Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 5 U 121/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 843 Abs. 1 2. Alternative
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.5.2000 (25 O 10/97) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind die Ehefrau und die Kinder des am 29.5.1995 an den Folgen einer Endokarditis, die zu Herz-, Lungen und Nierenversagen geführt hatte, verstorbenen Herrn H. W..

Herr W. begab sich am 4.4.1995 zur Behandlung eines chronischen HWS-Leidens in die stationäre Behandlung des D.-Krankenhauses in K., dessen Träger die Beklagte zu 2) ist. Dort verordnete der Beklagte zu 1) eine Dauerinfusion mit Analgetika und Antiphlogistika. Im Rahmen dieser Behandlung wurde Herrn W. am 5.4.1995 eine perivenöse Verweilkanüle (Braunüle) in den Handrücken gesetzt. Diese erste Braunüle wurde am 10.4.1995 entfernt, eine neue Braunüle wurde am 11.4.1995 angebracht. Am 13.4.1995 wurde bei Herrn W. eine Thrombophlebitis (Entzündung der Vene) festgestellt, die auf eine Staphylokokken-infektion zurückzuführen war. Die Infektion konnte medizinisch nicht beherrscht werden, sondern griff in den folgenden Tagen rasch auf andere Organe, insbesondere auf das Herz über, und führte letztlich zum Versterben des Herrn W..

Die Kläger haben sich auf Behandlungsfehler berufen, insbesondere auf Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Asepsis durch zu lange Verweildauer der ersten Braunüle, und eine mangelhafte Risikoaufklärung gerügt. Sie haben Schmerzensgeld und Schadensersatz (hier vor allem Unterhaltsansprüche) geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung, der erstinstanzlichen Klageanträge und aller Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze und den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Die Beklagten haben behauptet, dass der Tod von Herrn W. sich als schicksalhafter unvermeidbarer Verlauf darstelle und keinerlei Behandlungsfehler vorgelegen hätten.

Das Landgericht hat nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen. Die intravenöse Behandlung sei medizinisch indiziert gewesen. Es sei auch nicht festzustellen, dass beim Anlegen der Braunülen fehlerhaft verfahren worden sei. Sofern die Verweildauer der ersten Braunüle gegen anerkannte Regeln der Asepsis verstoßen haben sollte, was die Kammer offengelassen hat, habe es sich jedenfalls nicht um einen groben Behandlungsfehler gehandelt. Der Nachweis der Ursächlichkeit für den weiteren Verlauf sei aber nicht erbracht. Fehler bei der Behandlung der erkannten Thrombophlebitis seien nicht festzustellen. Auf etwaige Aufklärungsmängel könnten sich die Kläger nicht berufen, da angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit derart gravierender Komplikationen jedenfalls von hypothetischer Einwilligung auszugehen sei.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgen die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren in erweiterter Form weiter. Sie rügen, dass die Kammer zu Unrecht einen groben Behandlungsfehler wegen der zu langen Verweildauer der ersten Braunüle verneint habe. Sie behaupten, tatsächlich sei Herr W. am Wochenende des 8. und 9.4.1995 mit liegender Braunüle nach Hause entlassen worden. Bereits am 11.4.1995 sei die rechte Hand, in der sich die zweite Braunüle befand, dick geschwollen gewesen. Gerügt wird ferner, dass angesichts des ab dem Abend des 13.4.1995 durchgängig vorhandenen Fiebers keine gezielte Ursachenforschung, insbesondere durch Anlegen von Bakterienkulturen, betrieben worden sei. Eine rechtzeitige Befunderhebung hätte bereits am 13.4.1995 zur Feststellung der Sepsis geführt. Auch sei der Patient verspätet, nämlich erst am 17.4. (Ostermontag) geröntgt worden. Ferner sei er verfehlt nur mit einem Breitbandantibiotikum und (mangels Kenntnis des genauen Erregers) nicht gezielt behandelt worden. Auf alle diese Umstände sei zurückzuführen, dass Herr W. nicht mehr habe gerettet werden können. Zumindest stelle sich das Verhalten der Bediensteten der Beklagten als in seiner Gesamtheit grob fehlerhaft dar.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 40.000.- DM (20.451,68 Euro) nebst 4% Zinsen seit dem 13.2.1997 bis zum 30.4.2000 und ab 1.5.2000 in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz;

2.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) die Beerdigungskosten in Höhe von 11.966,82 DM (6.118,54 Euro) zu zahlen nebst 4% Zinsen seit dem 13.2.1997 bis zum 30.4.2000 und ab 1.5.2000 in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz;

3.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) die Aufenthaltskosten in F. in der Zeit vom 20.4.1995 bis 30.5.1995 in Höhe von 1.964,90 DM (1004,64 Euro) zu zahlen nebst 4% Zinsen seit dem 13.2.1997 bis zum 30.4.2000 und ab 1.5.2000 in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz;

4.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) seit dem 1.6.1995 für die Dauer von 10 Jahren eine Rente im Sinne von § 843 Abs.1 2. Alternative BGB zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

5.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 29.5.1995 bis 21.6.1997 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe des nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Betrages von 349,97 DM (178,94 Euro) bis zum Abschluss des 18. Lebensjahres zu zahlen;

6.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 3) für die Zeit vom 29.5.1995 bis 18.7.2001 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe des nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Betrages von 349,97 DM (178,94 Euro) bis zum Abschluss des 18. Lebensjahres zu zahlen;

7.

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägern sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Tod des H.t W. am 29.5.1995 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;

8.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

a)

an die Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 29.5.1995 bis 31.1.2001 Unterhalt in Höhe von 48.047,44 DM (24.566,27 Euro) zu zahlen;

b)

an die Klägerin ab dem 1.2.2001 bis 25.5.2004 eine monatlich im voraus fällige Unterhaltsrente in Höhe des nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Betrages von 706,58 DM (361,27 Euro) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Sie bestreiten, dass Herr W. am 8./9.4.1995 nach Hause beurlaubt worden sei und dass sich bereits am 11.4.1995 Anzeichen einer Entzündung gezeigt hätten. Im übrigen stelle sich weder das Abwarten mit dem Anlegen einer Bakterienkultur noch die Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum als fehlerhaft dar. Sie verweisen ferner auf eine Herzklappenanomalie des Herrn W., die den Verlauf entscheidend beeinflusst habe und aufgrund derer auch eine spezielle antibakterielle Behandlung sich nicht günstig auf den Verlauf ausgewirkt hätte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I. und J. T., O. S. und H. W., sowie durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. D. nebst Ergänzungsgutachten. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 4.4.2001 (Bl. 392 ff. d.A.), auf das schriftliche Gutachten vom 17.12.2001 (Bl. 422 ff. d.A.) und auf das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 28.7.2002 (Bl. 466 ff.) Bezug genommen.

Wegen aller weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des (teilweise neuen) Vorbringens der Kläger in zweiter Instanz und weiterer Beweiserhebung stehen den Klägern unter keinem Gesichtspunkt Ansprüche im Zusammenhang mit der Behandlung des Herrn H. W. durch die Beklagten im April 1995 zu. Behandlungsfehler sind den Beklagten nicht anzulasten. Erst recht kann nicht festgestellt werden, dass der Tod des Herrn W. auf Behandlungsfehler zurückzuführen ist.

1.

Behandlungsfehlerhaft war nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. zunächst nicht das Belassen der Verweilkanüle vom 5.4. bis 10.4.1995. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass ein routinemäßiger Wechsel eines Verweilkatheters nach den Empfehlungen des Nationalen Referenzzentrums für Krankenhaushygiene ausdrücklich nicht empfohlen werde, sondern nur, wenn sich Entzündungszeichen zeigten. Eine Verweildauer von mehr als 72 Stunden bei unauffälliger Punktionsstelle und Klinik entspreche auch durchaus gängiger Praxis in deutschen Krankenhäusern. Die Einwände der Kläger gegen die Maßgeblichkeit dieser Empfehlungen im Hinblick auf anderslautende Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes hat der Sachverständige widerlegt. Die Empfehlungen des Nationalen Referenzzentrums seien nach Auflösung des Bundesgesundheitsamtes an die Stelle derjenigen des früheren Bundesgesundheitsamtes getreten und heute die allein maßgeblichen. Das ist eindeutig und wird von den Klägern auch nicht mehr weiter angegriffen. Angesichts der Klarheit dieser Feststellungen folgt der Senat dem Sachverständigen Prof. Dr. D., auch wenn die erstinstanzlichen Sachverständigen im Rahmen des schriftlichen Hauptgutachtens hierzu teilweise abweichende Auffassungen vertreten haben (die sich allerdings nicht im Ergebnis auswirkten), indem sie von einer regelmäßigen Verweildauer von maximal 72 Stunden ausgingen. Allerdings stützen auch sie sich ausdrücklich auf die veralteten Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes und auf Richtlinien, die in den Vereinigten Staaten von Amerika gelten, also nicht aktuellen bundesdeutschen Standard repräsentieren. Schon deshalb erscheinen die Feststellungen von Prof. Dr. D. verlässlicher. Im übrigen hat auch der Sachverständige Dr. N. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer diese Aussage im schriftlichen Gutachten ausdrücklich relativiert und die längere Verweildauer nicht als fehlerhaft bezeichnet (Bl. 277 d.A.).

Der Sachverständige hat ferner festgestellt, dass die zwischenzeitliche Entlassung des Patienten nach Hause - hiervon geht der Senat nach den Bekundungen der Zeugen aus - bei liegender Verweilkanüle ebenfalls keinen Behandlungsfehler dargestellt habe. Diese Handhabung sei zwar eher unüblich, aber nicht zu beanstanden, insbesondere dann nicht, wenn der Patient auf elementare Vorsichtsmaßnahmen und Verhaltensregeln hingewiesen worden sei, wie der Vermeidung von Verschmutzung und Durchnässung des Verbandes oder auf die Notwendigkeit, bei Schmerzen oder sonstigen Komplikationen das Krankenhaus unverzüglich aufzusuchen. Es sei nicht zu erwarten, dass ein kürzerer Aufenthalt außerhalb des Krankenhauses mit liegender Braunüle zu einer im Vergleich zu einem stationären Aufenthalt gesteigerten Phlebitisrate führe. Dies gelte hier insbesondere angesichts der Tatsache, dass unabhängig von dem Verlassen des Krankenhauses eine tägliche Kontrolle der Injektionsstelle gewährleistet gewesen sei. Der Senat folgt auch diesen erschöpfenden, folgerichtigen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen uneingeschränkt, und sieht auch hier keinen weiteren Klärungsbedarf.

Der Senat sieht auch keinen Anlass, an der Objektivität und Neutralität des Sachverständigen zu zweifeln. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anlass nicht aus den im Gutachten gewählten Formulierungen, die zwar in der Tat sehr deutlich zugunsten der Beklagten Stellung beziehen und eindeutig sind, aber eben nicht eine Begünstigungstendenz zugunsten der Beklagten und keinen Mangel an Objektivität und Distanziertheit erkennen lassen. Der Sachverständige unterliegt auch keinen Fehlschlüssen. Soweit die Kläger Formulierungen als missverständlich oder klärungsbedürftig empfunden haben (etwa die, den Patienten treffe eine "Teilschuld", falls er auf eine versehentlich nicht gezogene Braunüle nicht hinweise) ist das tatsächlich Gemeinte hinlänglich klargestellt und sind alle Zweifelsfragen hinlänglich im Rahmen des Ergänzungsgutachtens beantwortet worden.

2.

Unabhängig von der Frage der möglichen Fehlerhaftigkeit der Verweildauer kann aber auch ein Zusammenhang zwischen der Verweildauer des ersten Katheters und der aufgetretenen Thrombophlebitis nicht positiv festgestellt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist sogar davon auszugehen, dass ein solcher Zusammenhang eher unwahrscheinlich ist. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schon davon auszugehen sei, die zweite Kanüle sei nicht in die Hand gelegt worden, in der sich zuvor die erste Kanüle befunden habe. Es entspreche häufiger Übung, bei einem Wechsel eines Dauerkatheters auch die Hand zu wechseln. Dies deckt sich mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. N.. Dies deckt sich ferner mit der - wenn auch eher unsicheren und vagen - Erinnerung des Zeugen W., wonach sich der Verband des Herrn W. bei seinem Aufenthalt zu Hause am 8./.9.4.1995 an der linken Hand befunden habe. Wenn aber schon nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Entzündung an der anderen Hand entwickelte als an der, wo sich der erste Katheter befand, scheidet der Nachweis der Kausalität von vornherein aus. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat ferner nachvollziehbar darauf verwiesen, dass zwischen Entfernung und Neuanlage viele Stunden gelegen hätten und für diesen Zeitraum kein Fieber dokumentiert worden sei. Dies spreche dafür, dass zum Zeitpunkt des Wechsels auch noch keine Entzündung vorgelegen habe. Er hat ferner - auch das leuchtet dem Senat unmittelbar ein - darauf verwiesen, dass eine entzündete Punktionsstelle bei der Neuanlage mit hoher Wahrscheinlichkeit bemerkt worden wäre. Dem entgegenstehende sichere Anhaltspunkte erkennt der Senat nicht. Soweit die Kläger behaupten, am 11.4.1995 sei die rechte Hand des Patienten bereits stark geschwollen gewesen, wirkt dies im Hinblick auf die dargestellten unstreitigen objektiven Umstände wenig plausibel. Es erscheint auch nicht sehr wahrscheinlich, dass insoweit bei der Klägerin zu 1) eine verlässliche Erinnerung gegeben ist, wie sie in erster Instanz auch ausdrücklich eingeräumt hat. Den zweitinstanzlich vorgelegten Kalenderblättern, die einen entsprechenden knappen Vermerk der Klägerin zu 1) beinhalten, vermag der Senat insoweit nicht einmal eine noch so schwache Indizwirkung beizumessen. Das überraschende und von den Klägern nicht plausibel erklärte Auftauchen dieser Blätter steht in offenem Gegensatz zu der mündlichen Bekundung der Klägerin zu 1) im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 15.3.2000, wonach sie sich die Daten nicht notiert habe (Bl. 278). Unabhängig davon wäre aber auch ein tatsächliches Anschwellen der rechten Hand nach Anlegen des zweiten Katheters kein sicherer Hinweis darauf, dass ein Zusammenhang mit der Verweildauer des ersten Katheters bestünde.

Die Nichterweislichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen Verweildauer der ersten Kanüle und Thrombophlebitis geht aber zu Lasten der beweispflichtigen Kläger. Eine Umkehr der Beweislast kommt nicht in Betracht. Sie wäre nur bei Annahme eines groben Behandlungsfehlers denkbar. Davon kann aber entsprechend den obigen Ausführungen keine Rede sein.

3.

Behandlungsfehler sind aber auch nicht im Hinblick auf die Reaktion auf die festgestellte Entzündung anzunehmen. Dies gilt zunächst für die Einleitung der Antibiosebehandlung mit einem Breitbandantibiotikum und etwaige Wechselwirkungen mit dem verabreichten Medikament Aspisol. Der Sachverständige Prof. Dr. D. hat jedwede Wechselwirkungen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Thrombophlebitis und ihren Weiterungen stehen könnten, ausgeschlossen. Solche Wechselwirkungen seien nur als gesteigerte Blutungsneigung denkbar, und auch dies nur bei länger andauernder Therapie. Hier aber habe es keinerlei Hinweise auf eine Blutungsproblematik gegeben. Von einem negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf könne weder insoweit noch in anderer Beziehung ausgegangen werden. Bedenken, diesen klaren Feststellungen zu folgen, gibt es nicht. Sie werden auch durch die Kläger nicht mehr weiter angegriffen.

Auch ein fehlerhaftes Unterlassen der Keimbestimmung verneint der Sachverständige mit überzeugenden Erwägungen. In der gegebenen Situation habe sofort gehandelt werden müssen. Das Ergebnis einer Blutkultur zur Bestimmung des Keims hätte erst nach mehreren Tagen vorliegen können, es habe die Notwendigkeit bestanden, sofort antimikrobiell einzuschreiten und hierfür nach klinischen Gesichtspunkten vorzugehen. Bei der vorliegenden Thrombophlebitis und dem dringenden Verdacht einer Einschwemmung durch den Verweilkatheter sei das gewählte Antibiotikum angemessen gewesen, zumal dieses auch für den später als Staphylokokkus aureus identifizierten Keim ein angemessenes und wirksames Mittel dargestellt habe. Es sei unwahrscheinlich, dass bei frühzeitigerem Vorliegen eines Antibiogramms eine andere Therapie gewählt worden wäre und der Krankheitsverlauf hierdurch hätte positiv beeinflusst werden können. Auch dies ist in Ergebnis und Begründung unmittelbar einleuchtend und überzeugend. Nicht plausibel ist demgegenüber der Einwand der Kläger, hieraus ergebe sich, dass offenbar wertvolle Zeit vergeudet worden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht einleuchtend ist auch das Beharren auf der Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Identifizierung des Keims, denn auch die Kläger vermögen nicht aufzuzeigen, was - entgegen der Annahme des Sachverständigen - dadurch an zusätzlicher Effektivität bei der Bekämpfung der Infektion zu erreichen gewesen wäre.

Ferner folgt der Senat dem Sachverständigen darin, dass eine fehlerhaft verzögerte Erhebung eines Röntgenbefundes zu verneinen ist. Bei einem nicht abwehrgeschwächten Patienten und bei fehlender klinischer Symptomatik sei auch bei Auftreten pulmonaler Geräusche eine sofortige Röntgenuntersuchung nicht zwingend geboten, sondern eine Röntgenuntersuchung erst am folgenden Tag - wie hier - durchaus vertretbar. Eine solche Situation sei hier anzunehmen, da bei Herrn W. außer Fieber keine wesentlichen Beeinträchtigungen vorgelegen hätten. Die Dokumentation vom 16.4.1995 weise einen verbesserten Allgemeinzustand aus, erst am Folgetag hätte sich das Befinden von Herrn W. danach deutlich verschlechtert. Die hierzu von den Klägern an den Sachverständigen ergänzend gestellten Fragen sind im Rahmen des Ergänzungsgutachtens nachvollziehbar beantwortet worden. Insgesamt beurteilt der Sachverständige damit auch diese Behandlungsschritte überzeugend und nachvollziehbar als adäquat und behandlungsfehlerfrei.

Dies gilt schließlich auch hinsichtlich der weiteren Behandlung, die in der sofortigen Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus bestand. Auch diesbezüglich sieht der Senat keinen weitergehenden Klärungsbedarf.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.) besteht kein Anlass, da es sich nicht um Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordern.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis 22.1.2001: 123.954,43 Euro (insoweit wird auf die Festsetzung durch das Landgericht unter Berücksichtigung des berichtigenden Beschlusses des Senats vom 16.10.2000 Bezug genommen),

danach: 162.971,50 Euro (Klageerhöhung durch Schriftsatz vom 22.1.2001).

Ende der Entscheidung

Zurück