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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.01.2009
Aktenzeichen: 5 U 163/08
Rechtsgebiete: ZPO, GOÄ


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
GOÄ § 2 Abs. 1 Satz 2
GOÄ § 6 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe:

I.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Berufungsbegründung vermag keine Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Entscheidung zu begründen.

Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung eines über die vorprozessual gezahlten 4.444,40 Euro hinausgehenden Betrages als Honorar für die bei dem Beklagten am 27. Juni 2006 vorgenommene Lebertransplantation zusteht.

1.

Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere ohne Erfolg auf § 6 Abs. 2 GOÄ, wonach selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Eine unmittelbare Anwendung dieser Norm scheidet aus, weil die Lebertransplantation als Nummer 3184 ausdrücklich in das Gebührenverzeichnis aufgenommen und geregelt worden ist. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die in Nr. 3184 des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ (i.F.: Nr. 3184) vorgesehene Vergütung für eine Lebertransplantation so unangemessen niedrig ist, dass diese Bestimmung ihren Regelungscharakter verloren hat:

Für diese Beurteilung mag unterstellt werden, dass die in Nr. 3184 für Lebertransplantationen vorgesehene Vergütung unangemessen niedrig ist, obwohl der Kläger weder mit hinreichender Substanz vorgetragen hat, dass die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung im Jahre der Einführung dieses Gebührentatbestandes - 1982 - dem mit einer Lebertransplantation nach dem damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft verbundenen Aufwand nicht entsprochen habe, noch mit hinreichender Substanz vorgetragen hat, dass sich seit dieser Zeit eine Fortentwicklung auf dem Gebiete der Lebertransplantation mit der Folge ergeben hat, dass der Arbeits- und sonstige Aufwand einer Lebertransplantation so viel umfangreicher und komplexer geworden wäre, dass die ursprünglich hierfür vorgesehene Vergütung nunmehr inakzeptabel niedrig ist. Auch wenn aber die in Nr. 3184 für Lebertransplantationen vorgesehene Vergütung aus heutiger Sicht als unangemessen niedrig anzusehen wäre, verlöre dieser Gebührentatbestand dadurch gleichwohl nicht seinen Regelungscharakter. Denn es ist Sache des Verordnungsgebers darüber zu befinden, welche Vergütung er für welche Behandlung für angemessen hält und in dem Gebührenverzeichnis der GOÄ festschreibt (BGH, Urteil vom 18. September 2003, III ZR 389/02, VersR 2004, 338, Juris-Rn. 21; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004, III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, Juris-Rn. 17). Von dieser Aufgabe und Kompetenz hat der Verordnungsgeber auch Gebrauch gemacht. Er hat 1982 die Lebertransplantation in das Gebührenverzeichnis der GOÄ ausdrücklich aufgenommen und bei der Novellierung der GOÄ im Jahre 1996 sowie in der Folgezeit bis heute bewusst von einer Änderung dieses Gebührentatbestandes abgesehen. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung für eine Lebertransplantation für zu niedrig gehalten hat bzw. hält, und dass diese Problematik dem Verordnungsgeber bei der Novellierung der GOÄ im Jahre 1996 vor Augen gestanden hat. Dies hat der Kläger selbst vorgetragen (vgl. etwa: S. 2 seines Schriftsatzes vom 14. April 2008, Bl. 71 ff., 72 d. A.) und ergibt sich im übrigen aus der vom Kläger selbst mit Schriftsatz vom 8. Juli 2008 (Bl. 96 f. d. A.) vorgelegten Stellungnahme des Bundesministers für Gesundheit vom 9. Juli 2001 (Bl. 98 d. A.) gegenüber dem OLG Düsseldorf in dem dortigen Verfahren 8 U 181/00 (vgl. Urteil des OLG Düsseldorf in diesem Verfahren vom 27. September 2001, MedR 2002, 310). Und der Verordnungsgeber hat trotz Kenntnis der Problematik gleichwohl bis heute von einer Änderung des Gebührentatbestandes in Nr. 3184 abgesehen. Aus welchem Grund der Verordnungsgeber 1996 und in der Folgezeit so verfahren ist, ist für die hier anstehende Beurteilung ohne rechtliche Relevanz. Denn unabhängig von der Frage, weshalb der Verordnungsgeber von einer - rechtlich jederzeit möglichen - Abänderung von Nr. 3184 abgesehen hat, gilt, dass die Rechtsprechung an diese Entscheidung des Verordnungsgebers und damit an die Regelung in Nr. 3184 gebunden ist. Auch die Gerichte sind grundsätzlich nicht dazu befugt, die Entscheidung des Verordnungsgebers zu korrigieren (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 18. September 2003, III ZR 389/02, VersR 2004, 338, Juris-Rn. 24; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004, III ZR 344/03, BGHZ 159, 142, Juris-Rn. 17). Eine Verordnung ist für die Rechtsprechung nur dann unverbindlich, wenn sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht - etwa Art. 3 oder 12 GG - nichtig ist, was der Richter gemäß Art. 100 Abs. 1 GG selbst feststellen kann (BGH, a. a. O.).

Dass mit dem Gebührentatbestand in Nr. 3184 in Grundrechte des Klägers eingegriffen würde, kann indes nicht festgestellt werden. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsatz als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannt, dass es sich bei der ärztlichen Gebührenordnung um ein für alle Ärzte verbindliches Preisrecht handelt (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 23. März 2006, III ZR 223/05, VersR 2006, 935, Juris-Rn. 10 m. w. N. auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sind Gebührentatbestände nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich dann, wenn den Ärzten unangemessen niedrige Einkünfte zugemutet werden und auf der Grundlage der bestehenden Vergütungsregelungen eine wirtschaftliche Existenz generell nicht möglich ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Oktober 2004, 1 BvR 1437/02, NJW 2005, 1036, Juris-Rn. 20 m. w. N. - st. Rspr.). Dass die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung für Lebertransplantationen in diesem Sinne nicht auskömmlich wäre, hat der Kläger nicht mit hinreichender Substanz vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Hinweis darauf, dass die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung für Lebertransplantationen in Fachkreisen als zu niedrig angesehen wird, vermag substanziierten Vortrag zu dieser Frage nicht zu ersetzen. Weder dem Vortrag des Klägers noch dem Akteninhalt im übrigen können hinreichende Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung für Lebertransplantationen so niedrig wäre, dass nur der Verlust des Regelungscharakters von Nr. 3184 sowie eine dadurch eröffnete Neubewertung durch den Richter zu einem aus der Sicht des behandelnden Arztes hinnehmbaren Ergebnis führen könnte. Es bestand auch für das Landgericht und besteht für den Senat keine Veranlassung, zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn mangels substanziierten Vortrages des Klägers insoweit bedeutete die Einholung eines Gutachtens einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.

2.

Der Kläger beruft sich auch ohne Erfolg darauf, dass von der Regelung in Nr. 3184 nicht alle Aspekte der Lebertransplantation erfasst seien, weil der Begriff der Transplantation das Explantieren der Spenderleber und eigenständige Bypassmaßnahmen nicht beinhalte.

a) Insoweit kann im vorliegenden Verfahren letztlich dahinstehen, ob eine Lebertransplantation lediglich das Explantieren der kranken Leber sowie das Implantieren der Spenderleber oder zusätzlich auch das Explantieren der Spenderleber umfasst. Denn der Beklagte bzw. die hinter diesem stehende Krankenversicherung hat die in Nr. 3184 vorgesehene Vergütung bereits doppelt gezahlt.

Angemerkt sei allerdings, dass es unumgänglich sein und deshalb als Teil der Transplantation anzusehen sein dürfte, die Spenderleber erst bei dem Spender zu explantieren, bevor sie bei dem Patienten implantiert werden kann. Auch die Empfehlung der Bundesärztekammer vom 3. Dezember 1991 [vgl. dazu Schreiben der Bundesärztekammer vom 3. Dezember 1991, Anlage K 3, Bl. 15/16 d. A.], an die sich die Empfehlung der Ärztekammer Nordrhein im Ergebnis anschließt [Empfehlung der Ärztekammer Nordrhein in deren Schreiben vom 23. Januar 2007, Anlage K 4, Bl. 17/18 d. A.], geht davon aus, dass zu einer Lebertransplantation die Explantation einer Spenderleber, einschließlich Perfusion, die Explantation der erkrankten Leber, ggf. einschließlich Bypassmaßnahmen sowie die Implantation der Spenderleber gehören und als Leistungen im Zusammenhang mit einer Lebertransplantation anzusehen sind.

b) In Bezug auf die vom Kläger in diesem Zusammenhang erwähnten selbständigen Bypassmaßnahmen, die im Rahmen einer Lebertransplantation vorzunehmen sind, gilt das soeben zu a) Ausgeführte entsprechend, wobei auch insoweit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, warum und ggf. inwiefern diese nicht von dem Begriff der Lebertransplantation mit umfasst sein sollen.

3.

Auf eine Honorarvereinbarung mit dem Beklagten im Vorfeld der hier umstrittenen Behandlung beruft der Kläger sich in zweiter Instanz zu Recht nicht mehr.

Soweit der Kläger erstinstanzlich behauptet hat, mit dem Beklagten auf der Basis der Empfehlungen der Bundesärztekammer vom 3. Dezember 1991 [vgl. dazu Schreiben der Bundesärztekammer vom 3. Dezember 1991, Anlage K 3, Bl. 15/16 d. A.; vgl. ferner die im Ergebnis damit identische Empfehlung der Ärztekammer Nordrhein in deren Schreiben vom 23. Januar 2007, Anlage K 4, Bl. 17/18 d. A.] und damit abweichend von Nr. 3184 des Gebührenverzeichnisses der GOÄ auf der Basis einer Punktzahl von 18.000 für die Explantation einer Spenderleber, einschließlich Perfusion, von 20.000 Punkten für die Explantation der erkrankten Leber, ggf. einschließlich Bypassmaßnahmen und von 22.000 Punkten für die Implantation der Spenderleber [vgl. jeweils S. 2 der soeben zitierten Schreiben der Bundesärztekammer bzw. der Ärztekammer Nordrhein Bl. 16 bzw. 18 d. A.] eine Honorarvereinbarung geschlossen zu haben, auf der die im vorliegenden Verfahren umstrittene Rechnung vom 9. Oktober 2006 (Anlage K 1, Bl. 2 - 12 d. A.) beruhe, sei hier vorsorglich kurz angemerkt, dass gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GOÄ die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl oder eines abweichenden Punktwertes nicht zulässig ist (vgl. hierzu etwa: Hoffmann/Kleinken, Gebührenordnung für Ärzte, Komm., 3. Aufl., Stand September 2007, § 2 GOÄ Rn. 5 ff., 8; Hess/Klakow-Franck/Hübner, Komm. zur Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., Stand April 2007, § 2 GOÄ Rn. 1, S. 75 ff., 75).

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO). Denn die durch den vorliegenden Streitfall aufgeworfene Frage nach der Verbindlichkeit der Gebührentatbestände der GOÄ für die Rechtsprechung sowie die damit in Zusammenhang stehenden Fragen sind höchstrichterlich bereits abschließend entschieden (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 18. September 2003, III ZR 389/02, VersR 2004, 338 ff.; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004, III ZR 344/03, BGHZ 159, 142 ff.).

Einem Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO steht auch der Umstand nicht entgegen, dass das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 27. September 2001 (MedR 2002, 310) in Bezug auf Lebertransplantationen und die Nr. 3184 des Gebührenverzeichnisses der GOÄ entschieden hat, dass eine Regelungslücke in dem Gebührenverzeichnis der GOÄ auch dann vorliege, wenn die in einem Gebührentatbestand des Gebührenverzeichnisses der GOÄ für eine Behandlung vorgesehene Vergütung so unangemessen niedrig und damit so wenig sachgerecht sei, dass diese Norm ihren Regelungscharakter verloren habe (a. a. O., Juris.Rn. 21, 22). Denn der Bundesgerichtshof hat sich bereits mit dieser Auffassung des OLG Düsseldorf befasst und ausdrücklich entschieden, dass dieser Auffassung nicht gefolgt werden könne (BGH, Urteil vom 18. September 2003, III ZR 389/02, VersR 2004, 338, Juris-Rn. 23, 24). Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, dass auf diese Weise dem Richter die Möglichkeit gegeben würde, sich schon unter Berufung auf den Gesichtspunkt der fehlenden Sachgerechtigkeit über den bei Anwendung allgemeiner Auslegungskriterien gewonnen Inhalt einer - wenn auch untergesetzlichen, so doch für den Rechtsanwender verbindlichen - Norm hinwegzusetzen; eine Verordnung sei für den Richter nur dann unverbindlich, wenn sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht - etwa Art. 3 oder 12 GG - nichtig ist, was der Richter im Hinblick auf Art. 100 Abs. 1 GG selbst feststellen könne (BGH, a. a. O.).

Ende der Entscheidung

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