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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 5 U 101/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.04.2007 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 333/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen über den vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrag von 4.000,00 € hinausgehenden Schmerzensgeldanspruch. Denn auch nach weiterer Sachaufklärung durch den Senat steht nicht fest, dass der erstinstanzlich festgestellte Behandlungsfehler, nämlich die Verkennung des Cervixkarzinoms und die damit verbundene Diagnose- und Behandlungsverzögerung, zu den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schäden und Beeinträchtigungen führte, die sie durch die Strahlentherapie erlitten hatte und für die sie den mit der Berufung verfolgten Schmerzensgeldbetrag von weiteren mindestens 6.000,00 € begehrt.

Die Nichterweislichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Behandlungsfehler und den mit der Strahlentherapie verbundenen Schäden und Beeinträchtigungen geht zu Lasten der Klägerin, die grundsätzlich die Voraussetzungen eines Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit für den geklagten Gesundheitsschaden darlegen und beweisen muss. Daran ändert sich im vorliegenden Fall auch nichts dadurch, dass entsprechend den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ein grober Behandlungsfehler vorlag. Zwar führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden mit der Folge, dass die Nichterweislichkeit eines Ursachenzusammenhangs zu Lasten des Behandlers geht. Das gilt allerdings dann nicht, wenn, was zur Beweislast der Behandler steht, jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist. Dann ist die Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ausnahmsweise ausgeschlossen (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 159, 48 ff. m.w.N.).

Diesen Beweis haben die Beklagten nach der ergänzenden Beweiserhebung durch den Senat geführt. Anders als der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Prof. Dr. T. hat der vom Senat beauftragte strahlentherapeutische Sachverständige Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 10.09.2008 zwar ausgeführt, dass die Durchführung der Strahlentherapie maßgeblich davon abhing, ob der Tumor bereits in die Lymphgefäße eingebrochen war. Der Sachverständige hat dazu erläutert, dass der Lymphgefäßeinbruch neben anderen Risikofaktoren als Hochrisikofaktor anzusehen sei. Ohne diesen Hochrisikofaktor hätte in Anbetracht des jungen Alters der Klägerin und des schlechten Differenzierungsgrads des Tumors allenfalls eine relative Indikation für eine Strahlentherapie bestanden bei hohem Sicherheitsbedürfnis der Klägerin. Der Sachverständige weist darauf hin, dass dementsprechend auch die Indikationsstellung zur Strahlenbehandlung eindeutig unter Berücksichtigung des Lymphgefäßeinbruchs und des histologischen Gradings des Tumors geschah. Daraus folgt indessen weiter und wird so auch von der Klägerin selbst eingeräumt, dass eine Strahlenbehandlung auch dann erfolgt wäre, hätte bei frühzeitigerer Diagnose des Tumors bereits etwa Mitte Oktober 1997 ein Lymphgefäßbefall vorgelegen. Letzteres hat der Sachverständige freilich wissenschaftlich nachvollziehbar und plausibel "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bejaht. Der Sachverständige hat dazu auf der Grundlage der Tumorbiologie, wie sie von Prof. Dr. T. und dem Gutachter der Beklagten Prof. Dr. U. , insoweit von dem von der Klägerin beauftragten Gutachter Prof. Dr. P. ausdrücklich gebilligt, dargelegt worden ist, ausgeführt, dass sich das Cervixkarzinom nach der formalen Karzinogenese in den meisten Fällen aus seinen Vorstufen, den so genannten zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) entwickele und dass es durchschnittlich mehrere Jahre (durchschnittlich zehn Jahre) dauere, bevor eine CIN III in ein invasives Karzinom übergehe. Ferner sei wissenschaftlich belegt, dass in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten und zum Teil noch länger eine relevante Tumorprogression in den Stadien I und IIA nicht zu erwarten sei, so dass im vorliegenden Fall - bei der Klägerin lag ein Stadium IB vor - mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung (d.h. am 05.10.1997) schon ein invasives Karzinom vorgelegen und der Lymphgefäßeinbruch auch bei einer zeitnahen Diagnosestellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestanden habe, wenngleich dies mit auch letzter Sicherheit nicht festgestellt werden könne. Diese Ausführungen stehen im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den ähnlich begründeten Feststellungen und Beurteilungen der Sachverständigen Prof. Dr. T. und Prof. Dr. U. . Soweit die Sachverständigen Prof. Dr. I. und Prof. Dr. P. demgegenüber annehmen, dass bei einem um ca. sechs Wochen früheren Erkennen und Behandeln des Cervixkarzinoms der Lymphgefäßeinbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht vorhanden gewesen sei, weil erst ein "relativ frischer" Lymphgefäßeinbruch vorgelegen habe und auch klinische Symptome für eine Fortschreiten der Erkrankung sprächen (so Priv. Doz. Dr. I. ) und das invasive Cervixkarzinom "in den meisten Fällen, insbesondere bei jungen Frauen, relativ schnell" wachse (so Prof. Dr. P. ), steht dies weder mit der wissenschaftlichen Datenlage, wie sie insbesondere von Prof. Dr. C. und auch von Prof. Dr. T. angeführt worden ist, in Einklang noch lässt sich diese Einschätzung aus der Tumorbiologie herleiten, wie Prof. Dr. C. und Prof. Dr. T. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.02.2006 im Einzelnen begründet einleuchtend dargelegt haben. Auch spielt es keine Rolle, ob sich ein Durchbruch in die Lymphgefäße binnen 24 Stunden vollziehen kann. Das besagt nichts dazu, dass der Lymphgefäßbefall, auch wenn er sich binnen 24 Stunden vollzogen hatte, erst in den letzten ca. sechs Wochen vor der Diagnose, entstanden war. Trotz der entgegenstehenden Beurteilungen von Prof. Dr. I. und Prof. Dr. P. ist der Senat daher nach alledem von der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen Prof. Dr. C. s überzeugt. Das hat zur Folge, dass den Beklagten der Nachweis gelungen ist, dass jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang zwischen der Behandlungsverzögerung und der Strahlentherapie mit ihren für die Klägerin nachteiligen Auswirkungen äußerst unwahrscheinlich ist, weil mit äußerster ("an Sicherheit grenzender") Wahrscheinlichkeit ein Lymphgefäßbefall auch bereits bei rechtzeitigem Erkennen des Cervixkarzinoms vorlag und zu einer Strahlentherapie mit den für die Klägerin nachteiligen Folgen geführt hätte. Eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin zur Frage der Kausalität des Behandlungsfehlers für den geltend gemachten Gesundheitsschaden scheidet demgemäß aus.

Zu Recht hat das Landgericht schließlich auch den Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen, soweit sie damit die Feststellung der Ersatzpflicht auch für künftige immaterielle Schäden verlangt. Da die Klägerin, die mittlerweile seit über zehn Jahren rezidivfrei ist, damit nach medizinischen Erkenntnissen als von ihrer Krebserkrankung als geheilt anzusehen ist, besteht für die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger immateriellen Schäden wegen der verzögerten Krebsdiagnostik schon kein Feststellungsinteresse. Denn bei verständiger Würdigung gibt es - als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer entsprechenden Feststellungsklage (vgl. nur BGH NJW 2001, 1431 ff; BGH NJW-RR 2007, 413 f.) - auch aus der Sicht der Klägerin keinen Grund wegen der verzögerten Krebsdiagnostik mit dem Eintritt eines weiteren, derzeit noch nicht absehbaren immateriellen Schadens zu rechnen. Das gleiche gilt, soweit die Beklagten dafür haften, dass die Klägerin unter notfallmäßigen Bedingungen in die Klinik aufgenommen werden musste. Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden resultierend aus der Strahlenbehandlung kommt im Übrigen schon dem Grunde nach nicht in Betracht, da die Beklagten, wie vorstehend ausgeführt, für die mit der Strahlentherapie verbundenden Folgen nicht haften.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.000,00 €,

(Zahlungsantrag zu 1): 6.000,00 €

Feststellungsantrag zu 2): 5.000,00 €)

Ende der Entscheidung

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