Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: 5 U 24/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, RZVK-S, SGB VI


Vorschriften:

ZPO § 529
BGB § 305 c
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 2
RZVK-S § 30
RZVK-S § 31
RZVK-S § 32
RZVK-S § 33
RZVK-S § 33 Abs. 4
RZVK-S § 35 Abs. 2
RZVK-S § 38
SGB VI § 77
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 5.1.2005 (20 O 47/04) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs.2, 313 a Abs.1 Satz 1 ZPO).

II.

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht gerechtfertigt. Das angefochtene Urteil erweist sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als richtig. Die Klageabweisung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Vorschriften der Satzung der Beklagten sind nach gefestigter BGH-Rechtsprechung als allgemeine Versicherungsbedingungen aufzufassen. Sie unterliegen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle und auf sie sind AGB-rechtliche Grundsätze anwendbar (BGHZ 48, 35 ff.; 142, 103, 105 ff = BGH VersR 1999, 1390; VersR 1999, 210). Dies gilt auch für die Unklarheitenregel des § 305 c BGB (§ 5 AGBG a.F.) oder etwa das Transparenzgebot des § 307 Abs.2 Nr. 2 BGB (§ 9 Abs.2 Nr. 2 AGBG a.F.). Abzustellen ist grundsätzlich auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Ergeben sich im Hinblick auf einzelne Regelungen (Klauseln) mehrere Auslegungsmöglichkeiten, gilt im Zweifel die für den Versicherungsnehmer freundlichere (§ 305 c Abs.2 BGB). Gründe, diesen das AGB-Recht maßgeblich prägenden Grundsatz auf Satzungen der Versorgungsanstalten nicht anzuwenden, sind nicht erkennbar. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr - nach Auffassung des Senats noch weitergehend - auch bei überaus komplexen und per se schwer zu verstehenden Regelungen in Versicherungsverträgen, wie etwa den Bestimmungen über die sog. Zillmerung bei Lebensversicherungsverträgen, die Unvereinbarkeit mit dem Transparenzgebot festgestellt und die Klauseln (mit beträchtlicher Folgewirkung auf den Rechtsverkehr) für unwirksam erklärt (BGH VersR 2001, 839, 841). Es erscheint danach nur als konsequent, für die als Versicherungsbedingungen anzusehenden Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalten nichts anderes gelten zu lassen, jedenfalls aber die Unklarheitenregel des § 305 c Abs.2 BGB anzuwenden. Dass diese Vorschrift auch für kollektiv ausgehandelte oder behördlich genehmigte allgemeine Geschäftsbedingungen gilt (Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. 1999), ist nicht zweifelhaft.

Die Anwendung dieser Regel auf den vorliegenden Fall führt zum Ergebnis, dass der Kläger mit dem Bezug der Altersrente auch die volle Betriebsrente der Beklagten beanspruchen kann. Nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden verbleiben nämlich jedenfalls zwei rechtlich vertretbare Auslegungsmöglichkeiten (vgl. hierzu BGHZ 112, 68; BGH NJW 2002, 3232), so dass Zweifel über die zutreffende Auslegung zu Lasten der Beklagten als Verwenderin gehen.

Nach § 30 der Satzung der Beklagten (RZVK-S) zahlt die Beklagte als Betriebsrenten Altersrenten, Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenrenten. Nach § 31 RZVK-S tritt der Versicherungsfall am Ersten des Monats ein, von dem an der Anspruch auf die gesetzliche Rente wegen Alters bzw. wegen Erwerbsminderung besteht, was durch Vorlage eines entsprechenden Rentenbescheides nachzuweisen ist. Hat ein gesetzlich Versicherter die Wartezeit von 60 Monaten erfüllt, wird ihm auf Antrag eine Betriebsrente gezahlt. Das bedeutet aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dass er die Betriebsrente beanspruchen kann, sofern er seinen Anspruch auf gesetzliche Alters- oder Erwerbsminderungsrente nachweist. Weist er eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente nach, hat er Anspruch auf betriebliche Erwerbsminderungsrente nach Maßgabe der dafür geltenden Regelungen, weist er eine gesetzliche Altersrente nach, hat er Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften. Bezieht er zunächst eine Erwerbsminderungsrente und sodann eine Altersrente, ergeben sich keine Besonderheiten. Vielmehr folgt die betriebliche Rente der gesetzlichen. So ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers der Wortlaut der Bestimmungen ohne weiteres zu verstehen. Weder systematische noch teleologische Erwägungen widersprechen diesem Ergebnis. Die Auffassung der Beklagten, dass rechtlicher Ausgangspunkt § 38 RZVK-S sein müsse, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Neuberechnung vorliegen müssten, was aber nicht der Fall sei, wenn der Berechtigte bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehe, und danach auf die §§ 30 ff. RZVK-S nicht mehr zurückzugreifen sei, mag letztlich ebenfalls rechtlich vertretbar sein. Es mag auch zutreffen, dass diese Auslegung von der Praxis bislang einhellig vertreten wurde, wobei der Senat allerdings nicht verhehlt, dass er die überaus komplizierten Begründungen hierzu nur für schwer nachvollziehbar und aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers kaum für verständlich hält. Dass es sich hierbei aber um die einzig denkbare Auslegungsmöglichkeit handele, kann nach dem oben Gesagten gerade nicht angenommen werden. Da jedenfalls die für den Kläger günstigere Auslegung ebenfalls möglich und rechtlich vertretbar ist, setzt diese sich durch.

Unstreitig erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Betriebsrente, insbesondere die 60-monatige Wartezeit nach § 32 RZVK-S. Unstreitig bezieht er seit dem 1.3.2003 eine gesetzliche Altersrente - auf welcher Grundlage und aufgrund welcher sonstigen Gegebenheiten auch immer. Dass seine Rentenzahlung (nur) aus einem Vergleich mit der Bundesknappschaft resultiert, ist ohne Bedeutung. Diesen Rentenanspruch hat er nachgewiesen. Damit hat er auch einen Anspruch auf betriebliche Altersrente ab dem 1.3.2003 in der satzungsgemäß vorgesehenen Höhe. Auf alle Erwägungen, die an § 35 Abs.2 RZVK-S anknüpfen, kommt es nicht an, denn diese Regelungen beziehen sich nur auf eine Erwerbsminderungsrente.

Die Höhe der Altersrente richtet sich nach § 33 RZVK-S, also zunächst nach der Anzahl der erworbenen Versorgungspunkte, die zwischen den Parteien als solche nicht im Streit sind. Anwendbar ist ferner § 33 Abs.4 RZVK-S. Danach mindert sich die Betriebsrente für jeden Monat, für den der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI herabgesetzt ist, um 0,3%, höchstens jedoch insgesamt um 10,8%. Die Regelung ist (aus Sicht des durchschnittlichen Versicherten) so zu verstehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind, nicht hingegen eine abstrakt-rechtliche Betrachtung anzustellen ist. Wird die gesetzliche Altersrente tatsächlich ohne Verminderung des Zugangsfaktors gewährt, so ist dies auch für die Betriebsrente maßgeblich. Die Beklagte muss nicht und darf (zu Lasten des Versicherten) nicht eine eigene sozialrechtliche Betrachtung anstellen und ihrerseits nachprüfen, ob die Voraussetzungen des § 77 SGB VI vorliegen (zugunsten des Versicherten wäre sie freilich daran auch nicht gehindert). Im vorliegenden Fall ist es nicht streitig, dass der Kläger eine ungekürzte Altersrente von der Bundesknappschaft erhält. Sein Zugangsfaktor ist tatsächlich nicht nach § 77 SGB VI gemindert. Das allein ist maßgebend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO) liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab. Der Sache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Um eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (BGHZ 151, 221; BGH NJW 2003, 2319) handelt es sich nicht. Es ist nicht entscheidend, ob eine Fallkonstellation wie sie diesem Rechtsstreit zugrunde liegt, durchaus häufiger vorkommen mag. Die Zahl der Fälle müsste vielmehr so groß sein, dass die Gefahr auseinanderlaufender Entscheidungen von Instanzgerichten nicht erträglich wäre. Davon kann hier aber keine Rede sein. Wie die Beklagte nunmehr selbst einräumt, sind sich vielmehr die unterschiedlichen Gerichte (einschließlich des Schiedsgerichts der VBL) im Ergebnis einig. Unterschiedliche Begründungen sind aber nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hinreichender Anlass, einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Auch liegt insoweit kein Fall vor, bei dem die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs.2 Nr. 2 ZPO) die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Senat hat allerdings erwogen, ob die grundsätzliche Bedeutung zu bejahen sein könnte wegen möglicher über die konkrete Fallkonstellation hinausreichender Konsequenzen, nämlich die generelle Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel auf Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalten. Auch dies hat der Senat allerdings letztlich verneint. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einerseits zur Frage der Einstufung von Satzungsbestimmungen als allgemeine Versicherungsbestimmungen, andererseits zur Anwendbarkeit der Unklarheitenregel auf Versicherungsbedingungen ist derart gefestigt und unangefochten, dass die vom Senat gezogenen Konsequenzen für die Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalten nur folgerichtig sind und auf der Hand liegen. Dass es Fallkonstellationen geben könnte, bei denen dieser Grundsatz zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen führen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen und mag künftiger Rechtsprechungsentwicklung vorbehalten bleiben.

Streitwert: 709,50 €. Maßgeblich ist nach § 42 Abs.3 GKG der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung, allerdings nur, soweit er im Streit ist. Der Kläger begehrt eine Rente von 276,33 € anstelle der gewährten 259,83 €. Er streitet also wegen einer Differenz von 16,50 € monatlich. Der dreifache Jahresbetrag beträgt 594.- €. Hinzu kommen nach § 42 Abs.5 GKG die Rückstände bis zur Einreichung der Klage (7 Monate).

Ende der Entscheidung

Zurück