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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 5 U 249/02
Rechtsgebiete: BGB, BÄrzteO


Vorschriften:

BGB § 134
BÄrzteO § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 249/02

Anlage zum Protokoll vom 16.7.2003

Verkündet am 16.7.2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rosenberger, den Richter am Oberlandesgericht Mangen und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schmitz-Pakebusch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 31.7.2002 - 25 O 191/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Allen Parteien wird gestattet, eine Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Erbin ihres am 20.5.1995 verstorbenen Ehemannes und macht als dessen Rechtsnachfolgerin Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) als Erbin ihres zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen Ehemannes, einem Heilpraktiker, geltend.

Bei dem Ehemann der Klägerin (Jahrgang 1952) wurde im September 1992 bei stark ansteigender Leukozytenzahl und vergrößerter Milz eine Leukämieerkrankung festgestellt. Daraufhin erfolgte ab Oktober 1992 eine zytostatische Behandlung, woraufhin es bis Juni 1993 zu einem deutlichen Abfall der Leukozytenzahl bis in den Normbereich kam und ein unauffälliges Differenzialblutbild erhoben wurde, das Befinden des Erblassers verbesserte sich, und er war körperlich gut belastbar. Nach Gabe von Interferon Alpha sowie von Litalir stabilisierte sich das Blutbild. In den Jahren 1993 und 1994 wurde versucht, einen geeigneten Spender von Knochenmark zu finden, was jedoch erfolglos blieb. Im Februar 1994 besuchte der Ehemann der Klägerin, nachdem er schon zuvor ein vom Beklagten zu 1) verfasstes Buch mit dem Titel "D.n.M." gelesen hatte, einen Vortrag des Beklagten zu 1) in der B. Stadthalle. Am 27.4.1994 sowie ferner Anfang November 1994 und Ende Februar 1995 ließ der Ehemann der Klägerin ein craniales Computertomogramm erstellen, welches für den Beklagten zu 1) im Rahmen der von ihm befürworteten neuen Medizin ein besonders wichtiges diagnostisches Mittel ist. Ende April 1994 wurde anlässlich eine Sonogramms eine Rückbildung der Milzgröße festgestellt. Mitte Juni 1994 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten zu 1) in K.: im Oktober 1994 verschlechterte sich der Zustand des Ehemannes der Klägerin, die Milzvergrößerung nahm wieder zu, ebenfalls stieg die Leukozytenzahl an, es kam zu Schweißausbrüchen und Leistungsabfall.

Am 13.1.1995 war der Erblasser, der zuvor die Einnahme von Interferon Alpha eingestellt hatte, zu einer Kontrolluntersuchung in den Krankenanstalten in B.. Dort wurde ihm dringend zur Einnahme der Medikamente Litalir und Interferon Alpha geraten, anderenfalls seine Lebenserwartung nur noch kurz sei. Am Freitag, dem 13.1. und Samstag dem 14.1.1995 nahm der Kläger die Medikamente wie verordnet ein, ab dem 15.1.1995 hingegen die beiden vorgenannten Medikamente nicht mehr, obwohl er auch von seinem Hausarzt Dr. B. eindringlich hierzu aufgefordert worden war. Mitte Januar 1995 nahm der Erblasser an einem Seminar des Beklagten zu 1) in B. H. teil. Anfang des Jahres 1995 verschlechterte sich das Befinden des Erblassers; die Leukozytenzahl nahm weiter zu, die Milz vergrößerte sich massiv, und es kam zu einer dadurch bedingten Einflussstauung. Eine stationäre Behandlung lehnte der Erblasser ab.

Im April 1995, als der Erblasser sich schon in einem sehr schlechten Allgemeinzustand befand, rief die Klägerin den inzwischen verstorbenen Ehemann der Beklagten zu 2), von Beruf Heilpraktiker, an und bat um Hilfe. Dieser suchte den Ehemann der Klägerin auf und empfahl ein homöopathisches Medikament, ferner lieh er dem Ehemann der Klägerin einige Tage später ein Gerät zur Inhalation von Sauerstoff.

Nach einem Kreislaufkollaps Anfang Mai 1995 wurde der Erblasser am 20.5.1995 notfallmäßig in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er nach ungefähr drei Stunden verstarb.

Die Klägerin hat von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz begehrt; sie hat dem Beklagten zu 1) vorgeworfen, ihrem Ehemann von einer Fortsetzung der Chemotherapie abgeraten zu haben; ihr Mann habe sich zwar die ihm von dem ihn in B. behandelnden Onkologen Dr. L. verordneten Medikamente rezeptieren lassen, diese Rezepte auf Anraten des Beklagten zu 1) jedoch nicht eingelöst und die Medikamente auch nicht eingenommen. Durch sein Abraten von schulmedizinischer Behandlung habe der Beklagte zu 1) den Erblasser von der Fortführung der bis dahin erfolgreich durchgeführten Behandlung abgehalten und dadurch seinen Tod jedenfalls mitverschuldet.

Der Beklagte zu 2) habe als örtlicher Vertreter des Beklagten zu 1) nicht die sofortige Einweisung in eine Klinik und die Behandlung mit entsprechenden Mitteln zur Krebsheilung empfohlen.

Die Beklagte hat beantragt,

I.

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Geldrente in Höhe von 1.623,- DM, beginnend mit dem 01.06.1998 jeweils im voraus zum jeweiligen 1. eines Monats bis zum 01.01.2017 zu bezahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin die rückständige Geldrente in Höhe von 1.623,- DM für die Monate vom 01.06.1995 bis zum 01.06.1998 zu bezahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin im Wege des Schadensersatzes die Bestattungskosten in Höhe von 17.364,- DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen;

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren über die Anträge zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. hinausgehenden materiellen und immateriellen Schäden und Unterhaltsschäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

II.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 50.000,-. DM, für den Zeitraum vom 01.10.1994 bis 20.05.1995 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen, der Ehemann der Klägerin habe ihn nicht als Arzt und Behandler, sondern als Wissenschaftlicher und Begründer der neuen Medizin aufgesucht; eine ärztliche Behandlung sei nicht erfolgt. Auch eventuelle Äußerungen zu einem ihm vorgelegten CCT seien nur als wissenschaftliche Tätigkeit erfolgt, nicht als eine Einzelfallbehandlung. Jedenfalls sei ein denkbare Behandlung nicht fehlerhaft erfolgt. Der Tod des Erblassers beruhe jedenfalls nicht auf eine Behandlung durch den Beklagten zu 1); der Erblasser habe die Entscheidung über die Art seiner Behandlung selbst und eigenverantwortlich getroffen.

Die Beklagte zu 2) hat vorgetragen, ihr verstorbener Mann habe den Erblasser nicht behandelt, sondern nur aus Gefälligkeit geholfen; er habe auch nie eine Rechnung geschrieben. Eine Behandlung der Leukämie habe der Erblasser nicht gewünscht. Im übrigen sei dieser bereits unheilbar krank gewesen, als er ihren verstorbenen Ehemann erstmals aufgesucht habe.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. N. hat das Landgericht durch Urteil vom 31.7.2002, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Beklagten zu 1) und dem Versterben des Erblassers habe nicht festgestellt werden können; der Erblasser habe die Einnahme der Zytostatika bereits vor Aufsuchen des Beklagten zu 1) eingestellt gehabt. Dies gelte auch hinsichtlich des Beklagten zu 2).

Gegen dieses am 19.8.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.9.2002 Berufung eingelegt und diese am 10.12.2002, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tage, begründet. Die Klägerin greift das klageabweisende Urteil unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlichen Anträge an. Sie rügt fehlerhafte und unvollständige Tatsachenfeststellung sowie Rechtsfehler. Sie rügt insbesondere als fehlerhaft, dass das Landgericht eine Einstellung der Tabletteneinnahme durch den verstorbenen Ehemann der Klägerin schon vor den ersten Kontakten mit dem Beklagten zu 1) angenommen und hierauf seine Argumentation gestützt habe. Tatsächlich habe es damit den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin nicht zutreffend ausgewertet und hätte in jedem Fall, soweit es hierauf abstellen wollte, der Klägerin entsprechende Hinweise erteilen müssen, in welchem Fall eine eingehendere Sachdarstellung erfolgt wäre. Tatsächlich habe ihr verstorbener Ehemann seinen anfänglichen Entschluss, die Einnahme der Zytostatika einzustellen, nicht aus eigener Initiative, sondern nach einer ersten Lektüre von Schriften des Beklagten zu 1) getroffen und sei hieran dann anschließend nach persönlichem Kontakt zu dem Beklagten zu 1) immer wieder durch diesen bestätigt und angehalten worden.

Auch der Beklagte zu 2) habe es fehlerhaft verabsäumt, dem Ehemann der Klägerin eine sofortige stationäre Behandlung im April 1995 dringend anzuempfehlen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach ihren Schlussanträgen in erster Instanz zu erkennen,

hilfsweise das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 31.7.2002 aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und halten die Vorwürfe einer fehlerhaften Behandlung für nicht gerechtfertigt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht Schadensersatzansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten verneint.

1. Ansprüche gegen den Beklagten zu 1.

a) Die Klägerin kann ihre Ansprüche nicht mit Erfolg auf den Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§§ 847 a.F., 844, 823 BGB) stützen. Der Beklagte hat schadensrechtlich für den Tod des Erblassers nicht einzustehen.

Der Erblasser ist an den Folgen einer erstmals im Jahre 1992 bei ihm diagnostizierten, vom Beklagten nicht zu verantwortenden Leukämieerkrankung verstorben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. N. wäre der Erblasser allerdings bei Fortführung der schulmedizinischen Behandlung (Interferontherapie) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht (schon) im Mai 1995 infolge seiner Erkrankung verstorben, so dass der Abbruch der schulmedizinischen Behandlung und die Weigerung, diese wiederaufzunehmen, mit eben diesem Wahrscheinlichkeitsgrad das konkrete Schadensereignis (Tod des Erblassers im Mai 1995) mitverursacht haben. Diese Mitursache hat der Beklagte im Rechtssinne indessen nicht zu verantworten. Sie beruht auf der freien Willensentscheidung des Erblassers.

Freilich schuldet der Arzt seinem Patienten Behandlung nach dem Facharztstandard. Er muss die Maßnahmen ergreifen bzw. unterlassen, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft geboten sind, wozu auch die entsprechende Beratung des Patienten gehört. Jedes Abweichen kann eine Haftung auslösen, und zwar vertraglich und deliktisch, letzteres wegen der durch die Übernahme der Behandlung ausgelösten Garantenstellung. Beschränkt sich die Behandlung auf eine Beratung des Patienten wegen einer Erkrankung, deren Heilbarkeit fraglich ist und dessen Therapiemöglichkeiten ständig Veränderungen unterliegen, ist es dem Behandler nicht verwehrt, auch auf von ihm bevorzugte Außenseitermethoden zu verweisen, selbst wenn sie der Schulmedizin eklatant widersprechen und keine nachweisbaren Heilerfolge aufweisen können. Maßgebend ist allerdings, dass der Patient umfassend informiert wird (ist), und er seine Entscheidung in freier Willensbestimmung treffen kann. Dies folgt daraus, dass der umfassend Aufgeklärte in freier Selbstbestimmung auch jegliche Behandlung ablehnen könnte, um sich "seinem Schicksal zu fügen". Ob der Arzt auch absurd anmutende Methoden anraten darf ("Scharlatanie"), kann haftungsrechtlich dahin stehen, weil aufgrund der freien selbstbestimmten Entscheidung des Patienten der Zurechnungszusammenhang fehlt. Zwar kommt eine Haftung auch in Betracht, wenn der Schaden auf einen Willensentschluss des Verletzten beruht; Voraussetzung ist aber, dass der Schaden nach Art und Entstehung nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt und unter den Schutzzweck der Norm fällt (vgl. Palandt-Heinrichs, 62. Aufl., Vorbem. v. § 249 Rdn. 77). An letzterem fehlt es, denn die dem Arzt auferlegten Pflicht bezwecken nicht, den Patienten von jeglichen schädlichen Folgen einer selbstbestimmten Entscheidung freizustellen.

Daraus folgt für den Streitfall:

Zwar folgt die Garantenstellung des Beklagten nicht aus einem Behandlungsvertrag mit dem Erblasser. Ein etwa geschlossener Vertrag, der übrigens auch bei Verzicht auf Vergütung anzunehmen wäre (vgl. BGH NJW 77, 2120), wäre nach § 134 BGB nichtig, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstieße. Dem Beklagten fehlte nämlich die nach § 2 BÄrzteO zwingend erforderliche Approbation (vgl. OLG Düsseldorf NJW 88, 2308). Sie folgt aber aus der tatsächlich übernommenen Heilbehandlung des zum Arzt ausgebildeten und früher als Oberarzt tätig gewesenen Beklagten. Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinischen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung abzielt, wobei die Begriffe ärztliche Leistung und medizinische Krankenpflege in weitestem Sinne zu verstehen sind (vgl. BGH VersR 96, 1224, 1225). Die unter Auswertung der Computertomographien erfolgte Beratung des Erblassers ist dem zuzuordnen.

Gleichwohl haftet der Beklagte nicht für die nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N. eindeutig fehlerhafte Beratung (Gutachten vom 07.04.00, S. 9 [Bl. 273 d.A.]).

Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin bereits seit der ersten Diagnose seiner Leukämieerkrankung in der konstanten Behandlung von Schulmedizinern war, die die schulmedizinisch übliche Therapie mit Zytostatika eingeleitet und über einen gewissen Zeitraum auch beim Ehemann der Klägerin durchgeführt hatten; unstreitig hatte diese schulmedizinische Behandlung beim Erblasser initial auch zu guten therapeutischen Erfolgen und zu einer umfassenden Verbesserung des Krankheitsbildes geführt. Dem Erblasser stand demzufolge deutlich vor Augen, dass und welche schulmedizinsche Therapie im Hinblick auf seine Erkrankung angezeigt und auch mit Erfolg praktiziert worden war und praktiziert werden konnte. Wenn er sich demzufolge nach der ersten Lektüre eines Buches des Beklagten zu 1) und weiter nach ersten Kontaktaufnahmen zu diesem dazu entschloss, die schuldmedizinische Behandlung einzustellen, die ihm verordneten Medikamente nicht mehr einzunehmen und zur Behandlungssystematik der "neuen Medizin" zu wechseln, so handelte es sich hierbei um den freien Entschluss eines umfassend aufgeklärten und informierten Patienten, den dieser in eigener Verantwortung und Entscheidungsfreiheit treffen konnte. Der behauptete wiederholte Rat des Beklagten zu 1), sich von der Schulmedizin abzuwenden und sich den Behandlungsmethoden der neuen Medizin zu unterwerfen, war demzufolge im Rechtssinne nicht kausal für den Schadenseintritt. Vielmehr beruhte dieser auf der freien und eigenverantwortlichen Entscheidung des Erblassers. Dass dieser bis zum tödlichen Ausgang seiner Erkrankung voll informiert war, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass ihn die schulmedizinisch behandelnden Ärzte unstreitig wiederholt darauf hingewiesen haben, dass er unbedingt die ihm verordneten Zytostatika einnehmen müsse, weil anderenfalls mit einem alsbaldigen Todeseintritt gerechnet werden müsse; diese Hinweise der Schulmediziner sind an den Erblasser unstreitig insbesondere auch noch in einem Zeitraum ergangen, als sich aufgrund der Aufgabe der schulmedizinischen Behandlung sein Zustand wieder massiv verschlechtert hatte, die Leukozytenzahl wieder dramatisch angestiegen war und die Milzvergrößerung ebenfalls dramatische Ausmaße angenommen hatte. Vor dem Hintergrund dieser Krankheitsentwicklung war für den Erblasser offenkundig, dass es überaus dringlich war, zu den Behandlungsmaßnahmen der Schulmedizin zurückzukehren, die immerhin in der ersten Phase seiner Erkrankung zu einer nennenswerten Verbesserung des Gesamtzustandes, der Leukozytenzahl und der Milzgröße geführt hatten. Wenn er sich gleichwohl von der schulmedizinischen Behandlung abwandte, so geschah dies in voller Erkenntnis der sich anbietenden und durchaus erfolgversprechenden Wiederaufnahme einer Behandlung nach schulmedizinischen Kriterien; wenn er sich dieser, sich ihm aufdrängenden Erkenntnis verschloss und stattdessen weiterhin den Weg der neuen Medizin beschritt, so beruhte auch dies auf seiner eigenen freien Willensentscheidung, die demzufolge allein ursächlich für den letalen Ausgang seiner Erkrankung zu einem mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar frühen Zeitpunkt war.

Die Klägerin hat auch keine plausiblen und substantiierte Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ihr Ehemann durch eine Beeinflussung seitens des Beklagten zu 1) in eine derartige psychische Abhängigkeit zu diesem geraten ist, dass er zu eigenverantwortlichen freien Entscheidungen nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Es mag durchaus sein, dass der Beklagte zu 1) seine Systematik der neuen Medizin dem Erblasser gegenüber glaubhaft und überzeugend vertreten hat; hieraus lässt sich jedoch noch keine psychische Abhängigkeit mit der Folge eines Ausschlusses einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Erblassers herleiten. Gegenteilige konkrete diesbezügliche Anhaltspunkte hat die Klägerin nicht dargelegt.

b) Nach den vorstehenden Ausführungen kommt auch keine Haftung des Beklagten zu 1) aus einem vertragsähnlichem Schuldverhältnis zu dem Erblasser in Betracht.

2. Auch die Beklagte zu 2. hat für den Tod des Erblassers nicht einzustehen. Der ursprüngliche Beklagte zu 2) hat ebenso wie die Beklagte zu 2) als seine Rechtsnachfolgerin wiederholt substantiiert behauptet, er habe den Ehemann der Klägerin nicht etwa wegen seiner Leukämieerkrankung behandelt, wozu er als Heilpraktiker auch gar nicht in der Lage gewesen sei; er habe ihm lediglich zu einem späten Zeitpunkt in einer akuten gesundheitlichen Krisensituation einige Maßnahmen zur Linderung seiner akuten Beschwerden zuteil werden lassen, nämlich die Zurverfügungstellung eines Sauerstoffgerätes sowie eines homöopathischen Medikamentes zur Schmerzlinderung. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Maßnahmen nicht als Behandlung der Grunderkrankung des Ehemannes der Klägerin gedacht sein gewesen können. Die Klägerin hat auch in keiner Weise substantiiert dargelegt, dass und inwiefern der ursprüngliche Beklagte zu 2) in eine Behandlung der Leukämierkrankung ihres Ehemannes eingebunden gewesen sein soll. Ihrem eigenen Vortrag lässt sich lediglich die Hinzuziehung des ursprünglichen Beklagten zu 2) anlässlich einer Krisensituation ca. 1 Monat vor dem Tod ihres Ehemannes entnehmen. Die Beklagte zu 2) hat hierzu ausdrücklich vorgetragen, ihr Mann habe versucht die Schmerzen des Erblassers zu lindern durch Verordnung eines homöopathischen Präperates und habe außerdem wegen der Luftnot des Erblassers ein Sauerstoffgerät zur Verfügung gestellt, im übrigen dem Erblasser dringend geraten, sich sofort in fachkundige ärztliche Behandlung zu begeben. Diesem Vortrag des Beklagten zu 2) ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten; sie hat zum einen nicht substantiiert dargelegt, dass und inwiefern ihr Ehemann den Beklagten zu 2) zwecks Behandlung seiner Grunderkrankung konsultiert hat und hat im übrigen hierzu auch keinen geeigneten Beweis angetreten, obwohl sie insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist.

Zu weiteren Hinweisen auf die Notwendigkeit einer schulmedizinischen Behandlung war der Beklagte zu 2) nicht gehalten, weil diese von dem behandelnden Schulmediziner schon erteilt worden war.

Die vorgenannten Maßnahmen, nämlich die Verordnung des homöopathischen Präparates und die Zurverfügungstellung des Sauerstoff-Inhalationsgerätes waren zweifelsfrei nicht ursächlich für den - verfrühten - Tod des Erblassers, so dass auch hinsichtlich des ursprünglichen Beklagten zu 2) keine Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.

Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708, 711 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung nicht erfordern.

Ende der Entscheidung

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