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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 43 HEs 12/08
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 121 Abs. 1 |
Tenor:
Der Haftbefehl des Landgerichts Aachen vom 13.05.2008 - 64 KLs 10/08 - wird aufgehoben.
Gründe:
I.
Der vielfach wegen Diebstahls vorbestrafte Angeschuldigte wurde am 13.11.2007 vorläufig festgenommen und befand sich seit dem 14.11.2007 aufgrund eines auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls des Amtsgerichts Aachen vom selben Tage (41 Gs 4372/07) in Untersuchungshaft. Ihm wurden Diebstahl in zwei Fällen und zwei Fälle des Betrugs vorgeworfen.
Am 16.04.2008 hat die Staatsanwaltschaft Aachen die öffentliche Klage wegen 12 Diebstahlstaten, vier Betrugstaten und eines Falles der Unterschlagung erhoben, über deren Zulassung zur Hauptverhandlung noch nicht entschieden ist. Dem Angeschuldigten liegt zur Last, im Zeitraum vom 28.08 - 06.11.2007 aus von ihm aufgebrochenen PKW Gegenstände - im wesentlichen hochwertiges technisches Gerät, aber auch Kleidung und Kreditkarten - entwendet, die entwendeten Kreditkarten eingesetzt und ein Fahrzeug der Luxusklasse unberechtigt in Besitz gehabt zu haben. Hierbei sei ein Schaden von rund 100.00,-- € entstanden. Die Fälle 2, 9 und 15 der Anklage stellen drei der Fälle des Haftbefehls dar; ein Fall des Haftbefehls ist eingestellt.
Mit Beschluss vom 05.05.2008 hat die zuständige Strafkammer die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich erachtet. Vorbehaltlich der Eröffnung des Hauptverfahrens werde "nach derzeitigem Stand Termin zur Hauptverhandlung voraussichtlich auf Ende dieses Jahres bestimmt werden". Unter dem 13.05.2008 hat sie den Haftbefehl im Sinne der Anklage neu gefasst.
Mit Schreiben vom 15.05.2008 hat die Strafkammer mitgeteilt , dass der Verwaltung des Landgerichts die Überlastung der Kammer angezeigt worden sei; eine Entlastung werde nicht erfolgen. Der Präsident des Landgerichts Aachen hat dem Senat auf Anfrage mitgeteilt, dass eine Ableitung des Verfahrens auf eine andere große Strafkammer nicht möglich sei, da alle großen Strafkammern durch Umfangsverfahren gebunden seien oder demnächst gebunden sein würden.
Gegen den Angeschuldigten besteht ein weiterer Haftbefehl des Landgerichts Aachen vom 19.05.2008 in dem Verfahren 71 Ns 304 Js 511/06 - 156/07.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat mit dem Antrag vorgelegt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.
II.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft kann nicht entsprochen werden. Der Haftbefehl des Landgerichts Aachen vom 13.05.2008 ist vielmehr aufzuheben; es liegt kein "wichtiger Grund" iSd §121 Abs. 1 StPO vor, der ein Urteil noch nicht zulässt und die Fortdauer der Haft rechtfertigt.
Insbesondere kann die Überlastung der mit der Sache befassten Strafkammer nicht als solch wichtiger Grund angesehen werden. Die Überlastung einer großen Strafkammer mit Haftsachen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. vom 06.05.2003 - 2 BvR 530/03 - in: NJW 2003, 2896, 2896) kein wichtiger Grund in diesem Sinne, wenn im Rahmen der vorhandenen Gerichtsausstattung mit personellen und sachlichen Mitteln die Möglichkeit besteht, durch organisatorische Maßnahmen die Erledigung aller Sachen binnen verfahrensangemessener Fristen sicherzustellen, insbesondere zu vermeiden, dass sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens der Beginn der Hauptverhandlung erheblich verzögert. Sind solche organisatorischen Maßnahmen ausgeschöpft, stellt auch eine nicht nur kurzfristige Überlastung einer großen Strafkammer mit Haftsachen keinen wichtigen Grund dar, wenn die Überlastung auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfG, a.a.O., BVerfG, B. v. 29.11.2005 - 2 BvR 1737/05 -; StV 2006, 87).
So liegt der Fall hier: Ausweislich des Beschlusses des Landgerichts von 05.05.2008 wird wegen der Auslastung der Kammer mit anderen Haftsachen "nach derzeitigem Stand Termin zur Hauptverhandlung voraussichtlich auf Ende dieses Jahres bestimmt werden". Der Angeschuldigte würde sich dann bereits rund ein Jahr in Untersuchungshaft befunden haben. Eine Verhandlung der Sache durch eine andere große Strafkammer des Landgerichts Aachen ist nach der Zuschrift des Präsidenten des Landgerichts vom 23.05.2008 wegen der dort gleichfalls anhängigen Umfangsverfahren nicht möglich. Die Einrichtung einer weiteren großen Strafkammer sei im Hinblick auf die gleichfalls hohe Belastung der Zivilkammern, zu deren Lasten sich eine solche Maßnahme zwangsläufig auswirken würde, nicht möglich. Bei dieser Sachlage beruht die Verzögerung des vorliegenden Verfahrens auf der nicht nur kurzfristigen Überlastung der Strafkammern des Landgerichts Aachen mit Haftsachen, die der Angeschuldigte aber nicht zu vertreten hat.
Auch wenn der Senat nicht verkennt, dass der Angeschuldigte aufgrund seiner Vorbelastungen und der Höhe des angerichteten Schadens mit einer empfindlichen Bestrafung zu rechnen hat, ist die im Falle einer Terminierung Ende 2008 eintretende Verfahrensverzögerung mit dem in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot nicht in Einklang zu bringen. Der Haftbefehl des Landgerichts Aachen vom 13.05.2008 war daher aufzuheben.
Ende der Entscheidung
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