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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 5 U 116/05
Rechtsgebiete: DÜG, BB-BUZ, AVB


Vorschriften:

DÜG § 1
BB-BUZ § 7
AVB § 10 (1)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Juni 2005 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 416/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Leistungen aus einer bei ihr im Jahr 1999 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend. Gegenstand des Vertrages sind die "Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" (GA 27-30).

Der Kläger, der als Polier und Schachtmeister tätig war, erlitt am 24. August 1999 einen Arbeitsunfall, bei dem sein rechter Fuß zerquetscht wurde; die Großzehe musste amputiert werden. Auf seinen Antrag erbrachte die Beklagte ab September 1999 die bedingungsgemäßen Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Kläger absolvierte in der Folgezeit mit Erfolg eine Umschulung zum Bautechniker. Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 (Anlage K 4) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er am 15. Juli 2002 eine Tätigkeit als Bautechniker aufnehmen werde. Die Beklagte erbat mit Schreiben vom 24. Juli 2002 eine Kopie des Abschlusszeugnisses und einen aktuellen Einkommensnachweis. Mit Schreiben vom 23. September 2002 teilte sie dem Kläger folgendes mit:

"Ihre jetzige Tätigkeit hat keinen Einfluss auf unsere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Das Recht auf Nachprüfung behalten wir uns jedoch weiterhin vor."

Mit Schreiben vom 18. August 2003 machte die Beklagte vom Nachprüfungsrecht Gebrauch und bat um eine Selbstauskunft, die der Kläger unter dem 27. August 2003 erteilte. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 kündigte die Beklagte die Leistungseinstellung zum 1. Februar 2004 an. Das Schreiben hat im wesentlichen folgenden Wortlaut (Anlage K 2; GA 31):

"... die Umschulung zum Bautechniker haben Sie am 10.7.2002 erfolgreich bestanden und üben den neuen Beruf inklusive einer Probezeit von 6 Monaten seit nunmehr eineinhalb Jahren - gemäß Ihrer Qualifikation als Bautechniker - aus.

...

Der neue Beruf entspricht Ihrem ärztlich festgestellten Leistungsvermögen, bedeutet weder einen gesellschaftlichen Abstieg noch ist er mit einem gravierenden Einkommensverlust verbunden (nach aktueller Rechtsprechung ist ein Einkommensverlust von bis zu 20% als zumutbar anzusehen). Als Bautechniker sind sie demnach nicht berufsunfähig. Wir stellen daher die Leistungen ein. Sollte sich allerdings Ihr Gesundheitszustand zukünftig verschlechtern, benachrichtigen Sie uns bitte; wir nehmen die Prüfung dann selbstverständlich wieder auf.

..."

Mit Wirkung vom 1. Februar 2004 stellte die Beklagte sodann die Leistungen ein.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er könne weiterhin von der Beklagten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beanspruchen. Die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 23. September 2002 auch hinsichtlich des neuen Berufes ein Leistungsanerkenntnis abgegeben. Im übrigen müsse er sich nicht auf den Beruf des Bautechnikers verweisen lassen. Weder die soziale Stellung noch das Einkommen seien mit dem früheren Beruf vergleichbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.333,- € an rückständigen Rentenleistungen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus jeweils 555,50 € ab dem 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6. und 1.7.2004 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.153,38 € aus unter Vorbehalt gezahlten Versicherungsbeiträgen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus jeweils 345,09 € ab dem 1.2., 1.3.2004, aus jeweils 365,80 € ab dem 1.4., 1.5., 1.6. und 1.7.2004 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1.8.2004 bis zum Ablauf der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung am 31. März 2018 eine Berufsunfähigkeitsrente von derzeit 555,50 € monatlich zahlbar im voraus und ihm von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von derzeit 365,80 € zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Schreiben vom 23. September 2002 enthalte kein bindendes Anerkenntnis. Sie sei zur Leistungseinstellung ab dem 1. Februar 2004 berechtigt gewesen.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 1. Juni 2005, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe ihre Leistungspflicht auch hinsichtlich des neuen Berufes des Klägers mit ihrem Schreiben vom 23. September 2002 anerkannt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage verfolgt.

Die Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, dass dem Schreiben vom 23. September 2002 keine Bindungswirkung zukomme. Lediglich im Rahmen der Erstprüfung habe sie ein Anerkenntnis nach § 7 BB-BUZ abgegeben. Ein Nachprüfungsverfahren sei vor dem Schreiben vom 23. September 2002 nicht durchgeführt worden; im übrigen gebe es kein Anerkenntnis im Nachprüfungsverfahren. Das Schreiben vom 23. September 2002 sei lediglich eine formlose Mitteilung, dass die anerkannte Leistungspflicht nicht enden solle. Von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens habe sie damals noch abgesehen, weil der Kläger sich noch in der Probezeit befunden habe, so dass sie eine konkrete Verweisung noch nicht habe aussprechen wollen. Wann sie ein Nachprüfungsverfahren einleite, stehe ihr frei. Keinesfalls sei das Schreiben vom 23. September 2002 dahin auszulegen, dass sie auf die Verweisungsmöglichkeit abschließend habe verzichten wollen. Im Vergleich zu dem Zeitpunkt 23. September 2002 sei im übrigen auch eine relevante Änderung eingetreten, weil sich das Arbeitsverhältnis des Klägers verfestigt habe und sein Gehalt gestiegen sei.

Der Kläger, der die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil mit Sach- und Rechtsausführungen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist ab Februar 2004 nicht mehr zur Erbringung von Leistungen aus der Berufunfähigkeits-Zusatzversicherung verpflichtet. Sie hat in wirksamer Weise von ihrem Nachprüfungsrecht gemäß § 10 (1) der AVB Gebrauch gemacht und ihre Leistungen ab dem 1. Februar 2004 zu Recht unter Verweis auf den vom Kläger nach seiner Umschulung nunmehr konkret ausgeübten Beruf als Bautechniker eingestellt.

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 23. September 2002 jedenfalls kein "Anerkenntnis" dergestalt, dass die Beklagte dauerhaft auf die konkrete Verweisung des Klägers auf den von ihm neu erlernten Beruf des Bautechnikers verzichtet hat. Soweit es dort heißt, die jetzige Tätigkeit des Klägers habe keinen Einfluss auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, mag damit auf den ersten Blick der Eindruck erweckt worden sein, als wolle die Beklagte von der Möglichkeit einer Verweisung keinen Gebrauch machen. Allerdings ist für den Kläger als Empfänger des Schreibens klar erkennbar, dass dies jedenfalls nicht auf Dauer so sein sollte. Es ist auf die "jetzige Tätigkeit" abgestellt worden, und es heißt zudem im 2. Satz des Schreibens, dass das Recht auf Nachprüfung vorbehalten bleibe. Das bedeutet, dass jedenfalls bei einer Änderung der Verhältnisse, wie sie dem Schreiben vom 23. September 2002 zugrunde zu legen waren, eine Nachprüfung möglich bleiben sollte. Eine solche Änderung ist indes in der Folgezeit eingetreten. Der Kläger hatte damals seine Tätigkeit als Bautechniker gerade erst aufgenommen, und er verdiente, was er selbst im Grundsatz einräumt, zunächst noch weniger als zum Zeitpunkt der Nachprüfung durch die Beklagte Ende 2003. Es ist aber durchaus nachvollziehbar, dass die Beklagte bei einem von ihr behaupteten (und nicht substantiiert bestrittenen) Minderverdienst von 13,4% bei Aufnahme der Tätigkeit und bei Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger noch in der Probezeit war, zunächst von einer Verweisung absieht, weil unklar oder zumindest zweifelhaft war, ob eine Verweisungsmöglichkeit bei dieser Sachlage überhaupt besteht. Unter diesen Umständen war die Beklagte zur Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens Ende 2003 befugt.

Es liegen auch die Voraussetzungen für eine konkrete Verweisung des Klägers auf seinen neu erlernten und ausgeübten Beruf als Bautechniker vor:

Dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch im neuen Beruf bedingungsgemäß berufsunfähig ist, behauptet er selbst nicht. Er hat lediglich vorgetragen, eine gewisse von ihm zu leistende Mehrarbeit stelle einen Raubbau an seiner Gesundheit dar (GA 124). Dass er in dem neuen Beruf zu mindestens 50% berufsunfähig ist, ist damit nicht dargetan.

Die konkrete Verweisung scheitert nicht daran, dass der Kläger einen unzumutbaren Einkommensverlust hinnehmen muss. Es mag richtig sein, dass das zuletzt in gesunden Tagen erzielte Einkommen zur Durchführung des Einkommensvergleichs nicht auf die letzten 3 Jahre bezogen ermittelt werden darf. Das ist nur ausnahmsweise bei Selbständigen als zulässig angesehen worden. Selbst wenn man aber auf das letzte Erwerbsjahr in seinem früheren Beruf (1998) abstellt und zudem bis 2003 die tariflichen Erhöhungen berücksichtigt, kommt man - wie der Kläger selbst vorträgt (GA 123) - auf ein Bruttoeinkommen von ca. 63.000,- € im alten Beruf, was gegenüber dem tatsächlich erzielten Bruttoeinkommen als Bautechniker von ca. 53.000,- € eine Einbuße von 16% darstellt. Das ist unbedenklich zumutbar.

Der Versuch des Klägers, sein tatsächliches Einkommen niedriger anzusetzen, um zu einer höheren Differenz zu gelangen, scheitert. Der Kläger will einen Teil des Einkommens mit Rücksicht darauf, dass eine von ihm zu leistende Mehrarbeit einen Raubbau an seiner Gesundheit darstelle, in Abzug bringen und deshalb nur von einem (fiktiven) Bruttoeinkommen von 46.500,- € ausgehen (GA 124/125). Das muss schon deshalb fehlschlagen, weil fortbestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen nach der Systematik der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nur dann relevant sein können, wenn sie die Grenze zur bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit von 50% erreichen. Diese Grenzziehung würde unterlaufen, wenn gewisse fortbestehende Gesundheitsstörungen dazu berechtigen würden, ein fiktives, niedrigeres Einkommen zugrunde zu legen. Gleichfalls schlägt der Versuch fehl, das tatsächliche Einkommen mit Blick auf eine vertragliche Verpflichtung, ohne Mehrvergütung bis zu 20 Stunden im Monat Mehrleistungen erbringen zu müssen, herunterzurechnen. Es ist schon nicht dargelegt, dass eine solche Mehrleistung tatsächlich regelmäßig in nennenswertem Umfang anfällt. Selbst wenn man den Umstand, dass unter Umständen ab und zu solche Mehrleistungen anfallen, berücksichtigt, führt dies insgesamt nicht dazu, dass die Einkommenseinbuße als unzumutbar anzusehen ist.

Der Beruf des Bautechnikers ist nach Auffassung des Senats auch von seiner sozialen Wertschätzung nicht maßgebend geringer einzuschätzen als der Beruf des Poliers. Auch hierbei handelt es sich um eine Tätigkeit im Baugewerbe, die im Anstellungsverhältnis nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung ausgeübt wird. Als Polier und Schichtmeister mag der Kläger in einem größeren Umfang mit Leitungsbefugnissen ausgestattet gewesen sein. Einen spürbaren sozialen Abstieg vermag der Senat jedoch in dem Berufswechsel des Klägers gleichwohl nicht zu sehen. Dazu ist auch nicht Substantiiertes vorgetragen.

Die Leistungspflicht der Beklagten ist damit ab Februar 2004 weggefallen. Das Schreiben vom 18. Dezember 2003 wird den formalen Anforderungen an ein Änderungsschreiben gerecht. Ein solches Schreiben muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, eine nachvollziehbare Begründung enthalten, weshalb die Leistungspflicht enden soll (vgl. zuletzt BGH, VersR 2006, 102 m.w.N.). Soweit, wie hier, eine konkrete Verweisung erfolgt, bedarf es indes nicht detaillierter Angaben zu der Verweisungstätigkeit, da diese dem Versicherungsnehmer bekannt ist (BGH, VersR 2000, 171, 174). Im übrigen hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 18. Dezember 2003 ihre Gründe für die Leistungseinstellung in einer nachvollziehbaren Weise offengelegt: Sie hat darauf hingewiesen, dass der Kläger in seinem neuen Beruf als Bautechniker nunmehr Fuß gefasst hat und insbesondere die Probezeit überstanden hatte. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach der Einkommensverlust gegenüber der früheren Tätigkeit zumutbar ist. Das war, da dem Kläger sein Verdienst bekannt ist und er daher zu einer Überprüfung des Ansicht der Beklagten imstande war, ausreichend.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Hinsichtlich der Auslegung des Schreibens vom 23. September 2002 stellen sich keine rechtsgrundsätzlichen Fragen. Von den im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. November 2005 (VersR 2006, 102) wiederholten, bereits lange anerkannten Grundsätzen zur Nachvollziehbarkeit der Änderungsmitteilung weicht der Senat nicht ab.

Berufungsstreitwert: 44.180,98 €

Ende der Entscheidung

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