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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 5 U 142/03
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Juli 2003 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 694/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger suchte im Juni 1997 den niedergelassenen Orthopäden Dr. X. wegen - so die Angabe des Klägers - "gelegentlicher Kniebeschwerden beim Tragen von Halbschuhen" auf. Dieser ließ Kernspintomographien fertigen, die bei beiden Kniegelenken - links größer als rechts - einen Einriss an der Meniskusunterfläche ergaben. Dr. X. riet dem Kläger zu einer ambulanten Operation am linken Knie. Der Kläger konsultierte daraufhin am 10. Juli 1997 den Beklagten zu 1), der ihm zur weiteren diagnostischen Abklärung und einer eventuell notwendigen Glättung des Menikus die Durchführung einer Arthroskopie empfahl. Am 13. August 1997 wurde der Kläger stationär im St.-F.-Krankenhaus aufgenommen. Die Eingangsuntersuchung nahm der Beklagte zu 3) vor. Der Kläger unterzeichnete an diesem Tag einen Aufklärungsbogen. Am Folgetag nahm der Beklagte zu 2) die Arthroskopie des linken Kniegelenks vor. Es wurde eine degenerative Meniskusläsion mit verdecktem inkomplettem Längsriss festgestellt; der Meniskus wurde zu 2/3 entfernt. Am 18. August 1997 erfolgte die Arthroskopie des rechten Kniegelenks durch den Beklagten zu 2), bei der ein degenerativer Innenmeniskusschaden mit unterseitig inkomplettem Längsriss festgestellt wurde; auch dieser Meniskus wurde zu 2/3 entfernt.

Der Kläger hat behauptet, die Arthroskopien seien medizinisch nicht indiziert gewesen. Schon die Kernspinaufnahmen hätten hinreichende Aussagekraft gehabt. Es hätten lediglich harmlose Meniskusläsionen ohne Krankheitswert vorgelegen. Er, der Kläger, sei zum Zeitpunkt der Eingriffe trotz sportlicher Aktivitäten beschwerdefrei gewesen. Es hätte deswegen nahegelegen, nach anderen Ursachen für die gelegentlich beim Tragen von Halbschuhen aufgetretenen Beschwerden zu suchen. Jedenfalls seien die Teilresektionen nicht erforderlich gewesen. Der Meniskus hätte belassen werden können, und man hätte die weitere Entwicklung abwarten können. Auch sei eine konservative Behandlung in Betracht gekommen. Durch die gleichwohl durchgeführten Operationen hätten sich die Beschwerden in den Knien deutlich verstärkt.

Der Kläger hat ferner eine unzureichende Aufklärung gerügt. Er hat insoweit behauptet, nicht gesondert darauf hingewiesen worden zu sein, dass es bei den Arthroskopien auch zu einer Meniskusteilresektion kommen könne. Er habe nur in eine Arthroskopie zu Diagnosezwecken eingewilligt. Er sei ferner nicht auf alternative Diagnose- und Therapiemöglichkeiten hingewiesen worden.

Der Kläger hat beantragt.

1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 1.187,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. September 2000 zu zahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner ein angemessenes Schmerzensgeld an ihn zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. September 2000, mindestens aber 10.225,84 €;

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm als Gesamtschuldner sämtliche aus den Operationen vom 14. und 18. August 1997 entstandenen weiteren materiellen Schäden und zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben Behandlungsfehler und Mängel bei der Aufklärung des Klägers in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Juli 2003, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt.

Der Kläger rügt, das Landgericht habe die Feststellung, die operativen Eingriffe seien medizinisch indiziert gewesen, auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt. Der Sachverständige Prof. A. sei zu der Annahme, konservative Behandlungsmöglichkeiten seien erschöpft, so dass nur noch die arthroskopische Meniskusteilresektion in Betracht gekommen sei, nur deswegen gekommen, weil er die Behandlungsunterlagen nicht vollständig ausgewertet und deshalb zu Unrecht unterstellt habe, er, der Kläger, habe bereits seit 1993 Beschwerden an den Knien gehabt, die sich durch konservative Maßnahmen (Einlagen) nicht gebessert hätten. Den Orthopäden Schachten habe er 1993 in erster Linie wegen Lumbalgien aufgesucht. Zwar habe er dort auch über Kniebeschwerden geklagt; insoweit sei eine Behandlung aber nicht notwendig gewesen und sei auch nicht erfolgt. Einlagen seien wegen festgestellter Knick-Senk-Spreizfüße verordnet worden. 1996 habe er Dr. S. aufgesucht wegen lumbaler Beschwerden; dort seien auch die Knie ohne Befund untersucht worden. Dr. X., bei dem er sich erstmals 1997 vorgestellt habe, habe keine Einlagen verordnet. Bei dieser Sachlage habe der Sachverständige nicht davon ausgehen dürfen, es habe bereits eine mehrjährige erfolglose Behandlung der Kniebeschwerden stattgefunden. Deshalb sei auch seine hierauf fußende Feststellung, nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen sei der operative Eingriff indiziert gewesen, falsch.

Hierauf habe er, der Kläger, bereits mit Schriftsatz vom 10. Juni 2003 hingewiesen. Dieses Vorbringen habe die Kammer zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Es seien keine neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel aufgeführt worden; vielmehr sei nur auf bestehende, anhand der Aktenlage auch ohne weiteres nachvollziehbare Überlegungen aufmerksam gemacht worden. Die insoweit bestehenden Diskrepanzen hätten auch der Kammer bei sachgerechter Vorbereitung der Sache auffallen müssen; sie hätte dann den Sachverständigen von Amts wegen rechtzeitig zum Termin laden müssen.

Im übrigen habe auch der Sachverständige - in Übereinstimmung mit den entsprechenden Leitlinien für Meniskuserkrankungen - lediglich eine relative Indikation angenommen, wobei die Entscheidung zur Operation wesentlich vom Leidensdruck und vom Wunsch des Patienten abhänge. Leidensdruck habe er, der Kläger, indes nicht gehabt.

Über Alternativen sei mit ihm nicht gesprochen worden. Er sei im übrigen davon ausgegangen, mit der Arthroskopie solle lediglich eine Diagnose gestellt bzw. gesichert werden.

Darüber hinaus hätte auch darauf hingewiesen werden müssen, dass im Rahmen einer operativen Therapie (mit sparsamer Meniskusteilentfernung) auch eine Meniskusnaht in Betracht gekommen wäre. In Betracht gekommen wären als Alternative neben konservativer Therapie bzw. Meniskusnaht als "Mittel der Wahl" vor allem auch das bloße Zuwarten.

Auch im übrigen sei die Aufklärung unzureichend gewesen. Soweit über operative Maßnahmen gesprochen worden sei, seien sie allenfalls als theoretische Möglichkeiten angesprochen worden.

Die Beklagten, die die Zurückweisung der Berufung beantragen, verteidigen das angefochtene Urteil mit Sach- und Rechtsausführungen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß dem Beschluss vom 24. Mai 2004 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. O. vom 10. Februar 2006 (Bl. 381-456 d.A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung des Senats vom 6. November 2006 (Bl. 585-592 d.A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dass der Kläger am 14. und 18. August 1997 an beiden Knien arthroskopiert worden ist und dabei jeweils Teile des Meniskus entfernt worden sind, stellt keinen Behandlungsfehler dar. Nach den klaren und eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. O. waren die Arthroskopien sowohl zur weiteren diagnostischen Abklärung als auch - nach Feststellen der Einrisse - zur therapeutischen Behandlung medizinisch indiziert. Ob lediglich eine relative Indikation vorlag oder ob der Eingriff jedenfalls hinsichtlich des linken Knies sogar dringend indiziert war, ist, soweit es um die Frage eines Behandlungsfehlers geht, rechtlich nicht von Belang. Der Sachverständige Prof. O. hat überzeugend ausgeführt, dass beim Kläger unter Berücksichtigung des gesicherten klinischen Befundes (Längsrisse im Meniskusgewebe bei degenerativen Veränderungen des Meniskusgewebes), des Alters des Klägers von über 50 Jahren zum Zeitpunkt der Eingriffe, seines Aktivitätsgrades und der jedenfalls zeitweilig aufgetretenen Beschwerden ein operatives Vorgehen indiziert war. Der Sachverständige hat insoweit deutlich gemacht, dass Spontanheilungen beim Bestehen von degenerativen Veränderungen nicht zu erwarten sind, so dass es sich verbot, lediglich weiter zuzuwarten, denn ohne Therapie hätte es zu sekundärer Knorpelschädigung oder zu einem Riss kommen können. Mit der Einschätzung, dass der Kläger operativ zu therapieren war, steht der Sachverständige Prof. O. in Übereinstimmung mit den Feststellungen des erstinstanzlich herangezogenen Sachverständigen Prof. A.. Die Kritik des Klägers an diesen Feststellungen - insbesondere auch im Schriftsatz vom 18. Dezember 2006 - geht fehl. Ob möglicherweise auch ein konservatives Vorgehen in Betracht zu ziehen gewesen wäre, stellt die (zumindest relative) Indikation zur Meniskusteilresektion nicht in Frage. Ob und inwieweit der Kläger vor der Entscheidung zum operativen Eingriff schon längere Zeit über Kniebeschwerden geklagt hat oder ob er insoweit schon konservativ therapiert war, ist lediglich ein Gesichtspunkt bei der Indikationsstellung zur Operation. Wesentlich und das hat der Sachverständige Prof. O. klar hervorgehoben - ist der durch die Kernspinaufnahmen erhobene und im Rahmen der Arthroskopie gesicherte Befund von Meniskuslängsrissen mit degenerativer Vorschädigung, der unter Einbeziehung des Alters und des Aktivitätsgrades des Klägers die Indikationsstellung rechtfertigte.

Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugen. Der Vorwurf mangelnder Neutralität, den der Kläger gegenüber dem Sachverständigen - ohne einen Befangenheitsantrag zu formulieren -, im Schriftsatz vom 18. Dezember 2006 äußert, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Soweit der Sachverständige die besondere Erfahrung des Beklagten zu 1) hervorgehoben hat, ist damit ersichtlich lediglich zum Ausdruck gebracht, dass Entscheidungen nicht zuletzt auch von individuellen Kenntnisstand des Arztes mit beeinflusst werden können. Dass die Entscheidung des Beklagten zu 1), eine Arthroskopie anzuraten, zutreffend war, hat denn auch der klinische Befund ergeben. Widersprüche in den Ausführungen des Sachverständigen, die der Kläger zu sehen glaubt, sieht der Senat nicht. Er hat klipp und klar ausgeführt, dass die Indikationsstellung korrekt war - ja, dass es sogar ein Behandlungsfehler gewesen wäre, wenn die Arthroskopien abgebrochen worden wären, ohne die Teilresektionen durchzuführen.

Fehler bei der Durchführung der Meniskusteilresektionen hat der Sachverständige unter Auswertung der Operationsberichte und der Video-Printdokumentation nicht festgestellt.

Eine Haftung der Beklagten würde sich im übrigen selbst dann nicht ergeben, wenn man zu deren Lasten einen (dann indes allenfalls einfachen) Behandlungsfehler unterstellen würde. Denn dann bliebe nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. O. zumindest offen, ob die vom Kläger nach den Eingriffen geklagten dauerhaften Kniebeschwerden auf den Eingriff zurückzuführen sind oder ob sie - was nach den Ausführungen von Prof. O. eher anzunehmen ist - Folge der degenerativen Knorpelveränderungen sind. Die insoweit bestehende Unaufklärbarkeit geht zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.

Die Beklagten haften auch nicht wegen einer unzureichenden Aufklärung. Der Beklagte zu 3) hat bei seiner Anhörung vor dem Senat geschildert, dass er den Kläger im Rahmen des Aufklärungsgesprächs insbesondere darauf hingewiesen hat, dass dann, wenn sich intraoperativ die Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen ergeben sollte, diese sodann gleich durchgeführt würden. Im übrigen habe er ihn über die Risiken, wie sie auch im Aufklärungsbogen vermerkt seien, aufgeklärt. Dies hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung bestätigt. Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine begründeten Zweifel, dass dem Kläger eine hinreichende Risikoaufklärung zuteil geworden ist und er über die denkbaren operativen Maßnahmen ausreichend informiert war.

Hervorgehoben hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat, es sei nicht über die Indikation gesprochen worden. Angesprochen ist damit die Frage, ob die Beklagten verpflichtet waren, über Behandlungsalternativen (bloßes Zuwarten, konservative Behandlung, Meniskusnaht) aufzuklären. Eine solche Verpflichtung bestand hier indes nicht. Der Kläger verkennt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, nicht stets auf grundsätzlich denkbare andere Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen werden muss. Die Wahl der richtigen Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes. Nur dann, wenn es mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, gibt und somit eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten besteht, dann muss diesem nach einer dann erforderlichen ärztlichen Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. BGH, NJW 2005, 1718 m.w.N.). Die danach notwendige Feststellung, dass die in Betracht kommenden Methoden gleichermaßen indiziert sind, kann im vorliegenden Fall nach den auch insoweit klaren und eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. O. nicht getroffen werden. Ein bloßes Zuwarten, das nach Darstellung des Sachverständigen grundsätzlich auch in Betracht gekommen wäre, hätte zwangsläufig zum Fortschreiten der degenerativen Veränderungen geführt und es hätte jederzeit vor allem unter Berücksichtigung der sportlichen Aktivitäten die Gefahr eines Meniskusrisses bestanden. Reines Zuwarten war daher ersichtlich keine gleichwertige Alternative zum operativen Eingriff. Auch ein konservative Behandlung wäre nach den Angaben des Sachverständigen Prof. O. nicht zielführend und somit nicht gleichermaßen wie ein operatives Vorgehen indiziert gewesen, da eine konservative Behandlung nicht heilend hätte sein können, sondern nur symptomatisch gewirkt hätte. Schließlich wäre auch eine Meniskusnaht oder eine Meniskusrefixation anstelle der Teilresektion nicht als gleichwertige Behandlungsalternative in Betracht zu ziehen gewesen, denn diese ist allenfalls bei nicht wesentlicher Degeneration des Meniskus bei Schädigung jüngerer Patienten im kapselnahen Drittel angezeigt; auch dieses Voraussetzungen lagen beim Kläger nicht vor. Festzustellen ist damit, dass es eine echte Behandlungsalternative, über die aufzuklären gewesen wäre, vorliegend nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. O. nicht gab. Die gegenteiligen Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 18. Dezember 2006 verkennen die rechtlichen Grenzen der Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 12.691,77 € (= 24.822,95 DM)

Ende der Entscheidung

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