Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 5 U 162/05
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG §§ 16 ff.
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES GRUND- und TEILURTEIL

5 U 162/05

Anlage zum Protokoll vom 6. Dezember 2006

Verkündet am 6. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Thurn und Mangen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. September 2005 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 271/04 - abgeändert.

Über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 2.942,66 € nebst Zinsen hinaus ist die Klage mit dem Klageantrag zu 1) dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren Schaden aus dem Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages vom 19./20. März 2000 zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte vermittelt Versicherungsschutz an Auslandsreisende. Das von ihr angebotene Versicherungspaket beinhaltet neben einer Auslandsreisekrankenversicherung auch Sach-, Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Die Beklagte tritt nicht selbst als Versicherer auf. Sie hatte mit der B, S.A. einen Gruppenversicherungsvertrag geschlossen, der zum 28. Februar 2002 endete. Nach Vorgesprächen, deren Inhalt im einzelnen streitig ist, schloss die Beklagte mit der H Krankenversicherung AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, sowie mit der I Firmen und Privat Service AG unter dem 19./20. März 2002 einen Gruppenversicherungsvertrag. Nach diesem Vertrag, auf dessen Inhalt im übrigen Bezug genommen wird (GA 55-60), war die Beklagte Versicherungsnehmerin und schuldete den Vertragspartnern nach Maßgabe von Ziffer 1.7 eine Prämie. Die versicherten Personen waren berechtigt, Ansprüche direkt gegen die Versicherer geltend zu machen (Ziffer 2.3). Die Versicherungsbeiträge zog die Beklagte unmittelbar von den versicherten Personen ein; die Leistungsregulierung erfolgte alleine durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. die I AG.

Dem Vertragsschluss vorausgegangen war am 28. Januar 2002 eine Präsentation im Hause der Rechtsvorgängerin der Klägerin, innerhalb derer die damaligen Geschäftsführerinnen der Beklagten Zahlen über das in der Vergangenheit erzielte "Prämienvolumen" mitteilten. Angegeben wurden dabei die Bruttoprämien, also diejenigen Prämien, die die Beklagte von den versicherten Personen eingenommen hatte. Die Parteien streiten insoweit, ob die Beklagte dies hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat oder ob die Zahlen nicht vielmehr so verstanden werden mussten, als gäben sie die Nettoprämien (Prämien, die die Beklagte an die B entrichtet hat) an.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2003 erklärte die Rechtsvorgängerin der Klägerin (zugleich für den Sachversicherer) den Rücktritt von dem Gruppenversicherungsvertrag, focht ihn zugleich wegen arglistiger Täuschung an und kündigte hilfsweise aus wichtigem Grund. In der Folgezeit kam es zu einstweiligen Verfügungsverfahren, die jeweils durch Vergleich beendet wurden. Auf die Vergleichstexte wird Bezug genommen (GA 232-239).

Die Klägerin hat vorgetragen, die Mitarbeiter ihrer Rechtsvorgängerin hätten die von der Beklagten angegebenen Prämienzahlen als Nettoprämien angesehen. Auf Nachfrage sei ihnen ausdrücklich versichert worden, dass es sich bei den Prämieneinnahmen um die Nettoprämien handele. Da tatsächlich die Bruttoprämien mitgeteilt worden seien, seien auch die - auf der Grundlage eben dieser Bruttoprämien - errechneten Schadensquoten falsch. Die Schadensquote sei indes die wesentliche Grundlage für den Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages und für die von der Beklagten an ihre Rechtsvorgängerin zu entrichtende Prämie gewesen.

Die Klägerin hat ihren Gesamtschaden bis zum 30. September 2004 auf 6.525.295,23 € (GA 354) beziffert. Auf einen von ihr des weiteren geforderten Betrag von 194.949,- € zahlte die Beklagte insgesamt 192.006,34 €.

Der Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.797.502,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, weitere 720.933,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 2.942,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. August 2004 und aus einem Betrag von 194.949,- € für die Zeit vom 15. Mai 2004 bis zum 26. August 2004 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den weiteren Schaden aus dem Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages vom 19./20. März 2000 zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, dass auch die mit der Klage verfolgten Ansprüche im Rahmen der in den einstweiligen Verfügungsverfahren geschlossenen Vergleiche miterledigt worden seien. Sie hat sich des weiteren auf den Standpunkt gestellt, im Rahmen der Präsentation seien nicht wissentlich Falschangaben gemacht worden. Soweit die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Klägerin falsche Vorstellungen von den angegebenen Zahlen gehabt hätten, hätte es ihnen oblegen, nachzufragen, was sie allerdings unterlassen hätten.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. September 2005, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, lediglich in Höhe von 2.942,66 € nebst beantragter Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich verfolgten Anträge, soweit ihnen nicht stattgegeben worden ist, in vollem Umfang weiterverfolgt.

Die Klägerin rügt, das Landgericht habe zu Unrecht einen wirksamen Rücktritt vom Vertrag verneint. Die Nettoprämien und die Schadensquote seien im Rahmen des hier abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages gefahrerhebliche Umstände im Sinne von § 16 Abs. 1 VVG. Es hätten insoweit keine auf die zu versichernden Personen bezogenen "Risikogrundsätze" bestanden. Hier sei es um die Übernahme eines Versichertenbestandes gegangen. Die insoweit bestehenden Risiken könnten nur anhand der kumulierten Daten des Kollektivs beurteilt werden. Fragen zu Einzeldaten der versicherten Personen wären sinnlos gewesen; Personen, die in der Vergangenheit versichert waren, seien in der Regel nur kurz versichert gewesen, und Daten über künftige Versicherte hätten naturgemäß nicht vorgelegen. Überdies sei das Erfragen von Daten bei jährlich ca. 23.000 Versicherten nicht handhabbar gewesen. Wichtig seien daher vor allem die Eckdaten gewesen - und zu diesen Daten gehörten vor allem die Nettoprämien und die Schadensquoten.

Dies sei auch der Beklagten bewusst gewesen, denn sie habe in den Präsentationsunterlagen umfangreiche Angaben über Prämieneinnahmen, Schadensaufwendungen und Schadensquoten gemacht. Die Klägerin wiederholt ihre Behauptung, die Zeugen R und T hätten im Rahmen der Präsentation ausdrücklich danach gefragt, ob die angegebenen Prämieneinnahmen Brutto- oder Nettoprämien seien. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass es sich um Nettoprämien handele.

Der von ihr erklärte Rücktritt sei auch fristgerecht erfolgt. Aufgrund der Mail vom 14. April 2003 sei ihr zwar (jetzt) bekannt gewesen, dass es sich um Nettoprämien gehandelt habe. Sie habe sich dann aber erst an den Vorversicherer wenden müssen, um weitere Einzelheiten zu erfragen. Diese Informationen habe sie erst am 26. Juni 2003 erhalten, so dass der unter dem 11. Juli 2003 ausgesprochene Rücktritt rechtzeitig erfolgt sei.

Unabhängig davon liege auch eine arglistige Täuschung durch die Beklagte vor. Die damaligen Geschäftsführer der Beklagten hätten gewusst, dass ihre Angaben zum Prämienvolumen falsch gewesen seien. Sie hätten die falschen Angaben in der Absicht gemacht, über die Rentabilität des Geschäfts zu täuschen. Die Beklagte habe insoweit nur Ausreden vorgetragen. So sei insbesondere nicht glaubhaft, dass die damaligen Geschäftsführerinnen G und U in versicherungstechnischen Fragen nicht bewandert gewesen seien. Dagegen spreche schon, dass sie die Präsentation vorgenommen hätten. Zumindest nach der erfolgten Nachfrage hätten sie, wenn sie insoweit keine verbindliche Auskunft hätten geben können, ihre Unkenntnis offenbaren müssen.

Fehlerhaft sei die Rechtssauffassung des Landgerichts, Falschangaben des Versicherungsnehmers außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 16 ff. VVG seien nicht schadensersatzbewehrt. Das Gegenteil entspreche der herrschenden Meinung. Richtigerweise seien hier allerdings §§ 16 ff. VVG einschlägig. Gleichwohl sei sie, die Klägerin, mit Schadensersatzansprüchen nicht ausgeschlossen. Die Beklagte sei hier zugleich als Handelsvertreter im Sinne von § 84 VVG tätig geworden, deshalb hätten sie weitergehende Mitteilungspflichten getroffen; diese bestünden unabhängig von ihrer Stellung als Versicherungsnehmerin.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.797.502,- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 720.933,23 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den weiteren Schaden aus dem Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages der Parteien vom 19./20. März 2000 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß dem Beschluss vom 12. Juli 2006 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung des Senats vom 2. Oktober 2006 (GA 831-851) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt zur Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach, soweit die Klage auf Leistung gerichtet ist, und im übrigen zur Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Die Klägerin stützt Ansprüche gegen die Beklagte in erster Linie darauf, dass ihr gefahrerhebliche Umstände im Sinne von § 16 Abs. 1 VVG verschwiegen worden seien und sie daher berechtigt sei, vom Vertrag zurückzutreten bzw. diesen wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Der Senat hält indes die Bestimmungen der §§ 16 ff. VVG auf den vorliegend zu beurteilenden Gruppenversicherungsvertrag für nicht anwendbar. §§ 16 ff. VVG sind ersichtlich zugeschnitten auf Individualverträge. Der Versicherer soll in die Lage versetzt werden, das individuelle Risiko, das mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages verbunden ist, beurteilen zu können. Zu diesem Zweck ist ein Versicherungsnehmer gehalten, die für dieses individuelle Risiko erheblichen Umstände zu offenbaren, um dem Versicherer eine sachgerechte Prüfung, ob er zum Abschluss des Vertrages bereit ist, zu ermöglichen. Die Regelungen der §§ 16 ff. VVG bieten mit ihren besonderen Rechtsfolgen zugleich dem Versicherungsnehmer Rechtssicherheit für den Fall, dass es zu einer nachträglichen Auflösung des Versicherungsvertrages als Folge des Verschweigens gefahrerheblicher Umstände kommt. Bei einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten kommen nur Prämienerhöhung, Kündigung oder Rücktritt in Betracht; weitergehende Schadensersatzansprüche aus einem Verschulden bei Vertragsschluss sind im Regelfall ausgeschlossen (BGH, VersR 1984, 630).

Jedenfalls beim Abschluss eines Gruppenversicherungsvertrages, wie er vorliegend zwischen den Parteien abgeschlossen worden ist, ist die Heranziehung der §§ 16 ff. VVG nach Auffassung des Senats nicht sachgerecht. Der hier geschlossene Vertrag ist dadurch geprägt, dass die Beklagte - trotz ihrer formal nach dem Vertrag bestehenden Stellung als "Versicherungsnehmerin" - letztlich der Klägerin lediglich eine Vielzahl von versicherten Personen zuführt, ohne in irgendeiner Weise in die Leistungsabwicklung einbezogen zu sein. Es ist im Gruppenversicherungsvertrag vielmehr ausdrücklich geregelt, dass die Leistungsregulierung alleine zwischen der Klägerin und den versicherten Personen stattfindet. Versicherungsleistungen an diese Personen stellen deshalb auch rechtlich keine Leistungen an die Beklagte dar. Auch wenn der Klägerin keine vertraglichen Prämienansprüche gegen einzelne versicherte Personen zustehen, sondern sie sich insoweit nur an die Beklagte halten kann, befindet sich die Beklagte, die ansonsten in die Leistungsabwicklung nicht einbezogen ist, doch mehr in der Position eines Versicherungsvermittlers, der seine Provision hier nur nicht vom Versicherer, sondern aufgrund eigener Prämienfestsetzung direkt von den versicherten Personen einnimmt. Bei dieser Konstellation spielen individuelle Vertragsrisiken, wie sie typischerweise von §§ 16 ff. VVG erfasst sind, keine maßgebende Rolle mehr. Die hier entscheidende Frage, ob die vereinbarten Prämienleistungen, die die Beklagte zu leisten hatte, von der Klägerin sachgerecht kalkuliert werden konnten, beurteilt sich denn auch nicht an solchen Risiken, sondern kann sich zwangsläufig - schon wegen der Vielzahl der jährlich zu versichernden Personen - nur an dem pauschalen Schadensaufkommen in der Vergangenheit orientieren. Soweit das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines derartigen Gruppenvertrages wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten infrage steht, bieten nicht die §§ 16 ff. VVG, sondern die Regelungen des allgemeines Vertragsrechts die sachgerechten rechtlichen Grundlagen für eine Haftung.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen verpflichtet. Die Beklagte war bei der Anbahnung des Gruppenversicherungsvertrages gehalten, der Klägerin die zur Entscheidung, ob sie den Vertrag eingeht, notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören die maßgeblichen Zahlen über die in der Vergangenheit geflossenen Prämien und über den Umfang der erbrachten Versicherungsleistungen, denn nur mit diesen Eckdaten war die Klägerin imstande, zu beurteilen, ob und unter welchen Konditionen sie vertragliche Beziehungen mit der Beklagten eingehen wollte. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass sich das Interesse der Klägerin, soweit es Prämienleistungen in der Vergangenheit anging, auf diejenigen Prämien bezog, die die Beklagte an den Vorversicherer entrichtet hatte. Denn nur anhand dieser Prämien konnte sie unter Berücksichtigung der erbrachten Versicherungsleistungen abschätzen, ob und unter welchen ggf. auszuhandelnden Konditionen sich der Abschluss des Versicherungsvertrages für sie profitabel darstellen würde. Demgegenüber war es für die Klägerin ohne wesentliche Bedeutung, welche Prämien die Beklagte mit den einzelnen versicherten Personen vereinbart hatte, denn diese verblieben der Beklagten. Maßgebend waren also die "Nettoprämien", nicht die "Bruttoprämien".

Der Senat ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die damaligen Geschäftsführerinnen der Beklagten, die Zeuginnen G und U, bei der Präsentation am 28. Januar 2002 gegenüber den Zeugen T und R jedenfalls nicht in hinreichendem Maß klargestellt haben, dass das von ihnen mitgeteilte "Prämienvolumen" sich nicht auf die Netto-, sondern auf die Bruttoprämien bezog. Die Zeugen T und R haben klar und unzweideutig bekundet, dass sie im Rahmen der Präsentation nachgefragt haben, ob mit dem angegebenen Prämienvolumen die Netto- oder die Bruttoprämien gemeint waren. Diese Bekundung erscheint dem Senat in jeder Hinsicht glaubhaft, denn es liegt auf der Hand, dass es für die Klägerin von ganz erheblicher Bedeutung war, in welcher Höhe der Vorversicherer Prämien von der Beklagten eingenommen hatte. Insoweit waren die Präsentationsunterlagen in bemerkenswerter Weise unklar. Während es in den einleitenden Bemerkungen (GA 76) noch hieß: "Reporting und Zahlung der Versicherungsprämien erfolgt auf Nettobasis" (was auch die Zeugin G als diejenigen Prämien, die an den Versicherer zu leisten sind, verstanden hat), ist im übrigen lediglich noch von "Prämienvolumen" und an einer weiteren Stelle des Papiers (GA 52) von "Nettoprämie an den Versicherer" die Rede. Dass bei diesen unklaren Angaben Nachfragen veranlasst waren, versteht sich von selbst. Der Senat hat keinen vernünftigen Zweifel, dass seitens der Zeugen T und R entsprechende Nachfragen auch erfolgt sind, die die Zeugin G - wahrheitswidrig - dahin beantwortet hat, es seien die Nettoprämien gemeint. Durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen T und R hat der Senat nicht. Sie haben den damaligen Geschehensablauf nachvollziehbar und ohne erkennbare Widersprüche geschildert; soweit sie sich nicht an jede Einzelheit der Präsentation erinnern konnten, mag dies auf den Umstand zurückzuführen sein, dass das Gespräch bereits mehrere Jahre zurückliegt. Beide Zeugen haben auf den Senat auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

Der Beweiswert ihrer Angaben wird durch die Bekundungen der Zeuginnen G und U nicht in Frage gestellt. Die Darstellung der Zeugin G erscheint dem Senat schlicht nicht glaubhaft und in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Es ist schon wenig nachvollziehbar, dass der Vorversicherer sich angeblich mit der Angabe von Bruttoprämien begnügt hat und mit Rücksicht auf die darin enthaltene Marge für die Beklagte zur Ermittlung des auch für ihn offenbar maßgebenden Nettoprämienvolumens einen pauschalen Abschlag vorgenommen haben will. Damit war kaum eine sichere Kalkulation möglich. Jedenfalls konnte die Beklagte nicht erwarten, dass auch die Klägerin in gleicher Weise vorgehen wollte. Überdies ist in den Präsentationsunterlagen nicht einmal deutlich hervorgehoben, dass es sich durchgehend bei der Angabe des Prämienvolumens um Bruttoprämien handelte. Es liegt deswegen - was nochmals hervorzuheben ist - auf der Hand, dass dann jedenfalls seitens der Zeugen T und R Nachfragen erfolgt sind. Dass dies - wie es die Zeugin G als "ziemlich sicher" bekundet hat - nicht geschehen sein soll, kann ihr der Senat nicht abnehmen. Auch die Zeugin U konnte die Bekundung der Zeugin G insoweit nicht bestätigen; sie will sich an Einzelheiten des Gesprächs nicht mehr erinnern können. Allerdings - und auch dies erscheint bemerkenswert - ist auch die Zeugin U bei der Vorbereitung der Präsentation davon ausgegangen, dass richtigerweise das Nettoprämienvolumen in die Unterlagen aufzunehmen gewesen wäre. Es mag ihr abzunehmen sein, dass sie auf Weisung der Zeugin G dann gleichwohl die Bruttoprämien eingefügt hat. Es zeigt indes, dass die Angabe der Bruttoprämien statt der Nettoprämien durchaus nicht selbstverständlich, sondern eher ungewöhnlich war. Erst recht wirft es dann kein gutes Licht auf das Vorgehen der Zeugin G, wenn in den Unterlagen nicht einmal klar ausgeführt wird, dass das Prämienvolumen auf Bruttobasis angegeben worden ist. Bei dieser Sachlage vermag der Senat den Bekundungen der Zeugin G letztlich keinen Glauben zu schenken.

Der Senat hat die Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch die Beklagte im Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 zur Kenntnis genommen. Die Angaben der Zeugen T und R sind für den Senat nicht ungenau, insbesondere haben sie klipp und klar bekundet, dass sie den Begriff "Prämienvolumen" hinterfragt haben. Unter welchen Umständen der Zeuge R insoweit Notizen angefertigt hat, ist nicht maßgeblich. Es wirkt sich auch nicht entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen T und R aus, welche Teile der schriftlichen Präsentation tatsächlich vorgelegen haben, denn die Präsentation ist letztlich (auch) mündlich durch die Zeugin G erfolgt, und jedenfalls Bl. 72-91 d.A. waren nach ihren Angaben Gegenstand der Erörterungen; dann aber ist davon auszugehen, dass auch das "Prämienvolumen" angesprochen worden ist (Bl. 85, 88 d.A.). Welche Bedeutung im übrigen die "Bruttoprämie" allgemein - etwa im Rahmen der Rechnungslegung - für die Klägerin hatte, ist für die Beweiswürdigung nicht von entscheidender Bedeutung.

Damit liegt eine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch die Beklagte vor, die sie dem Grunde nach zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Dem stehen die in den einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien geschlossenen Vergleiche nicht entgegen. Soweit in dem Verfahren 83 O 68/03 LG Köln ein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen wurde, dass der Gruppenversicherungsvertrag beendet sei, ist nicht davon auszugehen, dass damit der Streit um die Berechtigung der Klägerin zum Rücktritt oder zur Anfechtung beigelegt worden ist. Es war vielmehr auch eine (außerordentliche) Kündigung durch die Klägerin ausgesprochen worden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich Ziffer 1 des Vergleichs. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass mit Blick auf den Stichtag 11. Juli 2003 (Ziffer 3 des Vergleichs) der Vertrag als bis dahin wirksam angesehen worden ist. Vielmehr ging es ersichtlich nur darum, eine angemessene Lösung für die betroffenen versicherten Personen zu finden. Was den im Verfahren 83 O 89/03 LG Köln geschlossenen Vergleich angeht, so ist klar verabredet worden, dass sonstige Ansprüche der Klägerin nicht mitgeregelt worden sind (Ziffer 5 Absatz 2 des Vergleichs).

Zur Höhe kann der Senat derzeit keine abschließenden Feststellungen treffen, weil das Vorbringen der Klägerin insoweit noch weiterer Vertiefung bedarf und über einzelne Schadenspositionen ggf. Beweis zu erheben sein wird.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die mit dem Klageantrag zu 2) begehrte Feststellung gerechtfertigt ist.

Der Senat lässt die Revision zu. Es erscheint von grundsätzlicher Bedeutung, ob auf Gruppenversicherungsverträge wie dem vorliegenden die §§ 16 ff. VVG oder im Falle der Verletzung vorvertraglicher Pflichten das allgemeine Schadensrecht anzuwenden ist. Dazu fehlen bislang höchstrichterliche Entscheidungen. Gerade mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen erscheint insoweit eine Klärung angezeigt.

Ende der Entscheidung

Zurück