Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 5 U 186/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. Oktober 2008 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 335/05 - abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Anschlussberufung des Klägers hat dagegen keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten wegen der Behandlung ab dem 24.5.2004 kein Anspruch auf Schmerzgeld und Schadensersatz zu.

1. Obwohl das Landgericht eine ausreichende Aufklärung des Klägers vor dem Eingriff vom 25.5.2004 nicht als bewiesen angesehen hat, haftet der Beklagte dem Kläger nicht wegen mangelhafter Eingriffs- und Risikoaufklärung.

a) Es spricht bereits viel dafür, dass der Beklagte sich mit Erfolg auf eine hypothetische Einwilligung des Klägers berufen kann, weil vom Kläger ein Entscheidungskonflikt - wie der Beklagte in der Berufungsbegründung mit beachtlichen Argumenten gegen die Bewertung des Landgerichts geltend macht - nicht schlüssig dargetan worden ist.

b) Die vorstehend aufgeworfene Frage bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Der vom Landgericht festgestellte Aufklärungsfehler vor der ambulanten Operation des rechten Ringfingers am 25.5.2004 hat jedenfalls nicht zu einem dem Beklagten zurechenbaren Schaden des Klägers geführt. Dies gilt nicht nur, wie das Landgericht angenommen hat, für die bis zum Ende der Nachbehandlung beim Beklagten (22.6.2004) aufgetretenen Wundheilungsstörungen (Schmerzen und Schwellungen) sowie die danach, insbesondere ab dem 13.8.2004 bestehenden Beschwerden, denen wahrscheinlich ein Morbus Sudeck I. Grades zugrunde lag, sondern auch für den Eingriff als solchen.

Ein Schaden, der auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden wäre, ist dem Schädiger regelmäßig nicht zurechenbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behandlung durch einen anderen Arzt, die im Fall einer ordnungsgemäßer Aufklärung erfolgt wäre, zu einem gleichwertigen negativen Verlauf geführt hätte (Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht 3. Aufl. Rdn. 206 m.w.Nachw.).

Das Landgericht hat für den Senat bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt, dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Beklagten wegen der bestehenden Tendovaginitis stenosans ("schnellender Finger") jedenfalls durch einen anderen Arzt am rechten Ringfinger hätte operieren lassen und dass die tatsächlich aufgetretene Wundheilungsstörung und die bestehenden Beschwerden in gleicher Weise eingetreten wären. Dass sich der Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung seitens des Beklagten zumindest durch einen anderen Arzt, etwa im Krankenhaus N, hätte operieren lassen, ergibt sich insbesondere aus seinen persönlichen Angaben vor dem Landgericht und wird von ihm auch im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt. Die Feststellung des Landgerichts, dass eine gleichwertige Wundheilungsstörung und gleichwertige Beschwerden aufgetreten wären, beruht auf den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C.. Dieser hat seine Beurteilung, anders als der Kläger in der Berufungserwiderung anführt, in tragfähiger Weise begründet. Eine weitere Sachaufklärung ist daher nicht erforderlich. Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat darauf verwiesen, dass der Ablauf der Operation bei Durchführung im Krankenhaus N oder durch einen sonstigen Arzt identisch gewesen wäre. Behandlungsfehler bei der Vornahme des Eingriffs hat er - wie zuvor bereits der Sachverständige w der I. - verneint. Es ist überzeugend, dass ein identisches Trauma gleichwertige Folgen ausgelöst hätte, ohne dass es hierfür auf die Person des Operateurs und den Ort des Eingriffs ankommen konnte. Einen andersartigen hypothetischen Kausalverlauf durfte der Sachverständige daher als theoretische und damit unbeachtliche Möglichkeit vernachlässigen.

Das Landgericht hat allerdings nicht beachtet, dass es bei dem von ihm für den Fall rechtmäßigen Verhaltens des Beklagten festgestellten hypothetischen Ablauf ebenfalls zu einer Operation am rechten Ringfinger des Klägers gekommen wäre. Auch der Eingriff als solcher stellt daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz keinen dem Beklagten zurechenbaren Schaden des Klägers dar.

2. Ersatzansprüche des Klägers folgen auch nicht aus einem Behandlungsfehler des Beklagten. Ein solcher lässt sich, auch was die Nachbehandlung in der Praxis des Beklagten bis zum 22.6.2004 im Anschluss an den Eingriff vom 25.5.2004 angeht, nicht feststellen.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte einen beginnenden Morbus Sudeck fehlerhaft nicht erkannt und behandelt oder eine sonst notwendige Nachbehandlung unterlassen hat. Dies entspricht der Bewertung durch die Sachverständigen Prof. Dr. C. und w der I., die sich vor allem auf die Behandlungsunterlagen des Beklagten und des Arztes Dr. T. stützt. Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass bei ersten Belastungen eines Operationsgebiets Symptome wie Rötung, Schwellung und Schmerzen aufträten, die einem Morus Sudeck ähnelten, ohne dem Krankheitsbild zu entsprechen, so dass die Unterscheidung zwischen ausklingenden Operationsfolgen und sich entwickelnden klinischen Symptomen eines Morbus Sudeck - einem bei der streitgegenständlichen Operation seltenen Krankheitsbild - nicht immer möglich sei.

Der Karteikarte des Beklagten ist für die Zeit bis zum 9.6.2004 ein unauffälliger Verlauf zu entnehmen (Wiedervorstellungen vom 27.5., 1.6., 4.6., 7.6, 9.6.2004). Am 7.6.2004 waren die Fäden gezogen worden. Unter dem 11.6.2004 sind die Versorgung einer Nahtdehiszens mit einem Steri Strip-Pflaster und eine leichte Schwellung der Hand dokumentiert. Nach der Eintragung in der Karteikarte war die Wunde am 14.6.2004 verhärtet, der Faustschluss aber fest und komplett. Nach einer weiteren Wiedervorstellung am 16.6.2004 heißt es am 22.6.2004, dass die Wunde verheilt sei.

Das Landgericht hat die hiervon abweichende Darstellung der Symptomatik durch den Kläger, die dieser im Berufungsverfahren wiederholt, seiner Entscheidung zu Recht nicht zugrunde gelegt. Der Kläger behauptet insbesondere für den letzten Wiedervorstellungstermin (22.6.2004), dass noch zu diesem Zeitpunkt eine Rötung und Schwellung vorgelegen hätten und dass ferner von ihm ein Brennen in der Hand beklagt worden sei. Zwar hat die als Zeugin vernommene Ehefrau des Klägers bekundet, dass die Hand des Klägers, der von Brennen und Schmerzen gesprochen habe, bereits während der Behandlung durch den Beklagten stark geschwollen gewesen sei und vom Kläger nur unter Schmerzen habe bewegt werden können. Hiergegen und für eine falsche zeitliche Zuordnung durch die Zeugin spricht jedoch maßgeblich, dass ein derartiger pathologischer Befund (Schwellung) nicht nur vom Beklagten, sondern auch von dem Arzt Dr. T. nicht dokumentiert worden ist, den der Kläger am 23.6.2004 - also unmittelbar nach Behandlungsabschluss - aufgesucht hat (vgl. die Karteikarte von Dr. T., im SH unter 3). Ausweislich des Schreibens von Dr. T. vom 19.1.2006 (aaO) soll der Kläger im Rahmen der Besuche bei Dr. T. allerdings über Schmerzen und ein brennendes Gefühl in der rechten Hand berichtet haben, was sich jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C. für den 22./23.6.2004 ohne weiteres noch mit ausklingenden Operationsfolgen erklären lässt.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls.

Berufungsstreitwert: 8.000 €

Ende der Entscheidung

Zurück