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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 5 U 130/01
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1) und 5) wird auch insoweit zurückgewiesen, als sie nicht bereits durch Grund- und Teilurteil des Senats vom 31.01.2005 zurückgewiesen worden ist.

Auf die Anschlussberufung des Klägers hin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 13.06.2001 - 11 U 626/98 - über den Tenor des Grund- und Teilurteils des Senats vom 31.01.2005 hinaus weitergehend abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1) und 5) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den bereits durch Grund- und Teilurteil des Senats vom 31.01.2005 ausgeurteilten Betrag von 200.000,00 € nebst 6 % Zinsen seit dem 02.12.1998 hinaus weitere 300.000,00 € (insgesamt also ein Schmerzensgeld von 500.000,00 €) nebst 6 % Zinsen aus 55.645,94 € seit dem 02.12.1998 und aus weiteren 244.354,06 € seit dem 05.07.2004 zu zahlen. Die weitergehende Zinsforderung wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen, soweit hierüber nicht bereits durch Teil- und Grundurteil des Senats entschieden worden ist, werden wie folgt verurteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger zu 66,67 % und die Beklagten zu 1) und 5) als Gesamtschuldner zu 33,33 %.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers zweiter Instanz tragen der Kläger zu 50 % und die Beklagten zu 1) und 5) als Gesamtschuldner zu 50 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 5) tragen diese selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten zu 1) und 5) bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhaltes und des gesamten Prozessgeschehens wird auf die eingehende Darstellung im Grund- und Teilurteil des Senats vom 31.01.2005 vollumfänglich Bezug genommen. Durch dieses Urteil hat der Senat der Berufung der Beklagten zu 2), 3), 4) und 6) in vollem Umfange stattgegeben und die Klage insoweit abgewiesen. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 5) hat der Senat festgestellt, dass diese als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materielle Schäden, die ihm aus der behandlungsfehlerhaften Überwachung und Leitung seiner Geburt am 11.06.1995 entstanden sind und noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.

Ferner hat der Senat in diesem Urteil die Beklagten zu 1) und 5) als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger auf den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch 200.000,00 € nebst 6 % Zinsen seit dem 02.12.1998 zu zahlen.

Hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes hat der Kläger im Wege seiner Anschlussberufung zuletzt beantragt,

das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13.06.2001 teilweise abzuändern und die Beklagten zu 1) und 5) (nur insoweit ist der Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig entschieden) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Gesamtschmerzensgeld von 500.000,00 € nebst 6 % Zinsen seit dem 01.12.1998 (Beklagte zu 5) bzw. 02.12.1998 (Beklagten zu 1) zu zahlen.

Die Beklagten haben zuletzt beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat nach Erlass des Grund- und Teilurteils gemäß Beweisbeschluss vom 25.04.2005 ein neuropädiatrisches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen derzeit beim Kläger noch vorliegen, inwieweit er hierdurch in seiner normalen alltäglichen Lebensführung bzw. in seiner Lernfähigkeit behindert ist und mit welcher gesundheitlichen Entwicklung in der Zukunft beim Kläger zu rechnen ist. Zu diesen Fragen hat der Sachverständige Prof. Dr. L. das Gutachten vom 18.04.2006 erstattet, auf welches Bezug genommen wird.

Im Termin vor dem Senat vom 11.10.2006 haben die Parteien die bereits zuvor benannten Anträge gestellt, soweit nicht durch Urteil des Senats vom 31.01.2005 hierüber bereits entschieden wurde.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Anschlussberufung des Klägers hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Der Senat erachtet das vom Kläger zuletzt geltend gemachte Gesamtschmerzensgeld von 500.000,00 € angesichts des Ausmaßes seiner geburtsbedingten Schädigung für angemessen und erforderlich. Er stützt sich hierbei im Wesentlichen auf die sehr eingehende Darlegung des gesundheitlichen Zustandes des Klägers und seiner gesundheitlichen Perspektiven für die Zukunft in dem Gutachten des neuropädriatischen Sachverständigen Prof. Dr. L..

Vor dem Hintergrund der vom Sachverständigen im Einzelnen geschilderten körperlichen Möglichkeiten bzw. Beeinträchtigungen des Klägers erscheint die Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass es sich beim Kläger um einen schwerstbehinderten Jungen handelt, ohne weiteres nachvollziehbar. Der Sachverständige hat dies dahingehend präzisiert, dass beim Kläger eine schwerste tetraspastische dystone Bewegungsstörung vorliegt, wie sie typisch ist nach schwerer hypoxischer Hirnschädigung mit der Folge einer sekundären Mikrozephalie. Der Kläger ist weder einer aktiven Kommunikation zugänglich, noch kann er sprechen oder sich gezielt äußern. Ebensowenig kann er sich aktiv fortbewegen. Des weiteren leidet er unter einem Epilepsiesyndrom bei weiterhin pathologischem EEG, wobei dieses Syndrom allerdings derzeit medikamentös mit der Folge anfallsfreien Zustandes des Klägers eingestellt ist.

Darüber hinaus hat der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger in seiner normalen täglichen Lebensführung maximal behindert ist und lebenslänglich auf fremde Hilfe angewiesen sein wird. Die neurologische Entwicklung sei maximal beeinträchtigt, wobei die gesamten Schwerstbeeinträchtigungen bleibender und dauerhafter Natur sind. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar damit erläutert, dass beim Kläger eine statische Enzephalopatie besteht dergestalt, dass der Schaden mit maximaler Schädigung des Gehirns, die nicht mehr reversibel ist, gesetzt ist. Der Sachverständige hat auch mit nicht zu überbietender Deutlichkeit klargemacht, dass diese Schwerstschädigungen des Klägers im Ergebnis durch Behandlungsmaßnahmen wie z. B. die Logopädie wohl nie mit positivem Ergebnis beeinflusst werden können.

Dies bedeutet - und auch dies hat der Sachverständige so klargestellt, dass auch in Zukunft trotz maximaler Förderung nicht mit einer Besserung des Gesamtzustandes des Klägers zu rechnen ist, sondern dieser Zeit seines Lebens auf die umfassende Hilfe Außerstehender angewiesen sein wird.

Die Situation des Klägers stellt sich demzufolge als eine körperliche, psychische und intellektuelle Beeinträchtigung dar, wie sie größer und schlimmer schlechterdings nicht vorstellbar ist.

In Ansehung dieser Umstände erscheint es dem Senat nicht nur angemessen, sondern auch geboten, bei der Bemessung des dem Kläger zuzuerkennenden Schmerzensgeldes den Höchstbetrag zugrunde zu legen, wie er in der neueren Rechtsprechung allgemein und zu Recht als angemessen und erforderlich erachtet wird bei schwerstgeschädigten Menschen. Insoweit ist erneut auf die bereits im Grund- und Teilurteil des Senats erwähnten Entscheidungen, insbesondere des OLG Hamm VersR 2002, 1163 sowie VersR 2004, 386 hinzuweisen, in denen in Fällen einer Schwerstschädigung der vorliegend auch vom Kläger begehrte Betrag von 500.000,00 € zuerkannt worden ist. Der Sache nach liegt beim Kläger wie in den Vergleichsfällen im Ergebnis eine maximale Beeinträchtigung der physischen und psychischen Persönlichkeit vor. Diese Maximalschädigung des Klägers wird sein ganzes Leben lang anhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Gesamtschmerzensgeldbetrag von insgesamt 500.00,00 € in jeder Hinsicht angemessen und auch erforderlich.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, hinsichtlich des klageerhöhend geltend gemachten weiteren Betrages also ab Rechtshängigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Entscheidung beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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