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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.05.2009
Aktenzeichen: 5 U 15/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Dezember 2007 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 466/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung materiellen oder immateriellen Schadensersatzes wegen ärztlicher Behandlungsfehler oder unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit der stationären Behandlung vom 9. bis 27. November 1998 und den weiteren Behandlungen in der Zeit bis 18. September 2001 zu. Denn dem Kläger ist der ihm obliegende Beweis für schadensursächliche Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte im Haus der Beklagten zu 1. nicht gelungen und auch seine Aufklärungsrüge ist nicht berechtigt.

Bei seiner Beurteilung folgt der Senat zum einen dem Gutachten des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. C. N. L [Gutachten vom 27. August 2007 (Bl. 128 - 157d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen vom 12. November 2007 (S. 2 - 6 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 12. November 2007, Bl. 181 ff., 182 - 186 d. A.)], das unter sorgfältiger Auswertung der Krankenunterlagen sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Parteien ausführlich, gut nachvollziehbar und nicht zuletzt deshalb überzeugend begründet worden ist, und zum anderen der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. X O [Chefarzt der Endoklinik, Spezialklinik für Knochen- und Gelenkchirurgie I; schriftliche Aussage vom 12. Oktober 2008 (Bl. 281 d. A.) und mündliche Aussage vom 16. März 2009 (S. 2 - 5 des Protokolls der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 290 - 293 d. A.)], die in wesentlichen Punkten mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L übereinstimmt und die den Senat wegen ihrer gut nachvollziehbaren Begründung überzeugt hat, wobei der Senat nicht zuletzt aufgrund des Aussageverhaltens des Zeugen von dessen Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage überzeugt ist.

1.

Nach den überzeugend begründeten Ausführungen des Sachverständigen Dr. L war die am 10. November 1998 durchgeführte Implantation einer Totalendoprothese des linken Knies medizinisch indiziert, weil der Kläger vor dem Eingriff an einer Gonarthrose vierten Grades mit Beteiligung sämtlicher Gelenkkompartiments gelitten hat [vgl. insb.: S. 6 und 17 seines Gutachtens vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 133 und 144 d. A.)] und weil die präoperativ erfolgten Arthroskopien ohne Erfolg geblieben waren.

2.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass den behandelnden Ärzten während der umstrittenen Operation am 10. November 1998 oder im Rahmen der Folgebehandlung im Hause der Beklagten zu 1. schadensursächliche Behandlungsfehler unterlaufen sind.

a)

Die postoperativ gefertigten Röntgenbilder haben einen korrekten Sitz der implantierten Knieprothese gezeigt [vgl. etwa: S. 18 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. L vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 145 d. A.); vgl. hierzu auch den Arztbrief der Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. P u. P. vom 12. Mai 1999 an den Beklagten zu 2. (Bl. 23 f., 23 d. A.)]. Und auch das Entfernen der Kreuzbänder ist nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden, wobei er hierzu insbesondere ausgeführt hat, dass das Entfernung des vorderen Kreuzbandes bei Implantationen von Knieprothesen der hier in Rede stehenden Art üblich sei und auch das Entfernen der hinteren Kniebänder von einer Reihe von Operateuren vorgenommen würde und aus medizinisch-sachverständiger Sicht jedenfalls nicht als Behandlungsfehler zu bewerten sei ["S. 24/25 des Gutachtens des Sachverständigen vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 151/152 d. A.)].

b)

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2. bei der umstrittenen Operation am 10. November 1998 die Seitenbänder durchtrennt oder gar entfernt hat. Im Operationsbericht [vgl. Krankenakte des Sankt K Hospital C-D] beschrieben ist dies nicht. Und der Sachverständige Dr. L hat dies als sehr unwahrscheinlich bezeichnet ["vgl. etwa S. 24 seines Gutachtens vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 151 d. A.)] und hierzu ausgeführt, dass es in dem postoperativen Verlauf keine Anzeichen gegeben habe, die den Schluss zulassen könnten, dass die Seitenbänder in der Operation am 10. November 1998 durchtrennt worden sind. Insbesondere habe keiner der Nachbehandler eine Instabilität der Seitenbänder festgestellt, obwohl es sich ggf. um einen so eindeutigen Befund gehandelt hätte, dass "es sozusagen einem Blinden hätte auffallen müssen, wenn die Seitenbänder defekt oder beschädigt worden wären" ["mündliche Erläuterungen des Sachverständigen Dr. L vom 12. November 2008 (S. 2/3 des Protokolls vom 12. November 2008, Bl. 181 ff., 182/183 d. A.); vgl. auch S. 24 seines Gutachtens vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 151 d. A.)]. In dem Bericht des Oberarztes der orthopädischen Abteilung des Bundeswehrzentralkrankenhauses M Dr. Q vom 29. November 2002 ist bezogen auf die Untersuchung des Klägers dort am 25. Oktober 2001 vielmehr ausdrücklich festgestellt worden, dass der Seitenbandapparat bei dieser Untersuchung stabil gewesen sei ["S. 1 dieses Berichtes (Kopie Bl. 35 f., 35 d. A.)].

Auch die postoperativ aufgetretene Ergussbildung stellt nach der überzeugenden Bewertung des Sachverständigen Dr. L kein Anzeichen für eine Instabilität der Seitenbänder dar [mündliche Erläuterungen vom 12. November 2008 (S. 5 des Protokolls vom 12. November 2008, Bl. 181 ff., 185 d. A.)], was auch für das postoperativ aufgetretene Schnappgefühl gelte [mündliche Erläuterungen vom 12. November 2008 (S. 5 des Protokolls vom 12. November 2008, Bl. 181 ff., 185 d. A.)].

Ein Zeichen dafür, dass die Seitenbänder bei der Operation am 10. November 1998 entfernt worden sind, stellt schließlich auch nicht der Umstand dar, dass der sachverständige Zeuge Dr. O in seinem Operationsbericht vom 15. März 2002 [Kopie, Bl. 43 d. A.] festgehalten hat, dass die Seitenbänder bei der Rezidivoperation am 15. März 2002 nicht hätten dargestellt werden können. Zwar ist der Senat aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. O davon überzeugt, dass die Seitenbänder im Zeitpunkt der Operation am 15. März 2002 tatsächlich nicht mehr vorhanden gewesen sind [mündliche Aussage des Zeugen vom 16. März 2009 (S. 2, 3 des Protokolls vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 290, 291 d. A.)]. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass es aufgrund eines Unfalls oder sonstigen traumatischen Ereignisses zwischen den beiden Operationen zu einem Verlust der Seitenbänder gekommen seien könnte. Der Zeuge hat aber mit überzeugender Begründung ausgesagt, dass es keinen unauflöslichen Widerspruch darstelle, dass die Seitenbänder bei der Operation am 10. November 1998 unangetastet geblieben sind und bei der Operation am 15. März 2002 nicht mehr vorhanden gewesen sind [mündliche Aussage des Zeugen vom 16. März 2009 (S. 4 des Protokolls vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 292 d. A.)]. Denn es sei durchaus möglich, dass es innerhalb der dreieinhalb Jahre zwischen der Erstoperation und der Feststellung in der Endoklinik I zum Verlust der Seitenbänder gekommen sei. Denn eine Arthrose bewirke eine Schädigung der Seitenbänder, die bis zu deren Velust führen könne. Auch beim Einbau einer Prothese könne sich ein solcher Prozess ausbilden. Von der eingebrachten Prothese gehe keine Stabilität aus. Durch die Beanspruchung des Knies über einen längeren Zeitraum könnten die Seitenbänder verloren gehen. Es sei dementsprechend durchaus denkbar, dass auch dann, wenn der Erstoperateur die Seitenbänder vorgefunden und stehen gelassen habe, diese bei der Operation in der Endoklinik nicht mehr vorhanden gewesen seien [mündliche Aussage des Zeugen vom 16. März 2009 (S. 3/4 des Protokolls vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 291/292 d. A.)].

3.

Auch die Aufklärungsrüge des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Kläger ist vielmehr ausweislich seiner Einwilligungserklärung vom 9. November 1998 in die hier umstrittene Operation am 10. November 1998 [vgl. Krankenakte des Sankt K Hospital C-D] ordnungsgemäß über die mit dem geplanten Eingriff verbundenen Risiken, die möglichen Komplikationen und die Bedeutung des Eingriffs für seine alltägliche Lebensführung aufgeklärt worden [vgl. hierzu auch etwa die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Dr. L vom 12. November 2008 (S. 3 des Protokolls vom 12. November 2008, Bl. 181 ff., 183 d. A.)].

Der Kläger ist insbesondere auch darüber aufgeklärt worden, dass neben der letztendlich tatsächlich implantierten Totalendoprothese auch die Implantation eines medialen Hemischlittens in Betracht kommen könnte, wobei vereinbart worden ist, dass zunächst im Wege der Arthroskopie untersucht werden soll, ob der mediale Hemischlitten geeignet und ausreichend sei, und dass aufgrund des Ergebnisses dieser Untersuchung die letzte Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit getroffen werden soll ["vgl. die Einwilligungserklärung des Klägers vom 9. November 1998 in die hier umstrittenen Operation vom 10. November 1998, Krankenakte des Sankt K Hospital C-D]. Über weitere Behandlungsmöglichkeiten musste der Kläger nicht aufgeklärt werden. Denn es ist weder von dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass es zu der tatsächlich erfolgten Operation eine echte Behandlungsalternative gegeben hätte, über die der Kläger hätte aufgeklärt werden müssen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche andere Prothese hätte implantiert werden können. Die tatsächlich implantierte Prothese war unter Berücksichtigung der Situation des linken Knies des Klägers vor der umstrittenen Operation geeignet [vgl. etwa S. 17 des Gutachtens des Sachverständigen Dr. L vom 27. August 2007 (Bl. 128 ff., 144; vgl. hierzu auch die mündliche Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. O vom 16. März 2009 (S. 4 des Protokolls vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 292 d. A.)], das Implantieren eines Scharniergelenks war demgegenüber nicht erforderlich, weil davon ausgegangen werden muss, dass zum damaligen Zeitpunkt der Seitenbandapparat am linken Knie des Klägers stabil gewesen ist.

Ein Mangel der Aufklärung des Klägers vor der Operation am 10. November 1998 ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass es dem Typ der tatsächlich implantierten Totalendoprthese des linken Knies des Klägers nach der Bewertung des sachverständigen Zeugen Dr. O immanent war, dass es im Laufe von einem bis fünf Jahren zu einer Instabilität des betroffenen Knies komme [mündliche Aussage des Zeugen vom 16. März 2009 (S. 4 des Protokolls vom 16. März 2009, Bl. 289 ff., 292 d. A.)]. Denn der Kläger ist ausdrücklich auch darüber aufgeklärt worden, das es zu einer "frühzeitigen Lockerung" kommen kann. Damit ist dem Kläger in einer für einen Laien verständlichen Form vor Augen geführt worden, dass es frühzeitig zu einer Instabilität seines linken Knies und damit auch zu einem Rezidiveingriff kommen kann. Für das Erkennen der Gravität dieser Komplikation ist es dabei für den Kläger als medizinischem Laien nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Instabilität auf einer Lockerung der Prothese als solcher, auf einer Lockerung oder sonstigen Instabilität des Bandsapparates oder auf sonstigen Umständen beruht. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung soll die Aufklärung dem Patienten kein medizinisches Entscheidungswissen vermitteln; dem Patienten soll vielmehr eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs vermittelt werden, wobei ihm dafür nicht die Risiken in allen erdenklichen Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen und es ausreicht, wenn er "im Großen und Ganzen" erkennen kann, worauf er sich einlässt und was der Eingriff für seine Situation bedeutet [vgl. etwa: BGHZ 90, 103, Juris-Rn. 18 m. w. N. - st. Rspr.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., 2006, Rn. 329 u. 393 ff. jew. m. v. w. N.]. Diesen Anforderungen genügt die vor dem umstrittenen Eingriff vom 10. November 1998 erfolgte Aufklärung des Klägers.

Prozessuale Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls.

Berufungsstreitwert: 11.410,51 Euro

Ende der Entscheidung

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