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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 5 U 186/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. August 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 72/96 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres am 14. Februar 1996 verstorbenen Ehemannes L. A. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten geltend.

Herr A. konsultierte den Beklagten zu 1), einen niedergelassenen Urologen, erstmals am 27. Juli 1992; er klagte über einen abgeschwächten Harnstrahl, Restharngefühl und Nykturie von maximal 2 mal. Bei der rektalen Untersuchung stellte der Beklagte zu 1) eine mittelgroße, druckschmerzhafte Prostata fest. Die Prostata wurde im Ultraschall mit 60-70 g ausgemessen; der PSA-Wert betrug 16 ng/ml. Der Beklagte zu 1) diagnostizierte eine BPH II-III und eine Prostatitis und verordnete "Cernilton N". Aufgrund des erhöhten PSA-Wertes wurde am 13. August 1992 eine Stanzbiopsie der Seitenlappen der Prostata durchgeführt; ein Anhalt für ein Prostatakarzinom wurde nicht gefunden. Nach einem akuten Harnverhalt am 19. November 1992 wurde eine transurethrale Resektion der Prostata geplant. Am 14. Januar 1993 wurde der PSA-Wert mit 7,6 ng/ml ermittelt. Die transurethrale Resektion erfolgte in dem von der Beklagten zu 2) betriebenen St. B.-Hospital in F. am 28. Januar 1993; dabei wurden 75 g Gewebe entnommen. Bei der pathologischen Untersuchung wurde ein Prostatakarzinom festgestellt. Am 12. Februar 1993 wurde eine ausgedehnte Nachresektion durchgeführt, die keinen weiteren Nachweis von Prostatakarzinomanteilen erbrachte. Bei persistierend erhöhten PSA-Werten (ansteigend von 1,1 auf bis zu 3,7 ng/ml) wurde am 9. Juni 1993 im St. C.-Krankenhaus in T. ein Orchiektomie vorgenommen. Die in der Folgezeit (ab Oktober 1994) gemessenen PSA-Werte lagen jeweils unter 0,5 mg/ml. Im Dezember 1995 verschlechterte sich der Allgemeinzustand von Herrn A.; er verstarb am 14. Februar 1996.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 1) habe ihren Ehemann über eine von ihm erkannte schwere Erkrankung nicht aufgeklärt. Er habe noch 7 weitere PSA-Bestimmungen vorgenommen, die nicht dokumentiert, aber mit der Krankenkasse abgerechnet worden seien. Der Beklagte zu 1) sei vorschnell zu der Auffassung gelangt, es liege kein Prostatakarzinom vor. Die auf 2 Proben beschränkte Stanzbiopsie sei nicht ausreichend gewesen. Die Behandlung mit Cernilton N sei nicht indiziert gewesen, zumal die Gabe dieses Medikamentes zu erhöhten PSA-Werten führe.

Den Beklagten zu 2) bis 4) hat die Klägerin vorgeworfen, sich beim Beklagten zu 1) nicht über die von ihm ermittelten PSA-Werte erkundigt und keine eigene Diagnose gestellt zu haben. Deswegen hätten sie das Prostatakarzinom zu spät erkannt. Bei früherer Diagnostik habe eine reelle Heilungschance bestanden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nach dem Ermessen des Gerichts (Größenordnung mindestens 75.000,- DM) zuzüglich einer monatlichen Schmerzensgeldrente seit 1. Januar 1996 (mindestens 250,- DM) zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr und ihrem Ehemann L. A., geboren am 18. Juli 1914, infolge der fachurologischen Behandlung des Beklagten zu 1) in der Zeit vom 27. Februar 1992 bis Februar 1993 und aus Anlass der stationären Behandlung der Beklagten zu 2) bis 4) in der Zeit vom 25. Januar bis 18. Februar 1993 entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben Behandlungsfehler in Abrede gestellt und behauptet, das Prostatakarzinom sei vollständig entfernt worden. Herr A. sei an Magenkrebs gestorben. Ein Prostatakarzinom könne nicht zu einer Metastasierung des Magens führen; ein solcher Krebs streue vornehmlich in die Knochen oder die Lunge.

Das Landgericht hat die Klage unter Verwertung eines Sachverständigengutachtens zur Frage möglicher Behandlungsfehler des Beklagten zu 1), das im Rahmen eines von der Klägerin angestrengten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens eingeholt wurde, und aufgrund eines zur Frage der Todesursache (insbesondere zur Ursächlichkeit eines Prostatakarzinoms für den Tod des Herrn A.) eingeholten weiteren Gutachtens abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des am 16. August 1999 verkündeten Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 17. August 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. September 1999 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 2. Dezember 1999 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Die Klägerin rügt eine unzureichende Tatsachenfeststellung durch das Landgericht. Ob den Beklagten Behandlungsfehler unterlaufen seien, habe das Landgericht letztlich offen gelassen. Feststellungen des im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten zu 1) herangezogenen Sachverständigen Prof. S. seien nicht verwertbar, weil ihre Einwendungen gegen dessen Begutachtung nicht berücksichtigt worden seien. Sie habe insoweit wiederholt auf die Diskrepanzen zwischen der Abrechnung des Beklagten zu 1) mit der Krankenkasse und seiner Behandlungsdokumentatinon hingewiesen. Das vom Beklagten zu 1) ermittelte Gewicht der Prostata (60 bis 70 g) sei mit späteren Feststellungen (76 g einerseits reseziert durch den Beklagten zu 3) - 46 g nach den histologischen Untersuchungen) nicht in Einklang zu bringen. Dies sei indes bedeutsam für die Frage, wie viel tatsächlich reseziert worden sei.

Der Beklagte zu 1) habe auf den festgestellten PSA-Wert von 16 ng/ml unzureichend reagiert; dadurch habe er den Prostatakrebs nicht rechtzeitig erkannt oder - wenn er ihn denn erkannt habe - das Untersuchungsergebnis verschwiegen. Was die Operation des Beklagten zu 3) angehe, so sei nicht geprüft worden, welche Resektionen tatsächlich durchgeführt worden seien. Am 8. Februar 1993 sei offenbar nicht die Prostata, sondern der Sphinkter-Bereich und die Blasenhalswände reseziert worden.

Soweit es die Kausalität angehe, auf die das Landgericht maßgebend abgehoben habe, so habe der Sachverständige Prof. U. - bzw. dessen Mitarbeiter - keine zureichenden Feststellungen zur Todesursache getroffen. Insbesondere habe er das Abdomen-CT vom 8. Januar 1996 nicht selbst ausgewertet; dann aber hätte er festgestellt, dass auf diesem CT kein Magentumor zu erkennen gewesen sei. Auch habe er nicht alle Krankenunterlagen beigezogen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und stellen Behandlungsfehler weiterhin in Abrede.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß dem Beschluss vom 19. April 2000 (Bl. 785-790 d.A.) sowie den Beschlüssen vom 1. Dezember 2004 (Bl. 931 d.A.) und vom 20. Dezember 2004 (Bl. 939 d.A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 27. November 2003 (Bl. 867-886 d.A.), auf die schriftliche Zeugenaussage von Prof. Dr. I. vom 7. Dezember 2004 (Bl. 935-936 d.A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung des Senats vom 20. Dezember 2004 (Bl. 938-943 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache erfolglos.

1.

Auch nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht fest, dass der Beklagte zu 1) den verstorbenen Ehemann der Klägerin in der Zeit ab Juli 1992 fehlerhaft behandelt hat. Der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. F. hat vielmehr - im Einklang mit den Ausführungen des von der Staatsanwaltschaft Aachen herangezogenen Sachverständigen Prof. Dr. S. (Bl. 107-138 d.A.) - überzeugend ausgeführt, dass die Behandlung, die Herrn A. durch den Beklagten zu 1) zuteil geworden ist, keinen Anlass zu einer Beanstandung bietet.

Herr A. hat den Beklagten zu 1) erstmals am 27. Juli 1992 aufgesucht. Unter Zugrundelegung der von Herrn A. geschilderten Beschwerden hat der Beklagte zu 1) diesen am 27. Juli 1992 sachgerecht untersucht und zutreffend die Diagnosen BPH II-III sowie Prostatitis gestellt. Aufgrund der körperlichen Untersuchung und des sich insoweit ergebenden Tastbefundes der Prostata ergaben sich keine Anzeichen für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms. Die richtigerweise veranlasste Bestimmung des PSA-Wertes ergab zwar einen mit 16 ng/ml deutlich erhöhten Wert. Auch das ist allerdings, wie der Sachverständige Prof. Dr. F. bei seiner Anhörung vor dem Senat anschaulich geschildert hat, kein zwingendes Indiz für ein Prostatakarzinom. Zu einem hohen PSA-Wert kommt es nämlich auch, wenn eine Prostataentzündung gegeben ist. Entsprechend hat der Beklagte zu 1) dann auch die Differentialdiagnose Prostatitis gestellt und diese fachgerecht mit dem Standardmedikament Cernilton N behandelt. Dass diese Diagnose nicht falsch war, belegt der im Januar 1993 abgefallene PSA-Wert von jetzt nur noch 7,6 ng/ml. Richtigerweise hat der Beklagte zu 1) aufgrund des erhöhten PSA-Wertes aber auch an die Möglichkeit eines Prostatakarzinoms gedacht und eine (ungezielte) Stanzbiopsie vorgenommen. Diese hat indes auch keinen Anhalt für ein Prostatakarzinom ergeben. Sie wurde auch fachgerecht durchgeführt, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat. Eine 2-fach-Biopsie (rechts und links) entsprach im Jahr 1992 dem urologischen Standard. Es trifft auch nicht zu, dass diese Biopsie fehlerhaft ausgeführt worden ist. Dass das eingeschickte Gewebe eine Sphinklerskleose ergeben hat, belegt kein fehlerhaftes Vorgehen, sondern besagt nur, dass auch Blasenhalsanteile mit biopsiert worden sind; dass dies geschehen ist, bedeutet aber zugleich, dass die ganze Prostata durchstochen wurde, weil man sonst nicht an den Blasenhals gerät.

Die Sphinklersklerose bedurfte keiner besonderen Behandlung; es handelte sich um eine altersentsprechende, gutartige Bindegewebsvermehrung, die keine weitere Abklärung oder Therapie erforderte.

Auch der im November 1992 aufgetretene akute Harnverhalt deutete nicht auf das Vorhandensein eines Prostatakarzinoms hin, sondern ist ein typisches Symptom einer BPH. Insoweit bedurfte es auch zu diesem Zeitpunkt keiner weiteren Abklärung mit Blick auf ein mögliches Prostatakarzinom. Insbesondere war es nicht erforderlich, den PSA-Wert nochmals zu bestimmen. Dies wäre schon deshalb nicht sinnvoll gewesen, weil auch ein Harnverhalt zu einer Erhöhung des PSA-Wertes führen kann, so dass ein im November 1992 ermittelter Werte keine Aussagekraft gehabt hätte. Vielmehr war die erneute Bestimmung des PSA-Wertes erst im Januar 1993 vollkommen ausreichend.

Das alles hat der Sachverständige Prof. Dr. F., der dem Senat aus vielen Verfahren als ausgesprochen sachkundig und erfahren bekannt ist, in jeder Hinsicht überzeugend ausgeführt. Der Sachverständige Prof. Dr. S. kommt in seinem für die Staatsanwaltschaft Aachen erstatteten Gutachten zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat sieht daher keinen Anlass, an der Richtigkeit der - ausführlich erläuterten - Feststellungen der Sachverständigen zu zweifeln.

Ob die Mutmaßung der Klägerin zutrifft, der Beklagte zu 1) habe tatsächlich weitere Untersuchungen (vor allem weitere PSA-Bestimmungen) durchgeführt, ohne deren Ergebnis mitzuteilen, bedarf keiner näheren Klärung. Sichere Anhaltspunkte ergeben sich insoweit weder aus den Behandlungsunterlagen noch aus den Abrechnungen mit der Krankenkasse; insbesondere wurden PSA-Bestimmungen damals nicht nach der Ziffer 4461, sondern nach der Ziffer 5510 abgerechnet, wie der Sachverständige Prof. Dr. F. ausgeführt hat.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, der Beklagte zu 1) habe ihren Ehemann nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei behandelt, indem er weitere Abklärungen unterlassen oder evtl. Untersuchungsergebnisse, die auf ein Prostatakarzinom hindeuteten, verschwiegen hat, kann dies deswegen nicht zu einer Haftung führen, weil nach den insoweit klaren und eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. bei seiner Anhörung vor dem Senat eine dann ggf. anzunehmende zeitliche Verzögerung von wenigen Monaten bis zur sicheren Diagnose und Behandlung eines Prostatakarzinoms keine nachteiligen Auswirkungen gehabt hätte. Ein Prostatakarzinom wächst nur sehr langsam, so dass eine verzögerte Diagnose von nur einigen Monaten (August 1992 bis Januar 1993) keinerlei Nachteile mit sich gebracht hätte. Kann aber sicher gesagt werden, dass eventuelle hier, wie nochmals zu betonen ist, allerdings auch nicht feststellbare - Versäumnisse des Beklagten zu 1) sich nicht zu Lasten des Ehemannes der Klägerin hätten auswirken konnten, scheidet eine Haftung des Beklagten zu 1) aus. Hinzu kommt - wie im folgenden noch näher darzulegen sein wird -, dass auch der Tod des Ehemannes der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf das Prostatakarzinom zurückgeführt werden kann, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein Zusammenhang mit einem evtl. Fehlverhalten des Beklagten zu 1) letztlich ausscheidet.

2.

Es steht auch nicht fest, dass den Beklagten zu 3) und 4) ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Die Voruntersuchungen am 25. Januar 1993 sind in dem notwendigen Umfang vorgenommen worden; eine erneute Bestimmung des PSA-Wertes war mit Rücksicht darauf, dass dieser schon am 11. Januar 1993 ermittelt worden war, nicht erforderlich, weil sich innerhalb eines so kurzen Zeitraumes keine relevanten Änderungen hätten zeigen können. Dass bei der transurethralen Resektion am 28. Januar 1993 fehlerhaft vorgegangen worden ist, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. nicht ersichtlich. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, wie viel Gewebe tatsächlich entfernt worden ist, denn entscheidend ist nur, dass so viel entfernt wurde, dass Herrn A. das Wasserlassen wieder ermöglicht werden konnte. Es handelte sich bei diesem Eingriff nicht um eine komplette Entfernung der Prostata; sie diente vor allem auch nicht der Krebsbehandlung, denn das Prostatakarzinom wurde ja erst bei dieser Operation entdeckt.

Das bei diesem Eingriff festgestellte Prostatakarzinom ist richtig als inzidentelles Prostatakarzinom diagnostiziert worden, wobei insoweit lediglich ausgedrückt wird, dass es zufällig bei der histologischen Aufarbeitung entdeckt worden ist. Die sodann vorgenommene Nachresektion, die primär auch nicht der Krebsbehandlung diente, sondern nur dazu, festzustellen, ob weitere Karzinomanteile vorhanden sind, ist ebenfalls beanstandungsfrei durchgeführt worden. Eine totale Entfernung der Prostata und der Samenblasen war insoweit (als dann reine Krebsbehandlung) nicht zwingend indiziert; vielmehr war die Nachresektion ausreichend und hat sich nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. im nachhinein auch als richtig erwiesen. Bei der Nachresektion hat sich kein Krebsgewebe mehr finden lassen, so dass es in der Folge ausreichend war, den PSA-Wert zu kontrollieren.

Soweit im Juni 1993 dann eine Orchiektomie durchgeführt worden ist, ist dies kein Anhalt dafür, dass gleichwohl noch Krebszellen vorhanden waren. Allerdings war dem Verdacht auf ein fortbestehendes Prostatakarzinom wegen des persistierend erhöhten PSA-Wertes nachzugehen. Dies erklärt das Vorgehen der Ärzte in C., ohne dass dies ein Anzeichen für ein nicht ordnungsgemäße Behandlung durch die Beklagten zu 3) und 4) ist. Auch weitere postoperative Maßnahmen durch die Beklagten zu 3) und 4) waren nicht veranlasst. Der Sonographiebefund vom 9. Februar 1993 und die Skzellszintigraphie vom 10. Februar 1993 zeigten keine Auffälligkeiten. Soweit es das Abdomen-CT vom 8. Februar 1993 angeht, muss letztlich nicht weiter geklärt werden, ob dieses, wie der Zeuge Prof. I. in einem Schreiben an den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin geschrieben hat, entweder die Diagnose "fortgeschrittenes Prostatakarzinom" oder "fortgeschrittenes Blasenkarzinom" erlaubt. Die Aufnahmen waren, wie der Zeuge Prof. I. in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 7. Dezember 2004 erläutert hat, von sehr schlechter Qualität und erlaubten ohnehin keine präzise Diagnose. Entscheidend ist aber auch insoweit, dass die bei der Nachresektion entnommenen 6 Gewebeproben keinen Karzinomnachweis erbracht haben und die in der Folgezeit (vor allem nach der Orchiektomie) ermittelten PSA-Werte belegen, dass keine Prostatakrebserkrankung mehr vorlag.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, den Beklagten zu 3) und 4) seien irgendwelche Fehler bei der Behandlung des Prostatakarzinoms ihres Ehemannes zur Last zu legen, scheidet eine Haftung jedenfalls deshalb aus, weil nicht feststeht, dass der Tod ihres Mannes überhaupt auf ein Prostatakarzinom bzw. auf eine Metastasierung dieses Karzinoms zurückzuführen ist. Dass ein fortgeschrittenes, metastasierendes Prostatakarzinom die Todesursache war, haben übereinstimmend der Sachverständige Prof. Dr. F. sowie der erstinstanzlich herangezogene Sachverständige Prof. U. als in hohem Maße unwahrscheinlich bezeichnet. Sie haben dies überzeugend zum einen damit begründet, dass ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom nur ganz selten in Organe metastasiert, und dann auch vor allem in die Lunge oder die Leber, während eine Metastasierung in den Magen nicht bekannt sei. Zum anderen - und dies ist letztlich entscheidend - kann aufgrund der ab Oktober 1994 kontinuierlich ermittelten, stets unter 0,5 ng/ml liegenden PSA-Werten nahezu ausgeschlossen werden, dass bei Herrn A. kurz vor seinem Tod überhaupt ein metastasierendes Prostatakarzinom vorgelegen hat. Das hat der Sachverständige Prof. Dr. F. bei seiner Anhörung vor dem Senat nochmals klar hervorgehoben. Die PSA-Werte waren vollkommen unauffällig, so dass es keinen Anhalt für ein Prostatakarzinom gab. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob auf dem nicht mehr vorhandenen Abdomen-CT vom 8. Januar 1996 ein Magentumor erkennbar ist oder nicht. Die insoweit verbleibenden Zweifel hinsichtlich der Todesursache gehen zu Lasten der Klägerin. Beweiserleichterungen kommen ihr insoweit nicht zugute, denn es stehen weder grobe Behandlungsfehler noch eine relevante Verletzung der Befunderhebungspflicht in Rede. Überdies sind etwaige Beweiserleichterungen dann nicht zuzubilligen, wenn ein Kausalzusammenhang gänzlich unwahrscheinlich ist (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rn. 520 m.w. Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH). Davon muss hier nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. indes ausgegangen werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 56.242,11 € (= 110.000,- DM)

Ende der Entscheidung

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