern genügt schon ein einseitiger Antrag (vgl. Zöller/Greger aaO § 251 Rdn. 4), weil ansonsten jede der Parteien hinsichtlich des Wunsches nach Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens der Gefahr willkürlicher Verweigerung der Zustimmung durch die Gegenseite ausgesetzt wäre.
Der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens steht aus Rechtsgründen auch nicht entgegen, daß die Akten des Verfahrens 42 F 235/87 AG Bonn zwischenzeitlich nach den maßgeblichen Aufbewahrungsbestimmungen ausgesondert worden sind. Die Aussonderung einer Gerichtsakte führt zwar dazu, daß das Aktenstück als solches - mit Ausnahme weiterhin aufbewahrungspflichtiger Bestandteile - nicht mehr körperlich zur Verfügung steht. Damit ist aber lediglich die Frage der verwaltungsmäßigen Aktenbehandlung bzw. Aktenführung berührt und nicht zugleich die prozessuale Frage der Beseitigung der einmal eingetretenen Rechtshängigkeit, die nur auf der Grundlage des Prozeßrechts beantwortet werden kann. Das geltende Prozeßrecht kennt mehrere gesetzliche Tatbestände der Beendigung der Rechtshängigkeit (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 15. Aufl. S. 568); dazu gehört nicht die Aussonderung der Verfahrensakte nach Maßgabe hierzu ergangener Verwaltungsbestimmungen, die diese Frage weder - nach ihrer Zweckbestimmung - regeln sollen noch - mit Rücksicht auf ihren lediglich nachgeordneten rechtlichen Rang - regeln können. Ebenso wenig besteht ein prozeßrechtlicher Grundsatz des Inhalts, daß die Rechtshängigkeit in ihrem Fortbestand durch die faktische Verfügbarkeit der Gerichtsakte bedingt ist. Insoweit gilt im Ausgangspunkt nichts anderes als beispielsweise dann, wenn die Prozeßakte unauffindbar verloren geht; auch in diesem Falle kann der Aktenverlust die einmal begründete Rechtshängigkeit nicht beeinflussen.
Die Auffassung des Amtsgerichts ist auch mit § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB unvereinbar. Danach gilt als Ehezeit im Sinne der Vorschriften über den Versorgungsausgleich die Zeit vom Beginn des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist, bis zum Ende des Monats, der dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorausgeht. Insoweit entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß die Rechtshängigkeit durch das bloße Nichtbetreiben des Verfahrens, durch seine Aussetzung oder seinen sonstigen - auch längeren - tatsächlichen Stillstand oder auch dadurch, daß die Akte nach Maßgabe der Aktenordnung weggelegt wurde, nicht beendet wird (vgl. BGH FamRZ 1967, 460, 461; 1980, 552, 553; 1983, 38, 39 f.; 1986, 335; 1986, 449; 1991, 1042, 1043; NJW-RR 1993, 898; s. auch Palandt/Diedrichsen, BGB 60. Aufl. § 1587 Rdn. 29; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 3. Aufl. § 1587 Rdn. 30). Zwar betrifft, soweit ersichtlich, keiner der bislang entschiedenen Fälle einen Sachverhalt, in dem die Akte nicht bloß weggelegt, sondern - wie hier - sogar ausgesondert wurde. Es spricht jedoch kein durchgreifender Gesichtspunkt dafür, den vorliegenden Fall abweichend zu behandeln. Soweit nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in besonderen Ausnahmefällen, insbesondere wenn die Ehegatten ein ruhendes Scheidungsverfahren "vergessen" und die eheliche Lebensgemeinschaft langfristig wieder aufgenommen haben (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne aaO), nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Abweichen von den dargestellten Grundsätzen in Betracht kommt, liegt eine solche oder eine vergleichbare Ausnahmesituation hier nicht vor. Nach dem unstreitigen Vortrag des Antragsgegners leben die Parteien seit nunmehr 16 Jahren ununterbrochen getrennt.
Hiernach ist davon auszugehen, daß - zumindest - der Scheidungsantrag des Antragsgegners vom 3. November 1987 (Bl. 11), der der Antragstellerin seinerzeit nach einem, vom Antragsgegner allerdings nur in unleserlicher Fotokopie vorgelegten anwaltlichen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, noch beim Amtsgericht Bonn unter dem Aktenzeichen 42 F 235/87 rechtshängig ist. Auf die Frage, ob die Antragstellerin ihren eigenen, zeitlich früher gestellten Scheidungsantrag im Jahre 1990 wirksam zurückgenommen hat, kommt es deshalb für die Wiederaufnahmeentscheidung nicht an. Soweit die Antragstellerin meint, es sei nicht bekannt, ob der Antragsteller seinen Scheidungsantrag vom 3. November 1987 im weiteren Verlaufe des Verfahrens nicht doch wieder zurückgenommen habe, handelt es sich um eine Mutmaßung, für die sie keine realen Anhaltspunkte vorbringt. Insbesondere macht sie nicht geltend, daß ihr persönlich bzw. ihrem anwaltlichen Vertreter jemals eine solche Rücknahme zugestellt worden sei. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Frage, inwieweit etwaige begründete Zweifel nicht ohnehin durch Rekonstruktion der Akten anhand etwa noch zur Verfügung stehender anwaltlicher Handakten, durch Befragung der damaligen Prozeßbevollmächtigten oder in sonstiger geeigneter Weise zu klären sind, nicht einmal entscheidend an. Denn jedenfalls kann die bloße Spekulation über die Möglichkeit einer Antragsrücknahme seitens des Antragsgegners keinen beachtlichen Grund darstellen, bereits die Wiederaufnahme des am 15. April 1988 zum Ruhen gebrachten Verfahrens überhaupt abzulehnen.
Soweit im übrigen das Amtsgericht die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt hat, ohne gemäß § 572 Abs. 1 ZPO n. F. über die Frage der (Nicht-)Abhilfe zu befinden, hat der Senat ausnahmsweise davon abgesehen, zunächst auf eine Nachholung dieser Entscheidung hinzuwirken. Die Beschwerdeschrift enthält in der Sache selbst keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte, die der Antragsgegner nicht bereits zuvor vorgebracht und mit denen das Amtsgericht sich daher schon bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung auseinander zu setzen hatte.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. Zöller/Greger aaO § 252 Rdn. 3).
Ende der Entscheidung
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