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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 5 U 126/04
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 III
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 126/04

Anlage zum Protokoll vom 16. Februar 2005

Verkündet am 16. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und Mangen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. Juni 2004 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 277/02 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger schloss bei der Beklagten im Februar/März 1998 eine Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Im Antragsformular sind sämtliche Gesundheitsfragen verneint worden. Nachdem der Kläger im Juni 2001 einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gestellt hatte, trat die Beklagte wegen Verschweigens von Vorerkrankungen mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 vom Vertrag zurück und erklärte hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Dieses Schreiben wurde dem Kläger ausweislich der von der Beklagten eingereichten Fotokopie des Rückscheines (Bl. 256 d.A.) am 22. Dezember 2001 zugestellt. Es enthält folgende Belehrung:

"Wenn Sie den Rücktritt und die hilfsweise Anfechtung von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie die damit verbundene Leistungsablehnung für unbegründet halten, Ihren Anspruch auf Leistungen durch uns also aufrechterhalten wollen, müssen Sie innerhalb von sechs Monaten nach Zugang dieses Schreibens Ihren Anspruch gerichtlich geltend machen. Verstreicht diese Frist ungenutzt, werden wir allein durch den Fristablauf von jeder Verpflichtung zur Leistung frei."

Mit einem am 18. Juni 2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragte Kläger, vertreten durch seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine im Hauptantrag auf Feststellung des Fortbestandes der Berufungsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie auf Zahlung der vertraglichen Leistungen gerichtete Klage, deren Zustellung von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig sein sollte. Das Landgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 30. August 2002 Prozesskostenhilfe für die im Schriftsatz vom 13. August 2002 unter Ziffer I. und II. angekündigten, gegenüber den ursprünglich formulierten Anträgen leicht geänderten Klageanträge, gerichtet auf Zahlung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und hilfsweise auf Feststellung des Fortbestandes jener Versicherung; Prozesskostenhilfe für den Antrag zu III. (Hilfsantrag auf Rückzahlung der Versicherungsprämien für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) lehnte das Landgericht ab. Der Beschluss wurde am 5. September 2002 an die Bevollmächtigten der Parteien abgesandt. Mit Verfügung vom 6. September 2002, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 10. September 2002, teilte die Kammervorsitzende mit, dass das schriftliche Verfahren eingeleitet werde, sobald eine Klageschrift entsprechend der Prozesskostenhilfebewilligung vorliege. Eine solche Klageschrift ging beim Landgericht am 4. Oktober 2002 per Telefax ein; sie wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 11. Oktober 2002 zugestellt.

Der Kläger hat behauptet, er habe dem Versicherungsagenten bei der Antragsaufnahme von gelegentlichen Kreuzschmerzen berichtet. Der Agent habe dies abgetan mit der Bemerkung, dies seien keine Beschwerden im Sinne der gestellten Gesundheitsfragen. Aufgrund des erlittenen Bandscheibenvorfalls sei er, der Kläger, berufsunfähig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitsversicherung eine jährliche Barrente von 10.225,84 € seit 15. Juni 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe bei der Antragsaufnahme nichts von Kreuzschmerzen erwähnt. Sie hat sich unter anderem auch darauf berufen, die Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG sei versäumt worden.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 30. Juni 2004 stattgegeben. Eine Anzeigepflichtverletzung des Klägers sei nicht bewiesen. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass der Kläger bedingungsgemäß berufsunfähig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt. Die Beklagte rügt mit der Berufung in erster Linie, dass sich das Landgericht nicht mit der erstinstanzlich bereits angesprochenen Problematik der Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG auseinandergesetzt habe. Das mit Belehrung versehene Ablehnungsschreiben habe der Kläger am 22. Dezember 2001 erhalten. Prozesskostenhilfe sei ihm auf seinen am 18. Juni 2002 eingereichten Antrag mit Beschluss vom 30. August 2002 gewährt worden. Der Beschluss sei seinem Anwalt am 10. September 2002 zugestellt worden; dieser habe die Klageschrift aber erst am 4. Oktober 2002, also erst nach 24 Tagen, eingereicht. Damit sei die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG versäumt.

Des weiteren trägt die Beklagte vor, der Kläger habe die Antragsfragen falsch beantwortet, indem er gegenüber dem Versicherungsagenten lediglich "Kreuzweh" angegeben habe. Damit habe er seine tatsächliche Erkrankung bagatellisiert. Eine Verletzung der Risikoprüfungsobliegenheit durch sie, die Beklagte, liege nicht vor, denn die Angaben des Klägers seien nicht lückenhaft oder widersprüchlich gewesen. Zumindest hindere eine evtl. Verletzung der Risikoprüfungsobliegenheit nicht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Diese greife hier aber angesichts des Verschweigens einer Vielzahl von Arztbesuchen wegen behandlungsbedürftiger Rückenbeschwerden, die zudem zu längeren Ausfallzeiten geführt hätten, durch.

Der Kläger, der die Zurückweisung der Berufung beantragt, ist der Meinung, die Klagezustellung sei noch rechtzeitig erfolgt. Die Zustellung des Rücktrittsschreibens am 22. Dezember 2001 bestreitet er mit Nichtwissen; sie könne nach dem Stempel auf der Vorderseite des Rückscheins erst am 27. Dezember 2001 angenommen werden. Zudem müssten die Vorschriften über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung zur Anwendung kommen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Prozesskostenhilfeantrag vorzeitig eingereicht worden sei und der 3. Oktober 2002 ein Feiertag gewesen sei. Zudem müsse in Rechnung gestellt werden, dass zwischen seinem Wohnort und dem Gerichtsort eine beträchtliche Entfernung liege. Schließlich liege auch keine unbillige Belastung der Beklagten vor, da sie nach der Gewährung von Prozesskostenhilfe ohnehin mit einer Weiterverfolgung der Ansprüche im Wege der Klage habe rechnen müssen. Im übrigen ist der Kläger der Auffassung, er sei seiner Anzeigepflicht nachgekommen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist von einer etwaigen Verpflichtung zur Leistung schon deshalb nach § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG frei geworden, weil der Kläger seine Ansprüche nicht innerhalb von 6 Monaten nach Zustellung des Ablehnungsschreibens vom 18. Dezember 2001 gerichtlich geltend gemacht hat. Das Schreiben ist dem Kläger ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Kopie der Rückseite des Rückscheines am 22. Dezember 2001 zugestellt worden.

Die 6-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG ist wirksam in Gang gesetzt worden. Sie beginnt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG erst, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Die dem Kläger im Schreiben vom 18. Dezember 2001 erteilte Rechtsfolgenbelehrung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die 6-Monats-Frist war somit am 22. Juni 2002 abgelaufen, während die Klagezustellung erst am 11. Oktober 2002 erfolgte.

Das mit Schriftsatz vom 18. Juni 2002 eingereichte Prozesskostenhilfegesuch hat den Lauf der Ausschlussfrist weder unterbrochen noch gehemmt. Die Bestimmungen über die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung sind auf die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG weder direkt noch entsprechend anwendbar, weil es sich um vollständig verschiedene Rechtseinrichtungen handelt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, s. BGHZ 98, 295).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO), der der Senat folgt, ist derjenige, der innerhalb der 6-Monats-Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG nur einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellt, dazu gehalten, alles zu unternehmen, um die Einhaltung der Klagefrist zu wahren. Er muss alles ihm Zumutbare tun, damit die zur Wahrung der Klagefrist erforderliche Zustellung der Klage nach Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. (= § 167 ZPO n.F.) erfolgen kann. Bei anwaltlicher Vertretung ist ein Zeitraum maßgebend, den ein Rechtsanwalt bei angemessener Sachbehandlung für eine ordnungsgemäße Prozessführung benötigt. In der Regel reichen dazu 14 Tage aus. Diese Frist ist hier nicht gewahrt worden. Dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers, für dessen Verschulden der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat, war die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch spätestens mit Zugang der gerichtlichen Verfügung vom 6. September 2002, also am 10. September 2002 bekannt. Bis zur Klageeinreichung am 4. Oktober 2002 sind 24 Tage verstrichen. Das ist ein deutlich zu langer Zeitraum.

Eine besondere Rechtfertigung, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich vorliegend mehr als 2 Wochen Zeit lassen durfte, um eine dem Umfang der Bewilligung der Prozesskostenhilfe entsprechende Klageschrift einzureichen, ist nicht ersichtlich. Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 30. August 2002 im wesentlichen Prozesskostenhilfe bewilligt, so dass sich Fragen des Prozesskostenrisikos bzw. der Leistung eines Prozesskostenvorschusses nicht stellten. Es war lediglich eine Klageschrift einzureichen, wobei der Rechtsanwalt des Klägers insoweit weitgehend auf die Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs zurückgreifen konnte, wie dies denn tatsächlich (mit nur wenigen Modifikationen) auch geschehen ist. Dazu bedurfte es keines besonderen Aufwandes; vielmehr war eine Erledigung unproblematisch innerhalb von 14 Tagen möglich.

Zu einer "weitherzigen" Auslegung der entsprechenden Vorschriften, wie sie dem Kläger vorschwebt, besteht keine Veranlassung. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin, dass zwischen Prozesskostenhilfebewilligung und Klageeinreichung nur eine Frist von 14 Tagen verstreichen darf, keine unbillige Benachteiligung. Es mag zutreffen, dass die Beklagte aufgrund der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit einer Klageerhebung rechnen musste Gleichwohl hat die Beklagte - entsprechend dem Zweck des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG - ein berechtigtes Interesse daran, dass innerhalb eines kurzen Zeitraumes Klarheit geschaffen wird, ob die erhobenen Ansprüche auch gerichtlich verfolgt werden oder nicht. Dass dem Kläger dafür nur noch 14 Tage zur Verfügung gestanden haben, ist nicht zuletzt Folge des Umstandes, dass er die seit dem 23. Dezember 2001 laufende Klagefrist fast vollständig ausgeschöpft hat, bevor er ein Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hat. Soweit der Kläger sich schließlich auf eine weite Entfernung zwischen seinem Wohnort und dem Landgericht Köln beruft, verkennt er, dass diese Entfernung - wie tatsächlich auch geschehen - durch die Übersendung der Klageschrift per Telefax leicht überwunden werden kann.

Die Berufung hat somit nach allem Erfolg, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist oder ob sie diesen zu Recht wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 46.016,28 €

Ende der Entscheidung

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