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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.12.2003
Aktenzeichen: 5 U 114/03
Rechtsgebiete: MB/KT 94


Vorschriften:

MB/KT 94 § 15a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 114/03

Anlage zum Protokoll vom 22.12.2003

Verkündet am 22.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schmitz-Pakebusch und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23.5.2003 (9 O 564/02) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.424.- Euro nebst 4% Zinsen seit dem 6.4.2002 zu zahlen. Im übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten unter anderem eine Krankentagegeldversicherung. Er erkrankte an einem Mundbodenkarzinom, weswegen er von der Beklagten wegen Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld in Höhe von 78.- Euro täglich bezog. Durch Bescheid vom 12.2.2002 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger rückwirkend ab dem 1.5.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlungen ein und verlangte Rückzahlung der in der Zeit vom 1.8.2001 bis 12.2.2002 geleisteten Beträge von insgesamt 15.128,63 Euro abzüglich zuviel gezahlter Versicherungsbeiträge von 564,90 Euro und abzüglich Zinsen in Höhe von 50.- Euro. Hiergegen wendet sich der Kläger. Er meint außerdem, ihm stünde auch über den 13.2.2002 hinaus Anspruch auf Tagegeld zu. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit seinem Arbeitgeber, wurde mit Ablauf des 28.2.2002 beendet.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versicherungsfähigkeit des Klägers sei wegen Rentenbezugs ab dem 1.5.2001 weggefallen. Darüber hinaus sei er ab diesem Zeitpunkt berufsunfähig, weswegen die Versicherungsfähigkeit ebenfalls entfallen sei. Beides ergäbe sich aus § 15 AVB/KT 2000.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 14.513,73 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er beantragt,

1.

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 13.2.2002 weiterhin Krankentagegeld in Höhe von 78.- Euro nebst 4% Zinsen seit dem jeweiligen Fälligkeitstag zu zahlen,

2.

festzustellen, dass der Versicherungsschein Nr. ####1 vom 4.11.2002 nichtig ist,

3.

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der Kläger kann gemäß §§ 1 VVG, 1, 15 lit. a AVB in Verbindung mit Ziffer 3.1.1 des Tarifs 216 Krankentagegeld bis zum 31.5.2002 einschließlich beanspruchen.

Die Krankentagegeldversicherung ist mit dem Wegfall der Versicherungsfähigkeit, die mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers eingetreten ist, beendet worden. Das Arbeitsverhältnis ist durch Zugang des Rentenbescheides mit Wirkung ab dem 28.2.2002 beendet worden (§ 59 BAT). Unter Berücksichtigung der dreimonatigen Nachleistungspflicht endete die Leistungspflicht der Beklagten mithin am 31.5.2002, so dass dem Kläger noch ein Anspruch in Höhe von 8.424.- € (vom 13.2. - 31.5.2002 = 108 Tage x 78.- €) nebst Zinsen zusteht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 15 a AVB wirksam, weil dem Kläger im Bedingungswerk das Recht auf Abschluss einer Anwartschaftsversicherung eingeräumt worden ist (vgl. OLG Oldenburg VersR 2000, 752; OLG Koblenz VersR 2000, 1008). Einer gesonderten Kündigung der Beklagten bedurfte es nicht, eine solche wäre sogar unwirksam gewesen (vgl. § 14 AVB). Damit erweist sich auch der Versicherungsschein vom 4.11.2002 als richtig.

Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte meint zu Unrecht, die Versicherungsfähigkeit sei rückwirkend wegen Rentenbezugs zum 1.5.2001 entfallen. Ein solcher Beendigungsgrund ist in § 15 a AVB nicht vereinbart. Es fehlt auch eine Bezugnahme auf eine entsprechende tarifliche Regelung. Anders als für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Ziffer 3.1.1) findet sich keine Regelung, wonach (auch) bei Rentenbezug das Versicherungsverhältnis endet. Der Verweis auf Ziffer 3.4.14 verfängt nicht. Diese Regelung betrifft den Anspruch auf eine Anwartschaftsversicherung, wenn das Versicherungsverhältnis unter anderem wegen Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente beendet wird. Sie regelt aber nicht, dass ein solcher Rentenbezug zur Beendigung führt. Es mag sein, dass die Beklagte dies mit zum Ausdruck bringen wollte. Das genügt indessen nicht. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur BGH VersR 2001, 576) sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein mit den jeweiligen Versicherungsbedingungen konfrontierter durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und bei verständiger Würdigung die jeweils gewählte Wortfassung unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Gerade der Zusammenhang mit Ziffer 3.1.1 ergibt, dass ein Rentenbezug eben nicht automatisch zur Beendigung führen sollte.

Die Beklagte beruft sich ferner zu Unrecht auf § 15 b AVB (Berufsunfähigkeit). Es ist nicht bewiesen, dass der Kläger seit dem 1.5.2001 bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Das Gutachten des Dr. X kommt zu dem Ergebnis, dass beim Kläger wegen allgemeiner körperlicher Schwäche, der Schluckbeschwerden mit der Notwendigkeit völliger parenteraler Ernährung und der nahezu gänzlich fehlenden Fähigkeit zu sprechen "von Berufsunfähigkeit zunächst auf 2 Jahre begrenzt auszugehen" sei . Die Beklagte, die sich zunächst auf dieses Gutachten berufen hatte, war alsbald selbst der Auffassung, dass dies gerade keine medizinisch abgesicherte Berufsunfähigkeit "auf unabsehbare Zeit" beinhaltete. Die Beklagte hat allerdings weiter Beweis angeboten für eine volle Berufsunfähigkeit ab dem 1.5.2001 durch Sachverständigengutachten und durch Beiziehung der Rentenunterlagen. Diesen Beweisantritten ist nicht nachzugehen. Nach dem medizinischen Befund (Gutachten Dr. X) besteht gerade keine Berufsunfähigkeit zum Untersuchungszeitpunkt. Dass dieses Gutachten unrichtig gewesen wäre, hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Statt dessen hat sie weiter Krankentagegeld gezahlt. Auch der Beweisantritt, der auf Beiziehung der Akten der Rentenanstalt geht, ist nicht tauglich. Er ist offenbar auf Ausforschung gerichtet. Unstreitig soll ein Rentengutachter nach Aktenlage entschieden haben und zwar Monate vor dem Gutachten Dr. X. Dass dort wirklich eine Prognose im Sinne des § 15 lit. b MBKT enthalten ist, wird nicht einmal behauptet, sondern nur gemutmaßt.

Der Zinsanspruch besteht aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, wobei der Senat den mittleren Verzugszeitpunkt zugrunde gelegt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO) liegen nicht vor.

Streitwert: 44.513,73 €

- Klageantrag zu 1: 27.000.- €

(die von der Kammer vorgenommene Festsetzung auf der Grundlage eines zeitlich unbegrenzten Krankentagegeldbezugs entspricht - ungeachtet der eindeutig zu weiten Fassung des Klageantrages - nicht dem tatsächlichen Begehren des Klägers. Dieser wollte geklärt wissen, dass (bei fortdauernder Erkrankung) der Vertrag nicht beendet war. Angemessen (§ 3 ZPO) ist also der Regelstreitwert bei Streit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses, der sich am 3,5-fachen Jahresbeitrag orientiert zuzüglich der Hälfte der im Raum stehenden weiteren Vertragsleistungen. Da der Kläger insoweit bei Klageerhebung von einer noch rund zweijährigen Dauer der Erkrankung ausging, entspricht dies zusammen dem Betrag von (geschätzt) 27.000.- €.)

- Klageantrag zu 2): 3.000.- € (wie Landgericht)

- Widerklage: 14.513,73 €.

Ende der Entscheidung

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